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Du bist der Tod


 
 
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rsonnberg
Gänsefüßchen
R

Alter: 64
Beiträge: 17
Wohnort: Schwerin


R
Beitrag09.10.2016 12:57
Du bist der Tod
von rsonnberg
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Der ältere Herr mit dem überdimensionalen, kunstvoll nach oben gezwirbelten Schnauzbart schlenderte über die Jannowitzbrücke und lächelte. Manchmal lüftete er seinen Tirolerhut mit einer pittoresken Grandezza, die im Ostberlin des Jahres 1988 die Damen, die er so grüßte, sich nach ihm umdrehen und verwundert tuscheln ließ. Man hätte ihn für einen überaus freundlichen Menschen halten können und das war exakt der Eindruck, den er erwecken wollte.

Er war mehr als einmal überprüft und in seinen ersten Jahren hier in Ostberlin ständig observiert worden, doch man hatte nichts gefunden, was Anlass zur Sorge gegeben hätte. Sicherlich würde er drüben Bericht erstatten, dem BND vermutlich und die CIA war dann auch nicht weit weg. Doch man achtete sehr genau darauf, was er erfuhr und erzählen konnte und den Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit, der für ihn zuständig war, brachte er nicht um den Schlaf. Schließlich ging es um Geld, um viel Geld und das hatte noch immer zuverlässiger als jeder Bohrer Mauern und Ideologien durchlöchert, egal wie dick oder überzeugend sie waren.  

Geld stank nicht, und sofern es Dollars waren, nahm man es im Westen dankend an, auch wenn es aus dem Osten kam. Der „Sozialismus“ hier war Opium für das Volk, genau wie die „soziale“ Marktwirtschaft auf der anderen Seite und so hatte man weder in Wandlitz noch in Bonn ein Problem damit, auf Leistungen und Waren des Klassenfeinds zurückzugreifen.
Deshalb sahen ihm auch die ostdeutschen Geschäftsführer der Delta Export Import GmbH sein altertümliches Gehabe nach. Sie hielten ihn für einen spleenigen Sonderling, mit dem man gut Geschäfte machen konnte, und verhandelten regelmäßig mit ihm über die Lieferung von Dingen, die in der DDR nicht an jeder Ecke käuflich waren. Dass er des Öfteren an Orten aufgegriffen wurde, an denen er nichts zu suchen hatte, war zwar ein Ärgernis, doch man wusste, dass er für sein Leben gern fotografierte. Es gab kaum eine Ecke in Ostberlin, die er noch nicht abgelichtet und die Bilder davon in irgendeiner Ausstellung im Westen präsentiert hätte.

Er lieferte immer pünktlich und seine Waren und manchmal auch seine Dienstleistungen auf zwei ausgesucht schönen Beinen, die aus Westberlin in einem verdunkelten Wagen den Eisernen Vorhang passierten, gaben selten Anlass zur Kritik. Es war eine „win-win“ Situation, wie man im Westen sagte, die beide Seiten zufriedenstellte.

Eben kam ihm ein junges Pärchen entgegen. Das kunstseidene Kleid der jungen Frau leuchtete hell im Licht der Augustsonne. Sie hielten sich an den Händen, warfen sich verliebte Blicke zu und er hob vor der Schönheit des Mädchens wieder seinen Hut. Verblüfft schauten beide ihn an, dann lachten sie, nickten ihm zu und spazierten weiter.
Er lächelte. Sie würden sich an einen Mann mit gezwirbeltem Schnauzbart und Tirolerhut erinnern, der sie auf altmodische Art und Weise gegrüßt hatte, doch weder an die Farbe seiner Augen, noch an seine Figur oder die Form seines Gesichts. Er versteckte sich hinter dem Offensichtlichen, wie es ein Arthur Conan Doyle nicht besser hätte ersinnen können.
Selbst das Wetter war auf seiner Seite. Die klare Sicht und der herrliche Sonnenschein würden dafür sorgen, dass die Fotos, die er schoss, gestochen scharf wurden. In aller Deutlichkeit würden sie den Mann zeigen, hinter dem er seit fünf Jahren her war.

Doch was bedeutete schon Zeit? Die CIA hatte nicht nur einen langen Arm, sondern auch ein langes Gedächtnis. Und sie vergab nie.

Unmerklich beschleunigte er seine Schritte. Er hatte einen Mord vorzubereiten und dazu wollte er nicht zu spät kommen.

Nirgendwo war es einfacher, andere ungestört zu beobachten und selbst nicht aufzufallen als in einer möglichst großen Ansammlung von Menschen. Wenn Sie unerkannt bleiben wollen, wenn Sie in Gefahr sind oder sich verstecken müssen - gehen Sie dahin, wo viele Menschen sind.

Robert erinnerte sich nur zu gut an dieses Prinzip seiner Ausbildung, auch wenn sie schon lange zurücklag und genau darum hatte er dieses Straßenkaffee gegenüber dem Berliner Dom für ihr Treffen gewählt. Die Tagesbesucher aus Westberlin drängelten sich auf der Liebknechtbrücke und hielten die Fotoapparate schussbereit, als seien es Waffen. Wie Schafe auf der Suche nach Nahrung auf einer friedlichen Wiese wimmelten sie durcheinander und dachten an keine Gefahr. Schon gar nicht daran, dass es Wölfe in Schafspelzen unter ihnen geben könnte.

Er drehte seinen gelben Korbstuhl ein wenig mehr zur Seite, damit ihm die Nachmittagssonne nicht direkt ins Gesicht brannte, und musterte durch die dunklen Gläser seiner Brille unauffällig die Gäste an den anderen Tischen. Niemand schien von ihm mehr als nötig Notiz zu nehmen und das er mit seinen breiten Schultern und der grauen Kurzhaarfrisur des Öfteren vor allem von Frauen eines gewissen Alters mit Blicken gestreift wurde, kannte er. Noch immer sah man ihm den ehemaligen Militär an und sein kantiges, wie gemeißelt wirkendes Gesicht mit den harten Kanten tat ein Übriges dazu.
Er lehnte sich entspannt zurück und bestellte einen Kaffee. Mit nur einem Mundwinkel lächelnd, blickte er der sich auf schlanken, wunderbar braunen Beinen entfernenden jungen Bedienung hinterher.

Ein Hauch von Kamille wehte ihm in die Nase. Eine Sekunde später schlangen sich zwei Arme von hinten um seinen Hals und weiche Lippen flüsterten an seinem Ohr: „Du schaust also anderen Frauen auf die Beine, wenn ich nicht da bin. Findest du das in Ordnung?“

Er hatte ihre Schritte längst gehört, niemand kam von hinten an ihn heran, ohne dass er es bemerkte. Sein Lächeln erreichte auch den zweiten Mundwinkel und regungslos genoss er die Berührung der zarten Hände. „Warum nicht? Es waren doch schöne Beine. Fast so schön wie deine!“

„Schmeichler!“

Kerstin lachte, nahm die Hände von seinem Gesicht, küsste ihn auf die Wange und nahm ihm gegenüber Platz. Für einen Moment war er versucht, aufzustehen und sie in die Arme zu nehmen. Rechtzeitig genug erinnerte er sich, dass sie das nicht in der Öffentlichkeit mochte und er respektierte ihren Wunsch, auch wenn es ihm schwerfiel.

Sie öffnete ihren Wollblazer und zupfte das Sommerkleid mit den karmesinroten Kamelien darunter über den schmalen Knien zurecht. „Wie war deine Fahrt?“

Ihre Stimme klang nicht so frisch, wie er sie in Erinnerung hatte. Müdigkeit schwang darin und noch etwas anderes. Vielleicht war es die Nachmittagshitze. „Wie immer. Von Schwerin nach Berlin ist ja nun keine Weltreise, der Wartburg tut seinen Dienst und am Sonntag ist die Autobahn leer. Bei diesen Sommertemperaturen fahren die Leute eher von Berlin an die Ostsee als andersherum.“

„Die, die es sich leisten können und ein Auto haben.“

Sie bestellte einen Schoppen Erlauer Stierblut und er zog die Stirn kraus. Nachdenklich schaute er in ihr schmales, halb hinter einer Sonnenbrille mit sehr dunklen Gläsern verborgenes Gesicht. „Magst du nicht lieber Kaffee oder Wasser trinken?“
„Stört es dich, dass ich Rotwein trinke?“

Er zuckte die Schultern. „Nein, natürlich nicht.“

„Warum fragst du dann?“

„Bei dieser Hitze wirst du von dem schweren Rotwein Kopfschmerzen bekommen.“

„Ich dachte immer, ich wäre die Ärztin. Hast du in den 14 Tagen, die wir uns nicht gesehen haben, Medizin studiert?“
Ihre Frage hatte gereizt geklungen und er fragte sich, was für einen Grund es dafür geben mochte. Er hasste offene Fragen. „Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“

Sie antwortete nicht, sah stattdessen mit verkniffenen Lippen an ihm vorbei und so schwiegen beide, bis die Kellnerin mit den schönen Beinen den Rotwein brachte. Kerstin griff zum Glas, als sei sie am Verdursten, besann sich aber unter seinem Blick und trank betont genussvoll die blutrote Flüssigkeit.

Er betrachtete sie unauffällig. Dort, wo die schwarzen Locken, die ihr schmales Gesicht einrahmten, aus der Kopfhaut wuchsen, zeigte sich Grau und die Fältchen um ihren Mund gruben sich immer tiefer ein. Sie trug keinen Schmuck, nicht einmal eine Armbanduhr und etwas sagte ihm, dass das alles Anzeichen waren - aber wofür?

Der Sonnenschirm über ihrem Tisch spendete ausreichend Schatten, trotzdem nahm sie die Sonnenbrille mit den übergroßen Gläsern nicht ab und er wusste, warum. Es war der gleiche Grund, aus dem sie sich in einer anonymen Menschenmenge trafen. Ein Hotel kam nicht in Frage, denn dazu hätten sie ihre Personalausweise vorzeigen und sich registrieren lassen müssen. Er wusste besser als die meisten anderen Menschen in der DDR, wo solche Nachweise aufbewahrt wurden und wer sie bei Bedarf benutzte. Für Knutschen in dunklen Ecken waren sie zu alt und so blieb ihnen nur die Öffentlichkeit oder das Auto, wie immer.

Er hasste diese Heimlichtuerei. Sie waren keine Verbrecher, keine Menschen, die sich verstecken mussten - und doch taten sie es. Sie waren nur ein Mann und eine Frau, die sich liebten und dass Kerstin nicht mit ihm, sondern mit Generalleutnant Wiesen verheiratet war und Angst hatte, machte alles so kompliziert. Trotzdem hätte er gerne ihre Augen gesehen, hätte gerne gewusst, ob noch immer dieses Funkeln in ihnen blitzte, wenn sie ihn anschaute.

Sie stellte das Rotweinglas wieder auf den Tisch und umklammerte es mit den Händen, die so zärtlich zu ihm sein konnten, als müsste sie sich daran festhalten. „Also, warum hast du gefragt?“

„Um überhaupt etwas zusagen.“ Die Antwort platzte wie von selbst aus ihm heraus. Aber die spöttische Erwiderung, die er erwartet hatte, kam nicht. Stattdessen nahm Kerstin mit einer langsamen Bewegung die Sonnenbrille ab und er erschrak über den Ausdruck in ihrem ungeschminkten Gesicht. Die Fröhlichkeit und der Schalk, die ihm immer daraus entgegengeleuchtet hatten, waren dem gewichen, das er gespürt hatte in dem Moment, in dem Sie an seinen Tisch gekommen war und für das er keinen Namen hatte.

Für eine Sekunde blendete ihn eine Sonnenspiegelung. Es konnte eine Autoscheibe gewesen sein oder ein Fenster, das geöffnet wurde. Er wartete einen Moment, dann drehte er ein wenig seinen Kopf. Nicht so weit, dass er direkt in die Richtung blickte, denn dass hätte einem Beobachter verraten, dass er entdeckt worden war. Dann hob er scheinbar entspannt die Kaffeetasse zum Mund und fixierte für einen Moment aus den Augenwinkeln den vielleicht zwanzig Meter entfernt stehenden Mann mit dem Tirolerhut. Er lehnte am Geländer, dass das Spreeufer und den Anlegesteg von dem Bereich des Kaffees trennte und fotografierte mit einer Kamera mit einem auffallend großen Objektiv den Berliner Dom. Vielleicht war es nur Tourist oder ein Fotograf, der hier nach Motiven für eine Postkartenserie suchte. Möglich, dass er sich gedreht hatte und die Linse des Teleobjektivs die Sonnenstrahlen in dem Sekundenbruchteil gespiegelt hatte, als sie auf Robert und Kerstin gerichtet gewesen war. Vielleicht.

Ruhig setzte Robert die Kaffeetasse wieder ab, schaute Kerstin an und die Müdigkeit in ihrem Gesicht tat ihm weh. Er griff nach ihrer Hand. „Warum verlässt du ihn nicht und kommst endlich zu mir nach Schwerin?“

„Das haben wir schon x-mal durchgekaut. Warum fängst du wieder davon an?“

„Weil du irgendwann einmal eine Entscheidung treffen musst!“

Sie hob den Kopf und schaute ihn an. „Ich habe hier zu viele Verpflichtungen, weißt du? Und mein Mann würde es nicht verstehen. Es würde seiner Karriere schaden und das will ich ihm nicht antun.“

„Ich wollte nicht die Presseerklärung für das Neue Deutschland. Warum sagst du mir nicht den wahren Grund?“
„Willst du damit sagen, dass ich dich anlüge?“ Ihre Stimme klang scharf.

Die beiden Frauen am Nachbartisch hoben die Köpfe, er legte ihr die Hand auf den Unterarm und senkte die Stimme. „Wann hast du zum letzten Mal in einen Spiegel geschaut? Du siehst müde aus, vernachlässigst dein Äußeres, hast aufgehört, deine Haare zu färben, lässt dich gehen, und falls du denkst, dass ich das Zittern deiner Hände nicht gesehen habe, hast du dich getäuscht. Du quälst dich selbst und nicht ich belüge dich, sondern du dich. Du gehst an deiner Ehe kaputt! Warum tust du dir das an? Warum tust du mir das an, verdammt nochmal?“

Sie zischte ihn an. „Was tue ich dir denn an? Du gondelst gemütlich von Schwerin nach Berlin, machst dir ein schönes Wochenende mit mir, und wenn du nach Hause kommst, ist da niemand, den du anlügen musst. Ich habe eine Verpflichtung gegenüber meinen Patienten und noch immer gegenüber meinem Mann. Eine Verantwortung. Kennst du das Wort überhaupt? Du verstehst nichts, gar nichts!“

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie senkte den Kopf und wühlte in ihrer Handtasche herum.

„Oh doch, ich verstehe sehr gut. Es ist ja so schön bequem, an der Seite eines einflussreichen Mannes zu leben und nebenbei ein bisschen die erfolgreiche Ärztin zu spielen. Dass was du hast, ist dir sicher und was du mit mir bekommst, weißt du nicht. Was könnte denn noch schlimmer werden? Ihr teilt doch nur noch euer Haus und nicht das Bett - zumindest behauptest du das. Wie lange willst du dich noch quälen? Für seine Karriere braucht dich dein Mann nicht mehr, die kann niemand in der DDR mehr aufhalten und es ist das Einzige, was ihn interessiert. Du bist nur eine hübsche Staffage für ihn.“

„Du scheinst meinen Mann ja sehr gut zu kennen. Aber du weißt nicht, wie rachsüchtig er sein kann. Er würde damit leben können, dass ich einen Geliebten habe. Vielleicht ahnt er das sogar. Aber wenn ich ihn deinetwegen verlasse, würde ich ihn vor allen Leuten bloßstellen und es gibt nichts, was er mehr hasst. Er hat fast unbegrenzte Mittel und Möglichkeiten. Nichts würde ich lieber tun, als ihn zu verlassen, glaub mir. Es ist mir egal, ob ich in einem Berliner oder in einem Schweriner Krankenhaus arbeite, aber ich habe Angst davor, was dann mit dir passieren wird. Ich will nicht, dass mich jedes Mal, wenn du aus dem Haus gehst, und bei jeder Entscheidung, die du triffst, die Angst quält. Ich will nicht, dass irgendwann zwei Männer vor unserer Tür stehen und dich mitnehmen!“

Die Antwort hatte sachlich klingen sollen, aber ihre Hände, die sich so fest um den Stiel des Weinglases krampften, dass die Adern auf den Handrücken hervortraten, erzählten ihm etwas anderes. So oft hatte er ihr erklärt, dass er sich sehr gut selbst schützen konnte, aber genauso gut hätte er gegen eine Wand reden können. Er hätte jetzt gerne etwas zerschlagen oder auf mit der Faust auf den Tisch gedroschen, doch damit löste er ihr Problem nicht. So zwang er sich zur Ruhe und sagte nur: „Du wirst dir wehtun, wenn du das Weinglas noch heftiger drückst.“

Sie senkte den Blick auf ihre Hände. „Dir entgeht auch nichts.“

Der Mann mit dem Tirolerhut hatte genug fotografiert und ließ sich ein paar Tische weiter nieder. Robert hielt eine Hand vor die Augen, als blendete ihn die Sonne und rückte seinen Stuhl ein wenig zur Seite, so dass er dem Mann den Rücken zudrehte und ihm den Blick auf Kerstin versperrte. Wahrscheinlich sah er Gespenster, schließlich waren sie hier nicht im Westen, aber etwas war an dem Mann, dass sämtliche Alarmglocken in ihm klingeln ließ.  Robert konzentrierte sich wieder auf Kerstin und antwortete leise: „Nein, mir entgeht tatsächlich nichts. Dafür wurde ich einmal ausgebildet. Außer vielleicht mein Leben mit dir.“

Kerstin hatte nicht nur ihr Taschentuch gefunden und ihre Tränen getrocknet, sondern auch ihre Fassung wiedergewonnen - zumindest schien es ihm so. Sie lächelte ihn an, doch es war nicht das Lächeln, mit dem sie sein Herz im Sturm erobert hatte. Mutlosigkeit lag darin und etwas wie eine Bitte um Verzeihung.

Er schüttelte den Kopf. Sie hatten so oft darüber gesprochen und jedes Mal endete die Diskussion hier. Er räusperte sich. „Natürlich ist Schwerin ein Provinznest gegen die Weltstadt Berlin und du würdest bei mir sicher vieles vermissen. Das kann ich schon verstehen.“ Jetzt klang auch in seiner Stimme Bitterkeit.

Statt erneut zornig zu werden, fasste Kerstin nach seiner Hand auf dem Tisch. „Bitte, Robert. Du weißt, dass das nicht der Grund ist. Ich liebe dich und darum ist es mir egal, dass Schwerin nur ein Theater hat und dass ich dort keine Freunde habe.

„Warum glaubst du mir dann nicht, dass uns nichts passieren kann? Willst du dein ganzes Leben in Angst neben deinem General verbringen?“

„Er ist nicht mein General! Als wir heirateten, war er Oberst und ein sehr charmanter Mann. Dann eröffnete sich ihm der Weg zur Macht und die hat ihn verändert. Er ist nicht mehr der Mann, den ich einmal geheiratet habe. Und selbst wenn du Recht hättest - ich rede hier von Gefühlen wie verletztem Stolz, von betrogen werden, von Gesichtsverlust und von allem, was aus einem Mann einen Berserker macht. Stell dir vor, jemand würde ihm ein Foto von uns auf den Schreibtisch legen - keine vierundzwanzig Stunden später würdest du abgeholt werden. Und das ist die Antwort auf deine Frage - wenn es sein muss, würde ich bei ihm bleiben. Das wäre mir zehnmal lieber, als jeden Tag Angst um dich haben zu müssen. Hast du auch einmal an deinen Sohn gedacht?“

Natürlich hatte Robert das. Aber Sven war über achtzehn und damit nicht nur wahlberechtigt, sondern vor allem selbst verantwortlich für sein Leben. Und darauf bestand er auch. Er besaß das gleiche Kleiderschrankkreuz wie sein Vater und ließ sich von Robert nichts mehr befehlen.

„Sven ist alt genug, auf sich selbst aufzupassen und die fast anderthalb Jahre, die er jetzt schon bei der Armee ist, haben ihn endgültig erwachsen werden lassen. Außerdem leben wir nicht mehr im Mittelalter, sondern im Sozialismus. Wir bestrafen die Sünden der Eltern nicht mehr bis in die dritte Generation.“

Er hielt dem Blick von Kerstin stand, aber sein Lächeln fand kein Echo in ihrem Gesicht. Sie beugte sich vor und senkte die Stimme. „Bist du dir da ganz sicher? Ich erinnere mich an eine Freundin, die nicht Medizin studieren durfte, weil ihre Eltern Akademiker waren und damit nicht aus der Arbeiterklasse kamen.

Robert winkte ab. „Das ist etwas ganz anderes. Jeder Staat schützt seine Machtstruktur und wir tun das auch. Doch niemand kann unseren Apparat für persönliche Rachefeldzüge benutzen. Selbst wenn, würde dein Mann sich zwischen seiner Karriere und einer schwachsinnigen Rache, die du ihm andichtest, entscheiden müssen. Sein Ziel hat einen Namen und der ist Armeegeneral. Davon lässt er sich durch nichts und niemand abbringen. Jetzt hör auf, dir solche Schauermärchen einzureden!“

Die letzten Worte stieß er laut hervor und Kerstin schaute sich erschrocken auf der Terrasse um. Niemand schien von ihrem Gespräch Notiz genommen zu haben. Dann drehte sie sich wieder zu Robert und fragte so leise, dass er es fast überhört hätte: „Wer ist ‚Wir‘?“

„Was?“ Er sah ihre Augen hinter den Brillengläsern nicht, doch plötzlich erschien ein Ausdruck in ihrem Gesicht zu sein, der ihm überhaupt nicht gefiel.

Sie wiederholte, lauter diesmal: „Ich will wissen, warum du von der Regierung und dem, was sie tut, als ‚Wir‘ sprichst. So reden nur Leute, die dazugehören!“

Robert öffnete den Mund, um zu antworten, doch sie hob abwehrend die Hand. „Du hast mir gesagt, dass du an einem Schreibtisch arbeitest. Du hast mir jedoch nie gesagt, an welchem und wo er steht, und anrufen darf ich dich da schon gar nicht. Wir haben uns in Bad Saarow das erste Mal getroffen, das ist ein Militärlazarett. Wieso bist du da behandelt worden, wenn du ein Zivilist bist? Deine Akte war so geheim, dass ich nicht in deine Vorgeschichte hineinblicken konnte und ich habe eine GVS - Einstufung! Vielleicht erinnerst du dich ja noch, dass ich deine behandelnde Ärztin war. Aber ich bin auch eine Frau, die von dem Mann, den sie liebt, ein paar Antworten haben will. Doch wo immer ich auch hinschaue, sehe ich nur Fragezeichen und weiße Flecken. Ich bin kein Backfisch mehr, der über den Schmetterlingen im Bauch die Realität vergisst!“

„Kerstin ...“

„Ich muss zur Toilette!“

Mit zuckenden Schultern ging sie davon, ins Innere des Kaffees und Robert dachte zurück an den Moment, als sich diese Frau mit dem herzförmigen Gesicht und den sanften braunen Augen, die ihn eben voller Zorn angefunkelt hatten, das erste Mal über ihn gebeugt hatte.

Er war mit einer bösen Toxoplasmose, die er zu lange ignoriert hatte, in Bad Saarow eingeliefert worden. Als wäre es nur Sekunden zuvor geschehen, fühlte er noch immer den sanften Druck ihrer zarten Finger, mit dem sie einen der geschwollenen Lymphknoten an seinem Hals abgetastet hatte. Eine Locke war ihr dabei ins Gesicht gerutscht und das scheue Lächeln, mit dem sie die widerspenstige Haarsträhne wieder eingefangen und auf die Schulter geworfen hatte, würde er nie vergessen.

Das war vor einem Jahr gewesen. Seitdem fuhr er, wann immer er es einrichten konnte, nach Berlin, in der Hoffnung, sie für ein paar Stunden zu treffen und ihr nahe sein zu können. Manchmal verstand er sich selbst nicht, schließlich war er vierundvierzig Jahre, Kerstin nicht seine erste Liebe und aus dem Verliebtheitsfeuer der Jugend sollte er längst heraus sein. Doch diese schmalgliedrige Frau hatte etwas an sich, dass ihn alles um sich herum vergessen ließ.

Ein Ausflugsdampfer tutete auf der Spree und legte an. Die Menschen gingen von Bord und winkten. Sie hatten den Sonntag und den Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Museumsinsel genossen; strömten jetzt den Steg hinauf und stauten sich an dem schmalen Durchgang vor dem Kaffee. Er schaute hinüber, ohne sie wirklich zu sehen. Was Kerstin von ihm verlangte, konnte er ihr nicht geben. Er durfte es nicht.

Sie kehrte zurück. Ruhig setzte sie sich an den Tisch, nahm ihre Sonnenbrille ab und verstaute sie in ihrer Handtasche.
Sie nahm seine Hand und sagte leise: „Bitte entschuldige. Wir haben so wenig Zeit für uns und dann streiten wir uns auch noch. Es ist nicht einfach für mich, weißt du?“

Erstaunt blickte er sie an. In ihrem Gesicht war jetzt viel Zärtlichkeit.

Sie lächelte. „Dein Sohn ist dir sehr ähnlich, weißt du das? Er ist ein großer, junger Bär und spielt gern mit Sachen. Gehen sie kaputt, sucht er sich neues Spielzeug. Streich das Adjektiv jung, addiere vierzig Jahre Erfahrung dazu, mit welchen Sachen man nicht spielen darf, hast du seinen Vater. Wenn dem nicht so wäre, hätten wir wohl kaum vor einem Jahr den Kaffee in der Kantine zusammen getrunken, der so scheußlich geschmeckt hat, dass ich mich noch immer daran erinnere.“

Ihm schmeckte der Vergleich mit seinem Sohn nicht. Er hielt sich für einen sehr verantwortungsbewussten und zielstrebigen Menschen, aber das Glitzern in ihren Augen steckte an. „Nur daran?“

„Nein, natürlich war da noch mehr. Zum Beispiel eben dieser Bär, der rot wurde, als ich das erste Mal seine Hand nahm.“
Sie lachte laut. „Welche Farbe dein Gesicht hatte, als ich dich küsste, konnte ich leider nicht sehen, weil ich die Augen geschlossen hatte. Ich wette, tomatenrot wäre eine Untertreibung.“

Er erinnerte sich sehr wohl an diese Szene. Eigentlich hatte er sich nur von dieser faszinierenden Frau verabschieden wollen, aber irgendwie war sie in seinem Arm gelandet - und dann war es zu spät gewesen. Keiner hatte es gewollt oder darauf hin gearbeitet. Sie fühlten sich nur unglaublich wohl in der Nähe des anderen und daran hatte sich in den folgenden Monaten nichts geändert. Aus „Wohlfühlen“ war brennende Sehnsucht geworden und bei ihm der Wunsch, Kerstin jeden Tag um sich zu haben, koste es, was es wolle.

Wahrscheinlich hatte Kerstin tatsächlich recht. Wenn es um sie ging, war er bereit, jede Verantwortung und jedes Karriereziel über den Haufen zu werfen. „Kerstin, ich liebe dich. Was soll ich denn tun? Ich kann mir nicht vorstellen, ohne dich zu leben - verstehst du das?“

Er schaute der Frau, die er liebte, in die Augen, und als sie nur nickte, seufzte er. „Und was machen wir nun?“

„Falls du unsere Lebensplanung meinst - nichts. Wir lassen alles so, wie es ist.“

Er senkte den Kopf, blickte auf seine Sandalen und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme rau vor Enttäuschung klang. „Ich meinte mit dem Rest des Nachmittags. Wann musst du wieder zu Hause sein?“

„Ich habe in einer Stunde einen Termin.“

Ihr Lachen ließ ihn wieder aufblicken. „Ich weiß nicht, was du daran so lustig findest. Ich hatte gehofft, wir hätten etwas mehr Zeit füreinander.“

Sie dachte einen Moment nach. „Naja, weißt du, mein Mann kommt erst morgen früh zurück nach Hause und ich dachte, du könntest mich zu dem Termin fahren?“

Er sah den Schalk in ihren Augen und verstand gar nichts mehr. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“

Sie kicherte wie ein kleines Mädchen. „Um genau zu sein, geht es bei dem Termin darum, dass meine Freundin für drei Tage verreist und ich auf ihre Wohnung aufpassen soll. Ich dachte mir, du würdest dir vielleicht ganz gerne mal eine Berliner Altbauwohnung von innen anschauen wollen, so für ein paar Stunden, ganz ungestört mit mir ...“

Es dauerte einen Moment, bis er verstand, was sie ihm da sagte, dann verschwand die Enttäuschung wie weggefegt aus seinem Gesicht und pures Glück ließ seine Augen strahlen. Einige Sekunden saß er regungslos da, ohne ein Wort zu sprechen. Dann stand er auf, zog die Frau, die er liebte, in seine Arme und küsste sie lange auf den Mund.

Sie drängelten sich zwischen den voll besetzten Tischen hindurch und wären dabei fast gegen den Mann mit dem Tirolerhut gelaufen, der den Ausgang der Terrasse blockierte.

Robert fragte: „Würden Sie uns bitte vorbeilassen?“

Der ältere Herr nahm ruhig die Spiegelreflexkamera mit dem Achthunderter Carl-Zeiss-Teleobjektiv vom Auge und schaute die beiden scharf an. Dann lüftete er seinen Tirolerhut vor ihnen und antwortete mit breitem bayrischen Akzent:  „Söbstvaständli, tuad ma lad, dass i sie aufghoitn hob. “

Er lächelte freundlich, die Augen halb zugekniffen, als blendete ihn die Sonne und machte einen Schritt zur Seite.

Sie gingen an ihm vorbei und Robert registrierte genau diesen Blick. Er war noch nicht lange genug aus dem Geschäft ausgestiegen, um ihn vergessen zu haben.

Auf der Liebknechtbrücke blickte er sich noch einmal um. Der Mann hatte sich in den Schatten eines Baumes gestellt, fotografierte die Museumsinsel und jeder, der ihn sah, würde das Bild eines Fotografen aus dem Westen im Kopf haben.
Nur Robert nicht, denn er hatte die kalten Augen des Mannes gesehen. Er ging in Gedanken die Szene noch einmal durch. Sie waren auf ihn zugegangen und erst da hatte er die Kamera an die Augen gehoben. Er hatte sie kommen sehen und hätte von allein aus dem Weg gehen können. Er war auch nicht einfach so zur Seite gegangen, sondern hatte bewusst darauf gewartet, dass Robert ihn ansprach und ihm dann scharf in die Augen gesehen. Erst dann hatte er einen Schritt zur Seite gemacht.

Der Mann mit dem Tirolerhut hatte diese Begegnung gewollt. Wie ein Großwildjäger, der endlich vor seinem Opfer steht, hatte er ihm ins Gesicht sehen und seine Stimme hören wollen.

Robert konnte nicht verhindern, dass seine Muskeln sich anspannten und Kerstin blickte zu ihm hoch. „Was ist?“

„Nichts.“

Es waren seine Instinkte, die ihn ihre Hand loslassen und stattdessen den Arm schützend um sie legen ließen. Sorgsam achtete er darauf, mit seiner Hand nicht ihre Haut zu berühren. Sie hätte den kalten Schweiß auf seiner Handfläche gefühlt. Er musste sich anstrengen, nicht schneller zu gehen. Ein Teleobjektiv war auf seinen Rücken gerichtet und seine Erfahrung sagte ihm, dass danach ein Gewehrlauf kommen würde.

Sie hatten nur noch wenige Schritt zu gehen bis zur Oberwallstraße, in der er seinen Wagen geparkt hatte. Er öffnete für Kerstin die Beifahrertür, wartete, bis sie Platz genommen hatte, und sagte dann leichthin: „Ich muss noch einmal zurück. Meine Zigaretten liegen noch auf dem Tisch.“

Sie blickte einige Sekunden zu ihm hoch, dann nickte sie. Er drehte sich um.

„Robert?“

Er überhörte es und eilte davon.

Drei Möglichkeiten zog er in Betracht. Der Mann mit dem Tirolerhut konnte nichts weiter als ein Tourist sein, dem widersprachen jedoch alle seine Instinkte. Dann konnte er von Wiesen geschickt worden sein, immerhin war es möglich, dass er einen Verdacht gegen seine Frau hegte. Doch der General hatte andere Möglichkeiten, als einen auffälligen Bayer dafür einzusetzen. Damit blieb nur noch die dritte Möglichkeit - sie waren ihm nach fünf Jahren auf die Spur gekommen. Mischa hatte ihn gewarnt, und plötzlich waren seine Worte wieder in Roberts Kopf: „Viele Menschen treffen richtige Entscheidungen. Einige auch zum richtigen Zeitpunkt. Aber nur wenige setzen sie auch bis zum Letzten mit allen Konsequenzen um. Das sind die von uns, die noch leben.“ Ich hätte auf ihn hören und in Moskau bleiben sollen, dachte Robert.

Er hatte das Kaffee fast erreicht. Der Mann stand noch immer an der gleichen Stelle. Robert nickte ihm freundlich zu, als wären sie alte Bekannte und sagte im Vorbeigehen: „Tja, was man nicht im Kopf hat ...“

Dann steuerte er zielstrebig auf ihren Tisch von vorhin zu. Zwei ältere Damen hatten ihn mit Beschlag belegt, er grüßte sie freundlich und fragte sie, ob sie seine Zigaretten gefunden hatten. Sie verneinten und er blickte sich suchend um. Wieder legte ein Ausflugsdampfer an, gleich würden sich seine Passagiere auf den Steg ergießen. Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass ihn der Mann mit dem Tirolerhut beobachtete.

Die Kellnerin mit den hübschen Beinen rauschte vorbei und auch sie fragte er nach seinen Zigaretten, doch auch sie verneinte. Schließlich zuckte er enttäuscht die Schultern und drehte sich zum Ausgang der Terrasse.

Doch der wurde gerade durch die vom Schiff strömenden Passagiere blockiert. Er drängelte sich in den Strom hinein und ließ sich von ihm zu dem Mann mit dem Tirolerhut treiben. Der hatte beide Arme mit der Kamera nach oben gereckt, um sie vor dem Menschenansturm zu schützen. Wieder lächelte Robert ihn an und hämmerte ihm mit einer kurzen Auswärtsdrehung des Ellenbogens eine Faust auf den linken Rippenbogen.

Robert hatte nicht auf die Rippen gezielt, sondern auf das, was sie schützten - die Milz und das Zwerchfell. In seinem Schlag steckten nicht nur zwanzig Jahre Erfahrung und 95 Kilogramm Körpergewicht, sondern auch all seine Wut darüber, dass man ihn nicht in Ruhe ließ.

Der Mann mit dem Tirolerhut brach zusammen, als hätte ihn ein Blitz getroffen. Die Leute spritzten auseinander, Robert kniete sich neben ihn, tastete mit einer Hand nach der Halsschlagader und rief den Umstehenden zu: „Der Mann ist ohnmächtig, holen sie einen Arzt!“ Dass er dabei mit der anderen Hand die Kamera unter seinem Knie öffnete und den Film darin belichtete, sah niemand.

Gerne hätte er ihn auch noch durchsucht, um zu verhindern, dass die Aufnahmen von ihm und Kerstin in die Hände ihres Mannes fielen. Doch es sahen zu viele Menschen zu und so nahm er nur die Kameratasche mit und hoffte, dass da alle Filme drin waren. Dann drängelte er sich durch die Menge und ging mit ruhigen Schritten in Richtung seines Wagens.
An der ersten Telefonzelle, an der er vorbeikam, stoppte er. Die Nummer, die er jetzt wählte, war nirgendwo gespeichert, sie existierte nur in seinem Kopf. Fast sofort wurde der Hörer am anderen Ende abgehoben und ohne seinen Namen zu nennen, gab Robert eine so exakte Beschreibung des Mannes mit dem Tirolerhut, dass ein Zeichner daraus ein Bild hätte machen können, das sich nicht sehr von einem Fahndungsfoto unterschieden hätte.

Dann legte Robert wieder auf. Es würde keine Stunde dauern, bis man den Mann in einem der vielen Berliner Krankenhäuser gefunden hatte, entweder auf dem OP-Tisch oder in einem Leichensack. Danach würde eine Maschinerie anlaufen, von der nur wenige Menschen hier eine Vorstellung hatten, und sollte er tatsächlich überlebt haben, würden die Genossen alles aus ihm herausholen. Mindestens jedoch, wer ihn geschickt hatte. Aber eigentlich interessierte Robert das nicht mehr, denn er wusste es ohnehin.

Wie er auch wusste, dass sie wiederkommen würden. Sie hatten seine Spur einmal gefunden und dann konnten sie es auch ein zweites Mal tun. Vor allem aber wussten sie jetzt, dass er kein einsamer Wolf mehr war, sondern dass es jemanden in seinem Leben gab, der ihm wichtig war. Und wenn sie ihn nicht fanden, würden sie ihn über Kerstin finden. Mit ihr hatte er ein Problem zu lösen. Ohne dass er es bemerkte, wurden seine Schritte langsamer.

Sein Wagen parkte noch immer da, wo er ihn abgestellt hatte. Doch Kerstin saß nicht mehr darin. Er ließ seinen Blick die Straße hinauf- und wieder hinabschweifen, doch sie war nirgends zu sehen. Schulterzuckend stieg er ein und dachte sich, dass sie wahrscheinlich zur Toilette gegangen war.
Auf dem Lenkrad klebte ein Zettel: „Ich bin dir gefolgt. Du hast eben einen Menschen zusammengeschlagen oder gar getötet. Ich bin Ärztin, Frau und Mutter. Ich bin das Leben. Du bist der Tod.“


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Als Autor der Erzählung gestatte ich mir drei Nachbemerkungen.
1. Ich bin mit den Büchern von Schauer/Bohnhoff, Thürk, Schreyer und Prokop aufgewachsen und ich habe sie verehrt. Auch wenn ich nie die Meisterschaft dieser Autoren erreichen werde, so wollte ich es wenigstens einmal versucht haben.

2. Ich bin es zum Erbrechen leid, dass sich amerikanische Helden (nicht nur in der Literatur) durch die Welt morden und allein dadurch, dass sie Russen umbringen, sympathisch und heldenhaft sind. Aus diesem Grund habe ich das Setting, die Zeit und die Protagonisten ganz bewusst antagonistisch zu diesem Mainstream-Klischee gewählt.

3. Ein sympathischer Mörder ist ein Mörder. Ein heldenhafter Mörder ist ein Mörder. Er ist ein Mensch, der einen anderen Menschen tötet. Nichts weiter ist dazu zu sagen.

Weitere Werke von rsonnberg:


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Menschen wurden geschaffen, um geliebt und Dinge, um benutzt zu werden.
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Seraiya
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Beitrag10.10.2016 09:02

von Seraiya
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Hallo rsonnberg,


Das Problem mit diesem Text, soweit ich ihn gelesen habe, ist das ganze "Gebabbel" am Anfang. Es passiert rein gar nichts, sondern es wird erzählt und erklärt und erklärt und erklärt, um dem Leser ein Bild in den Kopf zu pflanzen. Das ist nicht nur langweilig, sondern es nervt auch ziemlich schnell.
Ich als Leserin frage mich, wann der Punkt erreicht ist und ich diese Person, über die die ganze Zeit gesprochen wird, endlich kennenlernen und ihr folgen kann.
Es ist für mich immer schwierig in eine Geschichte einzusteigen, wenn das Drumherum von Beginn an zu sehr aufgebauscht wird und dabei die Personen und die Handlung dermaßen auf der Strecke bleiben. Solche Beschreibungen bzw. Erklärungen wie hier werden gerne überlesen, wodurch widerum Informationen verloren gehen, die man vlt. noch bräuchte.
Das Ganze ist mir zu distanziert. Es kommt nichts rüber außer einer Aneinanderreihung von für mich noch öden Tatsachen, weil ich den Mann nicht kenne und nicht auf eine Weise erzählt wird, die ihn für mich interessant macht.

Oft wird empfohlen in die Handlung einzusteigen und Infos nach und nach einzubringen - das würde ich hier ebenfalls vorschlagen, um den Leser nicht mit dem ganzen Hintergrundwissen zu erschlagen. Diese vielen Informationen wirken berichtend, als handle es ich um eine Zeitung.


Nach diesem Stück war ich weg:
 
Zitat:
  Der ältere Herr mit dem überdimensionalen, <- könnte raus kunstvoll nach oben gezwirbelten Schnauzbart schlenderte über die Jannowitzbrücke und lächelte. Manchmal lüftete er seinen Tirolerhut mit einer pittoresken Grandezza, die im Ostberlin des Jahres 1988 die Damen, die er so grüßte, <- das auch sich nach ihm umdrehen und verwundert tuscheln ließ. Man hätte ihn für einen überaus freundlichen Menschen halten können und das war exakt der Eindruck, den er erwecken wollte.

Er war mehr als einmal überprüft und in seinen ersten Jahren hier in Ostberlin ständig observiert worden, doch man hatte nichts gefunden, was Anlass zur Sorge gegeben hätte. Sicherlich würde er drüben Bericht erstatten, dem BND vermutlich und die CIA war dann auch nicht weit weg. Doch man achtete sehr genau darauf, was er erfuhr und erzählen konnte und den Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit, der für ihn zuständig war, brachte er nicht um den Schlaf. Schließlich ging es um Geld, um viel Geld und das hatte noch immer zuverlässiger als jeder Bohrer Mauern und Ideologien durchlöchert, egal wie dick oder überzeugend sie waren 

Geld stank nicht, und sofern es Dollars waren, nahm man es im Westen dankend an, auch wenn es aus dem Osten kam. Der „Sozialismus“ hier war Opium für das Volk, genau wie die „soziale“ Marktwirtschaft auf der anderen Seite und so hatte man weder in Wandlitz noch in Bonn ein Problem damit, auf Leistungen und Waren des Klassenfeinds zurückzugreifen.
Deshalb sahen ihm auch die ostdeutschen Geschäftsführer der Delta Export Import GmbH sein altertümliches Gehabe nach. Sie hielten ihn für einen spleenigen Sonderling, mit dem man gut Geschäfte machen konnte, und verhandelten regelmäßig mit ihm über die Lieferung von Dingen, die in der DDR nicht an jeder Ecke käuflich waren. Dass er des Öfteren an Orten aufgegriffen wurde, an denen er nichts zu suchen hatte, war zwar ein Ärgernis, doch man wusste, dass er für sein Leben gern fotografierte. Es gab kaum eine Ecke in Ostberlin, die er noch nicht abgelichtet und die Bilder davon in irgendeiner Ausstellung im Westen präsentiert hätte  



Vielleicht habe ich auch etwas verpasst.
Möglich dass es nach dem, was ich gelesen habe, plötzlich losgeht und der distanzierte Erzähler voll dabei ist. Ich neige dazu mit Texten im Forum strenger zu sein, als mit den Büchern, die ich lese.



LG,
Seraiya


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rsonnberg
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Beitrag10.10.2016 11:56
Ich mag Ehrlichkeit
von rsonnberg
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und Menschen, die den Mut dazu haben. Deshalb Danke für Deine offenen Worte.
Allerdings legst du den Finger auf eine Wunde, die für mich keine ist, denn gerade diesen ersten Teil habe ich ganz bewusst geschrieben. Jeder Text hat eine Zielgruppe, in diesem Fall sind es Leser, die diese Zeit aus eigenem Erleben kennen und mit dem hier Geschriebenem eigene Erfahrungen verbinden können.
Natürlich wird es viele Leser wie dich geben, die an dieser Stelle, vielleicht auch schon vorher, aussteigen. Ich denke tatsächlich, dass sie etwas verpassen.
Doch ich schreibe kein Popcornkino, nicht mehr. Manchmal, wenn ich nachts aufwache, mich an den Laptop setze, ein paar Zeilen schreibe, die den ganzen Text drehen und dann wieder einschlafe, denke ich auch, dass nicht ich schreibe, sondern dass ich geschrieben werde. Aber das ist wieder eine andere Geschichte Smile
Trotzdem danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast.
Liebe Grüße
Rainer


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Seraiya
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Beitrag10.10.2016 12:45

von Seraiya
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Hi nochmal,

Bitteschön. smile

Hm, wenn ich eine solche Antwort lese, wünsche ich mir ehrlich gesagt, dass der Autor sowas am besten gleich über seinen Text schreibt, damit sich jene, die nicht zur Zielgruppe gehören, die Mühe sparen können.

Und es ändert nichts an meiner Meinung. Es liest sich (für mich) zu erklärend und dadurch trocken, und scheint bei der Zielgruppe nicht mehr als ein beständiges Nicken zu suchen, was es nicht besser macht, weil es mir jetzt so vorkommt, als würde man einem Holzfäller den Wald erklären.

Popcorn mag ich übrigens nicht. Laughing


Wünsche dir aber noch viel Erfolg, wird sicher seine Leser finden.


LG,
Seraiya


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rsonnberg
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Beitrag10.10.2016 12:55
Wichtig
von rsonnberg
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Zitat:
dass der Autor sowas am besten gleich über seinen Text schreibt


gemerkt Confused


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Seraiya
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Beitrag10.10.2016 13:05

von Seraiya
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Ich meine das nicht bös.
Aber wenn ich einen Kommentar schreibe und mir dann gesagt wird, dass ich ohnehin nicht zur Zielgruppe gehöre (woher auch immer du das weißt), weil sich dieser Text nur an XY richtet und ich deswegen ausgestiegen wäre, finde ich das nicht nett.

Auch diese Meinung von mir ist subjektiv.

Wie schon gesagt, wünsche dir noch viel Erfolg.

LG,
Seraiya


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Soleatus
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Beitrag10.10.2016 13:23

von Soleatus
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Hallo Rsonnberg!

Ich denke, du hast recht deutlich "drübergeschrieben", was für eine Art Text den Leser erwartet; oder es zumindest gleich am Anfang klargemacht.

Zitat:
Der "Sozialismus" hier war Opium für das Volk, genau wie die "soziale" Marktwirtschaft auf der anderen Seite und so hatte man weder in Wandlitz noch in Bonn ein Problem damit, auf Leistungen und Waren des Klassenfeinds zurückzugreifen.


- Das ist der Punkt, an dem ich nicht weitergelesen habe; wenn ich statt einer sich entfaltenden Geschichte einen eindeutigen Verfasserkommentar geboten bekomme, der noch dazu ideologisch daherkommt und mit Ausdrücken von "Annodunnemal" arbeitet, dann steige ich aus.

Insofern, wenn du den ersten Teil tatsächlich als "Warnschild" geschrieben hast: Das ist geglückt!

Gruß,

Soleatus
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rsonnberg
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Beitrag10.10.2016 13:44
Nun ja
von rsonnberg
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ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat:
Zitat:
Ein Autor muss sein wie ein Gott, überall anwesend, dorch nirgendwo sichtbar.

Eine der Regeln, die ich sehr schätze und in 99% der Fälle versuche, zu berücksichtigen. Ich habe sie hier gebrochen.
Weil ich nicht nur ein Autor bin, sondern auch ein Mensch. Heinrich Mann hätte "Der Untertan" niemals schreiben können, wäre er nur ein Autor gewesen. Ich bin ganz sicher nicht Heinrich Mann, aber ebensowenig wie er habe ich vergessen, dass Worte eine Waffe sind und dass die Literatur nicht nur dazu da ist, Menschen ins Land der Träume zu entführen.
Es ist unmodern, ungeliebt. Politik? Stellungnahme in Prosa? I gitt ...
Ich weiß.
Ich kann damit leben.


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Seraiya
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Beitrag10.10.2016 14:18

von Seraiya
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Eigentlich ist das nicht meine Art, aber mich nervt das gerade.
Es geht nicht um das Was, sondern um das Wie.

Und bei sowas:
Zitat:
  Doch ich schreibe kein Popcornkino,   

Zitat:
  dass die Literatur nicht nur dazu da ist, Menschen ins Land der Träume zu entführen.    

kriege ich Ausschlag, weil du Soleatus und mir mal eben unterstellst, wir würden Popcorn- und Traumliteratur bevorzugen, nur weil uns der Einstieg deines Textes nicht zusagt.

Meinungen sind subjektiv, ja, niemand muss Kritik annehmen, die er nicht nachvollziehen kann.
Du wirkst voreingenommen auf mich. Vielleicht ist Soleatus über 70 Jahre alt und hat einiges mehr an Erfahrungen in erwähnten Gebieten gemacht - also genau deine Zielgruppe. Seine Gedanken haben dann noch immer wenig mit dem Inhalt des Textes zu tun, sondern damit, wie du den Inhalt widergibst.


Bin damit raus.


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rsonnberg
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Beitrag10.10.2016 14:26
Aber, aber ...
von rsonnberg
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Zitat:
weil du Soleatus und mir mal eben unterstellst, wir würden Popcorn- und Traumliteratur bevorzugen


1. Ich kann das nirgendwo erkennen. Soviel ich sehe, habe ich über mich gesprochen.
2. Selbst wenn dem so wäre - was ist an Menschen, die Popcorn- und Traumliteratur bevorzugen, kritikwürdig? Wenn ich sage, dass ich keine mehr schreibe, kann ich nicht erkennen, dass das eine Kritik ist an denen, die es tun. Bei Dirty Dancing kriege ich noch immer das Heulen.
Wenn ich Kaffe nicht mag, heisst das dann automatisch, dass ich Menschen für schlecht halte, die ihn mögen?

Bitte bleib beim Text, nicht beim Autor. Ich habe mich hinreißen lassen, über mich zu schreiben. Werde ich nicht mehr tun. Bitte entschuldige.


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rsonnberg
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Beitrag10.10.2016 14:53
Es ist einfach
von rsonnberg
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und es kann gut sein, dass sich hier ein Stolz gemeldet hat, den ich überwunden geglaubt habe.
Natürlich könnte ich dem Mann mit dem Tirolerhut einen Namen geben und ihn den Teil, den der auktoriale Erzähler am Anfang übernimmt, denken lassen. Damit tritt der Erzähler in den Hintergrund und eine Figur kann schließlich denken, was sie will.
Dann ließe sich noch ein bisschen Action einbauen und alle sind zufrieden. Ich muss einmal drüber schlafen, denn irgendwie kommt mir das jetzt feige vor. Doch vielleicht sind es doch nur Sturheit und Stolz, wachsen ja dem Vernehmen nach nicht weit von der Dummheit ...

Ich schlaf mal drüber Smile


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Scha(r)fsinn
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Beitrag11.10.2016 06:37

von Scha(r)fsinn
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Mir gefällt die Geschichte. Die Szene im Cafe kann ich mir lebhaft vorstellen, auch die Figuren sind gut getroffen und facettenreich. Die Wünsche,Sehnsüchte und das Dilemma der Hauptfigur sind gut rausgearbeitet.
Ich finde die Einleitung  etwas langatmig, auch wenn sie die Szene gut darstellt. Damit  könntest du den einen oder anderen Leser stagnieren lassen.

Deine Kommentare anschließend klingen herablassend. Das finde ich sehr schade, hast du doch gar nicht nötig.
Für einen Einstand hast du doch was sehr Gutes offen gelegt. Nichts für ungut.
LG
Scha(r)fsinn


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Viele Menschen sind gut erzogen, um nicht mit vollem Mund zu sprechen, aber sie haben keine Bedenken, es mit leerem Kopf zu tun.
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rsonnberg
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Beitrag11.10.2016 09:04
Aua
von rsonnberg
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Zitat:
Deine Kommentare anschließend klingen herablassend.


Der hat gesessen. Sie sind nicht herablassend gemeint, doch wenn sie so klingen, liegt der Fehler bei mir.

Da gibt es dann wohl noch eine Baustelle, an die ich nocht gar nicht gedacht habe. Tut mir leid, ich muss da noch etwas feilen. An mir. Embarassed

Danke für Deine offene Meinung und deinen Mut, mir das zu sagen.


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supermichail
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Beitrag12.10.2016 17:00

von supermichail
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Ich habe begonnen zu lesen, aber am Café wurde die Einführung zu unglaubhaft. Ja, er lockt Aufmerksamkeit von seinen wichtigen Merkmale, aber trotzdem ist die Aufmerksamkeit auf ihn, und ich verstehe nicht, wie das ihm nützlich ist. Doch bin ich nie ein Spion gewesen. Bin ich falsch?

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rsonnberg
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Beitrag12.10.2016 18:01
Du bist richtig
von rsonnberg
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auch das wirkt nach einigen Tagen selbst auf mich zu künstlich, zu gewollt. Ich arbeite im Moment an einer Version, die sich sehr von der vorherigen unterscheiden wird.
Der Kern muss bleiben, aber das Drumherum wird sich komplett ändern.
Danke


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rsonnberg
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Beitrag13.10.2016 21:22
Ihr seid der Tod
von rsonnberg
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Nirgendwo war es einfacher, andere ungestört zu beobachten und selbst nicht aufzufallen als in einer möglichst großen Ansammlung von Menschen. Wenn du unerkannt bleiben willst, wenn du in Gefahr bist oder dich unsichtbar machen musst - geh da hin, wo viele Menschen auf engem Raum sind. Robert Oldenburg erinnerte sich nur zu gut an dieses Prinzip seiner Ausbildung. Nicht nur einmal hatte es ihm das Leben gerettet und genau darum hatte er dieses Straßenkaffee am Spreeufer gegenüber dem Berliner Dom für ihr Treffen gewählt. Die Sonntagsspaziergänger und die Tagesbesucher nicht nur aus Westberlin drängelten sich auf der Liebknechtbrücke und hielten die Fotoapparate schussbereit, als seien es Waffen. Wie Schafe, die friedlich Nahrung auf der Wiese suchten, wimmelten sie durcheinander und dachten an keine Gefahr. Doch Robert wusste nur zu genau, wie gut sich ein Wolf zwischen ihnen verstecken konnte.

Er drehte seinen gelben Korbstuhl ein wenig mehr zur Seite, damit ihm die Nachmittagssonne nicht direkt ins Gesicht brannte. Ohne auffällig seinen Kopf dabei zu drehen, musterte er durch die dunklen Gläser seiner Brille unauffällig die Gäste an den anderen Tischen. Niemand schien von ihm mehr als nötig Notiz zu nehmen und das er mit seinen breiten Schultern, der grauen Kurzhaarfrisur und seinem wie gemeißelt wirkenden Gesicht mit den harten Kanten des Öfteren vor allem von Frauen mit Blicken gestreift wurde, war er gewohnt. Noch immer sah man ihm den ehemaligen Militär an und die helle Narbe an seinem Mundwinkel tat seiner Attraktivität keinen Abbruch, eher verlieh sieh ihm noch einen gewissen verbeulten Charme. Außerdem sah man sie erst, wenn man direkt vor ihm stand.

Er war nie eitel genug gewesen, aus seinem Aussehen Kapital zu schlagen und um die Anzahl der Frauen zu zählen, mit denen er in seinem Leben geschlafen hatte, hätten die Finger seiner Hände genügt.

Nur mit einem Mundwinkel kaum merklich lächelnd, blickte er der sich auf schlanken, wunderbar braunen Beinen und mit schwingenden Hüften nähernden jungen Bedienung entgegen. Er bestellte einen Kaffee mit extra Zucker bei ihr und rief sich innerlich zur Ordnung, während er ihr nachblickte. Trotzdem - sie hatte wirklich schöne Beine.

Ein Hauch von Kamille wehte ihm in die Nase. Eine Sekunde später schlangen sich zwei Arme von hinten um seinen Hals und weiche Lippen flüsterten an seinem Ohr: „Du schaust also anderen Frauen auf den Hintern, wenn ich nicht da bin. Findest du das in Ordnung?“

Er hatte Kerstins Schritte längst gehört. Niemand kam von hinten an ihn heran, ohne dass er es bemerkte und eine Frau in High Heels schon gar nicht. Sein Lächeln erreichte auch den zweiten Mundwinkel und regungslos genoss er mit geschlossenen Augen die Berührung ihrer zarten Hände. „Die Beine, meine Liebe; die Beine. Und warum nicht? Sie sind doch schön. Fast so schön wie deine!“

„Schmeichler!“ Lachend küsste sie ihn auf die Wange.

Für einen Moment war er versucht, aufzuspringen und sie in die Arme zu nehmen. Rechtzeitig genug erinnerte er sich, dass sie das nicht mochte in der Öffentlichkeit.

Sie nahm ihm gegenüber Platz, öffnete ihren Wollblazer und zupfte das Sommerkleid mit den karmesinroten Kamelien darunter über den schmalen Knien zurecht. „Wie war deine Fahrt?“

Ihre Stimme klang nicht so frisch, wie er sie in Erinnerung hatte. Müdigkeit schwang darin, Angespanntheit und noch etwas anderes. Vielleicht war es die Nachmittagshitze. „Wie immer. Von Schwerin nach Berlin ist ja nun keine Weltreise, der Wartburg tut seinen Dienst und am Sonntag ist die Autobahn leer. Bei diesen Sommertemperaturen fahren die Leute eher von Berlin an die Ostsee als andersherum.“

„Die, die es sich leisten können und ein Auto haben.“

Sie bestellte einen Schoppen Erlauer Stierblut und er zog die Stirn kraus. Nachdenklich schaute er ihr in das schmale, halb hinter einer Sonnenbrille mit sehr dunklen Gläsern verborgene Gesicht. „Magst du nicht lieber Kaffee oder Wasser trinken?“

„Stört es dich, dass ich Rotwein trinke?“

Er zuckte die Schultern. „Nein, natürlich nicht.“

„Warum fragst du dann?“

„Bei dieser Hitze wirst du von dem schweren Rotwein Kopfschmerzen bekommen.“

„Ich dachte immer, ich wäre die Ärztin. Hast du in den 14 Tagen, die wir uns nicht gesehen haben, Medizin studiert?“

„Warum bist du so gereizt?“

Sie antwortete nicht. Mit verkniffenen Lippen sah sie an ihm vorbei und schwieg, bis die Kellnerin mit den schönen Beinen den Rotwein brachte. So hastig, als sei sie am Verdursten, griff Kerstin nach dem Glas, besann sich aber unter seinem Blick und trank betont genussvoll die blutrote Flüssigkeit.

Unauffällig musterte er sie. Rabenschwarzen Locken umrahmten ihr schmales Gesicht. Doch dort, wo sie aus der Kopfhaut wuchsen, zeigte sich Grau, und die Fältchen um ihren Mund, die sie bei ihrem letzten Treffen noch geschickt weggeschminkt hatte, gaben ihrem Gesichtsausdruck etwas Herbes. Sie trug keinen Schmuck, nicht einmal eine Armbanduhr und etwas sagte ihm, dass das alles Anzeichen waren - aber wofür?

Der Sonnenschirm über ihrem Tisch spendete ausreichend Schatten, trotzdem nahm sie die Sonnenbrille mit den übergroßen Gläsern nicht ab und er wusste, warum. Es war der gleiche Grund, aus dem sie sich in einer anonymen Menschenmenge trafen. Ein Hotel kam nicht in Frage, denn dazu hätten sie ihre Personalausweise vorzeigen und sich registrieren lassen müssen. Er wusste besser als die meisten anderen Menschen in der DDR, wo solche Nachweise aufbewahrt wurden und wer sie bei Bedarf benutzte. Für Knutschen in dunklen Ecken waren sie zu alt und so blieb ihnen nur die Öffentlichkeit oder das Auto, wie immer.

Er hasste diese Heimlichtuerei. Außer Ehebruch hatten sie kein Verbrechen begangen und der war nicht strafbar, zumindest nicht vor dem Gesetz. Sie waren nur ein Mann und eine Frau, die sich liebten und dass Kerstin nicht mit ihm, sondern mit Generalleutnant Wiesen verheiratet war, machte alles so kompliziert. Aus diesem Grund nahm Kerstin nie die Sonnenbrille in der Öffentlichkeit ab, wenn sie mit ihm zusammen war.

Langsam ließ sie das Rotweinglas sinken und umklammerte es mit den Händen, die so zärtlich zu ihm sein konnten, als müsste sie sich daran festhalten. „Also, warum hast du gefragt?“

Fast unmerklich zuckte er die Schultern. Er hätte gerne ihre Augen gesehen, hätte gerne gewusst, ob noch immer dieses Funkeln in ihnen blitzte, wenn sie ihn anschaute. „Ich mache mir Sorgen um dich.“

Sie nahm die Sonnenbrille ab und er sog scharf die Luft ein. Die Fröhlichkeit und der Schalk, die ihm immer daraus entgegengeleuchtet hatten, waren dem gewichen, das er gespürt hatte in dem Moment, in dem Sie an seinen Tisch gekommen war und für das er keinen Namen hatte. Er griff nach ihrer Hand. „Warum verlässt du ihn nicht und kommst endlich zu mir nach Schwerin?“

„Das haben wir schon x-mal durchgekaut. Warum fängst du wieder davon an?“

„Weil du irgendwann einmal eine Entscheidung treffen musst!“

Sie hob den Kopf und schaute ihn an. „Ich habe hier zu viele Verpflichtungen. Und mein Mann würde es nicht verstehen. Es würde seiner Karriere schaden und das kann ich ihm nicht antun.“

„Ich wollte nicht die Presseerklärung für das Neue Deutschland. Warum sagst du mir nicht den wahren Grund?“

„Willst du damit sagen, dass ich dich anlüge?“ Ihre Stimme klang scharf.

Für eine Sekunde blendete ihn eine Sonnenspiegelung. Es konnte eine Autoscheibe gewesen sein oder ein Fenster, das geöffnet wurde. Er wartete einen Moment, dann drehte er ein wenig seinen Kopf. Nicht so weit, dass er direkt in die Richtung blickte, denn dass hätte einem Beobachter verraten, dass er entdeckt worden war. Dann hob er scheinbar entspannt die Kaffeetasse zum Mund und fixierte für einen Moment aus den Augenwinkeln den vielleicht zwanzig Meter entfernt stehenden Mann mit dem Tirolerhut. Er lehnte am Geländer, dass das Spreeufer und den Anlegesteg von dem Bereich des Kaffees trennte und fotografierte mit einer Kamera mit einem auffallend großen Objektiv den Berliner Dom. Vielleicht war es nur ein Tourist oder ein Fotograf, der hier nach Motiven für eine Postkartenserie suchte. Möglich, dass er sich gedreht hatte und die Linse des Teleobjektivs die Sonnenstrahlen in dem Sekundenbruchteil gespiegelt hatte, als sie auf ihn gerichtet gewesen war. Vielleicht.

Er legte Kerstin die Hand auf den Unterarm und senkte die Stimme. „Wann hast du zum letzten Mal in einen Spiegel geschaut? Du siehst müde aus, vernachlässigst dein Äußeres, hast aufgehört, deine Haare zu färben, lässt dich gehen, und falls du denkst, dass ich das Zittern deiner Hände nicht gesehen habe, hast du dich getäuscht. Ich sehe alles. Du gehst an deiner Ehe kaputt!“

„Bist du sicher, dass es an meiner Ehe liegt?“

„Natürlich bin ich das! Warum tust du dir das immer wieder an? Warum tust du mir das an?“

Sie zischte: „Was tue ich dir denn an? Du gondelst gemütlich von Schwerin nach Berlin, machst dir ein schönes Wochenende mit mir, und wenn du nach Hause kommst, ist da niemand, den du anlügen musst. Ich habe eine Verpflichtung gegenüber meinen Patienten und noch immer gegenüber meinem Mann. Eine Verantwortung. Kennst du das Wort überhaupt? Du verstehst nichts, gar nichts!“

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie senkte den Kopf und wühlte in ihrer Handtasche herum.

Er knurrte: „Erzähl mir nichts über Verantwortung! Ich habe mehr davon auf meinen Schultern, als du dir vorstellen kannst. Was könnte denn noch schlimmer werden? Ihr teilt doch nur noch euer Haus und nicht das Bett - zumindest behauptest du das. Wie lange willst du dich noch quälen? Für seine Karriere braucht dich dein Mann nicht mehr, die kann niemand von uns mehr aufhalten und es ist das Einzige, was ihn interessiert. Du bist nur eine hübsche Staffage für ihn.“

„Du scheinst meinen Mann ja sehr gut zu kennen.“

„Ja.“

Auf Kerstins Stirn erschien eine Falte. „Seltsam. Woher? Du bist ihm doch nie begegnet.“

Er winkte ab. „Ich war in der Armee.“

Für einen Moment fixierte sie sein Gesicht mit ihren Augen und er fürchtete schon, sie würde da nachhaken. Er wollte sie nicht anlügen müssen.

Doch sie zuckte nur die Schultern. „Dann weißt du sicher auch, wie rachsüchtig er sein kann. Er würde damit leben können, dass ich einen Geliebten habe. Vielleicht ahnt er das sogar. Aber wenn ich ihn deinetwegen verlasse, stelle ich ihn vor allen Leuten bloß; ich mache ihn zum Hahnrei. Es ist mir egal, ob ich in einem Berliner oder in einem Schweriner Krankenhaus arbeite, aber ich habe Angst davor, was dann mit dir passieren wird. Ich will nicht jedes Mal zusammenzucken müssen, wenn es klingelt, weil da zwei Männer vor unserer Tür stehen könnten, um dich mitzunehmen!“

Die Antwort hatte sachlich klingen sollen, aber ihre Hände, die sich so fest um den Stiel des Weinglases krampften, dass die Adern auf den Handrücken hervortraten, erzählten ihm etwas anderes. So oft hatte er ihr erklärt, dass er sich sehr gut selbst schützen konnte, aber genauso gut hätte er gegen eine Wand reden können. Er wollte mit der Faust auf den Tisch dreschen, doch damit löste er ihr Problem nicht. Sie hatten so oft darüber gesprochen und jedes Mal endete die Diskussion hier. Er zwang sich zur Ruhe. „Du wirst dir wehtun, wenn du das Weinglas noch heftiger drückst.“

Sie senkte den Blick auf ihre Hände. „Dir entgeht auch nichts.“

„Nein, mir entgeht nichts. Ich sehe alles, außer vielleicht mein Leben mit dir.“

Ein Ausflugsdampfer tutete auf der Spree und legte an. Die Menschen gingen von Bord und winkten. Sie hatten den Sonntag und den Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Museumsinsel genossen; strömten jetzt den Steg hinauf und stauten sich an dem schmalen Durchgang vor dem Kaffee. Wie auch alle anderen Besucher zuvor musterte Robert sie aus den Augenwinkeln. Natürlich war es mehr als unwahrscheinlich, dass jemand von ihrem Treffen hier wusste, doch er würde niemals den Fehler begehen und Generalleutnant Wiesen unterschätzen. Ein Foto genügte.

Er räusperte sich. „Ich verstehe, dass Schwerin ein Provinznest gegen die Weltstadt Berlin ist und du bei mir sicher vieles vermissen würdest.“

Kerstin fasste nach seiner Hand auf dem Tisch. „Bitte, Robert. Du weißt, dass das nicht der Grund ist. Ich liebe dich und darum ist es mir egal, dass Schwerin nur ein Theater hat und dass ich dort keine Freunde habe.

„Warum glaubst du mir dann nicht, dass uns nichts passieren kann? Willst du dein ganzes Leben in Angst neben deinem General verbringen?“

„Er ist nicht mein General! Als wir heirateten, war er Oberst und ein sehr charmanter Mann. Dann eröffnete sich ihm der Weg zur Macht und die hat ihn verändert. Er ist nicht mehr der Mann, den ich einmal geheiratet habe. Und selbst wenn du Recht hättest - ich rede hier von Gefühlen wie verletztem Stolz, von betrogen werden, von Gesichtsverlust und von allem, was aus einem Mann einen Berserker macht. Stell dir vor, jemand würde ihm ein Foto von uns auf den Schreibtisch legen - keine vierundzwanzig Stunden später würdest du abgeholt werden. Und das ist die Antwort auf deine Frage - wenn es sein muss, würde ich bei ihm bleiben. Ich kann keine Uniformen mehr sehen und selbst bei meiner Arbeit im Lazarett packt mich der Brechreiz, wenn ich jeden Tag die Folgen dessen, was beim Militär passiert, auf dem OP-Tisch sehe. Ohne Uniformen, egal ob in Ost oder West, wäre die Welt eine bessere. Ich will nicht jeden Tag Angst um dich haben müssen. Hast du auch einmal an deinen Sohn gedacht?“

Natürlich hatte er das. „Sven ist alt genug, auf sich selbst aufzupassen und die fast anderthalb Jahre, in denen er seinen Grundwehrdienst leistet, haben ihn endgültig erwachsen werden lassen. Außerdem leben wir nicht mehr im Mittelalter, sondern im Sozialismus. Niemand von uns bestraft die Sünden der Eltern bis in die dritte Generation.“

„Bist du dir da ganz sicher? Ich erinnere mich an eine Freundin, die nicht Medizin studieren durfte, weil ihre Eltern Akademiker waren und damit nicht aus der Arbeiterklasse kamen.

„Das ist doch etwas ganz anderes. Jeder Staat, egal ob in Ost oder West, schützt seine Machtstruktur und wir tun das auch. Aber niemand kann unseren Apparat für persönliche Rachefeldzüge benutzen. Jetzt hör auf, dir solche Schauermärchen einzureden!“

Vorgebeugt, mit einem Mund, der plötzlich gerade wie ein Strich war, fragte sie so leise, dass er es fast überhört hätte: „Wen meinst du mit ‚uns‘?“

„Was?“

Sie verengte die Augen zu Schlitzen und ein Eishauch schien plötzlich zu ihm herüberzuwehen. Jedes Wort betonend, wiederholte sie: „Ich will wissen, warum du von der Regierung und dem, was sie tut, als ‚uns‘ sprichst.“

Er öffnete den Mund, doch sie hob die Hand. „Du hast mir gesagt, dass du an einem Schreibtisch arbeitest. Du hast mir jedoch nie gesagt an welchem und anrufen darf ich dich da schon gar nicht. Du sagst, dass du uns vor der Rache eines der mächtigsten Militärs hier schützen kannst? Ist das deine männliche Selbstüberschätzung, Beruhigung für eine dumme Pute wie mich oder kannst du es wirklich? Wenn ja - wieso? Wir haben uns in Bad Saarow das erste Mal getroffen, das ist ein Militärlazarett. Wieso bist du da behandelt worden, wenn du ein Zivilist bist? Deine Akte war so geheim, dass ich nicht in deine Vorgeschichte hineinblicken konnte und ich habe eine GVS - Einstufung! Vielleicht erinnerst du dich ja noch, dass ich deine behandelnde Ärztin war. Aber ich bin auch eine Frau, die von dem Mann, den sie liebt, ein paar Antworten haben will. Doch wo immer ich auch hinschaue, sehe ich nur Fragezeichen und weiße Flecken. Ich bin kein Backfisch mehr, der über den Schmetterlingen im Bauch die Realität vergisst!“

„Kerstin ...“

„Ich muss zur Toilette!“

Mit einer ruckartigen Bewegungen setzte sie ihre Sonnenbrille auf, sprang aus dem Korbsessel und rannte dabei fast die Kellnerin um. Ihre Schultern zuckten, als würde sie von einem Hustenanfall geschüttelt.

Er dachte zurück an den Moment, als sich diese Frau mit dem herzförmigen Gesicht und den sanften braunen Augen, die ihn eben voller Zorn angefunkelt hatten, das erste Mal über ihn gebeugt hatte.
Mit einer bösen Toxoplasmose, die er zu lange ignoriert hatte, war er in Bad Saarow eingeliefert worden. Als wäre es nur Sekunden zuvor geschehen, fühlte er noch immer den sanften Druck ihrer zarten Finger, mit dem sie einen der geschwollenen Lymphknoten an seinem Hals abgetastet hatte. Eine Locke war ihr dabei ins Gesicht gerutscht und das scheue Lächeln, mit dem sie die widerspenstige Haarsträhne wieder eingefangen und auf die Schulter geworfen hatte, würde er nie vergessen.
Das war vor einem Jahr gewesen. Seitdem fuhr er, wann immer er es einrichten konnte, nach Berlin, in der Hoffnung, sie für ein paar Stunden zu treffen und ihr nahe sein zu können. Manchmal verstand er sich selbst nicht, schließlich war er vierundvierzig Jahre, Kerstin nicht seine erste Liebe und aus dem Verliebtheitsfeuer der Jugend sollte er längst heraus sein. Doch diese schmalgliedrige Frau hatte etwas an sich, dass ihn alles um sich herum vergessen ließ.

Er fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, ihr alles zu erzählen. Irgendwann musste er ihr sowieso sagen, warum zumindest auf dieser Seite der Mauer niemand Männer schicken konnte, die ihn abholten. Das Ministerium für Staatssicherheit schützte das Land gegen seine zahlreichen Feinde genau wie der Mann von Kerstin es tat, nur das der dabei eine Uniform trug. Die Offiziere des MfS mussten viele Dinge tun, die das Licht der Öffentlichkeit scheuten, aber sie waren notwendig, um diesen jungen Staat zu schützen. Und sie würden sich tatsächlich niemals für persönliche Fehden missbrauchen lassen. Er musste es wissen, denn schließlich war er einer von ihnen.

Sie kehrte zurück. Ruhig setzte sie sich an den Tisch, nahm ihre Sonnenbrille ab und verstaute sie in ihrer Handtasche. Offenbar hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen, so sehr, dass er aus ihrem Gesicht nicht schlau wurde. Es war, als hätte sie plötzlich eine Maske aufgelegt, die jede Emotion vor ihm verbarg.

Leise sagte er: „Es ist gut, dass du da bist.“


„Findest du?“
„Ja! Ich will dich weder verletzen noch anlügen.“ Er schwenkte den Arm mit einer umfassenden Geste: „Ich bin hier in Berlin aufgewachsen. Meine Eltern gehörten zu den führenden Kernphysikern in der DDR. Ich war siebzehn, da erhielten sie eine Einladung zu einem Kongress nach Belgrad. Sie nahmen mich mit. Zwei Tage später waren wir im Westen.“

Nichts rührte sich in ihrem Gesicht und er setzte hinzu: „Sie sind den Dollars gefolgt, wie zu viele andere hier auch. Vor sieben Jahren bin ich wieder hierher, nach Hause, gekommen.“

„Magst du den Westen nicht?“

Er schaute an ihr vorbei: „Mögen? Meine Eltern wurden gezielt abgeworben, im Rahmen eines Programms, das bis heute gegen uns angewendet wird. Man sucht sich führende Köpfe, bietet ihnen viel Geld oder erpresst sie und schleust sie dann nach drüben. Unsere Schul- und Hochschulausbildung ist eine der Besten in der ganzen Welt, aber sie kostet Unsummen. Du solltest das am Besten wissen. Es ist, als würden wir unser Geld direkt Bayer oder Mercedes in den Rachen schmeißen, wenn einer von unseren Wissenschaftlern rübergeht. Doch der Schaden ist noch viel größer. Unsere Intelligenz, die wir so dringend benötigen, wird ausgeblutet. Also wird sie bewacht. Das spricht sich herum, dadurch wird für die klugen Leute die Motivation noch größer, in den Westen zu gehen, weil sie angeblich hier keine Luft zum Atmen haben.“

Seine Stimme wurde bitter: „Sie nahmen mir alles, woran ich geglaubt habe, auch den Glauben an meine Eltern. Und meine erste große Liebe. Für Dollars!“

Kerstin schwieg noch immer. Er schaute ihr direkt ins Gesicht. „Ob ich den Westen mag, willst du wissen? Sie morden, vergewaltigen, lügen, betrügen und zerstören mit Bomben und Raketen unsere Welt. Und wofür? Im Namen ihrer Freiheit, die sie bei jedem zweiten Satz im Munde führen? Nein, für Dollars! Und wo sie mit ihren Waffen nichts ausrichten, da vergiften sie das Leben damit. Ich hasse sie wie nichts sonst auf der Welt!“

Sein Blick ging wieder an ihr vorbei. Er hatte ihr alles gesagt, was er über sich erzählen konnte.

Irgendwann, ihm schien es eine schweigende Ewigkeit gewesen zu sein, sagte sie leise: „Bitte entschuldige. Vielleicht arbeite ich zu viel. Manchmal scheint mir, dass die ganze Atmosphäre um uns voller Gift ist und es nach und nach in unsere Köpfe sickert. Wir haben so wenig Zeit für uns und dann streiten wir uns auch noch.“

Mit einem scheuen Lächeln griff sie nach seiner Hand. „Dein Sohn ist dir sehr ähnlich. Er ist ein großer, junger Bär und spielt gern mit Sachen. Gehen sie kaputt, sucht er sich neues Spielzeug. Streich das Adjektiv jung, addiere vierzig Jahre Erfahrung dazu, mit welchen Sachen man nicht spielen darf, hast du seinen Vater. Wenn dem nicht so wäre, hätten wir wohl kaum vor einem Jahr den Kaffee in der Kantine zusammen getrunken, der so scheußlich geschmeckt hat, dass ich mich noch immer daran erinnere.“

Ihm schmeckte der Vergleich mit seinem Sohn nicht. Er hielt sich für einen sehr verantwortungsbewussten und zielstrebigen Menschen, aber das Glitzern in ihren Augen steckte an. „Nur daran?“

„Nein, natürlich war da noch mehr. Zum Beispiel eben dieser Bär, der rot wurde, als ich das erste Mal seine Hand nahm.“ Sie lachte laut. „Welche Farbe dein Gesicht hatte, als ich dich küsste, konnte ich leider nicht sehen, weil ich die Augen geschlossen hatte. Ich wette, tomatenrot wäre eine Untertreibung.“

Er erinnerte sich sehr wohl an diese Szene. Eigentlich hatte er sich nur von dieser faszinierenden Frau verabschieden wollen, aber irgendwie war sie in seinem Arm gelandet - und dann war es zu spät gewesen. Keiner hatte es gewollt oder darauf hin gearbeitet. Sie fühlten sich nur unglaublich wohl in der Nähe des anderen und daran hatte sich in den folgenden Monaten nichts geändert. Aus „Wohlfühlen“ war brennende Sehnsucht geworden und bei ihm der Wunsch, Kerstin jeden Tag um sich zu haben, koste es, was es wolle.

Vielleicht hatte sie tatsächlich recht. Wenn es um sie ging, war er bereit, jede Verantwortung über den Haufen zu werfen. „Kerstin, ich liebe dich. Was soll ich denn tun? Ich kann mir nicht vorstellen, ohne dich zu leben - verstehst du das?“

Er schaute ihr fest in die Augen, und als sie nur nickte, seufzte er. „Und was machen wir nun?“

„Falls du unsere Lebensplanung meinst - nichts. Wir lassen alles so, wie es ist.“

Er senkte den Kopf, blickte auf seine Sandalen und seine Stimme klang rau vor Enttäuschung. „Ich meinte mit dem Rest des Nachmittags. Wann musst du wieder zu Hause sein?“

„Ich habe in einer Stunde einen Termin.“

Ihr Lachen ließ ihn wieder aufblicken. „Ich weiß nicht, was du daran so lustig findest. Ich hatte gehofft, wir hätten etwas mehr Zeit füreinander.“

Sie dachte einen Moment nach. „Naja, weißt du, mein Mann kommt erst morgen früh zurück nach Hause und ich dachte, du könntest mich zu dem Termin fahren?“

Er sah den Schalk in ihren Augen und verstand gar nichts mehr. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“

Sie kicherte wie ein kleines Mädchen. „Um genau zu sein, geht es bei dem Termin darum, dass meine Freundin für drei Tage verreist und ich auf ihre Wohnung aufpassen soll. Ich dachte mir, du würdest dir vielleicht ganz gerne mal eine Berliner Altbauwohnung von innen anschauen wollen, so für ein paar Stunden, ganz ungestört mit mir ...“

Es dauerte einen Moment, bis er verstand, was sie ihm da sagte, dann verschwand die Enttäuschung wie weggefegt aus seinem Gesicht und pures Glück ließ seine Augen strahlen. Einige Sekunden saß er regungslos da, ohne ein Wort zu sprechen. Dann stand er auf, zog die Frau, die er liebte, in seine Arme und küsste sie lange auf den Mund.

Sie drängelten sich zwischen den voll besetzten Tischen hindurch und wären dabei fast gegen den Mann mit dem Tirolerhut gelaufen, der den Ausgang der Terrasse blockierte.

Robert fragte: „Würden Sie uns bitte vorbeilassen?“

Der ältere Herr nahm ruhig die Spiegelreflexkamera mit dem Achthunderter Carl-Zeiss-Teleobjektiv herunter und die Augen halb zugekniffen, als blendete ihn die Sonne, fixierte er Roberts Gesicht. Sein Blick blieb einen Moment an dessen Narbe hängen, dann lächelte er freundlich und machte einen Schritt zur Seite. Mit breitem bayrischen Akzent sagte er: „Söbstvaständli, tuad ma lad, dass i sie aufghoitn hob.“

Robert registrierte genau diesen Blick. Auf der Liebknechtbrücke blickte er sich noch einmal um. Der Mann hatte sich in den Schatten eines Baumes gestellt, fotografierte die Museumsinsel und jeder, der ihn sah, würde das Bild eines Fotografen aus dem Westen im Kopf haben.

Nur Robert nicht, denn er hatte die kalten Augen des Mannes gesehen. Er ging in Gedanken die Szene noch einmal durch. Sie waren auf ihn zugegangen und erst da hatte er die Kamera an die Augen gehoben. Er hatte sie kommen sehen und hätte von allein aus dem Weg gehen können. Er war auch nicht einfach so zur Seite gegangen, sondern hatte bewusst darauf gewartet, dass Robert ihn ansprach und ihm dann scharf in die Augen gesehen, vor allem aber auf die Narbe. Erst dann hatte er einen Schritt zur Seite gemacht. Der Mann hatte diese Begegnung gewollt!

Robert konnte nicht verhindern, dass seine Muskeln sich anspannten und Kerstin blickte zu ihm hoch. „Was ist?“

„Nichts.“ Es waren seine Instinkte, die ihn ihre Hand loslassen und stattdessen den Arm schützend um sie legen ließen. Sorgsam achtete er darauf, mit seiner Hand nicht ihre Haut zu berühren. Sie hätte den kalten Schweiß auf seiner Handfläche gefühlt. Er musste sich anstrengen, nicht schneller zu gehen. Ein Teleobjektiv war auf seinen Rücken gerichtet und seine Erfahrungen aus dem Westen sagten ihm, dass danach ein Gewehrlauf kommen würde.

*

Wolf Mayer hatte Mühe gehabt, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten. Noch immer rauschte das Blut in den Ohren, er griff nach der Packung in seiner Jackentasche und nahm eine Tablette. Sein Blutdruck war nicht der beste und sein Arzt warnte ihn bei jedem Besuch davor, sich aufzuregen.

Er genoss seit einem Jahr seine Pension und das hier war sein letzter Tag in Ostberlin. Unbedingt hatte er einmal den Osten sehen und seiner Frau ein paar Fotos, die er selbst gemacht hatte, mitbringen wollen. Wie hätte er ahnen sollen, dass er hier Manfred Retjen begegnen würden?

Mit tiefen, langsamen Atemzügen versuchte Wolf Mayer, sich zu beruhigen. Er sprach fließend Russisch, Ungarisch und Polnisch und hatte bis vor einem Jahr im Westen der Stadt seinen Dienst versehen. Er hatte in einem schönen Büro mit Blick auf den Funkturm gesessen und die abgefangenen Funksprüche dechiffriert und übersetzt, die die Leute mit den langen Ohren ihm auf seinen großen Schreibtisch gelegt hatten. Dafür hatte er nicht einmal eine Uniform tragen müssen. Im Getriebe des Militärischen Abschirmdienstes und der CIA war er nur ein winziges Rädchen gewesen, eine zivile Nummer mit einem so unbedeutenden Namen, dass sogar die Stasi hier ihn nicht kannte.

Doch er erinnerte sich sehr gut an den politischen Erdrutsch, den es vor sieben Jahren beim BND und auch bei der CIA gegeben hatte. Überall, bis hin zum Bundestag waren Köpfe gerollt. Und das, weil ein gewisser Major Manfred Retjen nach seinem Türkeiurlaub, den er zusammen mit seinem Sohn angetreten hatte, an einem Montagmorgen nicht zu einer Dienstbesprechung im NATO-Hauptquartier in Brüssel erschienen war.

Das hätte man ihm vielleicht nachgesehen, nicht jedoch, dass noch im Laufe des gleichen Tages in Ostberlin sechs Männer und eine Frau von der Stasi verhaftet worden waren und damit das komplette Netz der CIA in Ostberlin praktisch aufgehört hatte, zu existieren.

Jahrelang war er gesucht worden, auf jedem Polizeirevier hatte sein Foto gehangen, doch er blieb verschwunden, ebenso wie sein Sohn. Und jetzt tauchte er hier wieder auf, in aller Öffentlichkeit und mit einer Frau an seiner Seite.

Wolf Mayer schnaufte und überlegte, was er tun sollte. Er war kein Profi, der einem durchtrainierten ehemaligen Elitesoldaten durch Berlin folgen konnte, ohne das der ihn bemerkte und vielleicht sogar ausschaltete. Er war ein Pensionär mit Bauch und Bluthochdruck, besaß ein kleines Häuschen und wollte nichts weiter, als seinen Ruhestand genießen. Er konnte drüben die Fotos zeigen, klar, doch auch dann würden sie ihn wieder mit hineinziehen. Lange genug war er ein Rädchen im Getriebe des Kalten Krieges gewesen, um zu wissen, wie schnell der einen fressen konnte und das er Glück gehabt hatte, dass eben das nicht geschehen war. Sollte er damit wieder anfangen?

Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Er öffnete die Rückwand der Kamera und ließ den Film mit den Bildern der beiden unauffällig ins Wasser der Spree fallen. Dann legte er einen Neuen ein. Der Kalte Krieg fand heute ohne ihn statt.

*
Robert taste in seiner Jackentasche, dann blieb er stehen und sagte: „Ich muss noch einmal zurück. Meine Zigaretten liegen noch auf dem Tisch.“

Kerstin setzte wieder ihre Sonnenbrille auf. „Ich warte hier. Beeil dich.“

Er gab ihr seinen Autoschlüssel. „Brauchst du nicht. Der Wartburg steht dort vorn in der Oberwallstraße, du kennst ihn ja. Mach es dir bequem, du fährst doch gerne.“

„Robert?“

„Ja?“

„Ist etwas?“

Lachend winkte er ab. „Nein, wieso? Cabinet gibt es in Schwerin nur unter dem Ladentisch und sie war noch halbvoll. Ich bin gleich wieder da. Vergiss nicht, dir die Spiegel einzustellen.“

Einen Moment blickte sie ihn noch an, dann drehte sie sich um und ging.

Robert atmete auf und dachte nach. Es gab drei Möglichkeiten. Der Mann mit dem offenen Hemd konnte nichts weiter als ein Tourist sein, dem widersprachen jedoch alle seine Instinkte. Dann konnte er von Wiesen geschickt worden sein, immerhin war es möglich, dass er einen Verdacht gegen seine Frau hegte. Doch der General hatte andere Möglichkeiten, als einen auffälligen Bayer dafür einzusetzen. Damit blieb nur noch die dritte Möglichkeit - sie waren ihm nach so langer Zeit doch noch auf die Spur gekommen. Mischa hatte ihn gewarnt, und plötzlich waren seine Worte wieder in Roberts Kopf: „Viele Menschen treffen richtige Entscheidungen. Einige auch zum richtigen Zeitpunkt. Aber nur wenige setzen sie auch bis zum Letzten mit allen Konsequenzen um. Das sind die von uns, die noch leben.“ Ich hätte auf ihn hören und in Moskau bleiben sollen, da war ich sicher, dachte Robert plötzlich.

Ein Anruf hätte genügt, und die Genossen würden den Mann an der Grenze abfangen, doch dann würden sie auch die Fotos von ihm und Kerstin sehen. Robert machte sich nichts vor - mit der Macht kam auch die Versuchung, sie zu missbrauchen und die Gier nach mehr Macht. Das hatte der Westen nicht für sich gepachtet, die Menschen hier im Osten waren keine Heiligen und auch in der DDR wurde man nicht General ohne ein weitgespanntes Netzwerk von Kontakten. Die Gefahr würde bestehen, dass die Fotos von ihm und Kerstin auf dem Tisch Wiesens landeten und das wollte er unter allen Umständen verhindern. Kerstin sollte sich aus Liebe für ihn entscheiden, nicht unter dem Druck von Umständen.

Der Mann stand noch immer an der gleichen Stelle. Robert nickte ihm freundlich zu, als wären sie alte Bekannte, sagte im Vorbeigehen: „Tja, was man nicht im Kopf hat ...“ und schlenderte zu ihrem Tisch von vorhin.

Zwei ältere Damen hatten ihn mit Beschlag belegt, er grüßte sie freundlich und fragte sie, ob sie seine Zigaretten gefunden hatten. Sie verneinten und er blickte sich suchend um. Wieder legte ein Ausflugsdampfer an, gleich würden sich seine Passagiere auf den Steg ergießen. Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass ihn der Mann mit dem Tirolerhut beobachtete.

Die Kellnerin mit den hübschen Beinen rauschte vorbei und auch sie fragte er nach seinen Zigaretten, doch auch sie verneinte. Schließlich zuckte er enttäuscht die Schultern und drehte sich zum Ausgang der Terrasse.

Doch der wurde gerade durch die vom Schiff strömenden Passagiere blockiert. Er drängelte sich in den Strom hinein und ließ sich von ihm zu dem Mann mit dem Tirolerhut treiben. Der hatte beide Arme mit der Kamera nach oben gereckt, um sie vor dem Menschenansturm zu schützen.

Robert lächelte. Dann schlug er zu.

Seine Faust traf den linken Rippenbogen mit der Gewalt eines Hammerschlags und einer Präzision, die nur jahrelanges hartes Training verleiht. Drei Rippen barsten unter dem brutalen Hieb; eine zerriss die Milz und eine andere perforierte das Zwerchfell. Der Mann mit dem Tirolerhut konnte nicht einmal mehr schreien. Er verlor das Bewusstsein, bevor er noch auf dem Boden aufschlug.

Robert hatte nicht auf die Rippen gezielt, sondern auf das, was sie schützten und in seinem Schlag hatten nicht nur zwanzig Jahre Erfahrung und 95 Kilogramm voll austrainierte Körpermasse gesteckt, sondern auch all seine Wut darüber, dass man ihn nicht in Ruhe ließ.

Die Leute spritzten auseinander. Er kniete sich neben sein Opfer, tastete mit einer Hand nach der Halsschlagader und rief den Umstehenden zu: „Der Mann ist ohnmächtig, holen sie einen Arzt!“ Dass er dabei mit der anderen Hand die Kamera unter seinem Knie öffnete und den Film darin belichtete, sah niemand.

Am liebsten hätte er ihn auch noch durchsucht, um zu verhindern, dass die Aufnahmen von ihm und Kerstin in die Hände von General Wiesen fielen. Doch es sahen zu viele Menschen zu und so nahm er nur die Kameratasche mit. Dann drängelte er sich durch die Menge und ging mit gleichmäßigen Schritten in Richtung seines Wagens.

An der ersten Telefonzelle, an der er vorbeikam, stoppte er. Die Nummer, die er jetzt wählte, war nirgendwo gespeichert, sie existierte nur in seinem Kopf. Fast sofort wurde der Hörer am anderen Ende abgehoben und ohne seinen Namen zu nennen, gab er eine präzise Schilderung des Tathergangs und eine so exakte Beschreibung des Mannes mit dem Tirolerhut, dass ein Zeichner daraus ein Bild hätte machen können, das sich nicht sehr von einem Fahndungsfoto unterschieden hätte. Dann legte Robert wieder auf. Er wusste, dass es nur Minuten dauern würde, bis die Volkspolizei und die Kripo Anweisung bekommen würden, nicht nach ihm zu suchen. Und es würde keine Stunde dauern, bis man den Mann in einem der Berliner Krankenhäuser gefunden hatte, entweder auf dem OP-Tisch oder in einem Leichensack. Danach würde eine Maschinerie anlaufen, von der nur wenige Menschen hier eine Vorstellung hatten, und sollte er tatsächlich überlebt haben, würden die Genossen alles aus ihm herausholen. Mindestens jedoch, wer ihn geschickt hatte. Aber eigentlich interessierte Robert das nicht mehr, denn er konnte es sich denken. Die CIA vergaß niemals jemanden, der sie aufs Kreuz gelegt hatte.

Er öffnete die Tür der Telefonzelle und erstarrte - direkt davor stand Kerstin und sie hatte noch die feuchten Spuren von Tränen auf den Wangen. Hatte sie etwa alles gesehen?

Lächelnd sagte er: „Solange war ich doch gar nicht weg. Hattest du Sehnsucht?“

Sie warf ihm den Autoschlüssel vor die Füße.

„Was ...?“

Ruhig nahm sie die Sonnenbrille ab und er erschrak vor dem, was er in ihren Augen las. Noch niemals hatte er einen solchen Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen.

Sie sagte: „Ich bin Frau, Mutter und Ärztin. Nichts Besonderes, so, wie die meisten anderen Menschen auch, egal, ob in Ost oder West. Aber wir sind das Leben.“

Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und spuckte ihm voller Verachtung ins Gesicht: „Ihr seid der Tod.“

Damit drehte sie sich um und ging.


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Menschen wurden geschaffen, um geliebt und Dinge, um benutzt zu werden.
Der Grund, warum sich unsere Welt im Chaos befindet, ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden.
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MoL
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Das bronzene Stundenglas


Beitrag14.10.2016 00:45
Re: Ihr seid der Tod
von MoL
Antworten mit Zitat

Hallo, lieber Rainer!
ich habe mir jetzt deinen Text nur in der neuen Version durchgelesen bzw. angefangen zu lesen. Ich denke, dass du eine gute Beobachtungsgabe und gute Ideen hast, aber einfach zu viel auf einmal willst.
Ich schreibe dir einfach mal zum Anfang des Textes ein paar Anmerkungen rein:

rsonnberg hat Folgendes geschrieben:
Nirgendwo war ist es einfacher, andere ungestört zu beobachten und selbst nicht aufzufallen als in einer möglichst großen Ansammlung von Menschen. Wenn du unerkannt bleiben willst, wenn du in Gefahr bist oder dich unsichtbar machen musst - geh da hin, wo viele Menschen auf engem Raum sind. Das wiederholt im Grunde nur die Aussage des ersten Satzes, also überflüssig, der Leser ist nicht dumm! Robert Oldenburg erinnerte sich nur zu gut an dieses Prinzip seiner Ausbildung. Nicht nur einmal hatte es ihm das Leben gerettet und genau darum hatte er dieses Straßenkaffee am Spreeufer gegenüber dem Berliner Dom für ihr Treffen gewählt. Die Sonntagsspaziergänger und die Tagesbesucher nicht nur aus Westberlin drängelten sich auf der Liebknechtbrücke und hielten die Fotoapparate schussbereit, als seien es Waffen. Verbogener Satzbau. Warum nicht "Nicht nur SSG und TB aus Westberlin drängelten sich ..." Wie Schafe, die friedlich Nahrung auf der Wiese suchten, wimmelten sie durcheinander und dachten an keine Gefahr. Dieser Satz ist ein krasser Widerspruch zu dem Bild mit den Fotoapparaten wie Waffen. Zudem impliziert der Vergleich mit Schafen Dummheit und wirkt somit arrogant. Doch Robert wusste nur zu genau, wie gut sich ein Wolf zwischen ihnen verstecken konnte.

Er drehte seinen gelben Korbstuhl ein wenig mehr zur Seite, damit ihm die Nachmittagssonne nicht direkt ins Gesicht brannte. Sondern brennt indirekt hinein? Das wäre immernoch unschön. Ohne auffällig seinen Kopf dabei zu drehen, musterte er durch die dunklen Gläser seiner Brille unauffällig die Gäste an den anderen Tischen. Niemand schien von ihm mehr als nötig Notiz zu nehmen und dass er mit seinen breiten Schultern, der grauen Kurzhaarfrisur und seinem wie gemeißelt wirkenden Gesicht mit den harten Kanten des Öfteren vor allem von Frauen mit Blicken gestreift wurde, war er gewohnt. Sorry, aber dieser Kniff, das Aussehen eines Protagonisten zu beschreiben, ist fast so ausgelutscht wie der, dass der Protagonist sein eigenes Spiegelbild mustert ... Noch immer sah man ihm den ehemaligen Militär Schlechtes Deutsch! an und die helle Narbe an seinem Mundwinkel tat seiner Attraktivität keinen Abbruch, eher verlieh sieh ihm noch einen gewissen verbeulten Charme. Außerdem sah man sie erst, wenn man direkt vor ihm stand. Dieser Satz steht im totalen Widerspruch zu dem vorhergegangenen: Entweder, die Narbe verleiht ihm Charme ODER man sieht sie erst, wenn man direkt vor ihm steht - einige dich!
Er war nie eitel das Wort "eitel" ist hier schief genug gewesen, aus seinem Aussehen Kapital zu schlagen und um die Anzahl der Frauen zu zählen, mit denen er in seinem Leben geschlafen hatte, hätten die Finger seiner Hände genügt. Und was soll das jetzt über ihn aussagen? Das er schüchtern ist? Dumm? Kein guter Gesprächspartner ist? Oder soll man sich wundern, weil sonst alle Frauen mit einem schlafen wollen, nur weil er gut aussieht? Was genau möchtest du damit sagen? Soll das jetzt FÜR oder GEGEN ihn sprechen?

Nur mit einem Mundwinkel kaum merklich lächelnd Man kann nicht mit einem Mundwinkel lächeln. Man kann halb lächeln, schräg, schief oder halbherzig. Man kann den Mund zu einem schiefen Grinsen verziehen, nur einen Mundwinkel heben usw. , blickte er der sich auf schlanken, wunderbar braunen Beinen und mit schwingenden Hüften nähernden jungen Bedienung entgegen. ... welche offenbar nur aus Beinen und einem Stück aufwärts besteht. Wenn dein Protagonist nicht ein gewollt zur Schau gestellter Chauvinist sein soll, würde ich das anders formulieren. So wirkt er zumindest auf mich nur unsympathisch. Er könnte ja vielleicht noch sowas wie ihr Gesicht erwähnen. *ironic* Er bestellte einen Kaffee mit extra Zucker bei ihr und rief sich innerlich zur Ordnung, während er ihr nachblickte. Was denn nun? Entweder, er blickt ihr nach ODER er ruft sich innerlich zur Ordnung. Trotzdem - sie hatte wirklich schöne Beine.

Ein Hauch von Kamille wehte ihm in die Nase. Eine Sekunde später schlangen sich zwei Arme von hinten um seinen Hals und weiche Lippen flüsterten an seinem Ohr Dass die Lippen weich sind, kann er hören?: „Du schaust also anderen Frauen auf den Hintern, wenn ich nicht da bin. Findest du das in Ordnung?“

Er hatte Kerstins Schritte längst gehört. Niemand kam von hinten an ihn heran, ohne dass er es bemerkte und eine Frau in High Heels schon gar nicht. Und trotzdem hat er der Kellnerin nachgegafft? Sein Lächeln erreichte auch den zweiten Mundwinkel Er war also am dauergrinsen oder wie? und regungslos Wenn er lächelt, ist er nicht regungslos! genoss er mit geschlossenen Augen die Berührung ihrer zarten Hände. „Die Beine, meine Liebe; die Beine. Und warum nicht? Sie sind doch schön. Fast so schön wie deine!“

„Schmeichler!“ Lachend küsste sie ihn auf die Wange. Sorry, aber nenn mir eine Frau, die so reagieren würde: "Boah wie toll, dass ich fast so schöne Beine habe wie die Uschi, der du grade nachgeglotzt hast, juchu!"

Für einen Moment war er versucht, aufzuspringen und sie in die Arme zu nehmen. Rechtzeitig genug erinnerte er sich, dass sie das nicht mochte in der Öffentlichkeit. Verdrehter Satzbau!
Warum eigentlich die vielen Absätze? Einfach mit Shift+Enter einen Zeilenumbruch machen!
Sie nahm ihm gegenüber Platz, öffnete ihren Wollblazer und zupfte das Sommerkleid mit den karmesinroten Kamelien darunter über den schmalen Knien zurecht. Wollblazer, aber Sommerkleid? Welche Jahreszeit soll da herrschen???? Immerhin sitzen die ja draußen. „Wie war deine Fahrt?“

Ihre Stimme klang nicht so frisch, wie er sie in Erinnerung hatte. Müdigkeit schwang darin, Angespanntheit und noch etwas anderes. Vielleicht war es die Nachmittagshitze. „Wie immer. Von Schwerin nach Berlin ist ja nun keine Weltreise, der Wartburg tut seinen Dienst und am Sonntag ist die Autobahn leer. Bei diesen Sommertemperaturen fahren die Leute eher von Berlin an die Ostsee als andersherum.“

„Die, die es sich leisten können und ein Auto haben.“

Sie bestellte einen Schoppen Erlauer Stierblut und er zog die Stirn kraus. Nachdenklich schaute er ihr in das schmale, halb hinter einer Sonnenbrille mit sehr dunklen Gläsern verborgene Gesicht. „Magst du nicht lieber Kaffee oder Wasser trinken?“

„Stört es dich, dass ich Rotwein trinke?“

Er zuckte die Schultern. „Nein, natürlich nicht.“

„Warum fragst du dann?“

„Bei dieser Hitze wirst du von dem schweren Rotwein Kopfschmerzen bekommen.“

„Ich dachte immer, ich wäre die Ärztin. Hast du in den 14 Tagen, die wir uns nicht gesehen haben, Medizin studiert?“

„Warum bist du so gereizt?“

Sie antwortete nicht. Mit verkniffenen Lippen sah sie an ihm vorbei und schwieg, bis die Kellnerin mit den schönen Beinen den Rotwein brachte. So hastig, als sei sie am Verdursten, griff Kerstin nach dem Glas, besann sich aber unter seinem Blick den sie durch seine Sonnenbrille sehen kann? und trank betont genussvoll die blutrote Flüssigkeit.

Unauffällig musterte er sie. Klar. Er trägt ja auch eine Sonnenbrille.  Rabenschwarzen Locken umrahmten ihr schmales Gesicht. Doch dort, wo sie aus der Kopfhaut wuchsen, zeigte sich Grau, und die Fältchen um ihren Mund, die sie bei ihrem letzten Treffen noch geschickt weggeschminkt hatte, gaben ihrem Gesichtsausdruck etwas Herbes. Sie trug keinen Schmuck, nicht einmal eine Armbanduhr und etwas sagte ihm, dass das alles Anzeichen waren - aber wofür?

Der Sonnenschirm über ihrem Tisch spendete ausreichend Schatten, trotzdem nahm sie die Sonnenbrille mit den übergroßen Gläsern nicht ab und er wusste, warum. Es war der gleiche Grund, aus dem sie sich in einer anonymen Menschenmenge trafen. Ein Hotel kam nicht in Frage, denn dazu hätten sie ihre Personalausweise vorzeigen und sich registrieren lassen müssen. Er wusste besser als die meisten anderen Menschen in der DDR, wo solche Nachweise aufbewahrt wurden und wer sie bei Bedarf benutzte. Für Knutschen in dunklen Ecken waren sie zu alt Ebenso für das Wort "knutschen" und so blieb ihnen nur die Öffentlichkeit oder das Auto, wie immer. Verstehe ich nicht. Die haben also eine Affäre. Und ihnen bleibt für ein Treffen nur die Öffentlichkeit oder das Auto? Gibt es da keine Natur? Oder billige Hotels, die nicht nach einem Perso fragen? Unglaubwürdig!

Er hasste diese Heimlichtuerei. Außer Ehebruch hatten sie kein Verbrechen begangen und der war nicht strafbar, zumindest nicht vor dem Gesetz. Sie waren nur ein Mann und eine Frau, die sich liebten und dass Kerstin nicht mit ihm, sondern mit Generalleutnant Wiesen verheiratet war, machte alles so kompliziert. Und warum ist sie mit dem verheiratet? Aus diesem Grund nahm Kerstin nie die Sonnenbrille in der Öffentlichkeit ab, wenn sie mit ihm zusammen war.

Langsam ließ sie das Rotweinglas sinken und umklammerte es mit den Händen, Na, sie hatte es doch wohl schon vorher in der Hand, oder? Vielleicht einfach ein "dann" einfügen. die so zärtlich zu ihm sein konnten, als müsste sie sich daran festhalten. „Also, warum hast du gefragt?“ Ähh, 'tschuldigung: WAS gefragt? Ist schon so lange her, dass er die Frage gestellt hat. Besser: "Also, wieso fragst du, warum ich gereizt bin?" oder noch besser: "wie kommst du darauf, dass ich gereizt bin?"
Fast unmerklich zuckte er die Schultern. Warum kann er nicht einfach mit den Schultern zucken? Er hätte gerne ihre Augen gesehen, hätte gerne gewusst, ob noch immer dieses Funkeln in ihnen blitzte, wenn sie ihn anschaute. „Ich mache mir Sorgen um dich.“


So, bis hierhin bin ich gekommen. Dein Text macht bisher auf mich den Eindruck, als hättest du ihn nicht gründlich überarbeitet. Das ist schade, denn ich glaube, dass du eine hohe Vorstellungskraft und eine gute Geschichte zu erzählen hast. Aber die wird durch Wiederholungen, eine zusätzliche Erklärung, noch ein Adjektiv nicht besser.
Außerdem wäre es langsam mal Zeit für etwas Action. Bislang ist das Ganze ehrlich gesagt langweilig. Wo bleibt der Konflikt, wo die Brisanz?
Du hast alle Zutaten: Eine verbotene Affäre, bei der einer der beiden mit einem hochrangigen Offizier verheiratet ist, die DDR, er ist ein ehemaliger Miliärangehöriger ... und doch ist die Szene für Außenstehende so langweilig, als würde ich mich mit einer alten Freundin auf einen Kaffeeklatsch treffen. Das Ärgerliche: Ich WEISS, dass da etwas sehr Spannendes dahintersteckt. Du rückst nur noch nicht raus damit. Möchtest wahrscheinlich alles erstmal schön aufbauen und den Leser in Stimmung bringen, Informationen verteilen etc. Aber mal ehrlich. bis du soweit bist, ist der Leser weg. Oder eingeschlafen.
Hau rein, Rainer, mach was draus! Überrasche uns, schreibe Action, die uns den Atem raubt! Bau so viele Spannungsstellen auf, dass wir uns beim lesen fragen, welche und zuerst um die Ohren fliegt! smile

Liebe Grüße und frohes Schaffen,
MoL
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rsonnberg
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R
Beitrag14.10.2016 10:14
Wahnsinn
von rsonnberg
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wieviel Arbeit du dir gemacht hast, liebe Mol. Nun ja, und mir auch, denn du hast mir sehr viele Hinweise gegeben, die mir sehr helfen.
Leider muss ich am Wochenende arbeiten, abder sei dir sicher, dass in den nächsten Tagen eine nächste Version kommt.
Doch einige Bemerkungen noch.
Eines der Probleme hier ist, das ich nicht nur eine Geschichte erzähle, sondern dass ich auch Geschichte erzähle. Das wiederum bedeutet, dass ich bestimmte Klischees, die über diese Zeit in den Köpfen sind, bedienen muß, weil die Geschichte sonst für die heutige Generation unglaubwürdig ist. Andererseits kann ich aber auch nicht alle bedienen, weil die Geschichte sonst für die ältere Generation Schwachsinn ist. Es gibt sehr viele Klischees über die DDR, das MfS und viele andere Dinge, die schlichtweg falsch sind. Viel von ihnen werden absichtlich falsch dargestellt, aber ich will hier keine politische Diskussion beginnen, doch es ist so.
Schwierig? Okay, ein Beispiel.
Eine Frau und ein Mann, die sich lieben und Sex haben wollen? Kein Problem, ab ins Stundenhotel. Das funktioniert hier jedoch nicht, denn in der DDR musste jeder, der fremde Personen beherbergt, selbst wenn er eine Privatperson und kein Hotel war, von JEDER Person unmittelbar nach Bezug des Zimmers eine Meldung abgeben und den Ausweis kontrollieren (Name aufschreiben und melden).
Für die heutige Generation unvorstellbar, für uns war es normal.
Ich habe diese Geschichte nicht vordergründig auf "es muss etwas passieren" angelegt, sondern den Versuch gemacht, die Atmosphäre, die damals herrschte, zu vermitteln. Offenbar muss ich da noch Einiges nacharbeiten. aber ich habe ja Hilfe.
Nocheinmal herzlichen Dank dafür
Rainer


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Menschen wurden geschaffen, um geliebt und Dinge, um benutzt zu werden.
Der Grund, warum sich unsere Welt im Chaos befindet, ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden.
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Dmitrij
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Beitrag15.10.2016 23:25
Einverstanden
von Dmitrij
Antworten mit Zitat

"Ich geschrieben werde",- sehr korrekt formuliert.
Mir ist nur aufgefallen, daß der Protagonist relativ häufig mit den Schultern zuckt. Ansonsten gefällt mir diese Schreibweise sehr. Die erste Version aber hat mich deutlich mehr beeindruckt. Die Handlung entwickelte sich ungezwungen lässig und die Sprache hat sogar ein Hauch von Poesie verströmt. Überarbeitung ist natürlich mit mehrerer Details ergänzt worden, wirkt aber dadurch wie eine Reportage, bzw. eine Aufklärung für diejenige, die ungeduldig sind oder nicht selber denken mögen (IMHO).


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Selbst wenn du ein überzeugter Optimist bist, unterschätze niemals all die pessimistisch denkenden Menschen;-)
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rsonnberg
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R
Beitrag18.10.2016 20:17
Der Code Gottes
von rsonnberg
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Nur der Vollständigkeit halber stelle ich dann den diesmal wirklich endgültigen Text und komplett umgestellten Text ein. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich den Hauptteil dieser Erzählung vor über zwei Jahren geschrieben. In den letzten sieben Tagen hat sie mir den Schlaf geraubt, einige von euch wahrscheinlich auch zweifeln lassen und irgendwann muss einmal Schluss sein. Das hier ist er, erarbeitet mit eurer Hilfe.

Apropos Schluß - ich habe wieder einmal eine Diskussion mit meiner Frau hinter mir, in der sie darauf bestand, dass ich den Leser nicht bevormunde und ihn offen lasse. So soll also der Leser selbst für sich entscheiden, wie sich Kerstin entscheiden wird und auch, ob Robert ein Held oder ein Verbrecher ist. Nocheinmal ein herzliches Danke für Eure mutmachende Hilfe!

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Der Code Gottes

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ So beginnt die „Genesis“, die Schöpfungsgeschichte von der Entstehung der Welt und der Menschen, die der Herr selbst Moses erzählte auf dem Berg Sinai und tiefe Ehrfurcht erlebt, wer mit offenen Augen und unvoreingenommenen Gedanken auf der Erde wandelt; Ehrfurcht vor diesem Wunder.
Doch Gott hatte Moses nicht die ganze Wahrheit erzählt, davon war Benedict Mayer überzeugt. Oder Moses war ein wenig einfältig gewesen und hatte deshalb nicht alles mitbekommen, was der Herr gesagt hatte. Die Schöpfung war göttlich, daran gab es keinen Zweifel. Doch womit hatte der Herr sie ausgeführt? Er musste etwas besessen oder sich geschaffen haben - die Schöpfung vor der Schöpfung gewissermaßen - mit dem er hatte dieses Werk angehen können. Ein Werkzeug, so voller göttlicher Inspiration, dass es noch heute und bis in die Ewigkeit alles beseelte mit dieser Flamme der Göttlichkeit.
Für Benedict Mayer existierte nicht der geringste Zweifel, welchen Werkzeugs sich der Herr bedient hatte. Es konnte nur die Mathematik gewesen sein. Nicht alles in der Welt war Mathematik, aber ohne Mathematik war alles nichts. Sie durchdrang alles, und wenn irgendetwas existierte, dass sich nicht als Formel darstellen ließ, dann nur deshalb, weil Gott sie den Menschen noch nicht enthüllt hatte.
Benedict Mayer wäre gerne dabei gewesen in jener schicksalhaften Nacht auf dem Berg Sinai, als Gott dem Moses erschienen war und er war sich sicher, dass er Gott nicht so billig mit seiner Geschichte davonkommen lassen hätte. Weil er ihm eine ganz bestimmte Frage gestellt hätte und er hätte wirklich gerne gewusst, wie der Herr sich dann aus der Nummer herausgewunden hätte. Er hätte gefragt: „Wie hast du die perfekte Kugel gemacht?“
Eine Kugel ist ein geometrischer Körper, dessen Oberfläche an allen Punkten gleich weit von seinem Mittelpunkt entfernt ist. Er war Mathematiker und die Göttlichkeit der Schöpfung manifestierte sich für ihn in der Vorstellung eines Balls mit goldglänzender Oberfläche, dessen Form genau dieser Definition entsprach. Genau, nicht nur ungefähr.
Die Mathematik ist eine exakte Naturwissenschaft, sie hat mit „könnte“, „sollte“ und „vielleicht“ nichts am Hut und ein Gleichheitszeichen bedeutet exakt das: gleich, identisch; nicht etwa ähnlich oder ungefähr. Um eine Kugel exakt berechnen zu können, ist die Kenntnis der Zahl „Pi“ unabdingbar, doch Gott hatte sie unendlich hinter dem Komma gemacht und an diesem „unendlich“ bissen sich die Menschen die Zähne aus.
Vor mehr als dreißig Jahren hatte Benedict Mayer eine kleine Abhandlung über die göttliche Zahl geschrieben. Seiner Überzeugung nach war sie nicht nur die Grundlage zur Berechnung der perfekten Kugel, sondern ihre unendlich vielen Nachkommastellen nichts anderes als eine verschlüsselte Bibliothek des göttlichen Wissens. Sein Traktat hatte ihn dem Spott seiner Fachkollegen ausgesetzt, aber auch einen italienischen Magistertitel und kurz darauf den Besuch einer mit amerikanischem Akzent sprechenden Dame in Begleitung zweier Herren in dunklen Mänteln gebracht.
Er hatte zwanzigjährige Modelle gesehen, die lange nicht so schön gewesen waren wie diese doppelt so alte Dame in dem hellgrauen Tweedkostüm mit den wunderbar geschwungenen Lippen. Sie hatte sich als Meredith Brooks vorgestellt, die beiden Männer links und rechts von ihr waren stumm geblieben. Mit Polareis in ihrem Blick hatte sie gefragt: „Lieben Sie Ihr Land und die Freiheit, die sie genießen, Mr. Mayer?“
Dem Angebot, das sie ihm dann unterbreitet hatte, hatte er nicht widerstehen können und in den folgenden Jahren seinen Intellekt mit dem seiner Kollegen auf der russischen Seite gemessen. Wie kalt der Krieg da draußen auch immer gewesen sein mochte, er hatte es immer schön warm gehabt und einen wunderbaren Blick auf den Funkturm aus seinem schicken kleinen Westberliner Büro.
Freitags, manchmal auch schon donnerstags, war er zurück nach München geflogen, samstags hatte er den Rasen vor seinem Häuschen gemäht und Sonntagvormittag nach dem Kirchengang mit dem schmunzelnden Pastor Thomas diskutiert, ob Gott ein mathematisches Genie war.
Am Montag war er dann wieder nach Westberlin geflogen und hatte an dem ersten Funkspruch, den man ihm zum Dechiffrieren auf seinen Tisch gelegt hatte, erkannt, mit welchem Team der Russen er und seine Kollegen es in dieser Woche zu tun bekommen würden. Er war nichts weiter gewesen als ein kleines Rädchen in einer gigantischen Kriegsmaschinerie. So winzig, dass sein Name nicht einmal auf den Listen auftauchte, die das Ministerium für Staatssicherheit der DDR über die Mitarbeiter der CIA in Westberlin führte.
Doch die Abende hatten ihm gehört und er hatte sie an den neuen großen IBM-Maschinen verbracht, die unter seinem Büro ihre Arbeit verrichteten und mit unglaublicher Geschwindigkeit rechneten. Auf jede Sekunde Rechenzeit hatte er gelauert, die ihm die Bediener zugestanden hatten. Dreißig Jahre lang hatte er in langen Nächten an den Großrechnern im Keller der CIA-Zentrale in Westberlin gesucht, besessen von der Idee, den Code Gottes in der Zahl Pi zu entschlüsseln.
Denn statt darüber nachzudenken, warum der Herr diese göttliche Zahl geschaffen hatte, onanierten die Menschen eine Tausender Stelle nach der anderen; vor einem Jahr hatte Yoshino Kanada die einhundertmillionste Stelle hinter dem Komma geknackt und sie alle begriffen nicht, was sie da taten. Weil Pi eben nicht nur einfach nur eine unendliche Zahl und der Schlüssel zur perfekten Kugel war.
Das war zu simpel, doch Gott war nicht einfach. Er war vorausschauend, er war weise und er war ein Lehrer. Er hatte sich offenbart, doch nicht in der Bibel, sondern in der Zahl Pi. Sie war das Buch des Lebens, in ihr hatte Gott all sein Wissen von der Schöpfung des Universums versteckt. Jede Nachkommastelle stand für Buchstaben, für Zeichen, für Wellenlängen vielleicht oder für was auch immer, und wenn es gelang, sie zu übersetzen, so wären die Menschen endlich im Besitz der Bibliothek des Universums und der wahren Geschichte der Schöpfung, der Gegenwart und selbst der Zukunft.
Benedict Mayer lächelte. Das tat er bei jeder sich bietenden Gelegenheit und er hatte auch allen Grund dazu, schließlich ging es ihm gut. Er war ein kleiner Mann mit einem Wohlstandsbäuchlein, gezwirbeltem Schnauzbart, Bluthochdruck und einer Glatze, die er am liebsten unter einem schmucken grünen Tirolerhut verbarg. Er genoss seine Pension, die er sich auch redlich verdient hatte, und flanierte schon eine geraume Weile mit dem Fotoapparat durch die Prachtstraße Ostberlins „Unter den Linden“. Er erfreute sich des strahlenden Sonnenscheins an diesem letzten Oktobersonntag des Jahres 1988. Seiner kränkelnden Frau hatte er versprochen, so viele Fotos wie nur irgend möglich von seinem Tagesausflug mitzubringen und er hatte nicht vor, sie zu enttäuschen.

*

Nirgendwo war es einfacher, andere ungestört zu beobachten und selbst nicht aufzufallen als in einer möglichst großen Ansammlung von Menschen. Wenn du unerkannt bleiben willst, wenn du in Gefahr bist oder dich unsichtbar machen musst - geh da hin, wo viele Menschen auf engem Raum sind. Robert Oldenburg erinnerte sich nur zu gut an dieses Prinzip seiner Ausbildung. Nicht nur einmal hatte es ihm das Leben gerettet und genau darum hatte er dieses Kaffee am Spreeufer gegenüber dem Berliner Dom für ihr Treffen gewählt.
Die Sonntagsspaziergänger und die Tagesbesucher nicht nur aus Westberlin drängelten sich auf den Fußgängerwegen der Liebknechtbrücke. Die Fotoapparate schussbereit, als seien es die Läufe von Waffen, zielten sie auf alles, was ein brauchbares Motiv für die Kinder und Enkel abgeben konnte. Sie wimmelten dabei durcheinander wie Ameisen und wahrscheinlich dachte niemand von ihnen an eine Gefahr, aber Robert wusste nur zu gut, dass Raubameisen überall auf vom Wege Abgekommene lauerten. Und dass sie immer aus dem Westen kamen.
Er drehte seinen gelben Korbstuhl ein wenig mehr zur Seite, damit ihm die Nachmittagssonne nicht direkt ins Gesicht brannte. Ohne auffällig seinen Kopf dabei zu drehen, musterte er durch die dunklen Gläser seiner Brille unauffällig die Gäste an den anderen Tischen.
Doch niemand schien von ihm mehr als nötig Notiz zu nehmen und das er mit seinen breiten Schultern, der grauen Kurzhaarfrisur und seinem wie gemeißelt wirkenden Gesicht mit den harten Kanten des Öfteren vor allem von Frauen mit Blicken gestreift wurde, war er gewohnt. Seine kerzengerade Haltung, auch wenn er saß, verriet noch immer den ehemaligen Militär und sein kantiges Gesicht mit der Kirk Douglas Grube in der Kinnspitze verlieh ihm trotz der Falten darin einen verbeulten Charme, der auf manche Frauen sehr anziehend wirkte. Er war nie eitel genug gewesen, daraus Kapital zu schlagen; um die Anzahl der Frauen zu zählen, mit denen er in seinem Leben geschlafen hatte, hätten die Finger seiner Hände genügt. Es hatte wichtigere Dinge in seinem Leben gegeben.
Auf schlanken, wunderbar braunen Beinen und mit schwingenden Hüften schlängelte sich die junge Bedienung zwischen den Tischen hindurch und fragte ihn nach seinen Wünschen. Er bestellte einen Kaffee mit extra Zucker und lächelte ihr mit um eine Winzigkeit nach oben gezogenen Mundwinkeln zu. Sie hatte wirklich schöne Beine.
Ein Hauch von Kamille wehte Robert in die Nase. Eine Sekunde später schlangen sich zwei Arme von hinten um seinen Hals und weiche Lippen flüsterten an seinem Ohr: „Du schaust also anderen Frauen auf den Hintern, wenn ich nicht da bin. Findest du das in Ordnung?“
Er hatte Kerstins Schritte längst gehört. Niemand kam von hinten an ihn heran, ohne dass er es bemerkte und eine Frau in High Heels schon gar nicht. Sein Lächeln erreichte auch den zweiten Mundwinkel und regungslos genoss er mit geschlossenen Augen die Berührung ihrer Hände. „Die Beine, meine Liebe; die Beine. Und warum nicht? Sie sind doch schön. Fast so schön wie deine!“
„Schmeichler!“ Lachend küsste sie ihn auf die Wange. Für einen Moment war er versucht, aufzuspringen und sie in die Arme zu nehmen. Rechtzeitig genug erinnerte er sich, dass sie das nicht mochte in der Öffentlichkeit.
Sie nahm ihm gegenüber Platz, öffnete ihren leichten Mantel und zupfte das Sommerkleid mit den karmesinroten Kamelien darunter über den schmalen Knien zurecht. „Wie war deine Fahrt?“
Ihre Stimme klang nicht so frisch, wie er sie in Erinnerung hatte. Müdigkeit schwang darin, Angespanntheit und noch etwas anderes. Vielleicht war es die Nachmittagshitze. „Wie immer. Von Schwerin nach Berlin ist ja nun keine Weltreise, der Wartburg tut seinen Dienst und am Sonntag ist die Autobahn leer. Bei diesen Sommertemperaturen fahren die Leute eher von Berlin an die Ostsee als andersherum.“
„Die, die es sich leisten können und ein Auto haben.“
Sie bestellte einen Schoppen Erlauer Stierblut und er zog die Stirn kraus. Nachdenklich schaute er ihr in das schmale, halb hinter einer Sonnenbrille mit sehr dunklen Gläsern verborgene Gesicht. „Magst du nicht lieber Kaffee oder Wasser trinken?“
„Stört es dich, dass ich Rotwein trinke?“
Er zuckte die Schultern. „Nein, natürlich nicht.“
„Warum fragst du dann?“
„Bei dieser Hitze wirst du von dem schweren Rotwein Kopfschmerzen bekommen.“
„Ich dachte immer, ich wäre die Ärztin. Hast du in den 14 Tagen, die wir uns nicht gesehen haben, Medizin studiert?“
„Warum bist du so gereizt?“
Sie antwortete nicht. Mit verkniffenen Lippen sah sie an ihm vorbei und schwieg, bis die Kellnerin mit den schönen Beinen den Rotwein brachte. So hastig, als sei sie am Verdursten, griff Kerstin nach dem Glas, besann sich aber unter seinem Blick und trank betont genussvoll die blutrote Flüssigkeit.
Unauffällig musterte er sie. Rabenschwarze Locken umrahmten ihr schmales Gesicht. Doch dort, wo sie aus der Kopfhaut wuchsen, zeigte sich Grau, und die Fältchen um ihren Mund, die sie bei ihrem letzten Treffen noch geschickt weggeschminkt hatte, gaben ihrem Gesichtsausdruck etwas Herbes. Sie trug keinen Schmuck, nicht einmal eine Armbanduhr und etwas sagte ihm, dass das alles Anzeichen waren - aber wofür?
Der Sonnenschirm über ihrem Tisch spendete ausreichend Schatten, trotzdem nahm sie die Sonnenbrille mit den übergroßen Gläsern nicht ab. Es war der gleiche Grund, aus dem sie sich in einer anonymen Menschenmenge trafen. Stundenhotels gab es nur im Westen, ein richtiges Hotel oder eine Pension kamen nicht in Frage, denn dazu hätte jeder von ihnen seinen Personalausweis vorzeigen und sich registrieren lassen müssen. Er wusste besser als die meisten anderen Menschen in der DDR, wo solche Nachweise aufbewahrt wurden und wer sie bei Bedarf benutzte. Für Knutschen in dunklen Ecken waren sie zu alt und so blieb ihnen nur die Öffentlichkeit oder das Auto, wie immer.
Er hasste diese Heimlichtuerei. Außer Ehebruch hatten sie kein Verbrechen begangen und der war nicht strafbar, zumindest nicht vor dem Gesetz. Sie waren nur ein Mann und eine Frau, die sich liebten und dass Kerstin nicht mit ihm, sondern mit Generalleutnant Wiesen verheiratet war, machte alles so kompliziert. Aus diesem Grund nahm sie nie die Sonnenbrille in der Öffentlichkeit ab, wenn sie mit ihm zusammen war.
Langsam ließ sie das Rotweinglas sinken und umklammerte es mit den Händen, als müsste sie sich daran festhalten. „Also, warum hast du gefragt?“
Er hätte gerne ihre Augen gesehen, hätte gerne gewusst, ob noch immer dieses Funkeln in ihnen blitzte, wenn sie ihn anschaute.  „Ich mache mir Sorgen um dich.“
Sie nahm die Sonnenbrille ab und er sog scharf die Luft ein. Die Fröhlichkeit und der Schalk, die ihm immer daraus entgegengeleuchtet hatten, waren dem gewichen, das er gespürt hatte in dem Moment, in dem Sie an seinen Tisch gekommen war und für das er keinen Namen hatte.
Er griff nach ihrer Hand. „Warum verlässt du ihn nicht und kommst endlich zu mir nach Schwerin?“
„Das haben wir schon x-mal durchgekaut. Warum fängst du wieder davon an?“
„Weil du irgendwann einmal eine Entscheidung treffen musst!“
Sie hob den Kopf und schaute ihn an. „Ich habe hier zu viele Verpflichtungen. Und mein Mann würde es nicht verstehen. Es würde seiner Karriere schaden und das kann ich ihm nicht antun.“
„Ich wollte nicht die Presseerklärung für das „Neue Deutschland“.
„Willst du damit sagen, dass ich dich anlüge?“
Für eine Sekunde blendete ihn eine Sonnenspiegelung. Es konnte eine Autoscheibe gewesen sein oder ein Fenster, das geöffnet wurde. Er wartete einen Moment, dann drehte er ein wenig seinen Kopf. Nicht so weit, dass er direkt in die Richtung blickte, denn dass hätte einem Beobachter verraten, dass er entdeckt worden war. Dann hob er scheinbar entspannt die Kaffeetasse zum Mund und fixierte für einen Moment aus den Augenwinkeln den vielleicht zwanzig Meter entfernt stehenden Mann mit dem Tirolerhut. Er lehnte am Geländer, dass das Spreeufer und den Anlegesteg von dem Bereich des Kaffees trennte und fotografierte mit einer Kamera mit einem auffallend großen Objektiv zur Museumsinsel hinüber. Vielleicht war es nur ein Tourist oder ein Fotograf, der hier nach Motiven für eine Postkartenserie suchte. Möglich, dass er sich gedreht hatte und die Linse des Teleobjektivs die Sonnenstrahlen in dem Sekundenbruchteil gespiegelt hatte, als sie auf Robert gerichtet gewesen war. Vielleicht.
Er legte Kerstin die Hand auf den Unterarm und senkte die Stimme. „Wann hast du zum letzten Mal in einen Spiegel geschaut? Du siehst müde aus, vernachlässigst dein Äußeres, hast aufgehört, deine Haare zu färben, lässt dich gehen, und falls du denkst, dass ich das Zittern deiner Hände nicht gesehen habe, hast du dich getäuscht. Ich sehe alles. Du gehst an deiner Ehe kaputt!“
„Bist du sicher, dass es an meiner Ehe liegt?“
„Natürlich bin ich das! Warum tust du dir das immer wieder an? Warum tust du mir das an?“
Sie zischte: „Was tue ich dir denn an? Du gondelst gemütlich von Schwerin nach Berlin, machst dir ein schönes Wochenende mit mir, und wenn du nach Hause kommst, ist da niemand, den du anlügen musst. Ich habe eine Verpflichtung gegenüber meinen Patienten und noch immer gegenüber meinem Mann. Eine Verantwortung. Kennst du das Wort überhaupt? Du verstehst nichts, gar nichts!“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie senkte den Kopf und wühlte in ihrer Handtasche herum.
„Erzähl mir nichts über Verantwortung! Ich habe mehr davon auf meinen Schultern, als du dir vorstellen kannst. Was könnte denn noch schlimmer werden? Ihr teilt doch nur noch euer Haus und nicht das Bett - zumindest behauptest du das. Wie lange willst du dich noch quälen? Für seine Karriere braucht dich dein Mann nicht mehr, die kann niemand von uns mehr aufhalten und es ist das Einzige, was ihn interessiert. Du bist nur eine hübsche Staffage für ihn.“
„Du scheinst meinen Mann ja sehr gut zu kennen.“
„Ja.“
Auf Kerstins Stirn erschien eine Falte. „Woher? Du bist ihm doch nie begegnet.“
Er winkte ab. „Ich war in der Armee.“
Für einen Moment fixierte sie sein Gesicht mit ihren Augen und er fürchtete schon, sie würde da nachhaken. Er wollte sie nicht anlügen müssen.
Doch sie sagte nur: „Dann weißt du sicher auch, wie rachsüchtig er sein kann. Er würde damit leben können, dass ich einen Geliebten habe. Vielleicht ahnt er das sogar. Aber wenn ich ihn deinetwegen verlasse, stelle ich ihn vor allen Leuten bloß; ich mache ihn zum Hahnrei. Es ist mir egal, ob ich in einem Berliner oder in einem Schweriner Krankenhaus arbeite, aber ich habe Angst davor, was dann mit dir passieren wird. Ich will nicht jedes Mal zusammenzucken müssen, wenn es klingelt, weil da zwei Männer vor unserer Tür stehen könnten, um dich mitzunehmen!“
Die Antwort hatte sachlich klingen sollen, aber ihre Hände, die sich so fest um den Stiel des Weinglases krampften, dass die Adern auf den Handrücken hervortraten, erzählten ihm etwas anderes. Sie hatten so oft darüber gesprochen, dass er sich sehr gut selbst schützen konnte, doch da er immer geschickt umging, weshalb, endete die Diskussion jedes Mal hier. Er zwang sich zur Ruhe. „Du wirst dir wehtun, wenn du das Weinglas noch heftiger drückst.“
Sie senkte den Blick auf ihre Hände. „Dir entgeht auch nichts.“
„Nein, mir entgeht nichts. Ich sehe alles, außer vielleicht mein Leben mit dir.“
Ein Ausflugsdampfer tutete auf der Spree und legte an. Die Menschen gingen von Bord und winkten. Sie hatten den Sonntag und den Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Museumsinsel genossen; strömten jetzt den Steg hinauf und stauten sich an dem schmalen Durchgang vor dem Kaffee. Wie auch alle anderen Besucher zuvor musterte Robert sie aus den Augenwinkeln. Natürlich war es mehr als unwahrscheinlich, dass jemand von ihrem Treffen hier wusste, doch er würde niemals den Fehler begehen und Generalleutnant Wiesen unterschätzen. Ein Foto genügte.
Er räusperte sich. „Ich verstehe, dass Schwerin ein Provinznest gegen die Weltstadt Berlin ist und du bei mir sicher vieles vermissen würdest.“
Kerstin fasste nach seiner Hand auf dem Tisch. „Bitte, Robert. Du weißt, dass das nicht der Grund ist. Ich liebe dich und darum ist es mir egal, dass Schwerin nur ein Theater hat und dass ich dort keine Freunde habe.“
„Warum glaubst du mir dann nicht, dass uns nichts passieren kann? Willst du dein ganzes Leben in Angst neben deinem General verbringen?“
„Er ist nicht mein General! Ich rede hier von Gefühlen wie verletztem Stolz, von betrogen werden, von Gesichtsverlust und von allem, was aus einem Mann einen Berserker macht. Stell dir vor, jemand würde ihm ein Foto von uns auf den Schreibtisch legen - keine vierundzwanzig Stunden später würdest du abgeholt werden. Und das ist die Antwort auf deine Frage - wenn es sein muss, würde ich bei ihm bleiben. Ich kann keine Uniformen mehr sehen und selbst bei meiner Arbeit im Lazarett packt mich der Brechreiz, wenn ich jeden Tag die Folgen dessen, was beim Militär passiert, auf dem OP-Tisch sehe. Ohne Uniformen, egal ob in Ost oder West, wäre die Welt eine bessere. Ich will nicht jeden Tag Angst um dich haben müssen. Hast du auch einmal an deinen Sohn gedacht?“
Natürlich hatte er das. „Sven ist alt genug, auf sich selbst aufzupassen und die fast anderthalb Jahre, in denen er seinen Grundwehrdienst leistet, haben ihn endgültig erwachsen werden lassen. Außerdem leben wir nicht mehr im Mittelalter, sondern im Sozialismus. Niemand von uns bestraft die Sünden der Eltern bis in die dritte Generation.“
„Bist du dir da ganz sicher? Ich erinnere mich an eine Freundin, die nicht Medizin studieren durfte, weil ihre Eltern Akademiker waren und damit nicht aus der Arbeiterklasse kamen.
„Das ist doch etwas ganz anderes. Jeder Staat, egal ob in Ost oder West, schützt seine Machtstruktur und wir tun das auch. Aber niemand kann unseren Apparat für persönliche Rachefeldzüge benutzen. Jetzt hör auf, dir solche Schauermärchen einzureden!“
Vorgebeugt, mit einem Mund, der plötzlich gerade wie ein Strich war, fragte sie so leise, dass er es fast überhört hätte: „Wen meinst du mit ‚uns‘?“
„Was?“
Sie verengte die Augen zu Schlitzen und ein Eishauch schien plötzlich zu ihm herüberzuwehen. Jedes Wort betonend, wiederholte sie: „Ich will wissen, warum du von der Regierung und dem, was sie tut, als ‚uns‘ sprichst.“
Er öffnete den Mund, doch sie hob die Hand. „Du hast mir gesagt, dass du an einem Schreibtisch arbeitest. Du hast mir jedoch nie gesagt an welchem und anrufen darf ich dich da schon gar nicht. Du sagst, dass du uns vor der Rache eines der mächtigsten Militärs hier schützen kannst? Ist das deine männliche Selbstüberschätzung, Beruhigung für eine dumme Pute wie mich oder kannst du es wirklich? Wenn ja - wieso? Wir haben uns in Bad Saarow das erste Mal getroffen, das ist ein Militärlazarett. Wieso bist du da behandelt worden, wenn du ein Zivilist bist? Deine Akte war so geheim, dass ich nicht in deine Vorgeschichte hineinblicken konnte und ich habe eine GVS - Einstufung! Vielleicht erinnerst du dich ja noch, dass ich deine behandelnde Ärztin war. Aber ich bin auch eine Frau, die von dem Mann, den sie liebt, ein paar Antworten haben will. Doch wo immer ich auch hinschaue, sehe ich nur Fragezeichen und weiße Flecken. Ich bin kein Backfisch mehr, der über den Schmetterlingen im Bauch die Realität vergisst!“
„Kerstin ...“
„Ich muss zur Toilette!“
Mit einer ruckartigen Bewegung setzte sie ihre Sonnenbrille auf, sprang aus dem Korbsessel und rannte dabei fast die Kellnerin um. Ihre Schultern zuckten, als würde sie von einem Hustenanfall geschüttelt. Robert winkte der Kellnerin. Wie es aussah, würde Kerstin wohl ein wenig länger auf der Toilette brauchen.

*

Eine löwenfarbene Promenadenmischung auf krummen, für den tonnenförmigen Körper viel zu kurzen Beinen dackelte an Benedict Mayer vorbei. Eine Leinenlänge später folgte seine Besitzerin. Ihr offener Sommermantel gestattete Benedict Mayer den Blick auf ein engsitzendes Kleid in der gleichen safranen Farbe ihres Vierbeiners und einer Figur, die der des Köters nicht unähnlich war.
Mit pittoresker Grandezza lüftete Benedict Mayer seinen Tirolerhut vor den beiden. Vor Erstaunen wölbte die Dame unter ihrem weißen Strohhut die strichdünnen Augenbrauen, bis sie den Bögen einer gotischen Kathedrale glichen, und stockte. Ihre Reaktion quittierte er mit seinem freundlichsten Lächeln, nickte ihr zu und setzte seinen Weg fort.
Er wich einem Baustellenschild auf dem Gehsteig aus, nicht dem Ersten, seitdem er seinen Spaziergang begonnen hatte. Honecker ließ bauen, was das Zeug hielt, weil Ostberlin nach seinem Willen eine internationale Metropole werden sollte; Zeugnis der Leistungsfähigkeit des Sozialismus vor aller Welt. Und sie kamen zügig voran hier, obwohl sie mit Maschinen und gutem Werkzeug nicht gerade reichlich gesegnet waren. „In Scheiße wird Scheiße“ hatte der Großvater von Benedict Mayer seinen Enkel gelehrt, der hatte es in seinem Leben bestätigt gefunden und genau deshalb war Benedict Mayer sich gewiss, dass Gott Moses nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte.
Eben spazierte ein junges Pärchen an ihm vorbei. Das kunstseidene Kleid der jungen Frau leuchtete hell im Licht der Augustsonne und ihre schönen, wohlgerundeten Brüste zogen seinen Blick auf sich. Sie hielten sich an den Händen, warfen sich verliebte Blicke zu und er hob vor der Schönheit des Mädchens wieder seinen Hut. Verblüfft schauten beide ihn an, dann lachten sie, nickten ihm zu und setzten ihren Spaziergang fort.
Er flanierte weiter über die Liebknechtbrücke und steuerte ein kleines Kaffee an. Hier wollte er sich ein ruhiges Plätzchen suchen und konnte auch noch ein paar wunderbare Fotos über die Spree hinweg von der herrlichen Kuppel des Berliner Doms machen. Für sein Denken war das wie ein Stichwort und es sprang wieder in die Spur seiner Besessenheit.
Wohin er auch blickte, überall leuchtete der göttliche Funken; in der Kuppel des Berliner Doms; in der Wölbung der Augenbrauen der Dame mit dem hundefarbenen Kleid; in der Form der Brüste des jungen Mädchens eben; ja sogar in den Radkappen der vorbeirollenden Trabis, Wartbugs und Ladas. Sie alle besaßen Kurven, Kreissegmente, Kugelelemente oder zumindest die derzeit technisch machbare Annäherung an dieselben. Aber weil Gott den Menschen den Schlüssel dazu vorenthielt, würden sie niemals in der Lage sein, einen perfekten Kreis und weniger noch, eine absolut perfekte Kugel zu formen. Weil ihnen immer die letzte Stelle der Zahl „Pi“ nach dem Komma fehlen würde.
Benedict Mayer war besessen von der Idee, ihr Geheimnis zu lüften und mehr als einmal hatte er sich in schlaflosen Nächten gewünscht, den Herrn danach fragen zu können.
Er suchte sich ein schönes Plätzchen zwischen der Terrasse des Kaffees und dem Geländer am Spreeufer, von dem aus er einen freien Blick auf die Museumsinsel hatte. Ihm kam nicht in den Sinn, dass ausgerechnet heute der Tag sein könnte, an dem Gott ihm seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen würde.

*

Robert dachte zurück an den Moment, als sich diese Frau mit dem herzförmigen Gesicht und den sanften braunen Augen, die ihn eben voller Zorn angefunkelt hatten, das erste Mal über ihn gebeugt hatte.
Mit einer bösen Toxoplasmose, die er zu lange ignoriert hatte, war er in Bad Saarow eingeliefert worden. Als wäre es nur Sekunden zuvor geschehen, fühlte er noch immer den sanften Druck ihrer Finger, mit dem sie einen der geschwollenen Lymphknoten an seinem Hals abgetastet hatte. Eine Locke war ihr dabei ins Gesicht gerutscht und das scheue Lächeln, mit dem sie die widerspenstige Haarsträhne eingefangen und auf die Schulter geworfen hatte, würde er nie vergessen.
Das war vor einem Jahr gewesen. Seitdem fuhr er, wann immer er es einrichten konnte, nach Berlin, in der Hoffnung, sie für ein paar Stunden zu treffen und ihr nahe sein zu können. Manchmal verstand er sich selbst nicht, schließlich war er vierundvierzig Jahre, Kerstin nicht seine erste Liebe und aus dem Verliebtheitsfeuer der Jugend sollte er längst heraus sein. Doch diese schmalgliedrige Frau hatte etwas an sich, dass ihn alles um sich herum vergessen ließ.
Er fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, ihr alles zu erzählen. Irgendwann musste er ihr sowieso sagen, warum zumindest auf dieser Seite der Mauer niemand Männer schicken konnte, die ihn abholten. Das Ministerium für Staatssicherheit schützte das Land gegen seine zahlreichen Feinde, genau wie der Mann von Kerstin es tat, nur das der dabei eine Uniform trug. Die Offiziere des MfS mussten viele Dinge tun, die das Licht der Öffentlichkeit scheuten, aber sie waren notwendig, um diesen jungen Staat zu schützen. Und sie würden sich tatsächlich niemals für persönliche Fehden missbrauchen lassen. Er musste es wissen, denn schließlich war er einer von ihnen.
Sie kehrte zurück. Ruhig setzte sie sich an den Tisch, nahm ihre Sonnenbrille ab und verstaute sie in ihrer Handtasche. Offenbar hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen, so sehr, dass er aus ihrem Gesicht nicht schlau wurde. Es war, als hätte sie plötzlich eine Maske aufgelegt, die jede Emotion vor ihm verbarg.
Leise sagte er: „Es ist gut, dass du da bist.“
„Findest du?“
„Ja! Ich will dich weder verletzen noch anlügen.“
Er schwenkte den Arm mit einer umfassenden Geste: „Ich bin hier in der Nähe aufgewachsen, hier zur Schule gegangen und hatte alle meine Freunde hier. Meine Eltern gehörten zu den führenden Kernphysikern in der DDR. Ich war siebzehn, da erhielten sie eine Einladung zu einem Kongress nach Belgrad. Sie nahmen mich mit. Zwei Tage später waren wir im Westen.“
Nichts rührte sich in ihrem Gesicht und er setzte hinzu: „Sie sind den Dollars gefolgt, wie zu viele andere hier auch. Vor sieben Jahren bin ich wieder hierher, nach Hause, gekommen.“
„Magst du den Westen nicht?“
Er schaute an ihr vorbei: „Mögen? Meine Eltern wurden gezielt abgeworben, im Rahmen eines Programms, das bis heute gegen uns angewendet wird. Man sucht sich führende Köpfe, bietet ihnen viel Geld oder erpresst sie und schleust sie dann nach drüben. Unsere Schul- und Hochschulausbildung ist eine der Besten in der ganzen Welt, aber sie kostet Unsummen. Du solltest das am Besten wissen. Es ist, als würden wir unser Geld direkt Bayer oder Mercedes in den Rachen schmeißen, wenn einer von unseren Wissenschaftlern rübergeht. Doch der Schaden ist noch viel größer. Unsere Intelligenz, die wir so dringend benötigen, wird ausgeblutet. Also wird sie bewacht. Das spricht sich herum, dadurch wird für die klugen Leute die Motivation noch größer, in den Westen zu gehen, weil sie angeblich hier keine Luft zum Atmen haben.“
Seine Stimme wurde leise: „Sie nahmen mir damals alles, woran ich geglaubt habe, den Glauben an meine Eltern eingeschlossen. Und meine erste Liebe. Für Dollars!“
Er schaute ihr direkt ins Gesicht. „Ob ich den Westen mag, willst du wissen? Ich habe einmal die Uniform eines Majors der Bundeswehr getragen und im NATO-Hauptquartier gearbeitet und ich kenne seine Fratze genau. Sie morden, vergewaltigen, lügen, betrügen und zerstören mit Bomben und Raketen unsere Welt. Und wofür? Im Namen ihrer Freiheit, die sie bei jedem zweiten Satz im Munde führen? Nein, für Dollars! Und wo sie mit ihren Waffen nichts ausrichten, da vergiften sie unser Leben damit. Ich hasse sie wie nichts sonst auf der Welt!“
Er lehnte sich zurück. Was er ihr erzählen durfte, hatte er eben gesagt, und wenn sie eins und eins zusammenzählte, wusste sie jetzt in etwa, wer er war und konnte sich ausrechnen, was er tat.
Eine Falte furchte ihre Stirn, als dächte sie intensiv nach und für einen Moment blitze etwas in ihren Augen auf. Dann, ihm schien es eine schweigende Ewigkeit gewesen zu sein, sagte sie leise: „Bitte entschuldige. Vielleicht arbeite ich zu viel. Manchmal scheint mir, dass die ganze Atmosphäre um uns voller Gift ist und es nach und nach in unsere Köpfe sickert. Wir haben so wenig Zeit für uns und dann streiten wir uns auch noch.“
Sie griff nach seiner Hand. „Ich erinner mich noch an den ersten Kaffee, den wir gemeinsam in der Nachtkantine getrunken haben. Und wie scheußlich er geschmeckt hat. Ganz im Gegensatz zu deinen Lippen.“
Er erinnerte sich sehr wohl an diese Szene. Eigentlich hatte er sich nur von dieser faszinierenden Frau verabschieden wollen, aber irgendwie war sie in seinem Arm gelandet - und dann war es zu spät gewesen. Keiner hatte es gewollt oder darauf hin gearbeitet. Sie fühlten sich nur unglaublich wohl in der Nähe des anderen und daran hatte sich in den folgenden Monaten nichts geändert. Aus „Wohlfühlen“ war brennende Sehnsucht geworden und bei ihm der Wunsch, Kerstin jeden Tag um sich zu haben, koste es, was es wolle.
Vielleicht hatte sie tatsächlich recht. Wenn es um sie ging, war er bereit, jede Verantwortung über den Haufen zu werfen. „Kerstin, ich liebe dich. Was soll ich denn tun? Ich kann mir nicht vorstellen, ohne dich zu leben - verstehst du das?“
Er schaute ihr fest in die Augen, und als sie nur nickte, seufzte er. „Und was machen wir nun?“
„Falls du unsere Lebensplanung meinst - nichts. Außerdem muss ich das, was du mir eben gesagt hast und auch das, was du nicht gesagt hast, in Ruhe überdenken. Im Moment lassen wir alles so, wie es ist.“
Er senkte den Kopf, blickte kurz auf seine Sandalen und dann wieder in Kerstins Gesicht. „Das kann ich verstehen. Aber ich meinte eigentlich den Rest des Nachmittags. Wann musst du wieder zu Hause sein?“
Sie lachte leise. „Ich habe in einer Stunde einen Termin.“
„Ich weiß nicht, was du daran so lustig findest. Ich hatte gehofft, wir hätten etwas mehr Zeit füreinander.“
„Naja, weißt du, mein Mann kommt erst morgen früh zurück nach Hause und ich dachte, du könntest mich zu dem Termin fahren?“
„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“
Plötzlich kicherte sie wie ein kleines Mädchen. „Um genau zu sein, geht es bei dem Termin darum, dass meine Freundin für drei Tage verreist und ich auf ihre Wohnung aufpassen soll. Ich dachte mir, du würdest dir vielleicht ganz gerne mal eine Berliner Altbauwohnung von innen anschauen wollen, so für ein paar Stunden, ganz ungestört mit mir ...“
Es dauerte einen Moment, bis er verstand, was sie ihm da sagte, dann verschwand die Enttäuschung wie weggefegt aus seinem Gesicht.
Sie drängelten sich zwischen den voll besetzten Tischen hindurch und wären dabei fast gegen den Mann mit dem Tirolerhut gelaufen, der den Ausgang der Terrasse blockierte.
Robert fragte: „Lassen Sie uns vorbei?“
Der ältere Herr nahm ruhig die Spiegelreflexkamera mit dem Achthunderter Carl-Zeiss-Teleobjektiv herunter und die Augen halb zugekniffen, als blendete ihn die Sonne, fixierte er Roberts Gesicht. Sein Blick blieb einen Moment an dessen Narbe hängen, dann lächelte er freundlich und machte einen Schritt zur Seite. Mit breitem bayrischen Akzent sagte er: „Söbstvaständli, tuad ma lad, dass i sie aufghoitn hob.“
Robert registrierte genau diesen Blick. Auf der Liebknechtbrücke blickte er sich noch einmal um. Der Mann hatte sich in den Schatten eines Baumes gestellt, fotografierte die Museumsinsel und jeder, der ihn sah, würde das Bild eines Fotografen aus dem Westen im Kopf haben.
Nur Robert nicht, denn er hatte die kalten Augen des Mannes gesehen. Er ging in Gedanken die Szene noch einmal durch. Sie waren auf ihn zugegangen und erst da hatte er die Kamera an die Augen gehoben. Er hatte sie kommen sehen und hätte von allein aus dem Weg gehen können. Er war auch nicht einfach so zur Seite gegangen, sondern hatte bewusst darauf gewartet, dass Robert ihn ansprach und ihm dann scharf in die Augen gesehen, vor allem aber auf die Narbe. Erst dann hatte er einen Schritt zur Seite gemacht. Der Mann hatte diese Begegnung gewollt!
Robert konnte nicht verhindern, dass seine Muskeln sich anspannten und Kerstin blickte zu ihm hoch. „Was ist?“
„Nichts.“
Seine Instinkte ließen ihn ihre Hand loslassen und stattdessen den Arm schützend um sie legen. Sorgsam achtete er darauf, mit seiner Hand nicht ihre Haut zu berühren. Sie hätte den kalten Schweiß auf seiner Handfläche gefühlt.
Er musste sich anstrengen, nicht schneller zu gehen. Er wusste ein Teleobjektiv auf seinen Rücken gerichtet und seine Erfahrungen aus dem Westen sagten ihm, dass als Nächstes ein Gewehrlauf kommen würde.

*

Benedict Mayer schnaufte und das Blut rauschte in seinen Ohren. Hastig griff er nach der Packung in seiner Jackentasche und nahm eine Tablette. Sein Blutdruck war nicht der beste und Aufregung war Gift für ihn. Aber wie hätte er auch ahnen sollen, dass er ausgerechnet hier in diesem kleinen Kaffee an einem so schönen Oktobersonntag dem geflohenen Bundeswehrmajor Manfred Retjen begegnen würden?
Mit tiefen, langsamen Atemzügen versuchte Benedict Mayer, sich zu beruhigen. Er erinnerte sich noch sehr gut an den politischen Erdrutsch, den es vor sieben Jahren beim BND und auch bei der CIA gegeben hatte. Überall, bis hin zum Bundestag waren Köpfe gerollt. Und das, weil ein gewisser Major Manfred Retjen nach seinem Türkeiurlaub, den er zusammen mit seinem Sohn angetreten hatte, an einem Montagmorgen nicht zu einer Dienstbesprechung im NATO-Hauptquartier in Brüssel erschienen war.
Das hätte man ihm vielleicht nachgesehen, nicht jedoch, dass noch im Laufe des gleichen Tages in Ostberlin sechs Männer und eine Frau von der Stasi verhaftet worden waren und damit das komplette Netz der CIA in Ostberlin praktisch aufgehört hatte, zu existieren.
Zwei Tage später hatte man ihn in Edirne, einem kleinen Ort an der türkisch-bulgarischen Grenze, lokalisiert. Drei Männer hatte man auf ihn angesetzt, zwei von ihnen waren spurlos verschwunden, den Dritten hatte man in der Kanalisation der Stadt entdeckt. Jemand hatte ihm, wahrscheinlich mit nur einem einzigen Schlag mit großer Brutalität, die linksseitigen Rippen so zertrümmert, dass die dahinterliegende Milz zerfetzt und das Zwerchfell auch noch perforiert worden war. Der Agent war innerlich verblutet, bevor man ihn gefunden hatte.
Man hatte den Fall durch die weltweite Presse gejagt, Retjen war auf dem gesamten Erdball gesucht worden, zumindest in dem Teil, der nicht hinter dem Eisernen Vorhang lag; auf jedem Polizeirevier hatte sein Foto gehangen, doch er war verschwunden geblieben, ebenso wie sein Sohn. Und jetzt tauchte er hier wieder auf, in aller Öffentlichkeit und mit einer Frau an seiner Seite. Offenbar hatte der Mann nichts von seiner Kaltschnäuzigkeit und dann wahrscheinlich auch nichts von seiner Gefährlichkeit verloren.
Benedict Mayer schnaufte und überlegte, was er tun sollte. Er war kein Profi, der einem durchtrainierten ehemaligen Elitesoldaten durch Berlin folgen konnte, ohne das der ihn bemerkte und vielleicht sogar ausschaltete. Er war ein Pensionär mit Bauch und Bluthochdruck, besaß ein kleines Häuschen und wollte nichts weiter, als seinen Ruhestand genießen und den Code Gottes entschlüsseln. Er konnte drüben die Fotos zeigen, doch dann würden sie ihn wieder mit hineinziehen. Lange genug war er ein Rädchen im Getriebe des Kalten Krieges gewesen, um zu wissen, wie schnell der einen fressen konnte und das er Glück gehabt hatte, dass eben das nicht geschehen war. Sollte er damit wieder anfangen?
Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Er öffnete die Rückwand der Kamera und ließ den Film mit den Bildern der beiden unauffällig ins Wasser der Spree fallen. Dann legte er einen Neuen ein. Der Kalte Krieg fand heute ohne ihn statt.

*
Robert tastete in seiner Jackentasche, dann blieb er stehen und sagte: „Ich muss noch einmal zurück. Meine Zigaretten liegen noch auf dem Tisch.“
Kerstin setzte wieder ihre Sonnenbrille auf. „Ich warte hier. Beeil dich.“
Er gab ihr seinen Autoschlüssel. „Brauchst du nicht. Der Wartburg steht dort vorn in der Oberwallstraße, du kennst ihn ja. Mach es dir bequem, du fährst doch gerne.“
„Robert?“
„Ja?“
„Ist etwas?“
Lachend winkte er ab. „Nein, wieso? Cabinet gibt es in Schwerin nur unter dem Ladentisch und sie war noch halbvoll. Ich bin gleich wieder da. Vergiss nicht, dir die Spiegel einzustellen.“
Einen Moment blickte sie ihn noch an, dann ging sie und Robert atmete auf. Für das, was er jetzt tun musste, konnte er Kerstin nicht gebrauchen.
Es gab drei Möglichkeiten. Der Mann mit dem Tirolerhut konnte nichts weiter als ein Tourist sein, dem widersprachen jedoch alle seine Instinkte. Dann konnte er von Wiesen geschickt worden sein, immerhin war es möglich, dass er einen Verdacht gegen seine Frau hegte. Doch der General hatte andere Möglichkeiten, als einen auffälligen Bayer dafür einzusetzen. Damit blieb nur noch die dritte Möglichkeit - sie waren ihm nach so langer Zeit doch noch auf die Spur gekommen. Mischa hatte ihn gewarnt, und plötzlich waren seine Worte wieder in Roberts Kopf: „Viele Menschen treffen richtige Entscheidungen. Einige auch zum richtigen Zeitpunkt. Aber nur wenige setzen sie auch bis zum Letzten mit allen Konsequenzen um. Das sind die von uns, die noch leben.“ Ich hätte auf ihn hören und in Moskau bleiben sollen, da war ich sicher, dachte Robert.
Ein Anruf hätte genügt, und die Genossen würden den Mann an der Grenze abfangen, doch dann würden sie auch die Fotos von ihm und Kerstin sehen. Robert machte sich nichts vor - mit der Macht kam auch die Versuchung, sie zu missbrauchen und die Gier nach mehr Macht. Das hatte der Westen nicht für sich gepachtet, die Menschen hier im Osten waren keine Heiligen und auch in der DDR wurde man nicht General ohne ein weitgespanntes Netzwerk von Kontakten. Die Gefahr würde bestehen, dass die Fotos von ihm und Kerstin auf dem Tisch von Wiesen landeten und das musste er unter allen Umständen verhindern. Kerstin sollte sich aus Liebe für ihn entscheiden, nicht unter dem Druck von Umständen.
Außerdem würden jede Menge Komplikationen auf ihn zukommen, denn im Westen wurde er als Mörder gesucht und tauchte er jetzt hier wieder auf, würde man das mit Sicherheit propagandistisch ausschlachten und gegen seine Heimat verwenden. Dass er nur sich und seinen Sohn verteidigt hatte und ihm gar nichts anderes übriggeblieben war, als die drei Agenten umzubringen, die ihnen den Weg in die Freiheit versperrt hatten, würde dann niemanden mehr interessieren.
Nein! Es durfte alles nicht wieder von vorne beginnen.
Der Mann stand noch immer an der gleichen Stelle. Robert nickte ihm freundlich zu, als wären sie alte Bekannte, sagte im Vorbeigehen: „Tja, was man nicht im Kopf hat ...“, und schlenderte zu ihrem Tisch von vorhin.
Zwei ältere Damen hatten ihn mit Beschlag belegt, er grüßte sie freundlich und fragte sie, ob sie seine Zigaretten gefunden hatten. Sie verneinten und er blickte sich suchend um. Wieder legte ein Ausflugsdampfer an, gleich würden sich seine Passagiere auf den Steg ergießen. Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass ihn der Mann mit dem Tirolerhut beobachtete.
Die Kellnerin mit den hübschen Beinen rauschte vorbei und auch sie fragte er nach seinen Zigaretten, doch auch sie verneinte. Schließlich zuckte er scheinbar enttäuscht die Schultern und drehte sich zum Ausgang der Terrasse.
Der wurde gerade durch die vom Schiff strömenden Passagiere blockiert. Er drängelte sich in den Strom hinein und ließ sich zu dem Mann mit dem Tirolerhut treiben. Der hatte beide Arme mit der teuren Kamera nach oben gereckt, um sie vor dem Menschenansturm zu schützen und schaute erstaunt auf den plötzlich vor ihm auftauchenden Robert. Der verbarg all seine Wut darüber, dass man ihn nicht in Ruhe ließ, hinter einem Lächeln.
Dann schlug er zu.
Mit der Gewalt eines Vorschlaghammers und nahezu mathematischer Präzision, wie sie nur jahrelanges hartes Training verleiht, traf seine geballte Faust den linken Rippenbogen von Benedict Mayer. Der Mann mit dem Wohlstandsbäuchlein, dem Tirolerhut und dem immer freundlichen Lächeln konnte nicht einmal mehr schreien.


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Menschen wurden geschaffen, um geliebt und Dinge, um benutzt zu werden.
Der Grund, warum sich unsere Welt im Chaos befindet, ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden.
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