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Matthias Jecker Eselsohr
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Beiträge: 328
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M 06.09.2016 09:52 ticketschalter von Matthias Jecker
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Neue Version »
der schwarze auf der bahnhofsbank sieht weiß
den leuchtend blanken schenkel. knapp bedeckt
den runden po, die hüfte leicht gereckt.
und guckt nicht hin. doch mir wird langsam heiß.
der deutschen frau, die sich da machtbewusst
vor meiner nase paarungswillig zeigt,
gefällt, dass rings der druck bei männern steigt?
die zu frustrieren, scheint ein teil der lust.
und immer noch schaut er gezielt zu boden.
und ich, ich sehe besser nicht mehr hin.
wie er, mit blinden augen, blinden hoden.
eunuchen, er ein flüchtling, ich ein alter.
entmannt von jener hübschen teaserin.
dort in der schlange vor dem bahnhofschalter.
Weitere Werke von Matthias Jecker:
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James Blond Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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07.09.2016 13:50
von James Blond
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Hmm,
Schwarzer Mann und Deutsche Frau am Ticketschalter? Ob das gut geht?
Zumindest im Sonett scheint es so nicht zu klappen. Obwohl Reim und Metrum vorbildlich eingehalten werden und sogar mit Enjambements und anderen modernen Attributen wie konsequenter Kleinschrift nicht gespart wird, wirkt das ganze auf mich ziemlich leblos konstruiert. Wie ein geplantes Lehrstück, das gleich in der ersten Zeile mit seinem Schwarzweißkontrast das Geschlechterverhältnis aufzumischen versucht: Hier die machtvoll aufreizende Täterin - dort das entmannt erduldende Opfer, das nur mühsam seine Hodenaugen unter Kontrolle bringen kann. Und das am öffentlichen Bahnhofsfahrkartenschalter - vermutlich in räumlich-zeitlicher Nähe zum Kölner Neujahrsbahnhofsvorplatz.
Mal ehrlich: Ist solch ein "Flüchtling vor Frau" Sittenbild für ein Sonett, das ursprünglich neben seiner Form auch den Anspruch einer Reflexion, einer Erwägung von Widersprüchen mit sich bringt, nicht ein wenig zu platt, um nicht zu sagen: mit dem Klischee einer pseudo-solidarischen männlichen Sicht- und Argumentationsweise behaftet?
Wo bleibt der denkende Dichter, der Stereotypien mit spitzer Feder entlarvt? Er sieht nicht mehr hin! Das sollte er aber - denn wer nichts sieht, bleibt seinen Hoden-Augen-Phantasien ausgeliefert.
JB
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llll Leseratte
L
Beiträge: 121
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L 07.09.2016 18:20
von llll
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....
"er ein flüchtling, ich ein alter."
....
Dieser "Alte" will sich hiemit unbedingt als erotisch ansprechbar und funktionstüchtig beweisen
und wirkt prompt genauso peinlich wie eine Alte, die sich wie eine 18-Jährige kleidet......
:-//
llll
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Rainer Zufall Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 801
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07.09.2016 18:42
von Rainer Zufall
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Nur kurz aus dem Urlaub.
Ich hab dein Gedicht, Matthias, heute Morgen schon gelesen und gleich gedacht, ohje, das wird eine schöne Diskussion geben, und ja, so ganz sympathisch ist mir das Gedicht nicht, deswegen hab ich mich auch so spät gemeldet.
JB hat sich sehr sachlich und klug aus seiner Sicht geäußert und ja, zu einem Teil zucke ich auch, genauso wie er, denke mir, muss das jetzt sein, dass man den Kontrast so wählt, man rechnet halt auch gleich mit eine lyrischen Bahnhofkölnauflage und ach ja, ist irgendwie so eine typische Männersicht.
Trotzdem, ich mag zwar das Gedicht nicht besonders, jedenfalls im Moment noch nicht, weil ich den Anfang mit dem Kontrast, aufreizende, deutsche Frau versus den Flüchtling mit den Hodenaugen auf den ersten Blick zu plakativ finde, zu sehr in die Trickkiste gegriffen, trotzdem, die Wendung, dass du auf einmal die Gemeinsamkeit zwischen dem alten LI, das sich ja selbst genauso wie den Geflohenen als Eunuch bezeichnet, das hat schon was. Ich fand das eine unerwartete Wendung. Gleichzeitig denke ich, okay, der Matthias, da hat er erst einen echten Popanz aufgebaut, bei dem jeder innerlich aufjault und sonstwas für einen Populismus befürchtet, dann gehts ganz anders weiter, und dann fühl ich mich ein wenig zu offensichtlich manipuliert. Und gleichzeitig will man da (mit meiner Emanzenvergangennheit) auch ein wenig in die Luft gehen. Eines aber wollte ich schon loswerden. Ich sehe dein Gedicht, so dass du diese Klischees benutzt, um die Gemeinsamkeit zwischen den beiden Männern zu betonen. Dass das auch deine Intention ist. Und diesen Aspekt, den habe ich zumindest so noch nie gelesen. Ich finde es irgendwie auch mutig. Ob ich es mag, sei jetzt echt dahingestellt.
Ja, das war jetzt eine der unentschlossensten Antworten, die ich jemals geschrieben habe, trotzdem hoffe ich, dass du inhaltlich was damit anfangen kannst, wenn du diese Eindrücke liest und sie mit deinen Intentionen vergleichst.
Viele Grüße von Zufall
PS: @Ill peinlich finde ich das nicht, nur ehrlich. Nur weil jemand alt ist oder andere weniger "erfolgversprechende Attribute aufweist, hat er doch nicht glaich keine erotischen Wünsche mehr.
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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08.09.2016 08:32 Re: ticketschalter von menetekel
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Matthias Jecker hat Folgendes geschrieben: | der schwarze auf der bahnhofsbank sieht weiß
den leuchtend blanken schenkel. knapp bedeckt
den runden po, die hüfte leicht gereckt.
und guckt nicht hin. doch mir wird langsam heiß.
der deutschen frau, die sich da machtbewusst
vor meiner nase paarungswillig zeigt,
gefällt, dass rings der druck bei männern steigt?
die zu frustrieren, scheint ein teil der lust.
und immer noch schaut er gezielt zu boden.
und ich, ich sehe besser nicht mehr hin.
wie er, mit blinden augen, blinden hoden.
eunuchen, er ein flüchtling, ich ein alter.
entmannt von jener hübschen teaserin.
dort in der schlange vor dem bahnhofschalter. |
Ja, ja, ich weiß, der Autor ist nicht das Gedicht.
Hier frage ich mich allerdings schon, woraus der Autor die "Paarungswilligkeit" der "deutschen Frau" ableitet. Machbewusst. (!)
Anhand der Rundung ihres Pos? Einer schön geschwungenen Hüfte?
Ihrer "aufreizenden" Kleidung?
Für mich liest sich das wie die Rechtfertigung eines geplanten Übergriffs, der nur deshalb nicht zustande kommt, weil Ausweisung oder Seniorenresidenz drohen. - Nach vollzogener Entmannung natürlich.
Ich finde den Vergleich beider Männer unpassend, geradezu unzulässig.
Gut gefällt mir hingegen die Form des modernen Sonetts, seine glatten Enjambements und noch mehr die harten Zeilensprünge des ersten und zweiten Quartetts. Letztere lassen die Verse rau wirken und erzeugen Spannung, auch Disharmonie - die sich im Inhalt wiederfinden.
Kurzum: Ein spannendes Gedicht, mit dessen Inhalt ich nicht einverstanden bin, was aber recht eigentlich nicht so ins Gewicht fällt ...
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Matthias Jecker Eselsohr
M
Beiträge: 328
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M 08.09.2016 09:53
von Matthias Jecker
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Geschätzte Kritiker/innen
Bevor ich meine Neue Version einstelle, hier eine Antwort auf eure differenzierten Beiträge.
Ich fange mit eher Zweitrangigem an und nähere mich im Folgenden jener Kritik, welche "direkt ins Herz" zielt.
Ich bin vernarrt in die Zahlenkombination 4+4+3+3=14. In ihr steckt so viel Harmonisches drin. Das erst mal vorausgeschickt als Entschuldigung dafür, dass ich mich gerne an "Sonetten" versuche. Eine weitere ist, dass ich ein Riesenfan von Shakespeares Sonetten bin, aber auch von neueren "Sonetten" wie z.B. jenen von E.Millay. Dort finde ich etwas, was eventuell die Sonettsicht von JB ein ganz klein wenig relativieren würde? Dennoch, JB, möchte ich aus deiner radikalen Absage an meinen Text Lehren ziehen und wäre dir deshalb dankbar, wenn du mir Beispiele von Sonetten nennst, die ein Thema in der von dir geforderten gehobenen Art und Weise "verdichten".
Aus weiteren Beiträgen lese ich, dass der Anfang Assoziationen an die Grosse Welt und an die Politik und an das Gefühl nationaler Identität weckt. Da solches in Verbindung mit den weiteren Zeilen als unpassend empfunden wird, habe ich die (von mir vermuteten) entsprechenden Reizwörter ausgewechselt. (siehe Neue Version)
Dass dieser Text dermassen peinlich ist für den Leser wie für mich, hatte ich nicht erwartet.
Nehmen wir an, er sei "konstruiert", ein künstliches "Lyrisches Ich" setze sich da autorgewollt neben einen Aussätzigen, um dem Archetypus des das Paradies für sich und Adam verscherzenden, reproduktionsbesessenen Weibes Eva nach langer Schöpfungsgeschichte endlich mal aufzuzeigen, was die Männer dieser Welt, ob Schwarz ob Weiss, seinetwegen "erdulden" müssen. Mein Gott, das wäre als Idee ja wirklich entsetzlich peinlich.
Nehmen wir an, ich sei in dieser Szene dabei gewesen. Es seien da noch ein zweiter Schwarzer und noch mehrere junge Frauen in Turnhöschen gewesen. Die schwarzen hätten tatsächlich aufs Handy oder zu Boden geguckt (was da "gezielt" bedeutet, bleibe offen). Nehmen wir an, ich hätte im Gegensatz zu ihnen auf dieses junge Frauenfleisch gestarrt, das da so offenherzig und in gekonnter Pose präsentiert wurde? Nehmen wir an, ich hätte die jungen Adams gelb vor Neid betrachtet, denen die Aufmerksamkeit der jungen Evas galt? Nehmen wir an, ich hätte sogar kurz ein Zucken in den Fingern gespürt? Gott! Wie peinlich wäre das denn!
Ob ich mit der Neuen Version aus diesem Peinlichkeits-Dilemma heraus finde und mich notdürftig (sic!) zwischen der Skylla des dürftig Konstruierten und der Charybdis des peinlichen Outings als Alter Lüstling hindurchzuschlängeln vermag? Bitte schaut es euch an: Neue Version folgt.
Nochmals vielen Dank für die sehr differenzierten Feedbacks!
MJ
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Matthias Jecker Eselsohr
M
Beiträge: 328
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Cheyenne Leseratte
C
Beiträge: 105
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C 12.09.2016 07:26
von Cheyenne
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Hallo Matthias,
habe dein Gedicht mit Abstand mehrmals gelesen. Wie bei meinen Vorkommentatoren hinterlässt es mir einen schalen Geschmack, auch bei der neuen Version.
Das Bild der paarungswilligen Frau stört mich, da ich nicht erkennen kann, woraus du dies schließt.
Mit Shorts oder Miniröcken im Bahnhof zu stehen, sich sexy zu kleiden oder sogar zu bewegen, bedeutet für mich erstmal, dass die junge Frau zwar gefallen will, aber Paarungswille daraus zu abzuleiten, halte ich für ein Klischee, wenn nicht gar für eine Unterstellung (Übertragung? des Wunschdenkens des LI). Auch ihre Blicke könnten doch auch reine Neugier sein.
Ansonsten finde ich die Message deines Gedichtes eigentlich ganz gut und auch, dass sie erst durch den späteren Überraschungseffekt erkennbar wird.
Peinlich ist es nicht, Gefühle und erotische Wünsche zu haben, egal welchen Alters, solange das Benehmen nichts zu wünschen übrig lässt.
Cheyenne
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Matthias Jecker Eselsohr
M
Beiträge: 328
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M 12.09.2016 08:03
von Matthias Jecker
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hallo cheyenne
vielen dank, dasss du mir mit deinem beitrag die gelegenheit gibst, nochmals etwas zur verteidigung dessen zu sagen, wie ich hier in einem bestiommten zusammenhang die beziehung von mann und frau darstelle.
1. dir ist doch bewusst und einsichtig, wie die biologie erklärt, mit welchem ziel die blütenpflanzen ihre blüten tragen?
tun sie es nur, weil sie schön sein wollen und sich gut fühlen? nur weil sie "geliebt" sein wollen?
oder nicht doch zu reproduktionszwecken?
ist der "kinderwunsch" bei menschen im zeitalter der "in vitro"-befruchtung ein asexueller geworden? oder wirke gewisse instinkte durchaus weiter?
2. kann man in einem gedicht das wort "paarung" nur eindeutig verstehen als einen sexualpartner haben? oder kann es auch die gesamte partnerschafts-thematik andeuten?
3. du sprichst von "ihren blicken". warum?
4. was ist falsch daran, dem koch, der mir ein stück frisch gebratenes grillfleisch in appetitanregender weise unter die nase hält, eine absicht zu unterstellen?
O.k., ich habe begriffen: Ich darf dem Koch zwar Absicht unterstellen, aber nicht dem Fleisch. Wie soll ich aber das Fleisch nennen, welches sich absichtslos wohlduftend und knsuprig unter meine Nase legt? Vielleicht "liebesdurstig"? (das ist eine durchaus ernsthafte Frage, und wenn jemand aus der von mir schockierten Leserschaft da eine Lösung weiss, bitte her damit.)
So weit, so schlecht? Ich weiss es nicht.
MJ
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purpur Klammeraffe
Beiträge: 964
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12.09.2016 08:16
von purpur
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Guten Morgen Matthias,
... Das Fleisch ist schwach... Der Geist ist willig
... Der Koch auch...
... Nur das ItalNet-nicht
LPpG
Pia
_________________ .fallen,aufstehen.
TagfürTag
FarbTöneWort
sammeln
nolimetangere
© auf alle Werke |
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Matthias Jecker Eselsohr
M
Beiträge: 328
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James Blond Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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12.09.2016 10:11
von James Blond
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Lieber Matthias,
ich habe noch einmal überlegt, was meine Aversion gegen dein Bahnhofssonett ausgelöst hat und muss zugeben, dass es mir selbst erst ganz allmählich klar wird.
Zwar gefallen mir weder der inhaltliche Aspekt der 'typisch männlichen' Sichtweise noch die moderne Form des Sonetts, die ich hier eher als modernistisch empfinde, auch vermisse ich (wie bereits erwähnt) die sonetttypische Besonnenheit (, die du z.b. auch in allen Shakespeare-Sonetten finden kannst), aber das allein vermag zum generellen Unbehagen, das ich hier beim Lesen verspüre, nur beizutragen. Auch die hier konstruierte Männerhodensolidarität zwischen schwarzem Flüchtling und altem weißen Mann erscheint mir bedenklich, aber nicht wirklich peinlich.
Ich vermute eher, es ist vor allem die humorlose Ernsthaftigkeit, mit welcher hier eine alltägliche Szene in eine Demonstration weiblicher Macht und Willkür zu einem Kastrationsvorwurf umgemünzt wird. Mir fehlt ein Lächeln über die Szene, der innere Spaß am Erkennen der Zusammenhänge. Ich denke, dieses bitterernste Herangehen, das nicht vor der Instrumentalisierung sozial Benachteiligter zurückschreckt, stößt mir auf. In der mitleidigen Selbstbetrachtung des von einer stolzen Teaserin entmannten Eunuchen steckt ja ein schwerer Vorwurf. Dies macht dein Sonett zu einer Anklage gegen - ja wogegen? Die Geschlechterrollen der Moderne? Dann allerdings wäre ein 'modernes' Sonett sicher nicht das richtige Mittel.
Liebe Grüße
JB
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Cheyenne Leseratte
C
Beiträge: 105
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C 12.09.2016 21:40
von Cheyenne
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Hallo Matthias,
zu 1.
du willst doch die Damen dieser Welt in erotisch-biologischer Hinsicht nicht ernsthaft mit den Blüten einer Pflanze vergleichen.
Ich schätze mal, einer Blüte dürfte es egal sein, welche Biene, welcher Schmetterling sie besucht, um ihren Blütenstaub ins nächste Ziel zu schaffen.
Und wir Frauen brezeln uns auf, nur aus "reproduktionszwecken"? Jetzt bin ich ehrlich erschüttert. Damit will ich nicht ausschließen, das diese Spezie Frau existiert, aber ansonsten - doch wir Frauen wollen uns oft auch einfach nur gut und schön und gemocht fühlen. Sogar einfach nur flirten kann Spaß machen, ohne den geringsten Paarungswillen.
zu 2.
in deinem Gedicht kommt bei mir der Gedanke an Partnerschaft, Beziehung oder Liebe nicht auf, ich interpretiere es rein auf rein erotischer Ebene
zu 3.
eine Frau, die bemerkt, dass bei Männern der Druck steigt, erkennt dies doch vermutlich, indem sie hinsieht
zu 4.
die Antwort kannst du nochmal unter zu1 nachlesen. Was ist denn das für ein Frauenbild?
menetekel hat dir bereits die gleiche Frage gestellt, woraus leitest du diesen Paarungswillen ab?
Sie denkt aus Rechtfertigungsgründen, für das eigene Gewissen oder die eigenen unerwünschten Reaktionen. Da könnte ich mich anschließen.
James Bond begründet dies mit einer typisch männlichen Sichtweise. Da kann ich mich definitiv anschließen.
Aber James Bond hat auch den fehlenden Humor ins Spiel gebracht. Ja, das stimmt. Ein solch kritisches Thema liest sich mit einem Schmunzeln ganz anders. Ich habe mich echt gefragt, wieso mir das nicht aufgefallen ist.
Die Instrumentalisierung der Einwanderer möchte ich dir nicht als Absicht unterstellen. Nein, das glaube ich nicht. Zumal sich auch nicht ein einziger daneben benimmt.
Es hätte auch eine Horde Jugendlicher sein können, die mit anzüglichen Bemerkungen und unflätigem Verhalten die Situation verschärfen hätte können.
Das Li übt sich ja auch in Selbstkritik.
Mit hübschen Grüßen und einem freundlichen Blick
Cheyenne
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Soleatus Klammeraffe
Beiträge: 999
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15.09.2016 07:34
von Soleatus
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Hallo Matthias!
Mir fiel beim Lesen des Textes und der Rückmeldungen Ernst Bertram ein: "Zur Kraft eines Gedichts gehört auch ein Böses. Kein Gesang ohne Schuld." Der Text an sich wirkt, wie er schon in der ersten Fassung ist, denke ich; eine Überarbeitung hätte es nicht gebraucht (sie schadet aber auch nicht, klar).
Gruß,
Soleatus
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Rainer Zufall Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 801
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15.09.2016 10:09
von Rainer Zufall
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Ach je, ich weiß nicht, @Soleatus, ob ich deinen Texthinweis richtig verstehe, manchmal wäre eine winzige zusätzliche Erklärung auch nicht sooooo schlecht.
Aber ich glaube in der Sache bin ich mir mit dir bisserl einig. Mal schauen.
Dass ein Gedicht nicht politisch korrekt oder auch mal was ziemlich Abwegiges thematisieren kann oder sollte, das sehe ich auch so. Wo sonst hat man denn die Chance, mit Abgrund zu spielen? Mit Unbequemem? Mit Gedanken, die einem sonst so gar nicht angenehm sind? Und ich finde auch, dass man fein trennen sollte zwischen einem LI, dessen Meinung einem nicht genehm ist und dem Autor.
Insofern, Matthias, hast du deinem Gedicht mit deinen Einlassungen zu einem Frauenbild eher einen Bärendienst erwiesen. Für das LI deines Gedichtes spielt es überhaupt keine Rolle, ob du, der Autor, ganz persönlich meinst, eine Frau wäre eine reproduktionswillige Pflanze und ihr Lippenstift das Lockmittel, einen Haufen Insekten anzulocken oder ob du noch was ganz anderes in deinem tiefsten Inneren meinst. Es geht um das LI deines Gedichtes. Das, was da geschildert wird, das Gefühl, dass die Schönheit einer Frau als Quasiprovokation erscheint, als erotisch gemeinte Reizung, das ist die Sicht des LI. Ich find das schwierig, da immer herzukommen mit der Frage, woher LI das ableitet. Klar, die Frau denkt vielleicht an den nächsten Klassenausflug ihres Kindes oder an den Zahnarzttermin, während LI ihre Körperlichkeit, ihre Schönheit auf sich persönlich bezieht. Als Frau liest sich das irgendwie scheiße, geht mir ja auch so, weil man anders als in deinem Gedicht ja auch üble Wendungen oder Fortsetzungen dieser Einbildung kennt. Trotzdem muss man mal zur Kenntnis nehmen, dass einem LI, das aus irgendeinem Grund grad auf Sex oder Erotik oder Liebe aus ist, sogar ein herausgestelltes Knie, das die Frau wegen Arthrose rausstellt, wie ein Lockmittel vorkommen kann.
Anders herum, ich persönlich denke überhaupt nicht so wie LI, im Gegenteil, wenn mir einer so käme, könnt der ganz schön was zu hören kriegen, trotzdem könnte ich aus der Perspektive eines Mannes schreiben, dem die Schönheit einer Frau, das Weiß ihrer Brüste, ihr Mund wie auch immer wie eine schwellende Sonstwasverlockung vorkommt. Ich könnts vielleicht nicht so gut, aber ihr versteht schgon, was ich meine.
Also ich plädiere einfach schwer dafür, deutlicher zu trennen in der Diskussion zwischen LI und Autor und einer einem persönlich mehr oder weniger genehmen Thematik und sich mehr auf das Gedicht als Produkt von Sprachgestaltung einzulassen.
Und da sehe ich es so, dass der sexuelle Hunger der beiden Männer und ihre dadurch einseitige Sicht eher ein Kniff ist, um auf die unerwartete Gemeinsamkeit der beiden zu zielen. Und dieses Letztere, das finde ich einfach immer noch eine unerwartete Wendung, von der ich es einfach schade finde, dass sie so untergeht. Ich find das gut, im Gedicht auch die unkorrekten (für andere unangenehmen) Gedanken und Gefühle zu zeigen.
Viele Grüße
Zufall
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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15.09.2016 13:23
von BlueNote
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Aus dem Gedicht spricht wohl der Geist, der bei einer Vergewaltigung zum Urteil "selber schuld" kommen würde, hättse sich doch nur nicht so sexy gekleidet, das Mädl. Dein Gedicht stellt die Opfer- und Täterrolle ganz klar (und einseitig verzerrt) dar. Die armen Opfer mit ihren überbrodelten Hoden können einen wirklich leid tun.
Was will das Gedicht denn nun eigentlich? Sich gegen unsere offene, tolerante Gesellschaft aussprechen, für das Angrapschen auf offener Straße Verständnis wecken, uns glauben machen, dass die Männer für ihre Gafferei nix können (die Hoden sind schuld).
Ich frage mich eher: Wer sollte sich hier denn wem anpassen? Brauchen wir nach der sexuellen Revolution in den 70-ern einen Rückschritt in die 50-er? Ist das der "Geist" dieses Gedichtes. Ich weiß es nicht so recht ...?
Es hört sich jedenfalls so an.
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Matthias Jecker Eselsohr
M
Beiträge: 328
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Cheyenne Leseratte
C
Beiträge: 105
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C 16.09.2016 00:08
von Cheyenne
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Hallo Matthias,
heiratsfähig macht's auch nicht besser.
Warum nimmst du die Verallgemeinerung nicht aus dem Text. So wie er jetzt steht, fühle ich mich als Frau, die sich gerne nett anzieht, angegriffen. Und der restliche Text verblasst dahinter.
Aber es gibt ja durchaus auch Frauen, die absichtlich kokettieren und mit ihren Reizen und mit Männern spielen.
Vielleicht geht es dann. Nur ein Vorschlag.
Liebe Grüße
Cheyenne
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Lorraine Klammeraffe
Beiträge: 648 Wohnort: France
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16.09.2016 02:23
von Lorraine
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Matthias Jecker hat Folgendes geschrieben: | Verfasst am: 08/09/2016 09:58 Titel: Ticketschalter
Der Schwarze auf der Wartebank sieht weiß.
Ein leuchtend blanker Schenkel. Knapp bedeckt
der runde Po. Die Hüfte leicht gereckt.
Und guckt nicht hin. Mir aber wird es heiß.
Der jungen Frau, die sich da selbstbewusst
vor meiner Nase heiratsfähig zeigt,
gefällt, dass rings der Druck in Männern steigt?
Die zu frustrieren, scheint ein Teil von Lust.
Und immer noch schaut er gezielt zu Boden.
Und ich, ich sehe besser nicht mehr hin.
Wie er, mit blinden Augen, tauben Hoden.
Eunuchen, er als Flüchtling, ich als Alter.
Entmannt von einer stolzen Teaserin
da in der Schlange vor dem Bahnhofschalter. |
Guten Abend,
Was mir auffällt? Im ganzen Klanggedicht schaut nur einer irgendwo hin: Das Altherren-LI. Der Rest: Suggestion. Unterstellung. Rhetorische Frage. Unangebrachte Vergleiche, schamlos übertriebene Attribute. Zuordnung bitte selbst vornehmen, soviel Übersicht sollte ein Verfasser haben.
Fazit: die Form als Falle.
Vorschlag: Einem alternden LI die Freiheit gönnen, über sich und seine Wünsche und Frustrationen Klarheit zu gewinnen, ohne darüber vergessen zu müssen, dass jedes Alter, jedes Geschlecht und jede Zugehörigkeit/jedes Ausgeschlossen-Sein - ob gewollt oder erlitten - Analogien zu und Überschneidungen mit den anderen Gruppen kennt, aber auch Unterschiede. Klischeehafte Vorstellungen, Vorurteile, Missgunst sind menschlich. Sie zu hinterfragen, ist es ebenso. In diesem Sinne: Du könntest zumindest den Versuch wagen, dem Gedicht aus seiner Zwangsjacke zu helfen.
Grüsse,
Lorraine
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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16.09.2016 04:42 Re: Ticketschalter von Stimmgabel
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Ticketschalter
Der Schwarze auf der braunen Bank sieht weiß
den leuchtend blanken Schenkel. Knapp bedeckt
der runde Po. Die Hüfte leicht gereckt.
Und guckt nicht hin. Mir aber wird nun heiß.
Der jungen Frau, die sich da selbstbewusst
vor meiner Nase paarungswillig zeigt,
gefällt, dass rings der Druck in Männern steigt?
Die zu frustrieren, scheint ein Teil der Lust.
Und immer noch schaut er gezielt zu Boden.
Und ich, ich sehe besser nicht mehr hin.
Wie er, mit blinden Augen, tauben Hoden.
Eunuchen, er als Flüchtling, ich als Alter.
Entmannt von einer stolzen Teaserin
da in der Schlange vor dem Bahnhofschalter.
------------------ Bezug deine Neue Version; gefällt mir besser
Hallo Matthias Jecker,
als genau die Provokation, die dein Stück im sich erhebenden Leser-Zeigefinger [ moraline Entrüstung, dumpfeste Klischees, usw ... ] erzeugt hat, sehe ich diesen Text / ein rein funktionaler Text, der den Leser entrüsten_verlocken soll/will (mMn).
Und das tut er guutest ... umso mehr / der meiste hier Komm-Leser ist ein besserer Gutmensch als dein LI, wie man sieht [ und will es partout auch laut sein ] ... ein LI, das sich ja quasi parallel und gleichzeitig zum auktorialen Erzähler dieser Sichtweise [ weite ] erhebt, als gäbe es diese Sichtweise/weite doch in uns allen irgendwie, hier und da ... ????
Mein ernst_Schmunzeln über diesen inszenierten funky Text hast du ... funky: gossig, erdig, natural, surreal-normal ...
Zum Formalen:
Deine quasi Begründung, dass sich im Besonderen hierfür das Sonett, die Soentt-Funktion [ gleich welcher zeitgeistiger Umsetzung ] eignet, sehe ich dagegen nun wirklich nicht / zumal du in deiner text_Wegung den Inhalt doch einzig linear entwickelst, also nix mit sonettischer Dialektik und Gegenrede zu tun hat.
Ungeachtet des Themas Sonett, könnte ich mir sprachlich einen Hauch mehr naturale Absurdität in Worten [ als noch etwas Hollandaise überspitzter ] vorstellen.
Resümee: sehr gelungen insofern, absurde Wirklichkeiten in figura eines ich-LI's in den Mund zu nehmen ... und der Leser ab_dankt es dir [ Matthias Jecker ] entrüstet fett !!!!
[ kleine Randbemerkung: warum du selbst von einer Peinlichkeit sprichst, leuchtet mir als du-Initiator eines literarischen Textes nun wirklich nicht ein ... oder anders gesagt: kommt es mir schon seltsam vor ... so nach dem Schema: bitte bitte lieber Leser, denke ja nicht, ich sei genauso ???? ]
Gruß Stimmgabel ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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16.09.2016 06:04
von menetekel
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Moin, Moin,
ich möchte Cheyennes freundlichen Wink mit dem Zaunpfahl unterstützenn:
Zitat: | Der jungen Frau, die sich da selbstbewusst
vor meiner Nase kokettierend zeigt,
gefällt, dass rings der Druck in Männern steigt?
Die zu frustrieren, scheint ein Teil von Lust. |
dieses Wort nähme ein wenig Altherrenlook aus dem Text und setzte stattdessen eine Prise Humor und Menschelndes hinein. Ein Augenzwinkern, das bislang fehlte. Zudem wertete es klanglich deutlich auf, brächte das Quartett zum Swingen.
Die Sonettorm, wie ich schon erstkommentierend schrieb, stört mich hier überhaupt nicht. Im Gegenteil: ich begrüße es, wenn tradierte Formen auf amüsante, geschickte Art persifliert werden. - Ist halt auch Geschmackssache, doch eine, an der sich, nicht ohne Grund, fast alle Dichter mal versuchten.
Schöne Grüße
m.
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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16.09.2016 06:59
von Stimmgabel
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Zumindest mir gelingt es nicht, hier eine quasi Persiflage auf das Sonett in seinerselbst, auf die Sonettform und Funktion abzuleiten [ über diese Behauptung hinaus müsste zumindest mal ein textbezogener Beweis erfolgen .... zudem, um was für eine Art (Sonett) Persiflage denn die Rede ist ... ],
geht's doch hier offenkundig um ein persifliertes Thema, mMn eine Persiflage über den apostrophierten Mann als Sexus [ insbesondere der alte, ausgetrocknete Bock ] / quasi er, der aus einer gesellschaftlichen Festlegung aprior der Sklave seiner irrationalen Lüste ist, schon beim Anblick eines Quadratzentimeters mehr Haut bei einer Frau sofort an nur das eine denkt [ was das auch immer sein soll ], umgekehrt dann eine solche Frau einzig die Lust im Manne zur Teufelei treiben will, hi hi ...
ungeachtet der Surrealität, dass natürlich real alte Böcke inmitten um uns tatsächlich rumschlurfen [ im Vergleich zu dieser jungen Frau schon ein Mann ab der Vierzig ], die tatsächlich derart reduziert kleingeisten ...
egal egal, die Komm-Wirklichkeit [ ne Persiflage doch in ihrerselbst ] spricht inhaltlich mMn für sich selbst ... oder besser gesagt, für diesen gelungenen Text in seiner zwei-bein Intention.
Gruß Stimmgabel ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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Seite 1 von 3 |
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