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Menschen wie Du


 
 
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag15.01.2016 18:36
Menschen wie Du
von Graven
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Du klingelst, drei Mal, weil du nicht daran denkst, dass bei mir der Strom abgestellt ist. Als niemand kommt, gehst du nicht einfach über die Schwelle, wie die anderen, die vor dir gekommen sind, du bleibst an der ausgehängten Tür und rufst.
   Ich laufe, mit Matsch bespritzt und unfrisiert, aus dem Keller, dem Keller voller Leichen, ich beeile mich herauszukommen, bevor jemand da unten nach mir sucht. Ich schäme mich für den ausgedienten Teppich, den die Flut gegen die Treppe getrieben hat, für die ausgelatschten Schuhe, die sich in seinen Falten verheddert haben, die aufgeweichten Kartons, die für irgendetwas hätten nützlich sein sollen, früher, heute weiß ich nicht mehr, wofür. Altes, stinkendes Schmodder, hat ein Helfer gesagt, nur Messies heben so etwas auf. Ich habe ihn hinausgedrängt; ihn und all die anderen, die schon unten angelangt sind, willig, willig die Beweise meiner Schlampigkeit zu entdecken, sie auf die Straße zu zerren und zu Bergen aufzutürmen - als Schauspiel für Nachbarn und Hochwassertouristen. Ich habe die Helfer ins Wohnzimmer gelockt. Dort ist der Boden mit Büchern übersät. Ich habe sie auf die oberen Regale gestellt, und das Wasser ist gar nicht bis zu ihnen gestiegen, nein, das Wasser hat die Regale von unten hochgedrückt und zum Kippen gebracht. Jetzt schmeißen die Helfer die versotteten Schmöker durch das Fenster nach draußen, sie üben Weitwurf, haben Spaß dabei. Diese Bücher habe ich von Oma geerbt. Der Abdruck ihrer Finger haftete ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebte noch zwischen ihren Seiten.
 
An der Haustür muss ich die Tränen wegblinzeln. Du schaust mich an und stammelst: "Jana, bist du es?", als ob du angenommen hättest, mich hier in Pumps und Kostüm anzutreffen. Doch deine Stimme klingt fest und beherrscht, als du "ich bin jetzt da" zu mir sagst, als wären wir die besten Freundinnen. Dabei kennen wir uns nur aus dem Büro.
   Du erbeutest eine Kiste und kletterst die glitschigen Treppen in den Keller hinab. Durch das kleine Fenster fällt nur wenig Licht hinein und der Boden ist voller Schlamm. Wir sammeln den Kleinkram auf, die Gläser und Dosen, die aus den Schränken fortgespült wurden.
 
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen. Dann greifst du beherzt nach der Pappe, die an den Fingern matschig und glitschig haftet, richtig eklig, du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus und schleppst sie nach draußen. Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert. Ich sage:  "hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter und grinst.
 "Nö, habe ich nicht", sagst du, "es ist doch Katastrophenalarm. Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"  
 "Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden, hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. Alles, was ich an Kleidung bis jetzt gefunden habe, ist nicht mehr tragbar. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toter Maus.  
 
Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt sie, das schöne Wetter mussten sie doch nutzen. Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. Ich komme nicht vorbei, fügt sie hinzu, ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen.
 
 "Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als es Abend wird, "ich nehme alles mit. Kriegst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen.
 "Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb oder was?", sagst du und stopfst alles in einen Plastiksack.  
 "Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren", sage ich. Du zwinkerst mir zu und sagst nur: "Katastrophenalarm."
 
   Ich schaue dir nach, wie du zur Bushaltestelle schlenderst, mit meinem duftigen Sommerkleid bekleidet, während der schwarze Wäschesack um deine Beine schlenkert. Zwei Spaziergänger laufen an mir vorbei, schielen zu den versotteten Sachen am Bürgersteig, flüstern:
 "Zum Glück wohnen wir weit oben, zum Glück kommt zu uns kein Wasser." Du winkst mir von der Haltestelle zu und ich muss an die Leute denken, die unglücklich sind, obwohl sie nie eine Katastrophe getroffen hat. Denn ich bin glücklich.  
   Ich bin glücklich in einer Notlage dich zur Freundin zu haben.

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sickx
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 28
Beiträge: 22
Wohnort: Österreich


S
Beitrag15.01.2016 20:59
Re: Menschen wie Du
von sickx
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Graven hat Folgendes geschrieben:
Du klingelst, drei Mal, weil du nicht daran denkst, dass bei mir der Strom abgestellt ist. Als niemand kommt, gehst du nicht einfach über die Schwelle, wie die anderen, die vor dir gekommen sind, du bleibst an der ausgehängten Tür und rufst.
   Ich laufe, mit Matsch bespritzt und unfrisiert, aus dem Keller hoch, dem Keller voller Leichen, ich beeile mich herauszukommen, bevor da unten jemand da unten nach mir sucht. Ich schäme mich für den ausgedienten Teppich, den die Flut gegen die Treppe getrieben hat, für die ausgelatschten Schuhe, die sich in seinen Falten verheddert haben, die aufgeweichten Kartons, die für irgendetwas hätten nützlich sein sollen, früher, heute weiß ich nicht mehr, wofür. Alter, stinkender Schmodder, hat ein Helfer gesagt, nur Messies heben so etwas auf. Ich habe ihn hinausgedrängt, ihn und all die anderen, die schon unten angelangt sind, willig, willig die Beweise meiner Schlampigkeit zu entdecken, sie auf die Straße zu zerren und zu Bergen aufzutürmen - als Schauspiel für Nachbarn und Hochwassertouristen. Ich habe die Helfer ins Wohnzimmer gelockt. Dort ist der Boden mit Büchern übersät. Ich habe sie auf die oberen Regale gestellt, und das Wasser ist gar nicht bis zu ihnen gestiegen, nein, das Wasser hat die Regale von unten hochgedrückt und zum Kippen gebracht. Jetzt schmeißen die Helfer die versotteten Schmöker durch das Fenster nach draußen, sie üben Weitwurf, haben Spaß dabei. Diese Bücher habe ich von Oma geerbt. Der Abdrücke ihrer Finger hafteten ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebte noch zwischen ihren Seiten.
 
An der Haustür muss ich die Tränen wegblinzeln. Du schaust mich an und stammelst: "Jana, bist du es?", als ob du angenommen hättest, mich hier in Pumps und Kostüm anzutreffen. Doch deine Stimme klingt fest und beherrscht. "Ich bin jetzt da", zu mir sagst sagst du zu mir, als wären wir die besten Freundinnen. Dabei kennen wir uns nur aus dem Büro.
   Du erbeutest eine Kiste und kletterst steigst die glitschigen Treppen in den Keller hinab. Durch das kleine Fenster fällt nur wenig Licht hinein und der Boden ist voller Schlamm. Wir sammeln den Kleinkram auf, die Gläser und Dosen, die aus den Schränken fortherausgespült wurden.
 
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, - der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen. Dann greifst du beherzt nach der Pappe, die kaum an den Fingern matschig und glitschig haftet zu haften vermag, richtig eklig, du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus sie trocken und schleppst sie nach draußen. Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert. Ich sage:"Hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter. und grinst.
 "Nö, habe ich nicht", sagst du du grinst, "es ist herrscht doch Katastrophenalarm. Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"  
 "Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden, hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. Alles, was ich bis jetzt an Kleidung bis jetzt gefunden habe, ist nicht mehr tragbar. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toten Mäusen 
 
Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt weil sie, das schöne Wetter doch nutzen mussten sie doch nutzen. <--Hier der einzige Logikfehler mMn. Katastrophenalarm, ein Zoobesuch ist jedoch drin? Dieser müsste doch genauso, zumindest leicht, überschwemmt worden sein? Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. "Ich komme nicht vorbei", fügt sie hinzu, "Ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen."
 
 "Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als es Abend wird, "Ich nehme alles mit. Kriegst Bekommst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen entdecken.
 "Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb oder was?", sagst fragst du und stopfst alles in einen Plastiksack.  
 "Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren?" Du zwinkerst mir nur zu und sagst entgegnest nur: "Katastrophenalarm."
 
   Ich schaue dir nach, wie du zur Bushaltestelle schlenderst, mit meinem duftiges Sommerkleid bekleidet übergestreift, während der schwarze Wäschesack um deine Beine schlenkert. Zwei Spaziergänger laufen an mir vorbei, schielen zu den versotteten Sachen am Bürgersteig, flüstern:
 "Zum Glück wohnen wir weit oben, zum Glück kommt zu uns kein Wasser das Wasser kann uns nichts anhaben." Du winkst mir von der Haltestelle zu und ich muss an die Leute denken, die unglücklich sind, obwohl sie nie eine Katastrophe getroffen hat. Denn ich bin glücklich.  
   Ich bin glücklich in einer Notlage dich zur Freundin zu haben.


Rote Satzzeichen gehören weg. Blaue habe ich hinzugefügt.

Blau gefärbte Stellen sind von mir ausgebesserte Stellen.

Die orangen Sätze sind Anmerkungen meinersteits.

Deine Geschichte gefällt mir wirklich sehr! smile

/Daniel


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Paradigma
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Beitrag15.01.2016 21:56

von Paradigma
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Das ist nur eine Kurzgeschichte, nicht wahr, nicht der Anfang eines längeren Textes? Die Geschichte im Präsens zu lesen finde ich etwas irritierend, aber für eine Kurzgeschichte ist das schon mal machbar.  

Zitat:
Ich laufe, mit Matsch bespritzt und unfrisiert, aus dem Keller, dem Keller voller Leichen, ich beeile mich herauszukommen, bevor jemand da unten nach mir sucht.


Das mit den "Leichen" führt einen auf eine völlig falsche Spur - ich hatte gedacht, ich lese den Anfang oder Prolog eines Thrillers oder Krimis. Auch wenn sich das recht schnell aufklärt, passt das nicht zum Ton der Geschichte, in der es um Freundschaft geht ..

Ansonsten - gern gelesen.


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Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.

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Graven
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Beitrag15.01.2016 22:13

von Graven
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Hallo Daniel, hallo Paradigma,

vielen lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Paradigma: Ja, das ist eine abgeschlossene Geschichte. Längere Texte schreibe ich in Präteritum.
Tut mir leid, dass Dich der Anfang der Geschichte irritiert hat. Ich wollte mit den Leichen den emotionalen Zustand, die Verzweiflung der Protagonistin zeigen. Versotteter Müll - Leichen.

Daniel: vielen lieben Dank für Deine Textarbeit. Deine Vorschläge gefallen mir sehr gut.
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sickx
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Beitrag15.01.2016 23:02

von sickx
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Graven hat Folgendes geschrieben:
Hallo Daniel, hallo Paradigma,

vielen lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Daniel: vielen lieben Dank für Deine Textarbeit. Deine Vorschläge gefallen mir sehr gut.


Nichts zu danken. Freut mich. smile

/Daniel


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Graven
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Beiträge: 281



Beitrag15.01.2016 23:08

von Graven
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Daniel, was ich noch vergessen habe:
Der ZOO liegt auf jeden Fall nicht im Katastrophengebiet; Smile
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sickx
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Beiträge: 22
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Beitrag15.01.2016 23:28

von sickx
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Graven hat Folgendes geschrieben:
Daniel, was ich noch vergessen habe:
Der ZOO liegt auf jeden Fall nicht im Katastrophengebiet; Smile


Hab' ich mir schon fast gedacht, aber habe es nicht unterlassen können, darauf hinzuweisen, sicher war sicher. Razz


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Heidi
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Beiträge: 1425
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Der goldene Durchblick


Beitrag16.01.2016 12:22
Re: Menschen wie Du
von Heidi
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Liebe Graven,

du hast eine berührende Geschichte, über die Gabe, selbst in der schlimmsten Situation, noch Glück erkennen zu können, geschrieben.

Der Titel der Geschichte gefällt mir. Hat mich neugierig gemacht. Der Text ist flüssig geschrieben (zu den Anmerkungen später).

Du erzählst die Geschichte langsam. Die leisen Töne gefallen mir, weil der Text dadurch unaufdringlich wirkt. Die Beschreibung der Umgebung ist gut ausgearbeitet – ich konnte mir alles vorstellen und wurde nicht mit zu vielen Details bedrängt.
Deine Protagonistin zeigt ihre Gefühle. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Die Figur ist glaubwürdig ausgearbeitet. Die Ansprache "Du", gefällt mir in dieser Geschichte besonders.

Über die Leichen im Keller, bin auch ich gestolpert – aber eher, weil die bei der Diskussion zu deinem letzten Text ebenfalls zur Sprache kamen Smile (in einem völlig anderen Zusammenhang).

Ich habe viele Punkte gesetzt, es aber nach Gefühl gemacht. Meine Verbesserungsvorschläge sind nicht allgemeingültig. Nimm dir davon, was dir als richtig erscheint.

Graven hat Folgendes geschrieben:
Du klingelst, drei Mal, weil du nicht daran denkst, dass bei mir der Strom abgestellt ist. Als niemand kommt, gehst du nicht einfach über die Schwelle, wie die anderen, die vor dir gekommen sind. Du bleibst an der ausgehängten Tür (stehen) und rufst (nach mir).
   Ich laufe, mit Matsch bespritzt und unfrisiert, aus dem Keller. Dem Keller voller Leichen. Ich beeile mich herauszukommen, bevor jemand da unten nach mir sucht. Ich schäme mich für den ausgedienten Teppich, den die Flut gegen die Treppe getrieben hat. Für die ausgelatschten Schuhe, die sich in seinen Falten verheddert haben, die aufgeweichten Kartons, die für irgendetwas hätten nützlich sein sollen. Früher. Heute weiß ich nicht mehr, wofür. Alter, stinkender Schmodder, hat ein Helfer gesagt. Nur Messies heben so etwas (auf). Ich habe ihn hinausgedrängt; ihn und all die anderen, die schon unten angelangt sind. Willig, willig (--> ich empfinde das zweite willig als überflüssig) die Beweise meiner Schlampigkeit zu entdecken. Sie auf die Straße zu zerren und zu Bergen aufzutürmen - als Schauspiel für Nachbarn und Hochwassertouristen. Ich habe die Helfer ins Wohnzimmer gelockt. Dort ist der Boden mit Büchern übersät. Ich habe sie auf die oberen Regale gestellt. (und) Das Wasser ist gar nicht bis zu ihnen gestiegen. Nein, das Wasser hat die Regale von unten hochgedrückt und zum Kippen gebracht. Jetzt schmeißen die Helfer die versotteten Schmöker durch das Fenster nach draußen. Sie üben Weitwurf, haben Spaß dabei. Diese Bücher habe ich von Oma geerbt. Der Abdruck ihrer Finger (haftete) --> haftet ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebt(e) noch zwischen ihren Seiten.
 
An der Haustür muss ich die Tränen wegblinzeln. Du schaust mich an und stammelst: "Jana, bist du es?", als ob du angenommen hättest, mich hier in Pumps und Kostüm anzutreffen. Doch deine Stimme klingt fest und beherrscht, als du: "ich bin jetzt da." zu mir sagst, als wären wir die besten Freundinnen. Dabei kennen wir uns nur aus dem Büro.
   Du erbeutest eine Kiste und kletterst die glitschigen Treppen in den Keller hinab. Durch das kleine Fenster fällt nur wenig Licht (hinein) und der Boden ist voller Schlamm. Wir sammeln den Kleinkram auf, die Gläser und Dosen, die aus den Schränken fortgespült wurden.
 
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen. --> ein toller Satz Cool Dann greifst du beherzt nach der Pappe. (die an den Fingern matschig und glitschig haftet) das würde ich anders formulieren --> Vorschlag: Da diese mit Schlamm überzogen ist, bleibt sie an den Fingern kleben. Du verziehst nicht einmal das Gesicht, obwohl ich weiß, wie eklig sich das anfühlen muss. Du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus und schleppst sie nach draußen. Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert. Ich sage:  "Hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter und grinst.
 "Nö, habe ich nicht."(, sagst du,) Es ist doch Katastrophenalarm. Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"  
 "Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden. Hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. Alles, was ich bis jetzt an Kleidung (bis jetzt) gefunden habe, ist nicht mehr tragbar. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toter Maus.  
 
Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt sie, das schöne Wetter mussten sie doch nutzen. Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. Ich komme nicht vorbei, fügt sie hinzu, ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen.
 
 "Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als es Abend wird. "Ich nehme alles mit. Kriegst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen.
 "Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb, oder was?", sagst du und stopfst alles in einen Plastiksack.  
 "Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren?", sage ich. Du zwinkerst mir zu und sagst nur: "Katastrophenalarm."
 
   Ich schaue dir nach, wie du zur Bushaltestelle schlenderst, mit meinem duftigen Sommerkleid bekleidet, während der schwarze Wäschesack um deine Beine schlenkert. Zwei Spaziergänger laufen an mir vorbei. Schielen zu den versotteten Sachen am Bürgersteig. Flüstern:
 "Zum Glück wohnen wir weit oben. Zum Glück kommt zu uns kein Wasser." (Du winkst mir von der Haltestelle zu) --> Du stehst bereits an der Haltestelle und winkst mir zu und ich muss an die Leute denken, die unglücklich sind, obwohl sie nie eine Katastrophe getroffen hat. Denn ich bin glücklich.  
   Ich bin glücklich (in einer Notlage) --> würde ich weglassen dich zur Freundin zu haben.


Eine Geschichte, die in Erinnerung bleiben wird smile

Liebe Grüße
Heidi
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Graven
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Beiträge: 281



Beitrag17.01.2016 00:24

von Graven
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Hallo liebe Heidi,

Vielen Dank fürs Lesen und das sehr hilfreiche Feedback. smile Daumen hoch
Ich sehe schon, meine geliebten Leichen im Keller muss ich besser verstecken Razz

Habe mich sehr über Deine positive Einschätzung und die Textkritik gefreut.

Liebe Grüße E.
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DieGunkel
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Beitrag17.01.2016 18:38

von DieGunkel
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Hallo Graven,
das meiste ist bereits gesagt. Deine Geschichte hat auch bei mir einen prägenden Eindruck hinterlassen, besonders als ich eben in meinem Keller geschaut habe. Ich solle meine "Leichen" dringend entsorgen...
 Daumen hoch² Sehr bildlich geschrieben, wie zum Beispiel der glitschige Karton.
LG
Gunkel
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Graven
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Beiträge: 281



Beitrag17.01.2016 21:22

von Graven
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Vielen Dank DieGunkel.

Hat mich gefreut smile
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Amateur
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Beiträge: 18
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Beitrag17.01.2016 23:30
Re: Menschen wie Du
von Amateur
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Hi Graven,

dein Text hat mir gefallen. Was mich interessiert: Warum hast du dich für die ungewöhnliche Perspektive entschieden? Sie funktioniert, auch wenn du sie häufig verlässt (ist mir aber erst beim zweiten Lesen aufgefallen).

Die Stelle mit den Leichen im Keller hat mich auch herausgerissen, sogar zweimal (das zweite Mal im Keller, als ich begriff ...) Vielleicht wäre es eine Option, das Bild zu verschieben? An eine Stelle, an der klar ist, worum es in der Geschichte geht.

Besonders am Anfang fangen mir etwas zu viele Sätze mit Du oder Ich an.

Hier meine "Verbesserungen". Nimm, was dir gefällt und ignorier`den Rest (ist nur meine Meinung).

Graven hat Folgendes geschrieben:
Du klingelst, drei Mal, weil du nicht daran denkst, dass bei mir der Strom abgestellt ist. Als niemand kommt, gehst du nicht einfach über die Schwelle, wie die anderen, die vor dir gekommen sind, du bleibst an der ausgehängten Tür und rufst. [Sind in dem Haus zu dieser Zeit noch andere Helfer?]
   Ich laufe, mit Matsch bespritzt und unfrisiert, aus dem Keller, dem Keller voller Leichen, ich beeile mich herauszukommen, bevor jemand da unten nach mir sucht. Unfrisiert und mit Matsch bespritzt haste ich die Kellertreppe hinauf, bevor mich noch jemand sucht - da unten. Ich schäme mich für den ausgedienten Teppich, den die Flut gegen die Treppe getrieben hat, für die ausgelatschten Schuhe, die sich in seinen Falten verheddert haben, die aufgeweichten Kartons, die für irgendetwas hätten nützlich sein sollen, früher, heute weiß ich nicht mehr, wofür. Altes, stinkendes Alter, stinkender Schmodder, hat ein Helfer gesagt, nur Messies heben so etwas aufwürden so etwas aufheben. Ich habe ihn hinausgedrängtrausgeworfen[ggf. gebeten zu gehen?]; ihn und all die anderen, die schon unten angelangt sind, willig, willig diealle Beweise meiner Schlampigkeit zu entdecken, sie auf die Straße zu zerren und zu Bergen aufzutürmen - als Schauspiel für Nachbarn und Hochwassertouristen. Ich habe die Helfer ins Wohnzimmer gelockt.[irritiert mich: Sind die nicht eben raus?] Dort ist der Boden mit Büchern übersät. Ich habe sie auf die oberen Regale gestellt, und das Wasser ist garauch nicht bis zu ihnen gestiegen, nein, das Wasser hat die Regale von unten hochgedrückt und zum Kippen gebracht. Jetzt schmeißen die Helfer die versotteten Schmöker durch das Fenster nach draußen, sie üben Weitwurf, haben Spaß dabei. Diese Bücher habe ich von Oma geerbt[halte ich für persönlicher], als sie noch lebte. Der Abdruck[siehe sickx] ihrer Finger haftete ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebte noch zwischen ihren Seiten.
 
An der Haustür muss ich die Tränen wegblinzeln. Du schaust mich an und stammelst: "Jana, bist du es?", als ob du angenommen hättest, mich hier in Pumps und Kostüm anzutreffen. Doch deine Stimme klingt fest und beherrscht, als du "ich bin jetzt da" zu mir sagst, als wären wir die besten Freundinnen. Dabei kennen wir uns nur aus dem Büro.
   Du erbeutestschnappst dir eine Kiste und kletterst steigst die glitschigen Treppen Stufen in den Keller hinab. Durch das kleine Fenster fällt nur wenig Licht hinein und der Boden ist voller Schlamm. Wir sammeln den Kleinkram auf, die Gläser und Dosen, die aus den Schränken fortgespült herausgespült wurden.
 
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen.[mutig! Wirkt komisch, schade, dass die Figuren nicht wenigstens lachen] Dann greifst du beherzt nach der Pappe, die an den Fingern matschig und glitschig haftet, richtig eklig, du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus und schleppst sie nach draußen.[Nasse Pappe trägt nichts, schon gar keine Konserven o.ä.] Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert. Ich sage:  "hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter und grinst.
 "Nö, habe ich nicht", sagst du, "es ist doch Katastrophenalarm. Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"  
 "Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden, hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. Alles, was ich an Kleidung bis jetzt gefunden habe, ist nicht mehr tragbar [Beamtendeutsch!]. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toter Maus. [unklar: woher kommen jetzt die Jeans und Shirts? Vom Dachboden? Und warum sind die dann voller Schlamm?]  
 
Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt sie, das schöne Wetter mussten sie doch nutzen. Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. Ich komme nicht vorbei, fügt sie hinzu, ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen. [Warum gibts hier keine Gänsefüßchen?]
 
 "Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als es Abend wird, "ich nehme alles mit. Kriegst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen.
 "Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb oder was?", sagst du und stopfst alles in einen Plastiksack [Müllsack?] 
 "Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren", sage ich. Du zwinkerst mir zu und sagst nur: "Katastrophenalarm."
 
   Ich schaue dir nach, wie du zur Bushaltestelle schlenderst, mit meinem duftigen Sommerkleid bekleidet, während der schwarze Wäschesack um deine Beine schlenkert. Zwei Spaziergänger laufen an mir vorbei, schielen zu den versotteten Sachen am Bürgersteig, flüstern:
 "Zum Glück wohnen wir weit oben, zum Glück kommt zu uns kein Wasser." Du winkst mir von der Haltestelle zu und ich muss voller Mitleid [für das denn im Folgesatz] an die Leute denken, die unglücklich sind, obwohl sie nie eine Katastrophe getroffen hat. Denn ich bin glücklich.  
   Ich bin glücklich in einer Notlage dich zur Freundin zu haben.
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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag18.01.2016 00:08
Re: Menschen wie Du
von Graven
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Amatur,

Vielen lieben Dank fürs lesen und hilfreiches Feedback. Ich versuche unten auf Deine Fragen einzugehen Smile

Amateur hat Folgendes geschrieben:
Hi Graven,

dein Text hat mir gefallen. Was mich interessiert: Warum hast du dich für die ungewöhnliche Perspektive entschieden? Sie funktioniert, auch wenn du sie häufig verlässt (ist mir aber erst beim zweiten Lesen aufgefallen). Es ist ein Experiment gewesen, ein imaginäres Gespräch, Reflexion, ein Verarbeiten der Ereignisse der Prota. Wenn es funktioniert, ist doch gut. Habe mit einfachem Erzählen in Präteritum versucht, hat für mich nicht so funktioniert von der Intensität her, nicht so wie ich es wollte.

Die Stelle mit den Leichen im Keller hat mich auch herausgerissen, sogar zweimal (das zweite Mal im Keller, als ich begriff ...) Vielleicht wäre es eine Option, das Bild zu verschieben? An eine Stelle, an der klar ist, worum es in der Geschichte geht.

Besonders am Anfang fangen mir etwas zu viele Sätze mit Du oder Ich an.

Hier meine "Verbesserungen". Nimm, was dir gefällt und ignorier`den Rest (ist nur meine Meinung).

Graven hat Folgendes geschrieben:
Du klingelst, drei Mal, weil du nicht daran denkst, dass bei mir der Strom abgestellt ist. Als niemand kommt, gehst du nicht einfach über die Schwelle, wie die anderen, die vor dir gekommen sind, du bleibst an der ausgehängten Tür und rufst. [Sind in dem Haus zu dieser Zeit noch andere Helfer?] Ja, im Wohnzimmer, wohin sie "gelockt" wurden.
   Ich laufe, mit Matsch bespritzt und unfrisiert, aus dem Keller, dem Keller voller Leichen, ich beeile mich herauszukommen, bevor jemand da unten nach mir sucht. Unfrisiert und mit Matsch bespritzt haste ich die Kellertreppe hinauf, bevor mich noch jemand sucht - da unten. Ich schäme mich für den ausgedienten Teppich, den die Flut gegen die Treppe getrieben hat, für die ausgelatschten Schuhe, die sich in seinen Falten verheddert haben, die aufgeweichten Kartons, die für irgendetwas hätten nützlich sein sollen, früher, heute weiß ich nicht mehr, wofür. Altes, stinkendes Alter, stinkender ja klar, muss ich wohl anpassen, da der Duden sich weigert, Schmodder ins Sächliche umzuändern lol wo Schmodder, hat ein Helfer gesagt, nur Messies heben so etwas aufwürden so etwas aufheben. Hier soll die direkte Rede nacherzählt werden. Hätte ich wahrscheinlich in einfache Füßchen setzten sollen.
Ich habe ihn hinausgedrängtrausgeworfen[ggf. gebeten zu gehen?]; ihn und all die anderen, die schon unten angelangt sind, willig, willig das ist so gewollt hier, Stilmittel, nicht alles weg reduzieren diealle Beweise meiner Schlampigkeit zu entdecken, sie auf die Straße zu zerren und zu Bergen aufzutürmen - als Schauspiel für Nachbarn und Hochwassertouristen. Ich habe die Helfer ins Wohnzimmer gelockt.[irritiert mich: Sind die nicht eben raus?] Aus dem Keller.

Dort ist der Boden mit Büchern übersät. Ich habe sie auf die oberen Regale gestellt, und das Wasser ist garauch nicht bis zu ihnen gestiegen, nein, das Wasser hat die Regale von unten hochgedrückt und zum Kippen gebracht. Jetzt schmeißen die Helfer die versotteten Schmöker durch das Fenster nach draußen, sie üben Weitwurf, haben Spaß dabei. Diese Bücher habe ich von Oma geerbt[halte ich für persönlicher], als sie noch lebte. Der Abdruck[siehe sickx] ihrer Finger haftete ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebte noch zwischen ihren Seiten.
 
An der Haustür muss ich die Tränen wegblinzeln. Du schaust mich an und stammelst: "Jana, bist du es?", als ob du angenommen hättest, mich hier in Pumps und Kostüm anzutreffen. Doch deine Stimme klingt fest und beherrscht, als du "ich bin jetzt da" zu mir sagst, als wären wir die besten Freundinnen. Dabei kennen wir uns nur aus dem Büro.
   Du erbeutestschnappst dir erbeutest ist schon passend. Tragekisten sind in solchen Situationen rar, glaub mir eine Kiste und kletterst steigst die glitschigen Treppen Stufen in den Keller hinab. Durch das kleine Fenster fällt nur wenig Licht hinein und der Boden ist voller Schlamm. Wir sammeln den Kleinkram auf, die Gläser und Dosen, die aus den Schränken fortgespült herausgespült wurden.
 
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen.[mutig! Wirkt komisch, schade, dass die Figuren nicht wenigstens lachen] Dann greifst du beherzt nach der Pappe, die an den Fingern matschig und glitschig haftet, richtig eklig, du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus und schleppst sie nach draußen.[Nasse Pappe trägt nichts, schon gar keine Konserven o.ä.] Es ist nur Pappe. Wieso Konserven? Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert. Ich sage:  "hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter und grinst.
 "Nö, habe ich nicht", sagst du, "es ist doch Katastrophenalarm. Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"  
 "Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden, hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. Alles, was ich an Kleidung bis jetzt gefunden habe, ist nicht mehr tragbar [Beamtendeutsch!]. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toter Maus. [unklar: woher kommen jetzt die Jeans und Shirts? Vom Dachboden? Und warum sind die dann voller Schlamm?]  Wie meinst Du das? Geht hier nicht hervor, dass sie hier ihre gebrauchte Sachen meint, die sie in der letzten Zeit getragen hatte? Der Satz steht doch in der Vergangenheit.
 
Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt sie, das schöne Wetter mussten sie doch nutzen. Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. Ich komme nicht vorbei, fügt sie hinzu, ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen. [Warum gibts hier keine Gänsefüßchen?] Das ist wieder nachgesagte wörtliche Rede. Muss sie in einfache Gänsefüßchen.

 
 "Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als es Abend wird, "ich nehme alles mit. Kriegst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen.
 "Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb oder was?", sagst du und stopfst alles in einen Plastiksack [Müllsack?] 
 "Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren", sage ich. Du zwinkerst mir zu und sagst nur: "Katastrophenalarm."
 
   Ich schaue dir nach, wie du zur Bushaltestelle schlenderst, mit meinem duftigen Sommerkleid bekleidet, während der schwarze Wäschesack um deine Beine schlenkert. Zwei Spaziergänger laufen an mir vorbei, schielen zu den versotteten Sachen am Bürgersteig, flüstern:
 "Zum Glück wohnen wir weit oben, zum Glück kommt zu uns kein Wasser." Du winkst mir von der Haltestelle zu und ich muss voller Mitleid [für das denn im Folgesatz] ach nicht Mitleid, eher Unverständnis Twisted Evil an die Leute denken, die unglücklich sind, obwohl sie nie eine Katastrophe getroffen hat. Denn ich bin glücklich.  
   Ich bin glücklich in einer Notlage dich zur Freundin zu haben.
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BlueNote
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Beitrag18.01.2016 08:47

von BlueNote
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Hallo Graven,

wegen der Leichen im Keller dachte ich den ganzen Text über, die Protagonistin sei eine Psychopathin. Diese Umschreibung stört schon gewaltig. Ansonsten ist der Text recht ordentlich geschrieben, allerdings fehlt mir da einiges. Irgendwelche Selbstreflexionen vielleicht (in welcher Verfassung befindet sich die Protagonistin), eine knappe Schilderung, was eigentlich passiert ist. In diesem Tonfall hätte man auch beschreiben können, wie zwei Freundinnen einen gemütlichen Bummel durch die Einkaufspassage machen und am Ende in einem schnuckeligen Café landen.
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Graven
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Beitrag18.01.2016 10:08

von Graven
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Hallo BlueNote,
 
danke fürs Lesen und Kommentieren.

Leichen im Keller wirken irreführend. OK.

Ehrlich gesagt, haben mich Deine weiteren Einwende überrascht. Gleich in den ersten Sätzen wird wörtlich von der Flut, Hochwasser gesprochen, und spätestens bei dem überfluteten Wohnzimmer und versotteten Büchern müsste es klar sein, worüber die Geschichte handelt.

Ich weiß nicht, was bei Dir so üblich ist, aber ich gehe nicht matschverdreckt ins Café.

Zu der Verfassung der Prota: vielleicht gehörst Du zu den Lesern, die es expliziert brauchen, Gefühle wie Verzweiflung usw. namentlich gesagt zu bekommen. Wenn die Arbeitskollegin sie nicht erkennt, fremde Menschen ihr Hab und Gut mit Freude wegschmeißen, Sachen, an denen sie hängt, die unersetzbar sind, von ihrer angeblichen Freundin in Stich gelassen wird, und ihr Haus, verdreckt und zerstört, aus den Fluten auftaucht, da brauche ich keine Beteuerungen, der Prota geht es nicht gut. Aber vielleicht gehörst Du zu den Menschen, die sich schlecht in andere hineinversetzen können, solange die Gefühle nicht schreierisch daherkommen? (Das ist kein Angriff meinerseits, es gibt verschiedene Menschen smile )

Liebe Grüße
Graven
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BlueNote
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Beitrag18.01.2016 10:56

von BlueNote
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Hallo Graven,

das ist doch Unsinn, was du da schreibst, oder? Es geht hier nicht um mich oder meine Empathie, sondern einzig und allein um deinen Text. Große Lust habe ich ja nicht mehr, mich dazu zu äußern. Vielleicht nur ein kleines Beispiel: Du schilderst eine private Katastrophe, charakterisierst die Protagonistin aber mit "unfrisiert" und relativierst hiermit die eigentliche Tragik des Geschehens. Deine Erzählsprache ist nicht angemessen bzgl. der Dinge, die du schilderst. Auch am Schluss ist nicht ersichtlich, ob die Harmlosigkeit der Antagonistin gewollt ist oder nicht. Auch die Protagonistin ist am Ende glücklich. Wie sie zu ihrem Glück gekommen ist, bleibt aber weitgehend im Verborgenen.

Wie gesagt, der Text ist ganz gut geschrieben, es fehlt mir aber so etwas wie eine Dramaturgie, eine Struktur, eine Richtung.

Wenn du diese Mängel auf meine Empathie zurückführst, kann ich dir auch nicht mehr helfen.
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Graven
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Beitrag18.01.2016 11:09

von Graven
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Hallo Graven,

das ist doch Unsinn, was du da schreibst, oder?.


Ich denke, dabei können wir es belassen, oder?
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Bananenfischin
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Beitrag18.01.2016 11:37

von Bananenfischin
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Hallo Graven,

ich habe deinen Text schon vor einigen Tagen gelesen, habe es nicht bereut und möchte dir kurz, ohne auf kleine Details einzugehen, eine allgemeine Rückmeldung geben.
Die Güte von (fast) Fremden, frei nach Tennessee Williams, scheint mir das Thema des Textes zu sein. Zugewandtheit dort zu finden, wo man sie gar nicht erwartet hätte,unausgesprochenes Verständnis für Dinge, für die sich jemand selbst verurteilt (das gut Gehütete und Versteckte, das durch die Überschwemmung ans Tageslicht kommt, ließe sich als Metapher für alles Mögliche sehen, aber das ist hier gar nicht nötig). Warum deine Protagonistin glücklich ist, ist mir deshalb sehr klar, und ich würde sogar dafür plädieren, den letzten Satz deshalb wegzulassen.

Wie die Protagonistin sich fühlt, machst du sehr schön nebenbei und an Kleinigkeiten wie diesen deutlich:
Zitat:
nur Messies heben so etwas auf.

Zitat:
Diese Bücher habe ich von Oma geerbt. Der Abdruck ihrer Finger haftete ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebte noch zwischen ihren Seiten.

Zitat:
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen.


Auch sehr schön, wie du die Einfühlsamkeit der Arbeitskollegin deutlich machst, hier nur einmal das für mich stärkste Beispiel:
Zitat:
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen.


Allein dieser Absatz, der deutlich machen soll, dass die, die man für Freunde hält, sich in Notsituationen oft als etwas anderes herausstellen, ist für mich persönlich zu dick aufgetragen:
Zitat:
Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt sie, das schöne Wetter mussten sie doch nutzen. Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. Ich komme nicht vorbei, fügt sie hinzu, ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen.


Mein Vorschlag wäre, stattdessen nur nebenbei knapp zu erwähnen, dass eine oder mehrere Freundinnen mit diversen Entschuldigungen aufgewartet haben.


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Graven
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Beitrag18.01.2016 12:43

von Graven
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Hallo Bananenfischin,
vielen lieben Dank fürs Lesen und Feedback.
Ich freue mich, (wie verrückt), dass der Text für Dich die Gefühle transportiert, die ich zeigen wollte.

Auch der Absatz mit der Freundin, Du hast recht, der gefiel mir noch nicht so hundertprozentig, ich werde ihn schleifen und glätten und versuchen, dem übrigen Ton des Textes besser anzupassen.
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag20.01.2016 02:34

von Constantine
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Hallo Graven,

du hast bereits einiges an hilfreichem Feedback erhalten.
Mir hat deine Geschichte sehr gefallen und wie Bananenfischin beispielhaft (die gleichen Passagen hätte ich auch genannt) an deinem Text gezeigt hat, transportierst du sehr fein und richtig gelungen die Gefühle deiner Protagonistin in dieser schrecklichen Lage.
Die lockere, fast schon pragmatische Art der Bekannten triffst du auch sehr gut, u.a. mit ihrer humorvollen Äußerung "Katastrophenalarm".

Wo es mich beim Lesen rausgerissen hat, war der Anruf der Freundin:
Zitat:

[...]
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen. <-- Daumen hoch Dann greifst du beherzt nach der Pappe, die an den Fingern matschig und glitschig haftet, richtig eklig, du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus und schleppst sie nach draußen. Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert. Ich sage: "hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter und grinst.
"Nö, habe ich nicht", sagst du, "es ist doch Katastrophenalarm. Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"
"Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden, hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. Alles, was ich an Kleidung bis jetzt gefunden habe, ist nicht mehr tragbar. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toter Maus.

Meine Freundin ruft mich an. Sie war mit ihren Kindern im Zoo, sagt sie, das schöne Wetter mussten sie doch nutzen. Für mich einzukaufen, hat sie vergessen. Ich komme nicht vorbei, fügt sie hinzu, ich möchte nicht mit dem Elbdreck in Berührung kommen. Wegen der Kinder. Du musst mich verstehen.

"Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als es Abend wird, "ich nehme alles mit. Kriegst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort sehen.
"Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb oder was?", sagst du und stopfst alles in einen Plastiksack.
"Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren", sage ich. Du zwinkerst mir zu und sagst nur: "Katastrophenalarm."[...]

Diese Rot markierte Passage kommt plötzlich und steht isoliert, fast schon wie ein Fremdkörper, im Handlungsablauf. Daraufhin scheint ein undefiniert langer Zeitabschnitt zu vergehen ("als es Abend wird"), zwischen der Suche nach Ersatzkleidung für die Bekannte im vorigen Abschnitt zum Wäschezusammenpacken am Abend im Folgeabschnitt.
Vielleicht könntest du diesen Anruf und dessen "Kontrast"-Funktion des Verhaltens der Freundin zum Verhalten der Bekannten anders lösen/im Text integrieren.

Zum Ende:
Zitat:
Denn ich bin glücklich. Ich bin glücklich in einer Notlage dich zur Freundin zu haben.

Entweder den letzten Satz weglassen, denn mir als Leser ist klar, dass sich ihr Glück auf die Hilfsbereitschaft ihrer Freundin bezieht.
Oder, wenn es dir wichtig ist, die beiden Sätze zusammenzufassen:
"Denn ich bin glücklich dich zur Freundin zu haben."
Die Notlage ist klar.

Sehr gerne gelesen.

LG,
Constantine
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Graven
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Beitrag20.01.2016 17:39

von Graven
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Hallo Constantine,

ich habe mich sehr gefreut, ein Feedback von Dir zu bekommen. Die Änderungsvorschläge sind fest eingeplant, das von Dir rot markierte und von Bananenfischin als verbesserungswürdig erwähnte Teil fliegt weg, ich habe schon Ersatz geschrieben - erst einmal Rohfassung, heute früh, noch bevor ich auf Arbeit musste. Dein Lob hat mich beflügelt Laughing Der Übergang zum Abend kommt jetzt auch nicht mehr so plötzlich.
Den letzten Satz lasse ich weg.

Ja, ich habe schon wunderbare Änderungsvorschläge bekommen.

Vielen lieben Dank.
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Graven
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Beitrag22.01.2016 20:22

von Graven
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Hallo ihr Lieben
hier der überarbeitete Text.
Ich habe über alle Eure Vorschläge nachgedacht und mir die ausgesucht, die am besten zu meinem Stil passen. (Oder meinem Sturkopf Smile )


 Du klingelst, drei Mal, weil du nicht daran denkst, dass bei mir der Strom abgestellt ist. Als niemand kommt, gehst du nicht einfach über die Schwelle, wie die anderen, die vor dir gekommen sind, du bleibst an der ausgehängten Tür und rufst.
    Zerzaust und mit Matsch bespritzt haste ich die Kellertreppe hinauf, ich beeile mich herauszukommen, bevor da unten jemand nach mir sucht. Ich schäme mich für den ausgedienten Teppich, den die Flut gegen die Treppe getrieben hat; für die ausgelatschten Schuhe, die sich in seinen Falten verheddert haben; die aufgeweichten Kartons, die für irgendetwas hätten nützlich sein sollen - früher. Heute weiß ich nicht mehr, wofür. 'Alter, stinkender Schmodder' hat ein Helfer gesagt, 'nur Messies heben so etwas auf'. Ich habe ihn hinausgedrängt; ihn und all die anderen, die schon unten angelangt sind, willig die Beweise meiner Schlampigkeit zu entdecken, sie auf die Straße zu zerren und zu Bergen aufzutürmen - als Schauspiel für Nachbarn und Hochwassertouristen. Stattdessen habe ich die Helfer ins Wohnzimmer gelockt. Dort ist der Boden mit Büchern übersät. Ich habe sie auf die oberen Regale gestellt, und das Wasser ist auch nicht bis zu ihnen gestiegen, nein, das Wasser hat die Regale von unten hochgedrückt und zum Kippen gebracht. Jetzt schmeißen die Helfer die versotteten Schmöker durch das Fenster nach draußen, sie üben Weitwurf, haben Spaß dabei. Diese Bücher habe ich von Oma geerbt. Die Abdrücke ihrer Finger hafteten ihnen noch an, und der Duft nach Kamille und Apfelkuchen klebte noch zwischen ihren Seiten.
 
An der Haustür muss ich die Tränen wegblinzeln. Du schaust mich an und stammelst: "Jana, bist du es?", als ob du angenommen hättest, mich hier in Pumps und Kostüm anzutreffen. Doch deine Stimme klingt fest und beherrscht, als du: "Ich bin jetzt da" zu mir sagst, als wären wir beste Freundinnen. Dabei kennen wir uns nur aus dem Büro.
   Du greifst nach einer Kiste und steigst die glitschigen Stufen in den Keller hinab. Durch das kleine Fenster fällt nur wenig Licht und der Boden ist voller Schlamm. Wir sammeln den Kleinkram auf, die Gläser und Dosen, die aus den Schränken gespüllt wurden.
 
Du wirst zu meiner Komplizin, als du sachte meinen Arm drückst und sagst, ich müsste Mal deinen Keller sehen, der ist so vollgestellt, da kann ihm der meine nicht das Wasser reichen. Dann greifst du beherzt nach der Pappe und verziehst nicht einmal das Gesicht, obwohl sie matschig und glitschig an deinen Fingern haftet. Du rollst sie zusammen, drückst das Wasser aus und schleppst sie nach draußen. Danach sind dein Shirt, deine Hose, ja sogar deine Haare nass und verschmiert.
Ich sage:  "Hoffentlich hast du etwas zum Umziehen mit."
Du schaust an dir herunter.
 "Nö, habe ich nicht. Es herrscht doch Katastrophenalarm." Du grinst. "Oder denkst du, der Busfahrer nimmt mich so nicht mit?"  
 "Ich borge dir was", sage ich und überlege, wie ich an die Kisten mit der sauberen Kleidung herankomme. Sie stapeln sich, vom Wasser gerettet, auf dem Dachboden, hineingequetscht zwischen Geschirr und Kleinmöbeln. All die Kleidung, die ich in den letzten Tagen aufgestöbert habe, ist schon verschmutzt. Die Jeans und Shirts sind steif vom Schlamm und riechen nach toter Maus.
 "Pack deine Wäsche zusammen", sagst du, als du meine Ratlosigkeit bemerkst. "Ich nehme alles mit. Bekommst du morgen gewaschen zurück."
Die Sachen gammeln auf einem Haufen hinter der Küchentür. Niemand soll sie dort entdecken.
 "Glaubst du, ich lege meine Schmutzwäsche Kante auf Kante in den Wäschekorb oder was?", sagst du und stopfst alles in einen Plastiksack.  
 "Du willst doch nicht mit dem Ding durch die Stadt fahren?", sage ich. Du zwinkerst mir zu und sagst nur: "Katastrophenalarm."
 
Nachdem wir den Keller leer geräumt haben, gehst du nicht nach Hause. Du linst zu den Männern, die im Wohnzimmer das Parkett herausrausreißen, und schließt dich ihnen an.
Ich sage: "Das ist zu schwer."
Du lächelst und spannst spielerisch deine Bizeps an.
 "Schau, ich habe noch genug Kraft."
Stunde um Stunde räumen wir weiter. Essen und Trinken wird knapp. Meine Freundin Anna, die versprochen hat, für mich einzukaufen, ist immer noch nicht da. Ich traue mich nicht, das Leitungswasser für einen Kaffee zu benutzen. Die Fekalien, die das Wasserwerk verseucht haben, schwimmen womöglich immer noch drin. Freiwillig schleppe ich jetzt Ausgeräumtes auf die Straße, um nebenbei nach Anna Ausschau zu halten, doch sie kommt nicht.  

   Am Abend sind wir mit der Arbeit fertig. Du gehst. Ich schaue ich dir nach, wie du zur Bushaltestelle schlenderst, mein duftiges Sommerkleid übergestreift, während der schwarze Wäschesack um deine Beine schlenkert. Zwei Spaziergänger laufen an mir vorbei, schielen zu den versotteten Sachen am Bürgersteig; flüstern: "Zum Glück wohnen wir weit oben, zum Glück kann uns das Wasser nichts anhaben."
Du winkst mir von der Haltestelle zu und ich muss an die Leute denken, die unglücklich sind, obwohl sie nie eine Katastrophe getroffen hat.
Denn ich bin glücklich.
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