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cindysherman Leseratte
C Alter: 46 Beiträge: 112 Wohnort: Berlin
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C 21.09.2015 10:33 Der Tag an dem mein Vater sich ein Tamagotchi zulegte. von cindysherman
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Der Tag an dem mein Vater sich ein Tamagotchi zulegte, war, als er mir riet, meine Geldbitten an ihn künftig nur noch per SMS zu senden. Er würde dann etwas Geld auf mein Konto überweisen, unkompliziert und ohne Diskussion, via online banking.
Die Bitten um Zwendung und Pflege würde er also lieber per elektronischem Piepen erhalten. Vielleicht kündigte sein Handy den Eingang einer Botschaft als simples „pling“ an: vielleicht war es auch das Geräusch eines Chinesischen Gongs, oder das Zirpen eine Grille. Oder das Geräusch einer Sprungfeder, oder auch das Zwitschern eines Vogels. (Die Sounddesigner sind einfallsreicher als ich: das sind nur die Geräusche die meine Handys während der letzten Jahre bei SMS Eingang machten.)
Ich muss bei nächster Gelegenheit mal darauf achten was sein Handy dann macht.
Sein Ansinnen ist wohl, sich emotional aufgeladenen Grundsatzdebatten über die Verpflichtungen zwischen Vätern und Kindern zu entziehen, denn er hatte seine Haltung diesbezüglich mehrmals nachdrücklich dargelegt, ohne dass sich mein Verhalten und mein Kontostand grundlegend geändert hatten. Der elterliche Schubbser aus dem Nest war vor Jahren erfolgt und doch krallte sich das Küken mit einer kleinen Kralle hartnäckig an den äußeren Nestrand.
Nun würde er also nachgeben und dem Tochter-Tamagotchi Futter geben, wenn ihm sein Display mitteilte: „Drohe einzugehen, erbitte Nahrung“.
Was passiert dabei wohl in seinem Kopf? Mischen sich diese SMS Texte auf dem kleinen Display und das Eintippen der Zahlung in der Internet Maske der Bank, mit dem Bild, das er von seiner nun schon 30 jährigen Tochter hat?
Das Bild eines Wesens, was aus irgendeinem Grund auf seine Abhängigkeit von ihm besteht?
Und werde ich es schaffen, mich dieser Kommunikationsform anzupassen? Was schreibt man denn da? Ein knappes, sprachlich elegantes:„S.O.S“? Oder :„Brauche 100 Euro für Stimmbildungsunterricht“ -um meinen Eifer zu beweisen? oder : „bin hungrig und der Supermarkt sagt, ich soll für Deckung meiner Geldkarte sorgen“ -um auf den abstrakten Alltag anzuspielen?
Wie wird er mich dann erleben: und sich selbst dabei?
Doch, doch, es könnte möglicherweise die Lösung sein. Er umgeht gewissermaßen die emotionale Vorgeschichte, der Blick in das Gesicht, das seinem Eigenen so ähnlich sieht.
Und ich lerne endlich, meine Bitten verständlich zu formulieren! „hab mich lieb“, „Akzeptiere mich, wie ich bin“, „sei mir treu“, „beschütze mich“.
Ich vermute, all das zu erfüllen wäre ihm sogar leichter, wenn ich ihm unähnlich sähe.
Weitere Werke von cindysherman:
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Jack Burns Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1444
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21.09.2015 14:51
von Jack Burns
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Hallo,
der Titel ist schon Mal bombig.
In dem Thema steckt sehr viel drin. Kommt hier aber kaum heraus. Der Text erscheint mir wie ein Gedankenfragment. Für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche plappernd.
Die Formulierungen gefallen mir zumeist.
Mm ... lecker Glutamat und Zucker. Aber nach einigen Minuten hat man wieder Hunger.
Eignet sich auf jeden Fall als Ausgangspunkt für etwas Längeres, Tiefergehendes.
Grüße
Martin
_________________ Monster.
How should I feel?
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cindysherman Leseratte
C Alter: 46 Beiträge: 112 Wohnort: Berlin
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Butterbacke Gänsefüßchen
Alter: 58 Beiträge: 19 Wohnort: München
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22.09.2015 15:30
von Butterbacke
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Gefällt mir persönlich sehr gut. Die Zeilen selbst und auch das Du schaffst, dass man zwischen den Zeilen lesen kann. Ich würde gerne mehr davon lesen.
Der Titel ist der Oberhammer!
_________________ Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern. (Astrid Lindgren) |
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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22.09.2015 16:02
von BlueNote
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Witzig, skurril! So interessant unemotional! Gefällt mir!
Kleiner Einwand:
Um den Tag an dem mein Vater sich ein Tamagotchi zulegte, geht es ja eigentlich gar nicht.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4279
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23.09.2015 21:13
von hobbes
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Hi,
mir gefällt das genau bis hierhin:
Zitat: | Was passiert dabei wohl in seinem Kopf? |
Ab dann passiert im Grunde nichts mehr. Es wird auch nichts erzählt. Da ist nichts mehr, was den Leser bei der Stange hält.
Bis zu den letzten beiden Abschnitten, da wird es dann wieder interessant.
Aber dazwischen stehen nur Fragezeichen und die interessieren mich als Leser nicht, vor allem nicht in der Menge. Wenn du willst, dass Fragen im Kopf des Lesers auftauchen, pack sie in den Text, aber nicht als konkrete Frage.
Ansonsten verwirrt mich der Tamagotchi-Vergleich. Er hat sich doch gar keins zugelegt, oder? Er hat nur aus seinem Handy eins gemacht. Oder hat er sich tatsächlich eins zugelegt, aber das hat doch dann mit den Anfragen der Tochter nichts mehr zu tun?
Oder stehe ich völlig auf dem Schlauch?
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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23.09.2015 22:30
von BlueNote
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Zitat: |
Oder stehe ich völlig auf dem Schlauch?
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Ich glaube schon!
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orientsonne Leseratte
O Alter: 40 Beiträge: 192 Wohnort: Nürnberg
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O 01.10.2015 07:26
von orientsonne
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Ich denke, man könnte den Zusammenhang zwischen Tamagotchi und den Tochter-Überlebens-SMS eingangs etwas besser darstellen. Ich fand den Zusammenhang erst auch verwirrend.
Die Idee hat mir gut gefallen, allerdings fand ich den Text nicht immer auf Anhieb verständlich und musste ihn zwei bis dreimal lesen.
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Jack Burns Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1444
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01.10.2015 11:27
von Jack Burns
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Es ist immer wieder lehrreich für mich, zu erkennen wie unterschiedlich wir in unserer Wahrnehmung sind. Für mich war der erste Satz absolut klar. Den Bezug zwischen Tamagochi und den Bettel-SMS habe ich sofort erkannt und finde das auch originell.
Später habe ich überlegt, dass es nur für Leser einer bestimmten Generation funktioniert. Das Teil war ja nur ein kurzer Trend und Jüngere kennen es schon nicht mehr.
Gruß
Martin
_________________ Monster.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4279
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02.10.2015 08:12
von hobbes
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Jack Burns hat Folgendes geschrieben: | Später habe ich überlegt, dass es nur für Leser einer bestimmten Generation funktioniert. Das Teil war ja nur ein kurzer Trend und Jüngere kennen es schon nicht mehr. |
So jung bin ich dann doch nicht mehr.
Und eigentlich war das ja genau mein Problem, dass ich ein "echtes" Tamagotchi vor Augen hatte. Der Zusammenhang zu den Bettel-SMS ist mir auch klar, aber da war es schon zu spät, denn hierdurch
Zitat: | Der Tag an dem mein Vater sich ein Tamagotchi zulegte |
hatte ich schon assoziiert, er habe sich tatsächlich ein "echtes" gekauft. Und schon war die Verwirrung da.
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cindysherman Leseratte
C Alter: 46 Beiträge: 112 Wohnort: Berlin
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träumerchen Gänsefüßchen
T
Beiträge: 25 Wohnort: Leipzig
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T 27.07.2016 17:24 Re: Der Tag an dem mein Vater sich ein Tamagotchi zulegte. von träumerchen
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cindysherman hat Folgendes geschrieben: | Der Tag an dem mein Vater sich ein Tamagotchi zulegte, war, als er mir riet, meine Geldbitten an ihn künftig nur noch per SMS zu senden. Er würde dann etwas Geld auf mein Konto überweisen, unkompliziert und ohne Diskussion, via online banking.
Die Bitten um Zuwendung und Pflege würde er also lieber per elektronischem Piepen erhalten. Vielleicht kündigte sein Handy den Eingang einer Botschaft als simples „pling“ an: vielleicht war es auch das Geräusch eines Chinesischen Gongs, oder das Zirpen eine Grille. (Die Sounddesigner sind einfallsreicher als ich)
Vielleicht war es jedoch auch die akustische Enttäuschung, jene Melodie, die erklang, wenn die Buchstaben "Game over" über den Monitor zuckten. Denn das war ich im Grunde: die personifizierte Enttäuschung.
Schlimm genug, dass du ein Mädchen bist, hatte er gesagt. Den Rest hatte er zwar nicht ausgesprochen, aber ich hatte ihn trotzdem verstanden. Obwohl schein Mädchen war.
Sein Ansinnen ist wohl, sich emotional aufgeladenen Grundsatzdebatten über die Verpflichtungen zwischen Vätern und Töchtern zu entziehen, denn er hatte seine Haltung diesbezüglich mehrmals nachdrücklich dargelegt, ohne dass sich mein Verhalten und mein Kontostand grundlegend geändert hatten. Der elterliche Schubbser aus dem Nest war vor Jahren erfolgt und doch krallte sich das Küken mit einer kleinen Kralle hartnäckig an den äußeren Nestrand.
Nun würde er also nachgeben und dem Tochter-Tamagotchi Futter geben, wenn ihm sein Display mitteilte: „Drohe einzugehen, erbitte Nahrung“.
Und werde ich es schaffen, mich dieser Kommunikationsform anzupassen? Was schreibt man denn da? Ein knappes, sprachlich elegantes:„S.O.S“? Oder :„Brauche 100 Euro für einen EDV-Kurs.“ -um meinen Eifer zu beweisen?
Oder soll ich mir einfach eingestehen, dass ich ihm nie gefallen werde? "Kunststudium, kein Wunder, dass du auf dem zahnfleisch kriechst hättest du nur was Richtiges gelernt, Informatik oder Mathematik. Oder jedenfalls einen reichen Mann geheiratet."
Ich hatte ihm zeigen wollen, dass ich auf eigenen Füßen stand. Obwohl ich eine Frau war. Trotz Kunststudium. Ohne reichen Mann. Ich naives tamagotschi.
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Das wäre mein Vorschlag für Veränderungen. Allerdings machen die natürlich wenig Sinn wenn sich deine Geschichte in eine andere Richtung entwickeln sollte. Sieh es einfach als vorschlag, wie man das Thema Computer mit dem Dilemma der protagonistin verknüpfeh könnte.
Dein titwl ist une bleibt abergenial und viele andere Passagen. Haben mur auch sehr gut gefallen. LG
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