18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Meine Urgroßeltern


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
MarieAnn
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M

Alter: 51
Beiträge: 28
Wohnort: St.Pölten, Österreich


M
Beitrag24.09.2015 16:05
Meine Urgroßeltern
von MarieAnn
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich habe mich entschlossen, den ersten Teil einer "persönlichen" Geschichte über meine Urgroßeltern ins Forum zu stellen - es ist nicht alles wahr!


Ich kann mich an fast alle Einzelheiten erinnern. Sogar den Staub auf den Möbeln und die Spinnweben in den Ecken sehe ich vor mir. Meistens hielt ich mich im Zimmer auf, d.h. auf dem großen, uralten Doppelbett der Urgroßeltern oder auf dem alten Sofa, das am Fußende des Bettes stand. „Lotterbank“ nannte die Urgroßmutter die verschlissene, aber sehr bequeme Sitzgelegenheit. Es war genau genommen das Fernsehsofa meiner Urgroßmutter. Mein Urgroßvater hingegen lag lang gestreckt auf seiner Betthälfte, während sie gemeinsam „Heinz Conrads“ und den „Seniorenclub“ sahen. Ich selbst saß entweder auf der Lotterbank neben meiner Urgroßmutter, oder ich sprang, wenn mich das Fernsehprogramm langweilte, auf der leeren Betthälfte neben dem Urgroßvater herum. Der Lattenrost knarrte so schön. Manchmal brummte der Urgroßvater so etwas wie „Missratener Bankert“ oder „Du kleiner Wildfang“ in meine Richtung, wenn es ihm zu bunt wurde. Meistens aber ließ er mich einfach gewähren. „Lass sie doch. Sie ist ja noch ein Kind,“ sagte er zu meiner Mutter, wenn die mir, was nicht selten der Fall war, Einhalt gebieten wollte. Allzu oft ließ sich meine Mutter bei den Urgroßeltern ohnehin nicht blicken, weil sie ganz froh war, wenn sie hin und wieder ein paar Stunden für sich hatte und mir war das natürlich nur recht. Ich verschönerte die Tapeten in der Küche mit grünem Filzstift, weil es mir nicht passte, dass die weißen Rosenstängel sich kaum vom blassrosa Hintergrund unterschieden. Die Urgroßeltern erhoben keine Einwände. Heute glaube ich, dass sie es nicht einmal bemerkt hatten, denn beide brauchten eine Brille, die sie ausschließlich zum Lesen aufsetzten.

Beim Fernsehen nervte ich die zwei mit Kommentaren und löcherte sie Zwischenfragen. „Großmutter, warum hat der Mann da so einen dicken Bauch?“
„Weil er zu viel gegessen hat.“, sagte die Großmutter.
„Und warum hast du früher einen dicken Bauch gehabt?“
„Ich hab noch nie einen dicken Bauch gehabt!“, wehrte die Großmutter entrüstet ab. Wirklich böse war sie aber nicht. Sie wollte bloß vom Seniorenclub nichts versäumen.
„Doch. Die Tante hat gesagt, dass du früher – da war ich noch nicht auf der Welt – ganz schön dick gewesen bist.“
„Geh, geh, hör auf. Die Tante hat dir ein Märchen erzählt.“
Doch so einfach ließ sich mein Mundwerk nicht abstellen. „Hast du da ein Kind gekriegt?“
„Schau, schau!“, rief die Urgroßmutter. „Der Feste spielt jetzt Xylophon. Siehst, wie der das kann? Eine schöne Musik ist das, eine sehr schöne Musik.“
Der Urgroßvater brummelte Zustimmendes. Und ich, das Kind, war natürlich sofort abgelenkt und wollte den „Festen“ schöne Musik machen sehen. Heute muss ich schmunzeln, wenn ich an die Ablenkungsstrategien der Urgroßmutter denke, die sie immer dann einsetzte, wenn ich anfing, nach Dingen zu fragen, von denen ich angeblich noch nichts verstand.

Am liebsten war es mir, wenn der Fernseher ausgeschaltet blieb, was tagsüber ohnehin der Fall war, da wir damals nur zwei Programme hatten, die vor dem späten Nachmittag nicht viel hergaben. Dann saß ich bei den Urgroßeltern in der kleinen Wohnküche, okkupierte den Tisch mit meinen Malsachen und stieß mit den Füßen unentwegt gegen die Tischbeine, deren weißer Lack größtenteils abgeblättert war. Das Radio lief die ganze Zeit und machte die Lust aufs Fernsehen vergessen. Es war so ein altmodisches, holzverkleidetes Gerät, das nur einen Sender zu kennen schien. Das „Blau-gelbe Wunschkonzert“ hörten meine Urgroßeltern am liebsten und nicht zu vergessen, den „Frühschoppen“ am Sonntag Morgen. Der Urgroßvater saß dann auf einer Art Liege, die man nicht so genau definieren konnte. Das Ding war kein Sofa, weil es keine Lehnen hatte, es war aber auch kein richtiges Bett und hatte keine Rückenwand, oder wie immer man das nennen mochte. Immerhin fand ich diese Liege interessant genug, um mir Gedanken darüber zu machen und am allerschönsten fand ich, dass man darauf noch viel besser springen konnte als auf dem knarrenden Ehebett. Wahrscheinlich war es in Wirklichkeit ein Trampolin und ich kannte damals nur diesen Ausdruck nicht.
Zum Frühstück löffelte der Urgroßvater in Milchkaffee aufgeweichtes Brot. Wenn ich meiner Urgroßmutter Glauben schenken durfe, dann hatte ich dieses Gericht als Krabbelkind heiß geliebt. Als ich dann der Breikost entwachsen war, konnten mich die matschigen Brotklumpen nicht mehr reizen. Weil ich dünn wie eine Bohnenstange war, päppelte mich die Urgroßmutter mit gesüßtem Schlagobers und Schokolade auf, weil sie der Ansicht war, ein Kind müsse schön mollig sein und so niedliche Speckreifen um die Handgelenke haben, sonst sei es unterernährt und krank. Und was bitte sollten denn die Leute denken? Dass wir das Kind hungern lassen? Nein, das ging nicht an.....

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Wolfgang Rill
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 31
Wohnort: Fulda


Beitrag29.09.2015 04:04
So etwas Schönes - aber wie soll es weiter gehen?
von Wolfgang Rill
Antworten mit Zitat

Richtig schön und anrührend fand ich das. Vielleicht deswegen, weil so ein melancholischer Blick auf die Kindheit, in dem nichts und doch so viel passiert, heute nicht mehr "auf zum Datum" ist, wie der Engländer sagt. Manchmal ein wenig zu brav formuliert, z. B. dort, wo das Kind von der Mutter ganz gerne bei den (Ur-)Großeltern abgegeben wird. Manchmal hätte man es noch szenischer machen können, z.B. beim "Einhalt gebieten". Hier und da auch etwas abgegriffene Formeln (heiß geliebt - mehr finde ich gar nicht). Aber wunderbar das Holzradio, die grün gemachte Tapete, das Mädchen beim Malen am Tisch, der "dicke Bauch" Dialog, die alten Titel von Sendungen.
Auf den allerersten Satz könnte man verzichten und den Text mit einem "sogar" beginnen lassen.  
Insgesamt ein schönes Bild. Ein Idyll. Wenn es weiter gehen soll, braucht es aber - zumindest in meinen Augen - eine Geschichte, eine Handlung. Ob wirklich oder erfunden spielt keine Rolle.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Rodge
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 846
Wohnort: Hamburg


Beitrag29.09.2015 07:35

von Rodge
Antworten mit Zitat

Moin, moin,

schön geschrieben, aber mir ist nicht klar, ob das irgendwo hinführt oder eine Schreibübung ist.

Grüße
Rodge
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
nebenfluss
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5994
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
Podcast-Sonderpreis


Beitrag29.09.2015 12:03
Re: Meine Urgroßeltern
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

MarieAnn hat Folgendes geschrieben:
Ich verschönerte die Tapeten in der Küche mit grünem Filzstift, weil es mir nicht passte, dass die weißen Rosenstängel sich kaum vom blassrosa Hintergrund unterschieden. Die Urgroßeltern erhoben keine Einwände. Heute glaube ich, dass sie es nicht einmal bemerkt hatten, denn beide brauchten eine Brille, die sie ausschließlich zum Lesen aufsetzten.

Laughing
Ähm. Mindestens jeder zweite Mensch zwischen ca. 50 und 70 hat eine Brille, die er nur zum Lesen aufsetzt. Eine Lesebrille eben. Das heißt nicht, dass die Leute ohne Brille halbblind sind und das gut finden so, sondern dass die Sehschärfe bis jetzt nur im (fürs Lesen relevanten) Nahbereich nachgelassen hat, so genannte (Alters-)Weitsichtigkeit. Ab ca. 1 Meter Entfernung sehen die alles völlig scharf.*
Später, wenn's dann auch mit der Weitsicht nicht mehr klappt, hat man entweder dafür eine zweite Brille oder eine Gleitsichtbrille (Lesen unten/Weitsicht oben).

*was ganz praktisch ist, z. B. wenn man ohne Brille Auto fährt smile extra

EDIT: Hm, andererseits. Es sind die Urgroßeltern. Die sind dann sicher schon mindestens in den Siebzigern, wo man eine permanente Brille erwarten würde. Vielleicht haben sie sich wirklich nur nie daran gewöhnt, sie ständig zu tragen?


_________________
"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MarieAnn
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M

Alter: 51
Beiträge: 28
Wohnort: St.Pölten, Österreich


M
Beitrag29.09.2015 14:37

von MarieAnn
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo!
Super, das Feedback! Ich danke euch für die "Kritik", weil ich ohnehin noch an der Geschichte feilen muss. Very Happy
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Meine Vorstellung
von E.V.A.
E.V.A. Roter Teppich & Check-In 4 08.04.2024 20:38 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Verlagsveröffentlichung
Meine neuen Bücher im Frühjahr 2024...
von Alfred Wallon
Alfred Wallon Verlagsveröffentlichung 2 06.03.2024 19:46 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
meine Lyrik - noch einmal . . .
von Wenigschreiber
Wenigschreiber Einstand 1 23.02.2024 18:12 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
meine Lyrik
von Wenigschreiber
Wenigschreiber Einstand 9 22.02.2024 17:37 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Wie meine Freundin Carola beinahe Pro...
von Charo
Charo Werkstatt 9 05.01.2024 18:20 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlung

von Catalina

von V.K.B.

von Probber

von MoL

von Enfant Terrible

von Constantine

von Tiefgang

von Rosanna

von Humpenstemmer

von Minerva

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!