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Kinderreime bis zum Abwinken


 
 
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poetnick
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 835
Wohnort: nach wie vor


Beitrag06.12.2020 14:50

von poetnick
Antworten mit Zitat

Laughing    

So oder so, man kommt sich näher Du-Du-Du!


Die Nähe wächst prozentual beim Trinken,
sofern es nicht komplett im Rausch-
gedämmer endet - singen, schunkeln, winken -
ja manchem drängts sogar zum Tausch

des ihm vertrauten, zahmen Leibverhältnis
und bricht mit allem Nutzkalkül;
nach jedem Prosten steift der Ruf der Wildnis
mit Satyrklang dies Hochgefühl,

das, reziprok zur Anzahl froher Runden
-ob man gemein im Bettchen liegt-
zur Frage zuspitzt. Einsamer die Stunden,
da einer selbst sein Lättchen biegt.


Edit und Prost


_________________
Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus
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davidmuc
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 711
Wohnort: München


Beitrag08.12.2020 00:46

von davidmuc
Antworten mit Zitat

Prost!

Einst pflegte nebenan Narziss den Garten,
ein junger Gott, der edel schien -
Und rät man mir auch, komm, vergiss den Zarten,
ich krieg nicht aus dem Schädel ihn.

Wie er mich, scharf wie Pfeffer, mild wie Butter
als Traum durch all die die Jahre hetzt!
Ich sah im Spiegel heut sein Bild - wie Mutter!
Bloß trägt er kaum noch Haare jetzt.
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Tula
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 905
Wohnort: die alte Stadt


Beitrag08.12.2020 03:20

von Tula
Antworten mit Zitat

das Neunte

Zunächst erscheint ein flatterhafter Willen:
Ich schreib heut‘ Abend ein Gedicht.
Die Zeit verstreicht. Bald denke ich im Stillen:
So flutscht das mit den Reimen nicht.

Bei einem Gläschen Wein komm ich ins Wanken:
Terzine? Madrigal? Sonett?
Beim zweiten sprießen unverhofft Gedanken
an weiche Arme und ein Bett.

Beim dritten wird mir klar, die rote Rose
ist als Metapher démodé.
Sie wandelt sich beim vierten zur Mimose;
ein scheues Reh im Negligée.

Das fünfte, und ein Pferd schlägt mit den Flügeln;
es trägt uns durch die Sternennacht.
Das sechste kann die Sprache kaum noch zügeln:
die Amazone voller Kraft;

das Licht, Gestirn auf ungeahnten Bahnen,
das siebente! – den Stier im Blick.
Ein wilder Tanz ums Feuer der Schamanen,
das achte – ein binärer Trick.

Beim neunten schwant es mir: jetzt naht das Ende.
Ein letzter Vers. Es ist schon spät.
Im Rausch besiegt die flammende Legende
ernüchternde Realität.


_________________
aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser)
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 104
Beiträge: 2452
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag13.12.2020 10:48

von menetekel
Antworten mit Zitat

Ja,
ihr Lieben Trinkanimationen machen (leider?) tierisch Spaß, auch wenn man allenfalls ein Glaserl Wein verträgt. Und das eher selten.
Geschmackverstärkend wirkt dabei natürlich Beethoven Neuntes; da zeigt uns Tula mal wieder den richtigen Weg! smile

Wir aber gehen einen anderen Strophenpfad entlang:

Jambische, weibliche Fünfheber wechseln sich (kreuzgereimt) mit männlich endenden Vierhebern ab.

Erhebt Freund Pegasus die weißen Flügel,
zeig du dich zu dem Ritt bereit -
und richte die geknickten Brillenbügel;
er ist des Wartens ziemlich leid!

Viel Spaß und adventliche Grüße
m.


_________________
Alles Amok! (Anita Augustin)
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davidmuc
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 711
Wohnort: München


Beitrag13.12.2020 15:53

von davidmuc
Antworten mit Zitat

Embarassed
Mit genau diesem Versmaß haben wir fast alle (erst der Autor dieser Zeilen, bald auch Abari, poetnick, Michel und sogar die Artikelbaummeisterin selbst soeben schon gereimt, wobei ich mich schuldig bekenne, damit angefangen zu haben
- und nicht, wie zuvor gefordert, die letzte Zeile auf 3 Hebungen zu beschränken.

Daher werde ich zur Strafe  aussetzen, bis eine neue Form vorgegeben ist...
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 104
Beiträge: 2452
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag14.12.2020 10:03

von menetekel
Antworten mit Zitat

Oh&je. hmm

Leider habe ich einen Umzug vorzubereiten und bin deshalb nicht gerade in bester Form und hab gar nix gemerkt. Dafür bitte ich um Nachsicht.
Andererseits wirkt dieses Subunternehmen natürlich entspannend auf meinen Gesamtzustand. Daumen hoch

Die alkäischen und sapphischen Strophe lasse ich jetzt ruhen, weil die ja ursprünglich reimlos gefertigt worden sind (z. B. bei Hölderlin) und außerdem für unsere Zwecke nicht sonderlich geeignet.  Eine Ausnahme polke ich mal heraus und zwar die vereinfachte Nachbildung einer sapphischen Strophe in jambischer Form, die regelmäßig weiblich schließt, a a b b, und aus drei Fünfhebern und einem Zweiheber besteht.

An einen Gastwirt

Ach, mein Idol, lass nicht verschlossen bleiben
den Ort des Frohsinns hinter Butzenscheiben,
der Sportschau und der vielen Kaltgetränke:
die schöne Schänke!

Diesmal ist hoffentlich alles richtig,
eure leicht gestresste m.


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Michel
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Beitrag14.12.2020 13:22

von Michel
Antworten mit Zitat

Die Butzenscheiben sind ganz sicher wichtig
und jede falsche Ausrede ist nichtig.
Wenn wir beisammen sitzen, rotgesichtig,
ist alles richtig. smile

Ach mein Idol, man zog dich auf die Flasche!
Es ist doch alles, bis ich dich erhasche
und von dem güldnen Tropfen (kräftig!) nasche,
Nur kalte Asche.

Wie weh ist mir, wenn ich im Glas dich schwenke,
alleine vor der Glotze an Euch denke,
und dich und alle anderen Getränke
im Schlund versenke.

Wenn wir uns sammeln vor dem Okulare,
online den Toast aussprechen (Gott bewahre!),
ist doch der Tro(a)st trotz aller Zoom-Fanfare
Nicht ganz das Wahre. sad


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davidmuc
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Beitrag15.12.2020 00:36

von davidmuc
Antworten mit Zitat

Laughing Fein, fein! übrigens:

Mit großem Phantasiereichtum
nutzt heut sogar das Tierreich Zoom!

Drauf ein Kurzer.

Es soll schon morgens nach dem Frieren tauen,
dann füllt der Park sich a) mit Tieren, Frauen,
ganz Unverfrorne füllen träge Bänke
und b) Getränke:

Sie trinken Jägermeister, Gin und hocken,
die Frauen schauen gar nicht hin und joggen.
Ich möchte, das soll sich in c) verdichten,
auf d) verzichten.
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Michel
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Beitrag15.12.2020 10:58

von Michel
Antworten mit Zitat

Darauf e) einen Kurzen! lol

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Abari
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Beitrag15.12.2020 13:03

von Abari
Antworten mit Zitat

Ich kaufe ein U) und löse: Dichte Dichter.

_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Michel
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Beitrag15.12.2020 15:53

von Michel
Antworten mit Zitat

Wenn dichte Dichter dichte Verse dichten,
die Welt, des Geistes selig, graderichten,
derweil sie Geist, der einnehmbar, vernichten,
wird's gut?
Mitnichten. Shocked


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davidmuc
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Beitrag16.12.2020 00:35

von davidmuc
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Die Omi Trude färbt dezent die Mähne,
Der Opi Schorschi sucht dement die Zähne,
Die Tochter Mia kriegt die Spielkonsole,
Max, der Sohn, Kohle.

Den Onkel  Manfred hat der Schnaps geritten,
und sein Gesicht ist gelb wie Raps geschnitten,
er trinkt, weil Durst sich nach dem Futtern mehrt,
und Muttern fährt.
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Tula
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Beitrag16.12.2020 02:34

von Tula
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ob wohl wozu und überhaupt

Der Tag wird kurz und kürzer alle Tage.
Du plagst dich mit der Lage und der Frage:
Ob wohl die dumme Weihnachtsgans Auguste
von allem wusste?

Kein Schnee kommt und du weißt: er wird nicht kommen,
und bist vom Weh nach Weißem wie benommen:
Wozu das Frösteln und der rote Zinken,
wenn wir nichts trinken?

Und überhaupt: warum nicht etwas brühen?
Mit Rum und Wein, damit die Wangen glühen?
Dann kannst du lange mit der Katze schwatzen
und Ringel natzen.


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Michel
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Beitrag16.12.2020 17:17

von Michel
Antworten mit Zitat

Ich werde lange mit der Katze schwatzen
und mir und Opa lang die Glatze kratzen.
Ins Feuer starren. Reden. Schweigen. Ratzen
auf den Matratzen.

Der Grog wird meine müden Knochen wärmen.
Nach vier, fünf Gläsern wird auch Opa lärmen,
bis längst nicht mehr nur laute Winde schwärmen
aus den Gedärmen.

Ich frage mich, wohin wohl die Auguste,
die, gar nicht dumm, von ihrem Schicksal wusste,
entfloh, bevor mit krachend krosser Kruste
sie enden musste.

Kein Schnee kommt. Stetig fällt der graue Regen.
die Tür bleibt zu. Das kommt mir sehr gelegen.
Der Grog ist, wenn die kalten Winde fegen,
ein echter Segen.


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poetnick
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Beitrag16.12.2020 20:03

von poetnick
Antworten mit Zitat

Da wollte ich so richtig in die vollen,
doch fehlte schon der Mittelteil vom Stollen.
Wie Jules entdeckt mein Blick in Verne:
die Zimetsterne!

Es glühte auch die Feuerzangenbowle,
in jedem Jahr das erste Glas zum Wohle -
beim letzten Prost da glühten loh die Wangen -
im Text verfangen.

Was bleibt sind Ringe und diverse Schmerzen,
nur keine Angst, ich reime nicht auf Herzen,
zu alledem, sich in die Schlafstatt pferchen,
ein Wintermärchen.


Edition Weihnachtsbäckerei


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davidmuc
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Beitrag17.12.2020 02:45

von davidmuc
Antworten mit Zitat

Laughing Außerordentlich motivierend, wer könnte dem widerstehen -
 so man nicht gerade einen Umzug planen muss.

Umzüge sind die Hölle. Ich hasse Umzüge. Und wenn sie auch eine reinigende Wirkung haben - so hoffe ich doch bei jedem, es sei der Vorletze:


Auguste, ein Weihnachtsrequiem.*

Auguste war, gemäß Bilanzen, Gans,
und zwar die schönste Gans des ganzen Lands.
Frisch aus dem Ei, gewann sie Bauer Pohl
bei Powerball.

Elsa, die Kuh am Hof, die braune, lachte
und wöchentlich mit guter Laune brachte
der Bauer, der dafür nach Gaißau musste,  
den Mais Auguste.

Ihr Name sagt es schon: Augustgeburt!
Da hat Auguste noch robust gegurrt,
geglaubt, man wird am Ende kalter Wochen
Hahn Walter kochen!




(*mit leichten VM Abweichungen, dem Narrativ zuliebe)
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Michel
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Beitrag17.12.2020 09:30

von Michel
Antworten mit Zitat

Made my day. lol

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menetekel
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Beitrag18.12.2020 09:22

von menetekel
Antworten mit Zitat

Meinen auch.
Die Sache mit dem "Powerball" ist einfach göttlich! smile extra Daumen hoch smile

Und auch ihr anderen seid in Toppform!
Da lohnte sich doch eine streng (!) wissensschaftliche Untersuchung über die "Auswirkungen des Corona-Virus auf die Poesie mittelständischer Betriebe", nä?

Prustende Grüße
m.


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Beitrag18.12.2020 10:11

von menetekel
Antworten mit Zitat

Der Strohhalm

Hahn Walter, nebst der feisten Henne Bertha -
der Hausmann glotzt derweilen Abstiegs-Hertha -
zerkochen, fasernd, in Gemüsebetten,
sind nicht zu retten,

indes die Gattin ihre Sportlosbacken
(hätt' sie nur Ernst gemacht mit dem Entschlacken!)
verzweifelt sucht in einen Slip zu zwängen.
Der wird beengen,

wenn sie mit ihrem missgelaunten Gatten
die Suppe zieht, die sie schon vormals hatten,
als noch kein Loch im Stahlschutz war vonnöten -
und keins zu löten.


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menetekel
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Beitrag19.12.2020 08:33

von menetekel
Antworten mit Zitat

Jetzt gibt es eine Variante im Angebot, die entfernt an eine sapphische Odenstrophe erinnert und zuweilen im 18. Jahrhundert benutzt wurde. Im 19. verlor sie dann an Bedeutung, wurde aber immer mal wieder aufgegriffen, z. B. von Tucholsky, dessen brandaktuelles (!), weil doppeldeutiges Gedicht, ich hier zitieren möchte:  

Zitat:
Berliner Fasching

Nun spuckt sich der Berliner in die Hände
und macht sich an das Werk der Fröhlichkeit.
Er schuftet sich von Anfang bis zu Ende
durch diese Faschingszeit.

Da hört man plötzlich von den höchsten Stufen
der eleganten Weltgesellschaft längs
der Spree und den Kanälen lockend rufen:
"Rin in die Escarpins!"

Und diese Laune, diese Grazie, weißte,
die hat natürlich alle angesteckt;
die Hand, die tagshindurch Satin verschleißte,
winkt ganz leschehr nach Sekt.

Die Dame faschingt so auf ihre Weise:
gibt man ihr einmal schon im Jahr Lizenz,
dann knutscht sie sich in streng geschlossnem Kreise,
fern jeder Konkurrenz.

Und auch der Mittelstand fühlts im Gemüte:
er macht den Bockbierfaßhahn nicht mehr zu,
umspannt das Haupt mit einer bunten Tüte
und rufet froh: "Juhu!"

Ja, selbst der Weise schätzt nicht nur die hehre
Philosophie: auch er bedarf des Weins!
Leicht angefüllt geht er bei seine Claire.weiblich
Berlin radaut, er lächelt ...
                Jeder seins.

Kurt Tucholsky
Aus der Sammlung In der Stadt


Wie wir sehen, handelt es sich um kreuzgereimte jambische Fünfheber, deren Endungen weiblich / männlich alternieren. Der vierte Vers endet nach der dritten Hebung. - Im Endvers hat sich Tucholsky eine kleine Freiheit herausgenommen. Diegönnema ihm.

Liebe Grüße und viel Spaß
eure m.


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davidmuc
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Beitrag20.12.2020 01:58

von davidmuc
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Auch das ist sehr anregend für den komischen Dichter mit Pointe. Die Tucholksky Gesamtausgabe von dtv ist übrigens ein ganz hervorragend wiss. editiertes, mit allen Registern  versehenes Werk in Tassenbuschhöhe  das ich nur wärmstens empfehlen kann. Ich schwelge seit Jahrzehnten darin und könnte eine Ode drauf schreiben.  Statt dem

schlusspfiff

wir dürfen endlich auf ein ende hoffen
es schleicht sich dieses  jahr zu recht ‧ es schleicht
uns stehn die münder und die hände offen
so schlecht, so schlecht ‧ es reicht

wir sind ein volks und wir montieren wagen
die man uns süß mit moncherie belud ‧
kein gold, bloß schwarzweißrot in virentagen
so schlecht ‧ die liebe ruht

ach ‧ gingen unter hohen türen frauen ‧  
stattdessen nimmt man was man hat im merz
als würd sich keine andre führen trauen
so schlecht ‧  so matt ‧  im herz
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Tula
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Wohnort: die alte Stadt


Beitrag20.12.2020 03:24

von Tula
Antworten mit Zitat

kleines Weihnachtslied

Der Tag ist ran. Ein jeder hat sein Amen:
Gebet, Geschenk, Gesänge oder Suff.
Das Böse in der Welt hat viele Namen.
Da haun ‘wa feste druff.

Im Hochmut kann man hoch zu Pferde reiten.
Von Herkunft zeugt die Marke am Präsent.
Auch Geiz ist blöd, wenn wir vorüberschreiten;
der Penna kricht zehn Cent.

Die Wollust endet in der Herzattacke.
Beim schlechten Deutsch im Puff braucht es Geduld.
Der Zorn ist primitiv. An dieser Kacke
ham die Kanaken Schuld.

Die Völlerei macht übel, krank und hässlich.
Die Tafel ruft nach Fürst und Eminenz.
Auch Neid schlägt aufs Gemüt, wie Nachbars – grässlich!“–
sein Pisse-jelber Benz!

Die Faulheit ist das größte aller Übel.
Seht nur die Drückeberger von Hartz 4.
Ich helfe mir am besten selbst im Stübel:
Amüsemang! - Ein Bier!

Der Tag ist ran. Die Welt ist voller Sünden.
So spenden wir uns gegenseitig Trost.
Zum Fest der Liebe lasset mich verkünden:
Ick liebe mir! – Und Prost!


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