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[rom] Der Blaustrumpf

 
 
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Ralphie
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Beitrag13.04.2007 18:41
[rom] Der Blaustrumpf
von Ralphie
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Dann bin ich auch mal so frei und stelle den Anfang meines letzten Romans hier ein. Das Manuskript hatte den Arbeitstitel "Der Blaustrumpf" und wird Anfang Mai veröffentlicht.  smile extra

Kapitel 1

Wissen Sie, was ein Blaustrumpf ist?

Ein Blaustrumpf ist eine Frau, die niemals Schuhe mit hohen Absätzen trägt, sich nicht schminkt und keine Enthaarungscreme benutzt. Desgleichen rasiert sie nicht die Haare aus ihren Achselhöhlen und ist in aller Regel vorne und hinten so flach wie eine Eisenbahnschiene. Ein Blaustrumpf trägt keine Slips, sondern Unterhosen. Er liest keine Liebesromane und keine erotischen Bücher, sondern Prosa von Franz Kafka und Virginia Woolf. Auf der Straße hält er den Kopf gesenkt, um den Männern nicht in die Augen blicken zu müssen, die ihn ohnehin fortwährend zu übersehen scheinen. Ein Blaustrumpf trägt schmucklose, längst aus der Mode geratene Kleider, die zumindest das Knie bedecken. Er bevorzugt Strumpfhosen aus blauer oder grüner Wolle, trägt keinen Schmuck (außer einem Medaillon mit einer Fotografie seiner verstorbenen Eltern), und es schießt ihm jedesmal das Blut jäh ins Gesicht, wenn ihm doch einmal ein männliches Wesen aus Zufall in die Augen blickt.

Obwohl ich sie mit meinem ganzen Herzen liebte, war ich damals, im September des Jahres 1967, felsenfest davon überzeugt, daß meine Tante, Signorina Angioletta Bacchetto, ein solcher Blaustrumpf war. Mit ihren einundvierzig Jahren war sie nicht wirklich häßlich, wenn man von ihrer großen, weit ausladenden Nase einmal absah. Da aber italienische Männer in aller Regel von kleinwüchsiger Statur sind und es nicht mögen, zu ihren Frauen aufsehen zu müssen, war es ihr bis zu diesem Tag nicht vergönnt worden, einen Mann zu finden, der die Größe besaß, sie vor den Traualtar zu führen. Sie war beinahe ein Meter achtzig groß, und die Nachbarn und Nachbarinnen in dem venezianischen Viertel, in dem wir damals wohnten, nannten sie respektlos la giraffa oder la magrolina, was im Italienischen eine sehr magere Frau bedeutet. Darunter litt sie verständlicherweise, und beide Spottnamen hatten ihren Teil dazu beigetragen, daß Tante Angioletta selten unsere Wohnung verließ und noch seltener mit anderen Leuten sprach.

Unser Viertel in Venedig hieß Cannaregio und gehörte der Pfarrgemeinde von Madonna dell?Orto an, jener berühmten gotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert, in der Tante Angioletta getauft worden war und die erste heilige Kommunion empfangen hatte. Ich selbst stammte nicht aus Venedig, sondern aus einem kleinen, von Armut geschlagenen Dorf in den Bergen von Kalabrien. Mein Vater wurde von der ?ndràngheta, dem kalabrischen Arm der Mafia, ermordet, als ich gerade vier war. Der Große Krieg der Familien erschütterte damals die ganze Spitze des italienischen Stiefels. Tante Angioletta erzählte mir, daß in unserem Dorf innerhalb eines einzigen Jahres mehr als einhundertdreißig Männer den Maschinenpistolen der Syndikate zum Opfer gefallen waren. Auch ich, als potentieller Rächer, hatte mit meinen vier Jahren auf der Liste der feindlichen Dons gestanden. Doch es gelang meiner Mutter, mich bei Nacht und Nebel in einem Eselskarren aus Kalabrien fortzuschmuggeln. Freunde unserer Familie brachten mich auf verschlungenen Pfaden über Cosenza, durch die wildromantische Bergwelt der Basilicata, über Pescara, Ancona, Rimini und Bologna nach Venedig und übergaben mich in die Obhut meiner Tante Angioletta, einer unverheirateten Schwester meiner Mutter, die fortab als eine solche für mich sorgte.

An meine richtige Mutter hatte ich nur noch eine sehr nebelhafte Erinnerung. Ich wußte, sie besaß das dunkelbraune Haar der norditalienischen Frauen. Sie war schön wie eine Zypriotin und ? für mich ? das liebenswerteste Geschöpf auf der ganzen Welt. Ich konnte mich schwach an ihre olivbraune Haut und an ihre großen Brüste erinnern, aber sehr zu meinem Leidwesen besaß ich kein Foto von ihr, und die Erinnerungen eines vierjährigen Jungen sind ein eher unzuverlässiger Einzelheitenlieferant, so daß ihr Bild vor meinen Augen verschwommen bleiben mußte.

Tante Angioletta und ich lebten, wie ich schon erwähnte, in Cannaregio, einem Viertel im Norden Venedigs rund um die Kirchen Madonna dell?Orto, San Giobbe und San Giovanni Crisostomo, in dem hauptsächlich Fischer und Festlandsarbeiter mit ihren Familien wohnten und das noch einen großen Teil seiner venezianischen Lebensart in die Gegenwart hinübergerettet hatte. Unsere Wohnung lag am Rio di Sant?Alvise und bestand aus einer Zimmerflucht mit zwei winzigen Zimmern, einer Kochnische und einem noch kleineren Bad mit einer Wanne aus Zink und einem hölzernen Plumpsklo, aber ohne Badeofen. Es gab nur ein einziges Schlafzimmer. Seit meinem vierten Lebensjahr teilten Tante Angioletta und ich ein uraltes Doppelbett aus Steineiche, das sie von ihren Großeltern mütterlicherseits geerbt hatte, und ich erinnere mich haargenau daran, daß unsere Bettwäsche immer nach Stärke und nach einem parfümierten Waschpulver roch.

Wie gesagt, Tante Angioletta war wie eine Mutter zu mir. Bis zu meinem sechzehnten Geburtstag habe ich niemals ein sexuelles Wesen in ihr gesehen, sondern immer nur meine geliebte Tante, die einzige Bezugsperson meines Lebens, zu der ich Geborgenheit suchend auf den Schoß krabbelte und der ich alle meine kleinen Sorgen und Nöte ins Ohr flüstern konnte. Tante Angioletta arbeitete als Zugehfrau und Bedienerin für einen in Venedig sehr bekannten Nervenarzt namens Dr. Bagliari. Ihr Gehalt reichte aus, um die Miete für unsere Wohnung zu bezahlen und uns am Leben zu halten, aber sehr viel größere Sprünge konnten wir uns nicht erlauben. Ich sehe Tante Angioletta noch vor mir, wie sie im eierschalengelben Licht der Säulenlampe unsere Unterwäsche stopft, meine Hemden näht oder einen Flicken auf eines ihrer abgetragenen Kleider näht. Sie drehte jeden Centesimo dreimal um, bevor sie ihn ausgab, und ich kann mich nicht daran erinnern, daß sie jemals etwas gekauft hätte, wenn es für unsere kleine Familie nicht unbedingt zum Überleben notwendig gewesen wäre.

Desgleichen ging sie niemals mit Männern aus. Tante Angioletta besaß geradezu eine Phobie vor dem anderen Geschlecht. Sie war achtzehn, als sie erkannte, daß die Männerwelt im gleichen Maße, wie sie meiner schönen Mutter zu Füßen lag, einen weiten Bogen um sie selbst machte. Es hat solche Frauen zu allen Zeiten und in allen Teilen der Welt gegeben. Tante Angioletta fand sich mit ihrem Schicksal als alte Jungfer ab; sie wurde Mitglied im Pfarrgemeinderat von Madonna dell?Orto, legte keinen Wert mehr auf Schmuck, Kosmetik und schöne Kleider, und als sie mit Dreißig das erste Grau in ihren Haaren entdeckte, nahm sie es wie gegeben und mit einer Gleichgültigkeit hin, als hätte ein Wort wie colorare niemals den Weg in die italienische Orthographie gefunden. Selbstverständlich rasierte sie weder ihre Beine noch ihre Achselhöhlen.

Am allermeisten im Gedächtnis sind mir unsere sonntäglichen Spaziergänge durch Venedig geblieben. Tante Angioletta trug stets lange Kleider und Röcke und altmodische Nylonstrümpfe mit schwarzen Nähten auf der Rückseite, und ich sehe es noch wie heute vor meinen Augen, wie sie auf ihren Schnürschuhen mit den halbhohen Bobine-Absätzen ständig umknickte, weil sie auf diesen Dingern nicht laufen konnte.

Unser Ziel war Sonntag für Sonntag die Piazza San Marco mit ihrer weltberühmten Basilika, dem Campanile, der Biblioteca Marciana und dem Dogenpalast. Tante Angioletta trug so eine schwarzlederne Handtasche mit einem goldenen Druckknopf bei sich, in der sie Futter für die Tauben und herrenlosen Katzen mitnahm, aber natürlich überließ sie es mir, die Tiere damit zu füttern. Sie selbst setzte sich dann auf eine Bank mit Blick auf die Inseln San Giorgio und Giudecca, stellte ein Bein akkurat neben das andere und versank für eine Stunde oder länger in eine andere Welt. Manchmal, wenn ich zu ihr zurückkehrte, hatte sie Tränen in den Augen.

Ich war gerade sechzehn geworden und durchlitt die allertiefsten Höllenqualen meiner Pubertät, als unsere Tragödie ihren Anfang nahm.

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reißwolf
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Beitrag14.04.2007 00:39

von reißwolf
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Zitat:
Da aber italienische Männer in aller Regel von kleinwüchsiger Statur sind und es nicht mögen, zu ihren Frauen aufsehen zu müssen, war es ihr bis zu diesem Tag nicht vergönnt worden, einen Mann zu finden, der die Größe besaß, sie vor den Traualtar zu führen.

Sehr schön, das mit der "Größe"!

Davon abgesehen gelingt es dir wahrhaftig, mich nach Italien zu versetzen. Ich habe weit mehr Details vor Augen, als du tatsächlich beschreibst, deine Sätze verströmen reichlich lokales Cholorid. Das liegt unter anderem an den vielen beiläufig eingestreuten italienischen Namen, den geografischen Begriffen und Worten wie "Centesimo".

Die Figur der Tante Angioletta ist plastisch und lebendig, obwohl du sie mit nur flüchtigem Strich zeichnest. Mit wenigen Worten bringst du sie dem Leser schließlich auch emotional sehr nah, wenn du nämlich erwähnst, daß sie Tränen in den Augen hat. Wenig Aufwand, große Wirkung.

Die Sprache fließt uneitel und geradlinig dahin, es ist der Tonfall eines bescheidenen, sympathischen Menschen.

Der abgesetzte, leicht humorige Anfang, die den Leser direkt ansprechende Frage im ersten Satz - Hut ab, all das ist gekonnt.

Tut mir leid, wenn ich nichts zur Verbesserung beitragen kann. Ich finde einfach nichts. Oder doch? Ich lese es nochmal, wäre ja gelacht, wenn ich  kein Haar in der Suppe fände.

Ah, ich hab was: "Sie besaß eine Phobie". Da wird sich doch was treffenderes finden, oder?

Gut, bevor ich mich selber nicht mehr mag, höre ich lieber auf.

Gruß, Reißwolf
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Ralphie
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Beitrag14.04.2007 08:55

von Ralphie
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reißwolf hat Folgendes geschrieben:

Ah, ich hab was: "Sie besaß eine Phobie". Da wird sich doch was treffenderes finden, oder?

Gut, bevor ich mich selber nicht mehr mag, höre ich lieber auf.

Gruß, Reißwolf



Wie hättest du es geschrieben, Reißwolf? Leider ist es zu spät, um noch Korrekturen vorzunehmen. Das Ding ist im Druck.

LG
Ralphie
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reißwolf
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Beiträge: 138



Beitrag14.04.2007 10:07

von reißwolf
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Hm, mal sehen.
"Tante Angioletta litt geradezu unter einer Phobie vor dem anderen Geschlecht."
Wäre naheliegender, holpert aber auch mehr. Und das "litt unter" ist leider nicht so neutral wie das "besaß", so daß die Überraschung flöten geht, die im kursiven Wort Phobie liegt. Überraschug wieder rein:
"Tante Angioletta hegte geradezu eine Phobie vor dem anderen Geschlecht."
Oder passiv:
"Tante Angioletta plagte eine Phobie vor dem anderen Geschlecht."
Oder:
"Tante Angioletta floh in eine Phobie vor dem anderen Geschlecht."
Hm, da ist schon etwas mehr Analyse drin, ich weiß nicht, ob das deinem Prota entspricht. Dann könnte man auch sowas schreiben:
"Tante Angioletta hütete eine heiß geliebte Phobie vor dem anderen Geschlecht."
Na gut, jetzt habe ich mich schon ziemlich von der ursprünglichen Aussage entfernt.
"Tante Angioletta kauerte im Schneckenhaus einer Phobie vor dem anderen Geschlecht."
Oder etwas weiter ausholend:
"Tante Angioletta, sonst von ruhigem Wesen, wurde bei drohender Berührung durch das andere Geschlecht zur Beute phobischer Attacken, ähnlich denen, die meine arme Großmamma röckeraffend auf den Wohnzimmertisch trieben, sobald eine Maus durchs Zimmer lief..."
Ok, jetzt ist es mit mir durchgegangen... wink

Ehrlich: "besaß" ist schon in Ordnung. Meine Kritik erklärt sich ja nur aus der Zwangsneurose, mindestens einen Haken zu finden. Denk nicht weiter drüber nach, zumal das Teil ohnehin schon lektoriert und in Druck ist. Apropos: Wenn der Titel bekannt ist, sagst du es mir dann? Würde gern wissen, was es mit der angekündigten "Tragödie" auf sich hat.

Gruß, Reißwolf
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Ralphie
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Beitrag15.04.2007 14:23

von Ralphie
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Deine Vorschläge sind köstlich, vor allem derjenige mit der röckeraffenden Großmamma  Very Happy , aber ich schreibe Gebrauchsliteratur und keine Fabeln. Danke dir trotzdem.  Smile
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denLars
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Beitrag15.04.2007 20:50

von denLars
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Hi, Ralphie!

An erster Stelle möchte ich sagen, dass ich mich über den Mangel an Resonanz meinerseits schäme. Ich stehe noch am Anfang des Schreibens, habe gerade erst die wahre Substanz der Wortgefüge und Sätze hinterschaut und bin noch nicht so gewieft in Theorie und Praxis wie ein Reißwolf oder ein Mosesbob. Deshalb halte ich mich meistens zurück, wenn ich unter einem Werk schon so einen ausführlichen, alles sagenden Kommentar sehe.
Da werde ich ja ganz blass mit meiner meist subjektiven Meinung. Vielleicht bin ich auch einfach nur ein wenig kommentar-faul.  Confused

Sei's drum...
Dein Roman ist wahrscheinlich eher nicht an meine Zielgruppe gerichtet, allerdings enthielt dieser Teil ja noch nichts, was meiner geistigen Jungfräulichkeit geschadet hätte.

Die Textstelle zeugt auf jeden Fall von einem Autor, der sein Handwerk versteht und es sogar zum Brot verdienen nutzt. Diese Beschreibung eines Blaustrumpfes, die fast wie eine Überleitung zur Tante wirkt, war wunderbar. Die Beschreibungen waren sehr bildhaft und unterhaltsam. Die Sätze waren nicht solche Monster wie die meinigen und von Wortwiederholungen  oder sonstigen Flüchtigkeitsfehlern mangelte jede Spur.



Zitat:
Obwohl ich sie mit meinem ganzen Herzen liebte, war ich damals, im September des Jahres 1967, felsenfest davon überzeugt, daß meine Tante, Signorina Angioletta Bacchetto, ein solcher Blaustrumpf war.


Nur dieser eine Satz ist mir aufgefallen, der doch mit seinem Datum, dem Namen und der Länge ein wenig überernährt ist, auch wenn ich laienhafter Anfänger mich mit solcher Kritik zurückhalte, wo der Roman sowieso schon das Lektorat hinter sich hat.

Also: Klasse Text, mehr kann und will ich dazu nicht sagen, vor allem, wenn sich schon der Reißwolf seine Zähne daran ausgebissen hat.


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MosesBob
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Beitrag16.04.2007 12:44
Re: [rom] Der Blaustrumpf
von MosesBob
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Mahlzeit!

Ich wusste schon, warum ich mir deine Geschichte für eine entspannte Mittagslesung ausgesucht habe.

Im Prinzip ist zu der Geschichte ja bereits alles gesagt, daher fasse ich mich kurz.

Wie schon bei deiner allerersten Leseprobe in diesem Forum mag ich auch hier, wie du die Charaktere darstellst. Da wird nicht versucht, gekünstelt Sympathie zu erzeugen oder den Personen mit einen gewaltsamen Atemstoß Leben einzuhauchen. Alles geschieht auf natürlichem Wege, getreu dem Motto: ?Das Aufeinandertreffen zweier Personen ist wie das Aufeinandertreffen zweier Chemikalien. Findet eine Reaktion statt, werden beide verändert.?

Wer sich da noch daran stört, dass "näht" zweimal hintereinander steht, muss persönlich frustriert sein. Ich schäme mich ja schon, es überhaupt zu erwähnen! Das einzige, was mich stört, sind die vielen italienischen Orts- und Gebäudenamen. Dazu muss man wissen, dass sich mein italienisches Verständnis und meine italienische Begeisterung auf pizza salame und la dolce vita beschränken.

Besonder gefallen haben mir diese Stellen:

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Da aber italienische Männer in aller Regel von kleinwüchsiger Statur sind und es nicht mögen, zu ihren Frauen aufsehen zu müssen, war es ihr bis zu diesem Tag nicht vergönnt worden, einen Mann zu finden, der die Größe besaß, sie vor den Traualtar zu führen.

Subtiler Wortwitz. Ironie. Herrlich.

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Der Große Krieg der Familien erschütterte damals die ganze Spitze des italienischen Stiefels.

Dass Italien wie ein Stiefel aussieht, wissen wir alle spätestens seit der Orientierungsstufe oder dem ersten Urlaub mit Mama und Papa am Gardasee. Die Spitze dieses Stiefels als Ortsangabe bzw. Angabe eines kriminelles Epizentrums zu verwenden, ist so simpel wie grandios.

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Ich konnte mich schwach an ihre olivbraune Haut und an ihre großen Brüste erinnern, aber sehr zu meinem Leidwesen besaß ich kein Foto von ihr, und die Erinnerungen eines vierjährigen Jungen sind ein eher unzuverlässiger Einzelheitenlieferant, so daß ihr Bild vor meinen Augen verschwommen bleiben mußte.

Schöne Metapher. Welcher Leser versucht da nicht, nostalgisch in den Erinnerungen seines vierten Lebensjahres nach Details zu wühlen?

Ralphie hat Folgendes geschrieben:
Bis zu meinem sechzehnten Geburtstag habe ich niemals ein sexuelles Wesen in ihr gesehen, sondern immer nur meine geliebte Tante, die einzige Bezugsperson meines Lebens, zu der ich Geborgenheit suchend auf den Schoß krabbelte und der ich alle meine kleinen Sorgen und Nöte ins Ohr flüstern konnte.

Vielleicht liegt es daran, dass ich Weichei viel zu häufig auf den Schoß meiner Mutter gekrabbelt bin, aber diese Szene kann ich mir so bildlich vorstellen wie eine Fotografie aus meinem Kopf.


So weit, so gut. Dass der erste Absatz deiner Geschichte kultverdächtig ist, weißt du sicherlich selbst. smile

Ich fress jetzt noch einen Joghurt.

Beste Grüße,

Martin


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Ralphie
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Beitrag16.04.2007 12:58

von Ralphie
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Das mit dem zweimal "nähen" ist mir gerade erst aufgefallen  Shocked  Na, hoffentlich haben es Heide und Frank auch gesehen und geändert.
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Boro
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Beitrag16.04.2007 13:52

von Boro
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Hi Ralphie,

danke für den Preview auf Deine nächste Veröffentlichung! Ich finde den Abschnitt Klasse und echt gut gelungen. Die Geschichte nimmt den Leser sanft an der Hand und führt ihn durch die sehr plastisch aufblühende Szenerie.
So... Schleimspur Ende Wink Spaß bei Seite: ich werd's mir kaufen.

Am besten Du machst wenn's denn soweit ist ein bischen Werbung in Publikationen und Buchvorstellungen

cu

Martin
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Ralphie
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Beitrag16.04.2007 15:30

von Ralphie
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Oje ..., besser nicht.  Embarassed
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Ralphie
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Beitrag04.05.2007 16:33

von Ralphie
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Gerade lagen die Belegexemplare im Briefkasten. Bin schon mal gespannt, was alles geändert wurde.

 Very Happy
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Libera
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Beitrag04.05.2007 17:25

von Libera
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Hallo Ralphie,

habe Deinen Text grade erst gelesen und wollte Dir nur mal sagen, dass ich ihn ganz toll finde! Das liest sich total flüssig und macht richtig Spaß beim Lesen...

Ich hoffe, ich schaffe es eines Tages, auch so schön zu schreiben, wie Du!
Werde also fleissig in Deiner Schreibwerkstatt weiterlesen Laughing

Liebe Grüsse,

Libera


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Beitrag04.05.2007 17:51

von Ralphie
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Vielen Dank.
Dann schlägt man das Belegexemplar erwartungsvoll auf uns muss sich zunächst einmal festhalten. Der ganze Anfang wurde geändert, ich finde mich im ersten Absatz plötzlich unter englischen Suffragetten wieder. Der neue Textfluss ist eine einzige Katastrophe. Sad  Sad  Sad  Eine solche Bearbeitung verleidet einem auch noch die allerletzte Lust am Schreiben.  Evil or Very Mad  Evil or Very Mad
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Libera
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Beitrag04.05.2007 17:59

von Libera
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Das ist ja schrecklich Shocked
Grad der Anfang ist ja das Schönste an Deinem text! Der ist so gut!
Was willst Du denn jetzt machen?
Anteilnehmende Grüsse,

Libera


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Beitrag04.05.2007 18:03

von Ralphie
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Eine Faust in der Tasche machen, was sonst? Ich bin es seit sieben Jahren gewöhnt, dass meine Texte vergewaltigt werden. Du kriegst kein Geld, wenn du nicht unterschreibst, dass du mit allen Änderungen am Manuskript einverstanden bist.  Evil or Very Mad
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Beitrag04.05.2007 19:35

von Libera
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Das tut mir aber leid. Ich mach auch ne Faust für Dich  Laughing

Aber mal im Ernst, dürfen die wirklich alle Änderungen machen, die die wollen? Können die theoretisch die halbe Geschichte umschreiben?


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Beitrag04.05.2007 22:52

von Ralphie
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Libera hat Folgendes geschrieben:
Das tut mir aber leid. Ich mach auch ne Faust für Dich  Laughing

Aber mal im Ernst, dürfen die wirklich alle Änderungen machen, die die wollen? Können die theoretisch die halbe Geschichte umschreiben?


Wie gesagt, du musst einen Vertrag unterschreiben, in dem du mit allen Änderungen einverstanden bist, sonst gibt es kein Geld. Es ist schon mal vorgekommen, dass ich meine eigene Geschichte nicht mehr wiedererkannte.
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Beitrag14.05.2007 18:46

von Robert I. Black
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Finde es immer herrlich von Ralphie was zu lesen.
Genial deine Art zu schreiben!
Ich kann es gar nicht richtig mit Wörtern ausdrücken wie ich es gerne möchte.
Muss dabei sagen, das ich meinen Meister in dir gefunden habe.
Genial und ich hoffe das du nie mit dem Schreiben aufhören wirst.

(Robert)


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MosesBob
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Beitrag19.05.2007 09:29

von MosesBob
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@ Ralphie

Bock, uns die "vom Verlag überarbeitete" Version zu posten? Würd mich mal interessieren ...


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Ralphie
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Beitrag06.06.2007 23:43

von Ralphie
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@Bob ..., das geht wohl rechtlich nicht. Aber hier kannst du sehen, wie sich der Titel geändert hat:
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MosesBob
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Beitrag06.06.2007 23:54

von MosesBob
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Der Blaustrumpf heißt jetzt "Meine Tante Angioletta"!?  Shocked

Ich werde nie verstehen, was die Leute dazu bewegt, tolle, ungewöhnliche und aussagekräftige Titel so zu verhunzen. Bei so manchem Kinofilm schlage ich mir schon häufig die Hände über dem Kopf zusammen ... bei manchem Buchtitel, der aus dem englischen übersetzt wurde, übrigens auch ...


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Ralphie
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Beitrag07.06.2007 00:01

von Ralphie
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Schreib das meinem Verleger. Very Happy
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