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„Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen“


 
 
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag27.06.2016 14:48
„Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen“
von Ralf Langer
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen

Spät im Jahre
also spät im Sein
stellst du die Frage
nach dem Leben ein

Da waren Stunden
die knieten sehr
doch alle Wunden
bluteten leer

Da waren Himmel
im geliebten blau
und andere Himmel
novembergrau

Spät Im Jahre
also spät im Sein
du suchtest das Wahre
jetzt packst du ein

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Gast







Beitrag28.06.2016 06:54

von Gast
Antworten mit Zitat

Morgen RL,

ich würde die letzten beiden Strophen umstellen. Die Strophe mit dem novembergrauen Himmel sollte mMn den Abschluss bilden. Ist, finde ich, der stärkste Teil des Textes.

Der Titel gefällt mir nicht so gut. Sterben und das "ungelöst lassen" sind zwei voneinander unabhängige Vorgänge. Ich setze voraus, dass auch ein ewiges Leben nicht das Geheimnis ergründen wird. Wer dieses Geheimnis gelöst hat, der lebt erst gar nicht, warum auch... ergo ergründet derjenige, der gestorben ist, auch die Frage des Warum, und dass impliziert, dass ein längeres Verweilen das Warum auch nicht näher ergründet.

Wenn es Dir darauf ankommt, das Harren auf, oder das Langen nach, mit dem inkludierten Scheitern darzustellen, würde ich anders formulieren...

Monochrom
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag28.06.2016 15:39

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Monochrom,
danke für dein feedback.
Hm der Titel. der steht ja in Anführungstrichen, ist also ein Zitat,
aus einem Gdicht von Benn, heißt Monolog.
ich hoffte- vielleicht etwas verquer - das der Hinweis mit den anführungsstrichen zum anderen gedicht führt, und das mein Stück auf diese Art mit benns "Monolog" in einen Dialog treten könnte.

über den Rest muß ich noch nachdenken
Lg
ralf
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Kris
Eselsohr


Beiträge: 453



Beitrag28.06.2016 16:08

von Kris
Antworten mit Zitat

Hallo Ralf,

mir gefällt Dein Gedicht, auch der Titel. Ich habe ihn so verstanden, dass man im Leben keine Antwort auf die Fragen nach Sinn erhält und deshalb all dies (diese Fragen) ungelöst zurücklässt.

Das Bild mit den knienden Stunden erschließt sich mir nicht ganz. Sind es Stunden, in denen sich das LI "in eine Sache" zu sehr reingekniet hat oder Lasten, die einen in die Knie zwingen oder geht es um das Bereuen, das bußfertige Niederknien? Oder obliegt das dem Leser?

Die Reihenfolge der Strophen würde ich so belassen, das "jetzt packst du ein" schließt für mich Deine Gedanken rund ab.

Einzig in der dritten Strophe würde ich das "du" und das "suchtest" vertauschen. Im Moment klingt es für mich zu bemüht lyrisch, das hat Dein Gedicht gar nicht nötig und es bricht für mich aus dem Duktus der restlichen Zeilen heraus.

Kleinkram: In der ersten Zeile der letzten Strophe schreibst Du auch das "Im" groß, vermutlich keine Absicht, oder? Das  "geliebte Blau" hingegen würde ich hier groß schreiben.

Mich hat diese reduzierte Reflexion angesprochen. Und jetzt geh ich mal bei Benn nachlesen.
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Mogmeier
Geschlecht:männlichGrobspalter

Moderator
Alter: 50
Beiträge: 2677
Wohnort: Reutlingen


Beitrag29.06.2016 20:42

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

Hallo Ralf,

ich hatte dein Gedicht bereits gestern gesichtet, hatte dabei aber so meine Bedenken, als nicht-Lyriker hier einen Kommentar zu schreiben. Aber jetzt versuche ich es trotzdem mal. (Möge mir die Lyrik verzeihen!)


Mein erster Eindruck (gestern wie heute):
    So einfach und schlicht
    Ein schönes Gedicht

 smile

Ja, dein Gedicht wirkt auf mich wirklich gelungen. Die Schlichtheit, die ich dabei hineininterpretiere, meine ich aber nicht in negativer Hinsicht, sondern eindeutig im positiven Sinne von: weniger ist oft mehr. – Und das passt! Zumindest mir.
Es ist recht gradlinig, wie in einem Atemzug geschrieben. Trotz dieser Gradlinigkeit (oder gerade deshalb) liest es sich für mich dennoch recht rund. Auch das passt (mir).
Strophe für Strophe begegnet mir dabei ein gewisser Unterton eines recht rationalen Ursprungs, der eben noch durch die Gradlinigkeit des Gesamtstils verstärkt wird … Im Sinne von: So ist das halt! Punkt!
Und bevor ich jetzt hier mit einer Abhandlung über meinen guten alten Freund ›Wilhelm von Ockham‹ abdrifte, mache ich jetzt lieber selbst mal einen Punkt.

… Punkt


Gerne gelesen!

Beste Grüße,
Mog


_________________
»Nichtstun ist besser, als mit viel Mühe nichts schaffen.«
Laotse
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag01.07.2016 15:52

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Kris,

danke für deine Meldung:

Interessant, das du von dir behauptest du hättest die „knieenden Stunden“ nicht
verstanden. Denn eine Erklärung, Deutung trifft doch genau den Kern meiner gewollten Aussage.
Interpretatorisch ist beides gemeint:

Zum einen die Last (tatsächlich, das Gewicht der Stunden). zum Anderen
so etwas die moralische „Schwere“, aber eben auch das demütige vor einer höheren Instanz.

Das „einpacken“ selbst gefällt mir auch. Ich empfinde das durchaus nicht als Platitüde.

Ich selbst arbeite gerade an einer kleinen Umstellung der ersten und letzten Strophe. Vor allem auch wegen der Sprünge im Tempus.

Und viel Vergnügen mit Herrn Benn...
Lg
Ralf
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag01.07.2016 15:59

von Ralf Langer
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Hallo Mogmeier,
herzlichen Dank.Es freut mich, das sich auch ein „Lyrikferner“, an meinem Gedicht „freuen“ kann.
Ich empfinde den begriff der „Schlichtheit“ hier durchaus als Kompliment.
Denn dies war sozusagen auch meine Intention.

Der rationale Ursprung ist ja im lyrich angelegt.

Ob es, wie du sagst so ist, muss ja jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Im Auge des lyrischen Ichs, ist es am Ende ein Nullsummenspiel. Und der Titel selbst, lässt in dieser beziehung ja auch keine Fragen offen. ( Bleibt aber streitbar)

Lg
Ralf
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Poolshark
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

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Wohnort: Berlin


Beitrag01.07.2016 17:02

von Poolshark
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Hallöchen Ralf,

mir gefallen deine Gedichte. Dieses lese ich jetzt glaub ich zum dritten Mal und jetzt lass ich dir mal auch eine Meldung da.

Du lässt in deinen vier Strophen nicht viele Rätsel offen, wie man das als Lyriker ganz gern mal tut. Und obwohl ich rätselhafte Dinge ganz gern mag, gefallen mir deine klaren Worte doch um einiges mehr, als manch kryptisches Werk hier. Nicht nur um der Klarheit willen, sondern auch weil es so gut zum Inhalt passt. Das LI und das angesprochene Du wirken ein bisschen abgeklärt. Das ist es also gewesen das Leben und jetzt packen wir ein. Trotzdem hinterlässt es bei mir keine depressive Stimmung, sondern eher ein Gefühl der Ruhe, des Beendetseins. Vielleicht liegt dieser Eindruck an meiner eigenen Geschichte oder Sicht der Dinge, aber trotzdem: so eine Retrospektive ohne Pathos oder bedeutungsschwangere Gefühlsduseleien hinzukriegen, muss man erst mal schaffen. Selbst die leergebluteten Wunden kommen ohne Selbstmitleid daher.

Deine gewählte Sprache ist einfach und trotzdem originell. Der Himmel im Blau, die knieenden Stunden und das Spät im Sein ... schön.

Weglassen würde ich nur das zweite Himmel in Strophe 3. Das liest sich für mich melodischer. Aber da ich keine Ahnung von Lyrikanatomie habe, sei das nur am Rande erwähnt.

Ach ja, und der Titel will für mich so gar nicht passen. Er erklärt mir etwas, was ich doch selbst erkundet haben will. Der Reiz deines Gedichtes, ist für mich der Raum, den es mir lässt, um mich darin einzufinden. Der Titel drückt dem so einen unbeweglichen Stempel auf, den ich dazu in diesen Zeilen gar nicht wiederfinde. Sterben ist ganz viel, sagt mir dein Gedicht. Sterben ist diese eine Sache, sagt dein Titel.


_________________
"But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag05.07.2016 14:37

von Ralf Langer
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Hallo Poolshark,
ja das mit dem Titel ist so eine Sache.
(nicht zuletzt deswegen steht der Text auch in der Werkstatt)

Der Titel ist für mich der Türöffner zu diesem gedicht.
Es ist auf seine Weise eine Auseinandersetzung mit diesen benn`schen Zeilen
aus dem gedicht "Monolog".

Eigentlich nicht mit dem gesamte Gedicht, sondern nur mit dieser Zeile, und meinen Gedanken dazu.

Lg
Ralf
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 104
Beiträge: 2452
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag13.07.2016 19:01

von menetekel
Antworten mit Zitat

Hallo Ralf,

wie nicht anders zu erwarten, wieder ein kluges und aussagekräftiges Gedicht!
Parallel zu seinen vielfältigen Vorzügen, möchte ich auf die Dinge hinweisen, die aus meiner Sicht noch überarbeitet werden könnten.
Da du das Gedicht in der "Werkstatt" eingestellt hast, denke ich, dass dir das genehm sein wird..

Zitat:
„Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen“


Hier würde ich auf jeden Fall den Benn-Namen in Klammern setzen, weil (leider!) nicht zu erwarten ist, dass dieses Zitat von allen als solches erkannt wird. Im eigentlichen Titel (oben) wäre das aber nicht nowendig.

Zitat:
Zitat:
Spät im Jahre
also spät im Sein
stellst du die Frage
nach dem Leben ein


Das o. g.  Zitat bezieht sich auf Benns "Monolog", den er 1941 geschrieben hat und der eine deutliche Abkehr vom Nationalsozialismus zeigt.  Allerdings recht "spät.", wie du ganz richtig anmerkst.
Bei Jahre / Frage handelt es sich um einen unreinen Reim.

Zitat:
Da waren Stunden
die knieten sehr
doch alle Wunden
bluteten leer


Die "knieenden Stunden" sind für mich das Higlight des Gedichts. Gemeint sind wohl die Stunden der Reue. "Doch alle Wunden bluteten leer." Noch einmal weist du auf die verlorene, verblendete Zeit des Dichters hin

Zitat:
Da waren Himmel
im geliebten Blau
und andere Himmel
novembergrau


Hier schilderst du den Zwiespalt des nunmehr geläuterten Dichters, des unbestritten stärksten Lyrikers des 20. Jahrhunders, den Zwiespalt zwischen ästhetischem Anspruch, dem "profanen" Sein und der eigenen lang währenden Verblendung.

Zitat:
Spät Im Jahre
also spät im Sein
du suchtest das Wahre
jetzt packst du ein


Das "packst du ein",  kommt mir persönlich ewas zu banal daher. Es kann aber sein, dass du diesen Effekt absichtlich hervorrufen möchtest ... den großen Lyriker als einen darstellen willst, der am Ende ebenso einpacken muss wie du und ich. Und zwar alles. Und jedwedes Streben zurücklassen muss. - Natürlich handelt es sich hier auch um das klassische Faust-Motiv.

Formal stellt sich mir die Frage, ob du dich nicht mir einem Reim pro Strophe begnügen solltest; das nähme  das leicht Gequälte aus dem Ablauf der Strophe 1 - 4 ...

Aber wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, ob dies alles nicht von dir gewünscht ist.

Auf einer anderen Ebene wirkt das Gedicht selbstreferentiell auf mich, also als geschlossenes System, das nur auf Veränderungen des Eigenen reagiert ...

Es hat mir aufrichtige Freude bereitet, mich mit deinem Text zu beschäftigen.

Liebe Grüße
m.

(An alle Interessenten: Unbedingt Benns großartiges Gedicht "Monolog" lesen)
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag14.07.2016 14:32

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo M.,

recht herzlichen Dank für das Hervorheben der Bezüge zu Benns "Monolog",
und vor allem zu den Ebenen die "direkt" auf die Bennsche  Biographie verweisen.

Ja, das einpacken, das ist durchaus absichtlich so profan gewählt.
Und das faustische Motiv ist in meinem persönlichen sein sowieso tief verankert.

Ich werde  deine Vorschläge bezüglich des Verweises auf Benn nachkommen, und natürlich auch dem "blau" seine "größe" geben.

Über das Reimschema muß ich noch nachdenken. Vielleicht hast du ja einige Vorschläge für mich.

Bis hierhin herzlichen Dank
Ralf
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag14.07.2016 14:35
„Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen“
von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

„Sterben heißt dies alles ungelöst verlassen“
Gottfried Benn, Monolog


Spät im Jahre
also spät im Sein
stellst du die Frage
nach dem Leben ein

Da waren Stunden
die knieten sehr
doch alle Wunden
bluteten leer

Da waren Himmel
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und andere Himmel
novembergrau

Spät Im Jahre
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Quadratschädel
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Q

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Beiträge: 159
Wohnort: Berlin-Ost


Q
Beitrag16.07.2016 12:45

von Quadratschädel
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Hallo Ralf Langer

schon erstaunlich, wer sich alles auf Benn bezieht, der seine wahren Freunde verriet und sich in das von den Naziverbrechern besuhlte bequeme Bett begab. Dass er sich von den Nazis spät abgewendet hatte, als die Niederlage sich schon dick abzeichnete - kann das ein Verdienst sein?
Auf jeden Fall hat er sich leise und ganz, ganz heimlich abgewendet, am Laternenpfahl hing er nicht. Und in der Bundesrepublik war er wieder das "große Genie". Genau dies kann er in seinen Gedichten nicht verbergen, nämlich, mit wem er sich da gemein gemacht hat, wem er in den After gekrochen ist und wem er bis zum Schluss den Allerwertesten geleckt hat. Und genau diesen Vorgang glorifizierst du mit hehren Worten in deinem Gedicht, das den gewissenlosen Opportunisten Benn in die seligen Gefilde der Dichtergötter heben will. Aber das verwundert mich nicht, wenn ich die bundesdeutsche Nachkriegsgeschichte mir ansehe, die bis in die heutige Zeit hineinwirkt und von der du dich als Westdeutscher nicht frei machen kannst. Beim Lesen dieses Gedichtes kamen mir diese Gedanken, und ich las und verglich, was ich über Benn wusste und was du darüber schriebst:

Spät im Jahre
also spät im Sein
stellst du die Frage
nach dem Leben ein

Da waren Stunden
die knieten sehr
doch alle Wunden
bluteten leer

Da waren Himmel
im geliebten Blau
und andere Himmel
novembergrau

Spät Im Jahre
also spät im Sein
du suchtest das Wahre
jetzt packst du ein

Nein, nicht "spät im Jahre", das hätte spätestens das Jahr 1933 sein müssen, nein, nach mehr als 10 Jahren (!) "stellte er die Frage nach dem Leben ein". Er stellte sie nicht nach dem Leben der vielen Toten, er stellte sie für sich, für seine kleine höchsteigene Person. Aber was heißt "einstellen"? Das erscheint mir reimbedingt, also nichts von lyrischem Belang.

Benn "kniete"? Nein, das tat er nicht. Er schmeichelte sich bei den Nazis ein, dass es seinen ehemaligen Freunden zum Halse herauskam. Die Nazis kannten aber seine sogenannte linke Vergangenheit und waren von ihm nicht sehr angetan, stießen ihn aber nicht weg, sondern ließen ihn für sich schreiben - das war das Verhältnis Nazis und Benn. Wie kam er eigentlich auf diese Weise zu "wunden Knien"? Natürlich hat er auf "wunden Knien" die Nazis angebettelt, ihm zu verzeihen. Aber sind auf diese Weise erworbene "wunde Knien" eigentlich ein Orden, dass man sie überhaupt erwähnen muss? Klaus Mann, der seine Gedichte sehr bewunderte, versuchte ihn zu entschuldigen, es gelang ihm nicht. Brecht spuckte nur noch aus. Und wie viele Schriftsteller und Dichter, die keine Gelegenheit mehr bekamen, Benn öffentlich zu verabscheuen, die ihren Widerstand bezahlten mit dem, wovon ein Dichter lebt, nämlich mit dem öffentlichen Gehörtwerden, gab es im Exil? Oder lebten sogar nicht mehr, ich denke da an Joseph Roth, der unter erbärmlichsten Bedingungen in Paris vegetierte und sich zu Tode soff, weil er dieses Leben nicht ertragen konnte. Benn dagegen war den Nazis ganz devot zu Diensten. Natürlich wurde seine Vergangenheit in der BRD dann verharmlost, aber du, der du ein Gedicht über Benn schreibst, solltest es besser wissen - sofern dir die Wahrheit heilig ist.

Himmel nennst du das, du meinst den Nazi-Himmel? Blau und novembergrau. Ach? Ich dachte, er wäre rot gewesen vom vielen Blut. Mich wundert, dass du ihn nicht zum Widerstandskämpfer hochschreibst.

Mal was zum Technischen: Was ist eigentlich "spät im Sein"? Das Sein ist ein philosophischer Begriff für die Wirklichkeit. Was hat der hier, in diesem Zusammenhang, zu suchen?

Noch eine Frage: Was verstand der Opportunist Benn unter dem "Wahren"?
Wer seine neuen Brötchengeber sind? Ich will nicht behaupten, dass ihm die vielen Toten und das zerstörte Deutschland besonders gefielen, aber das waren für ihn unvermeidliche Petitessen. Dieser Mann hat nur an einen gedacht: an sich selbst.

Eine Eloge auf ihn versteht sich als Einverständnis mit seiner Haltung in der Nazizeit. Ich hätte es begrüßt, wenn du an Hand des Beispiels Benn ein Gedicht über die Folgen des Anpassens an die Unmenschlichkeiten nicht nur der Nazis, sondern auch ihrer Nachfolger geschrieben hättest. So aber?
Ein mittelmäßiges, verlogenenes Gereime auf Benn, der einmal ein Dichter war. Leider nicht mehr.

Quadratschädel
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