Kinderreime bis zum Abwinken

[davidmuc]

Ich war ganz mächtig in den Miesen. Dann?
Sah einer wegen dieser Droge rot,
der Affe hat mir im Büro gedroht:
Willst du nicht sterben, töte diesen Mann!

Ich sagte, ist nicht weiter wild, okay?
Ich mach dir erst mal eine Kaffe warm,
weil mir der Affe mit der Waffe kam -
ich dachte nur, wenn der mich killt, oh weh!

Der Typ am Foto war ein Mann wie ich.
Und wenn nun einer sterben musste, wer?
Nur eins war klar: der Affe wusste mehr.
Deshalb kam es auf Kerle an, wie mich.

[Rainer Zufall]

Eine Frau rief neulich an.
Ich tunkte grad die Fingerkuppe
zum Prüfen in die Hühnersuppe.
Sie sagte: Töten Sie den Mann,

der mich zum Waschen seiner Socken zwingt,
der mich dereinst kokett hofierte
sie setzte fort, derweil ich schnell notierte,
der nun mit meinen Nerven ringt.

Ich raste durchs Kontor
für Killer, Mörder und auch Töter
von bösen Gatten und Schwerstnötern,
nach Pfeilen, Messern, Kugeln, doch davor  

las ich die Nummer, las sie ganz genau,
las noch mal nach,
da wurde mir ganz schwach.
Die Nummer war von meiner Frau.

[Rainer Zufall]

Hallo, wollte es mal wieder probieren nach so langer Zeit, hoffe, ich habe den Sinn erfasst.

[Michel]

Bis aufs Versmaß: Ja! Schön, wenn noch eine weitere Dichtstimme dazukommt!

[menetekel]

Bekanntlich schreibt keiner wie Rainer, gerade und auch weil es diesmal (noch) nicht ganz geklappt hat. Aber der gute Wille ist immerhin da. Apropos "da":
Schön, dass du dich mal wieder blicken lässt!

Reiner Zufall

Wenn du die Nummer deines Kerls "verlierst",
entwickelt sich ein reifes Bühnenwerk,
falls du mal, schusslig, ohne Augenmerk
die Zufallschiffre wählst, nach der du gierst

und wirklich Rainer an sein Smartphone geht,
scharwenzelnd, turtelnd Liebesworte haucht
und dir ein Kribbeln in das Bäuchlein kraucht,
indes dein Ehemann daneben steht!

 

[poetnick]

Und Ehemann sich noch versieht, verzieht
sich Kerle, fern von unwuchtiger Bahn,
dies Kribbeln ist ein elektrischer Schwan;
so schön, bis man die Batterien sieht.

[menetekel]

Ja, ja, die Batterien machen öfter mal Stress ... bis hin zur Entsorgung.

Jetzt kommen wir zu jambischen Fünfheberpaaren, jeweils männlich und weiblich endend. a a b b.
Ähnliches hatten wir schon; hier geht es jedoch um eine deutliche(re) Zweiteiligkeit der Strophe.
Zunächst fand diese Form in Kirchenlieder Anklang, fiel dann der Vergessenheit anheim und wurde im frühen 19. Jahrhundert wiederentdeckt (Storm, Vischer, Weerth).
Seit dem 20. Jahrhundert dient sie häufig der Selbstreflexion.


Die Batterie ist hin. Und löst sich gern
aus jenem abgelebten Weihnachtsstern,
der dir den Frühling, schal, erleuchten sollte:
Vergeblich wars, dein Daseinsklima schmollte!

[Michel]

Die Batterie ist nun vollkommen leer.
Kein Kribbeln im Elektro-Schwan kommt mehr
in den gereizten Nerven an. Doch sollte
stattdessen vielleicht Susi …?
Nö. Die schmollte.

[davidmuc]

Ich bin dein neuer Freund aus Chrom und Stahl,
Ich lauf wohin du willst mit Strom und kahl
ist zwar mein Kopf, doch trägt nur reine Daten,
bekommt mein Boss nur pünktich deine Raten.

[Rainer Zufall]

Schön, wenn man so menetekelisch-charmant bewillkommt wird. Ich hab deinen wunderbaren Kinderreimefaden nie so wirklich außer Auge gelassen.
Danke auch dir Michel, ich glaub im ersten Gedicht, das war kein Vers- das war ein Wirrmaß.

Jetzt dann endlich hoffentlich besser:

RoboTT-Zen ist der allerneuste Trend
für jeden, der en mode ums Viereck rennt.
Doch fällst dabei du tierisch auf die Nase
merkst du RoboTT-Zen ist nur eine Phrase.

[menetekel]

Danke schön, Rainer.


Das Robot-Zen-Getexte ist nicht schlecht,
erscheint uns gar zuweilen mundgerecht:
"Am Anfang war das Wort und nicht das Schwatzen" -
schreibt Benn - und lässt die Mammutblase platzen!




* Ich mein jetzt aber die Combo, nä?

[Justadreamer]

Eine gute Vorlage für eine Runde "morgue":

Im Leichenschauhaus liegend: Ein Skelett,
das früher einen Preis verdienet hätt.
Statt Leber, Herz und kaltem Blute
nebst Draht ein motherboard im Brustkorb ruhte.

[Michel]

Wenn Du noch eine Niere dazupackst, stimmt das Versmaß …


Im Leichenschauhaus liegend: Ein Skelett.
Ganz früher war's, Ihr ahnt es: Ziemlich fett.
Dann wurde es erst tot und dann recht altklug.
Jetzt schreibt es nächtens an seinem Diätbuch.

[davidmuc]

Hier liegt zur letzten Ruhe Rainer Schmidt,
Die Körpermaße nahm der Schreiner mit,
Die Höhe und die Breite, auch die Länge,
so plagt ihn niemals unterm Lauch die Enge.

[Michel]

  

Darf ich das bitte dereinst auf meiner Beerdigung verlesen lassen?

[Justadreamer]

Oh nein, ich hab die Niere vergessen   Schade, schade, da hab ich mich doch so drüber gefreut

Also das mit dem Leichendichten können wir Hut abuf, und ab zum Leichenwagenfahren

[Michel]

Besser Nierchen als Haftcreme, wie in dem anderen Faden …

[Michel]

Hier liegt die Hülle nur von Rainer Schmidt.
Das Inn're nahm der Balsamierer mit.
Das saure Lüngerl und das saure Nierchen
sind offenbar zwei ganz besondre Tierchen.

Die Körpermaße sind stark reduziert,
auch das Gewicht. Man hat ihn arg beschmiert
mit Öl und Harz. in seinen Leinenbinden
wird man ihn noch in tausend Jahren finden.

[davidmuc]

Geht Klar, copyright ist freigegeben, Michel

Sonst ist von Rainer Schmidt nicht viel bekannt:
bloß, dass er sich zuletzt in Kiel befand.
Er sah bei seiner letzten Nummer Schlieren,
danach versagten ihm im Schlummer Nieren.

Es nahm der liebe Herr uns Rainer Schmidt,
will sagen: das war kein gemeiner Schritt:
sein Leben war ganz ohne Reiz, im Ganzen,
Er trug nur Lüge, Hass und Geiz im Ranzen.

[menetekel]

Der arme Rainer!
Gut, dass er jederzeit reanimiert werden kann ...

wie auch das jambische, kreuzgereimte vierzeiligen Teilchen aus Fünfhebern mit wechselnden Kadenzen (m, w), das häufigste Strophenförmchen des 20. Jahrhunderts.

[Extra für Just]

Blick auf den totgesagten Ranzen, schau
zum feisten Leben, das dort qualsternd wabbelt;
die "Leiche" fühlt sich keineswegs so mau
wie ihr Bestatter an der Bahre babbelt.

(Wissentlich verhunzter George )

[poetnick]

  da ist aber schon Erschwerniszulage fällig?


Die Leiche gleichsam fuhr noch einmal hoch
und wand sich spukhaft wendig aus den Tüchern,
dem Bestatter, der über Gräber kroch,
empfahl sie Abstand von Georges Büchern.

[Tula]

Wiederbelebung

Was heißt hier „tot“? Das wäre doch gelacht.
Wer clever ist, darf mehr als einmal sterben.
Wen hat man nicht schon um sein Amt gebracht,
um kurz darauf ein höheres zu erben?

Ein jeder weiß: die Menschheit ist ein Sumpf.
Die Politik geht gerne über Leichen
hinweg. Wen kümmert denn ein Loch im Strumpf,
im Konto, Haushaltsplänen und dergleichen?

Wen kümmert es, wenn‘s nicht das eigne ist?
Man muht und buht, reißt Witze voller Häme,
weil jetzt ein Fatzke aus dem Blechnapf frisst,
und glaubt, dass der sich dabei ernsthaft schäme.

Wenn dich am nächsten Tag das Leben quält,
mit dünnem Kaffee, Pflichten und Terminen,
hat man den Toten wieder neu beseelt,
um sich und Staat und einem Zweck zu dienen.