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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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15.07.2016 17:14 Zu mir finden von Erman
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Nachdenklichkeit, ungewiss graut der Morgen.
Habe ich auf einfache Worte kein Recht mehr?
Mein Herz wird stiller, die Augen brennen.
Ein Spatz! Sing, wunderbares Wesen!
Während sich die Sterne über meinem Kopf
sprengen – wie Metaphern!
In fremden Herzen haben wir unser Herz gehört.
Kann das Gewissen singen?
Denn Angst hat es vor der Leere.
Visionen, Adler – sie hacken auf mich ein.
Ich bin an die Wahrheit geschmiedet.
Weisheiten. Die schwächeren werden zuerst ermatten.
Und die Wahrheit – die Poesie?
Befrei dich, gefesselt an den Mast
des Schiffes. Das Lied wird gefährlich.
Wir haben sehr gelitten. Doch jetzt?
Jetzt singt die gezähmte Hölle!
Säum nicht, Herz.
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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21.07.2016 08:42 Re: Zu mir finden von menetekel
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Hallo Erman,
es folgt ein Gedicht, das mir - bis auf eine Kleinigkeit - gut gefällt.
Erman hat Folgendes geschrieben: | Nachdenklichkeit, ungewiss graut der Morgen.
Habe ich auf einfache Worte kein Recht mehr?
Mein Herz wird stiller, die Augen brennen.
Ein Spatz! Sing, wunderbares Wesen!
Während sich die Sterne über meinem Kopf
sprengen – wie Metaphern!
In fremden Herzen haben wir unser Herz gehört.
Kann das Gewissen singen?
Denn Angst hat es vor der Leere.
Visionen, Adler – sie hacken auf mich ein.
Ich bin an die Wahrheit geschmiedet.
Weisheiten. Die schwächeren werden zuerst ermatten.
Und die Wahrheit – die Poesie?
Befrei dich, gefesselt an den Mast
des Schiffes. Das Lied wird gefährlich.
Wir haben sehr gelitten. Doch jetzt?
Jetzt singt die gezähmte Hölle!
Säum nicht, Herz. |
Du beschreibst Eindrücke / Gedanken, die LyrI wohl schon länger umtreiben. In ihrer Aussage ließen sie sich so zusammenfassen ließe (Titel und Endvers):
Zitat: | Zu mir finden -
Säum nicht Herz |
Es geht also um einen Suchenden, jemanden, der seinen eigenen Weg finden will, einen, der sich in Frage gestellt sieht, voller Selbstzweifel steckt und sich zum Handeln entschließen will.
Formal ist die Kommunikation zwischen Titel und Endvers gut gelöst. Die Gedanken stehen in der Mitte und befeuern das lyrische Ich.
Du bleibst in einem Vogelbild, das geschickt kontrastiert. Einerseits den gefesselten "singenden" Spatz, der eben ja (noch) nicht wirklich singt, andererseits den hackenden, krittelnden Raubvogel.
An den Mast geschmiedet zu sein, um dem Gesang der fremden Sirenen nicht zu verfallen. Sich selbst treu zu bleiben, sich nicht zu sehr anzupassen, sich nicht zähmen zu lassen ...
Doch was ist dies Unbezwungene? Eine Hölle, eine innerliche Leere, der es zu entrinnen gilt, nicht ohne andere,
Zitat: | In fremden Herzen haben wir unser Herz gehört | .
aber eben auch nicht mit ihnen zusammen. Denn es gibt eine Art von Nähe, die dem Sänger unwünscht bleibt.
Auf einer anderen Ebene deutet die Hölle Vollstreckung an und wohnt der Zähmung inne.
Deine freien Verse weisen einen guten Klang auf, rühren an und verstören auch ein wenig. Lediglich die Gedichtseinführung finde ich nicht so gut gelungen:
Zitat: | Nachdenklichkeit, ungewiss graut der Morgen.
Habe ich auf einfache Worte kein Recht mehr? |
Hier könntest du m. E. am 2. Vers noch etwas feilen, ihn ganz weglassen oder anders umkleiden ... die "einfache Worte" wirken deplatziert. Denn ein Sänger / Dichter sucht ja eben nicht das einfache Wort (Ausnahme: Mascha Kaleko ), sondern das zutreffende. Und schöne.
Und das kann dauern ...
Sehr gut finde ich, dass du am Ende in den Plural fällst, was dem Ganzen Schmackes gibt und impliziert, dass dies alles außen und innen stattfindet.
Gern gelesen
m.
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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22.07.2016 11:22
von Erman
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Lieber menetekel!
Hab Dank für den Kommentar!
Du hast fast Recht damit: ,,Es geht also um einen Suchenden, jemanden, der seinen eigenen Weg finden will, ''
Das Li will ein Gedicht Schreiben, mit anderen Worten als bisher, doch er hadert damit.
Bevor er eine Silbe schreibt, setzt er sich kritisch mit seinem tun auseinander und dann beschreibt er einen inneren Zustand beim Schreiben eines (bestimmten) Gedichts.
Ursprünglich war das Gedicht doppelt so lang. Ich war aber nicht ganz zufrieden damit und befürchtete, man könnte den Faden beim Lesen verlieren. Das Gedicht habe ich zum leichteren Verständnis - gekürzt.
Der zweite Vers lautete z. B. ,,Auf einfache Worte habe ich kein Recht mehr''.
Damit war ich aber nicht ganz zufrieden, weil ich mich nicht gleich festlegen wollte.
So entstand aus diesem Vers eine Frage. Man kann auch mit einfachen Worten (sparsam) Schönes ausdrücken.
Dein Kommentar hat mich sehr gefreut, ich denke, wir werden uns öfter Austauschen.
Lieben Gruß
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 22.07.2016 12:10
von Aranka
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Hallo Erman,
ich komme seit ein paar Tagen immer mal wieder in diese Verse und entdecke immer wieder eine Zeile, die mich länger festhält, bin jedoch noch Suchende und solange lese ich auch keinen Kommentar. Wiederholungen also nicht ausgeschlossen.
Auch das LI scheint zu suchen, spürt die Ungewissheit der Morgenstunden und befragt sein Herz: „Habe ich auf einfache Worte kein Recht mehr?“ Diese Frage scheint das LI zu beschäftigen.
Wer sollte ihm das Recht absprechen? Und was meint das LI mit „einfach“. Es geht ja um Sprache, um Worte. Ich denke mal laut: Einfach = schlicht, schnörkellos, prunklos, dezent, gradlinig aber keineswegs trivial, oder farblos, oder gar billig. Was sollte also an dem einfachen Wort schlecht sein?
Das LI (ein ICH, das sich mit und über Sprache sucht, ein schreibendes LI also, finde im weiteren Text deutliche Indizien) jedenfalls geht auf die Suche nach Antworten. Sucht überall, schaut in die Natur, nimmt die Vögel wahr, befragt seine „Träume“, sein Herz, sein Gewissen. Was es findet steht erst einmal als Gedanken_Sammlung da, nicht geordnet, nicht gewichtet, nicht gewertet, aber für mich deutlich immer mit dem Herzen wahrgenommen und festgehalten.
Hier ein Textbeleg für meiner Aussage:
Zitat: | Ein Spatz! Sing, wunderbares Wesen!
Während sich die Sterne über meinem Kopf
sprengen – wie Metaphern!
In fremden Herzen haben wir unser Herz gehört. |
V1=LI spricht mit dem Spatz, voll Überschwang und Zuneigung. (meint das LI dies mit "einfach im Wort"?) Das ist seine Wirklichkeit, das direkte DU mit der Natur.
V2= und dann ein „WÄHREND“. Was hier gleichzeitig geschieht ist der Konflikt, das was beschäftigt.
(Das „wie“ stört mich hier. Nach dem Gedankenstrich könnte man vielleicht mit Metaphern einsetzen und eine Aussage setzen. Aber nur ein Nebenbei-Störgefühl.)
V3= ein Gedanke, der auftaucht, erst etwas isoliert da steht, sich dann für mich in die Auseinandersetzung mit dem Schreiben einordnet. (Der Versuch meines Lesens: In Gedichten klopfen „fremde“ Metaphern und Bilder an meine inneren Bilder.)
Zitat: | Kann das Gewissen singen?
Denn Angst hat es vor der Leere.
Visionen, Adler – sie hacken auf mich ein.
Ich bin an die Wahrheit geschmiedet. |
Das Prinzip des auf den ersten Blick „wahllosen“ Aneinanderreihens bleibt gewahrt. Es zeichnet gut den Prozess des „Sich-Befragens“ auf. Alles wird zugelassen: die Angst und die Visionen. Fragen werden gestellt. Und es gibt auch Feststellungen/Erkenntnisse: „Ich bin an die Wahrheit geschmiedet.“
Und hier nun folgere ich einmal: „Einfache Worte, der Wahrheit verpflichtet!“
Das es dabei um eine „poetische Wahrheit“, die Wahrheit des Gedichtes geht, wird deutlich.
Zitat: | Weisheiten. Die schwächeren werden zuerst ermatten.
Und die Wahrheit – die Poesie?
Befrei dich, gefesselt an den Mast
des Schiffes. Das Lied wird gefährlich. |
Hier taucht für mich das „Schiffsbild“ wie ein Fremdkörper auf. Diese Strophe muss ich noch ein wenig befragen, kann ich nicht wirklich greifen.
Zitat: | Wir haben sehr gelitten. Doch jetzt?
Jetzt singt die gezähmte Hölle!
Säum nicht, Herz. |
Das WIR: ich lese es als LI und sein Herz, jetzt wieder im Einklang, den Kampf gekämpft, die Hölle gezähmt und nun die Aufforderung: Herz säume nicht und singe. Der veränderte Ton, gut spürbar.
Nur meine Leseweise. Gerne reingeschaut. Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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22.07.2016 20:44 Re: Zu mir finden von Stimmgabel
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Zu mir finden
Nachdenklichkeit, ungewiss graut der Morgen.
Habe ich auf einfache Worte kein Recht mehr?
Mein Herz wird stiller, die Augen brennen.
Ein Spatz! Sing, wunderbares Wesen!
Während sich die Sterne über meinem Kopf
sprengen – wie Metaphern!
In fremden Herzen haben wir unser Herz gehört.
Säum nicht, Herz.
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Hallo lieber Erman,
du wirst dich vllt wundern, dass oben nur die erste Strophe plus die letzte Zeile steht ... nun, nicht ohne Grund,
ist das für mich genau das gesamte Gedicht. Kommt hier LI zum Kernpunkt seiner Gedanken/Gefühle; befragt LI die nackten Worte, sind sie doch sein Adäquat seiner Gefühle ... als prallten sie [ heute ] in LI's Umgebung haltlos ab ...
weiß sich Li gut zu erinnern, dass sich LI in fremden Herzen, im Halt des Gegenüber wiederfand, dort erkannte, entdeckte ... ist LI's gerader Weg.
Die nachfolgenden text_Teile sind mir einzig erklärendes und pseudo-philosophierendes Lebensgeplänkel / mMn doch genau das alles, was LI nicht tauschen will, derart worten will ; zumindest habe ich so den Text verstanden.
wieder einen lieben Gruß, Frank ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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22.07.2016 22:04
von firstoffertio
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Warum ich das heute erst entdeckt habe?
Ich stimme Stimmgabel zu, würde aber noch seine letzte Zeile weglassen.
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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24.07.2016 05:45
von Erman
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Liebe Aranka,
vielen Dank fürs Lesen und beschäftigen mit meinem Gedicht.
Deine Leseweise gefällt mir. Du folgst den Fußstapfen des LI unbeirrt bis zum Ende.
V1=LI spricht mit dem Spatz,. Der Spatz kann eine Metapher für Worte als auch wirklich für einen Vogel sein, dessen Laute beim Schreiben als Begleitmusik und auch als Inspiration dienen.
V2= Was hier gleichzeitig geschieht ist der Konflikt, das was beschäftigt. Da hast du gut mitgedacht. Das ''wie'' könnte ich weglassen, da stimme ich dir zu.
V3=In Gedichten klopfen „fremde“ Metaphern und Bilder an meine inneren Bilder. Ja, so ungefähr. Man liest in fremden Gedichten seine eigene Metaphern, Bilder, auch wenn sie anders formuliert sind. Oder umgekehrt.
Befrei dich, gefesselt an den Mast
des Schiffes. Das Lied wird gefährlich.
Zitat:,,Hier taucht für mich das „Schiffsbild“ wie ein Fremdkörper auf. Diese Strophe muss ich noch ein wenig befragen, kann ich nicht wirklich greifen.''
Damit ist Folgendes gemeint: Sich von Zwängen, festgesetzten formen befreien. Das LI will sich beim Schreiben nicht an bestimmte Regeln richten.
Da fiel mir Odysseus ein, dem die Circe den Weg für die Heimkehr weist, und rät ihm, wie er den Gesang der Sirenen entkommen kann.
Zitat:,,Das WIR: ich lese es als LI und sein Herz, jetzt wieder im Einklang, den Kampf gekämpft, die Hölle gezähmt und nun die Aufforderung: Herz säume nicht und singe.''
Ja, das LI ist über die Palisaden hinweg und hat sich von Zwängen befreit. Jetzt ist das Lied frei.
Liebe Aranka, hab vielen Dank für das Begleiten des LI.
Lieben Gruß
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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24.07.2016 05:47
von Erman
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Lieber Frank,
vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Nein, ich wundere mich über deine Leseweise nicht, du hast es begründet, ich kann dir dabei folgen und verstehe deinen Einwand.
Die erste Hälfte des Gedichts könnte man als die komprimierte Version Lesen. Mir war aber der Rest wichtig, um die innere Konfrontation des LI zu beleuchten, das was sich in seiner Gedankenwelt dabei abspielt, wenn er ein bestimmtes Gedicht schreibt.
Sicherlich, es geht uns allen dabei, wenn wir schreiben anders. Dennoch denke ich, es kann sein, dass wir bei bestimmten Gedichten hadern, uns nicht wie sonnst mit Lyrik auseinandersetzen.
Lyrik ist wie ein unergründlicher Ozean, den wir verstehen wollen, dabei erfahren wir eine Menge, vergessen es aber teilweise und das, an was wir uns erinnern, das schreiben wir.
Ich habe hier versucht ein Gedicht zu schreiben, mit den Mitteln, die noch in meiner Erinnerung sind und habe gleichzeitig den Prozess dabei beschrieben.
Einen lieben Gruß
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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24.07.2016 05:48
von Erman
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Liebe firstoffertio!
Hab Dank fürs Lesen und deinen Kommentar.
Ich weiß, dass du der Meinung bist ,, je weniger, desto besser'' und ,, in der Kürze liegt die Würze''.
Denke aber, dass es auch auf den Inhalt/Thema ankommt. Es hat auch mit Vorlieben, Geschmäcker des Autors und Lesers zu tun - was man eben von einem Gedicht erwartet.
Lieben Gruß
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
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