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Friedhofsnovelle (eine Gruselsatire)


 
 
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MarieAnn
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
M

Alter: 51
Beiträge: 28
Wohnort: St.Pölten, Österreich


M
Beitrag10.08.2015 13:42
Friedhofsnovelle (eine Gruselsatire)
von MarieAnn
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es lebe der Friedhof, die allerletzte Heimat, denkt das Skelett, während es sich seinen Weg durch das Rohr nach oben bahnt. Freiheit. Frische Nachtluft. Der Wind rauscht sanft in den Bäumen.
Das Skelett liebt die romantisch-schaurige Schönheit des ältesten Teils des Friedhofs: hügelartig angelegte und liebevoll bepflanzte Gräber - die meisten mit zierlichen Eisenzäumen umfriedet und viele der Inschriften nicht mehr lesbar, das Flackern des Lichts in den verschieden farbigen Laternen, verschnörkelte Eisen- oder Holzkreuze, welche heute kaum noch Brauch sind… Dieser älteste Teil steht im krassen Gegensatz zum modernen, nüchternen ewig gleichen Stil der Neuzeit. Marmorne, glänzende Grabplatten, von den Lebenden regelmäßig poliert und mit Blumen aus einem eigenartigen Material, das man Plastik nennt, versehen, dazu passende Grabsteine in grau oder schwarz. Alles Privilegierte, die Neuzeitlichen. Gepflegter Mittelstand, sagen diese Neuzeitlichen. Philistertum, spotten die Alten.

Ach, es lebe der Tod, denkt das Skelett, während es scheppernd über verwitterte Gräber klettert, durch verwuchertes Gestrüpp kriecht, immer darauf bedacht, keinen seiner noch vorhandenen Knochen zu verlieren. Es sind derer immerhin noch viele, was man beileibe nicht von allen Bewohnern des Friedhofs sagen kann.
Das ist Leben, denkt das Skelett, dessen fahle Knochen mit ungeahnter Gelenkigkeit auf und ab schwingen und dabei gegeneinanderklappern wie Kastagnetten. Gelenke wippen wie geölt in den Pfannen. Auf und nieder. In Anbetracht der vielen Jahre unter feuchter Erde sollte man meinen, dieser sterbliche Überrest müsse längst zu einer klebrig-weichen Masse verklumpt sein und kein einziges Beinchen mehr bewegen können. Doch das Skelett hält sich gut. Das stattliche Gerüst ist  beinahe unversehrt. Fast wie zu Lebzeiten.
Es versucht sich zu erinnern, wie man Luft tief in die Lungen saugt und langsam wieder ausatmet. Die Erinnerung an gewisse Dinge verblasst mit der Zeit, wird mehr und mehr zu etwas Unwirklichem, Unvorstellbarem. Man wundert sich nur noch. Hat man all das wirklich einmal getan? Wie war das mit dem Essen und Trinken? Dem Atmen? Dem Sich-An- und Auskleiden? Das Skelett wird wirr im Schädel. Es erinnert sich, weil es sich erinnern will. Weil es etwas von dem, was einmal gewesen ist, zurückbehalten will. Es ist zwar tot, aber es existiert. Um existieren zu können, muss man sich erinnern. Man darf sich nicht abnabeln von dem, was war.

Eine schöne Nacht… Hoppla! Denkt das Skelett und kann gerade noch rechtzeitig hinter einem Gebüsch in Deckung gehen, als ein Lebender im grauen Mantel vorübereilt. Schon wieder der Totengräber, denkt das Skelett, das die dunkle Gestalt sehr schnell identifiziert hat. Was der wohl so früh am Morgen - eigentlich ist es noch Nacht - auf dem Friedhof zu schaffen hat? Das Skelett schüttelt den Schädel und lässt dabei die obersten Halswirbel knacken. Der Totengräber fährt herum. Das Skelett kümmert sich nicht darum und schlendert gemächlich zurück zu dem verwachsenen geheimen Rohr, das ins unterirdische Reich der Toten führt. Hier ruhen sie also - einmal mehr, einmal weniger - in Frieden, die Toten.   
Zeit, nach Hause zu gehen, denkt das Skelett. Ein Windhauch zieht  durch die Nasenlöcher des Verblichenen. Es hört sich an wie ein Seufzer. Es ist ein Seufzer. Sie ist wieder nicht da. Fast jede Nacht sitzt sie vor der Kapelle und rupft Grashalme aus. Sie scheint nachzudenken. Aber worüber? Das Skelett, einst männlicher Mensch, würde gern wissen, was das andere Skelett, einst weiblicher Mensch, denkt. Manchmal sieht sie ihm gedankenverloren nach, wenn er vorüber flaniert. Gern würde er, wie zu Lebzeiten noch, seinen Hut ziehen, ihr eine Zigarette anbieten oder sonst etwas tun, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie sieht aus, als sei sie noch frisch. Jedes Beinchen am rechten Platz. Fast lautlos gleiten ihre elfenbeinfarbenen Fußknöchelchen über die gefrorene Erde, als würde sie schweben. Kein Scheppern, kein Rasseln, kein Klappern gelockerter Scharniere. Als sei sie aus Fleisch und Blut. Der anmutige Gang einer Prinzessin. Was gäbe dieser Verblichene darum, einen Blick auf ihre zarten Rippchen werfen zu dürfen. Einen einzigen nur. Jedoch ist die Angebetete vom Nasenbein bis zum Fersenbein in schweren Brokat und duftige Seide gehüllt.
Ein neuerlicher Windstoß fährt durch seinen Brustkorb und lässt ein schauerliches, asthmatisch anmutendes Pfeifen erklingen. Sogar im Tod büßt man noch für die Laster eines ausschweifenden Lebens. Dabei ist es so einfach, den Zigaretten zu entsagen. Man braucht bloß zu sterben. Das ist alles. Mit dem Alkohol verhält es sich nicht anders. Möge er, in der richtigen Menge genossen, alle Symptome der Trunkenheit bewirken – im Tod bewirkt er nichts mehr. Mit fleischlichen Genüssen und Gelüsten haben die hier Beheimateten nicht mehr viel zu schaffen. Dann und wann verziehen sich zwei Verliebte ins Buschwerk, wo sie zärtlich ihre Beckenschaufeln aneinander reiben. Welch armseliges Vergnügen, findet das Skelett und denkt dabei an die schöne Elfenbeinfarbene…
Klappernd kriecht es durch das Rohr, um seine letzte Ruhestätte aufzusuchen. Die einzelnen Gräber sind durch mehrere unterirdische Gänge miteinander verbunden. Die Toten können sich frei bewegen zwischen ihren vermoderten Gemächern, ohne dass die Friedhofsbesucher etwas von dem unterirdischen Leben, wenn man es denn Leben nennen kann, auch nur das Geringste mitbekommen. Bloß die hochherrschaftlichen Grüfte sind fest verschlossen. Kaum einer der knöchernen Verblichenen niedriger Herkunft hat die Chance, jemals in so eine Gruft geladen zu werden.
Obwohl das Skelett, einst gut situierter Freiherr Ernesto von Krohn, selbst nicht der Unterschicht anzugehören meint. Wenn man von der Spielsucht absieht, die den erst sechsundvierzigjährigen Freiherrn in den Ruin, dann in den Selbstmord und schließlich in ein Armengrab getrieben hat. Obwohl er den Selbstmord jetzt noch vehement bestreitet - er sei von seinem Rivalen vergiftet worden, und dies konnte bedauerlicherweise nie bewiesen werden…
Doch was zählt letztlich das dahingegangene irdische Leben, hier unten gelten andere Regeln. Armengrab bleibt Armengrab. So etwas gibt es heutzutage gar nicht mehr…
Es dauert eine Zeitlang, bis der Freiherr sein Domizil am Rande des Friedhofs erreicht hat. Unterwegs sammelt er Knorpelchen und Knochen auf, die er vorschriftsgemäß an der Fundstelle abgibt. Die Fundstelle für diverse Bauteile ist pro Nacht eine Stunde lang geöffnet. Nicht selten kommt es zu Zwistigkeiten unter den Skeletten, die sich über die rechtmäßige Zugehörigkeit einzelner Bauteile nicht einigen können. Jedes will sein Gerüst möglichst vollständig wissen und all diese Bauteile – Rippen, Gebein und Knorpel (letztere sind besonders beliebt) – sehen gleich aus. Glücklicherweise gibt es einen Schiedsrichter, der das wilde Treiben überwacht und gegebenenfalls ein verrostetes Eisenrohr zum Einsatz kommen lässt. Und ohne entsprechendes Attest von der Leiterin der Fundstelle gibt es ohnehin nichts zu holen. Der Freiherr übergibt dem Schiedsrichter seinen Fund und trollt sich, bevor das Gerangel beginnt.
Die röhrenförmigen Gänge sind durch Wegweiser gekennzeichnet und dank der Lebenden, die „ihre Toten“ mit Massen an Grabkerzen versorgen, gut beleuchtet. - An den Wänden hängen Laternen, die von den Lebenden als gestohlen vermutet und pflichtschuldig ersetzt worden sind. Der Gruftgang ist gesperrt. Hier kommt niemand durch. Schon gar kein verarmter Selbstmörder. Des Freiherrn sehnsuchtsvolles Seufzen hallt schaurig durch die unterirdische Welt. Die Angebetete kann es nicht hören. Sie ist zu weit, viel zu weit weg. Beinahe geräuschlos schreitet der Freiherr über den Moosteppich zum Gang der Armen Seelen. Der Vergessenen, sollte es besser heißen, denkt der Freiherr. In der unterirdischen Rangordnung stehen wir jedenfalls weit unten.
Ganz am Ende des Ganges, kurz nach des Freiherrn Grabstätte ruht der Schädel eines Geächteten. Er hat es sich hübsch bequem gemacht auf seiner bemoosten Unterlage. Geradezu grotesk ist sein Anblick, so wie er da liegt und mit weit auseinanderklaffenden Kiefern Unverständliches vor sich hin brabbelt, während ihm allerlei Getier aus Nasen- und Ohrenhöhlen kriecht. Sein Stirnbein ist mit Moos und sonstigem Gewächs überzogen, was den ohnehin schon kretioniden Eindruck, den diese erbarmungswürdige Kreatur hinterlässt, noch verstärkt.
 
Geächtete. Die Marginalexistenz der Totenkultur. Verblichene, die alles verloren haben, was man in der allerletzten Heimat noch besitzen kann. Man hat ihnen nach Verlust sämtlicher Bauteile die letzte Ruhestätte entzogen und diese dem Gemeinwohl gestiftet. Es gilt als ungehörig, den Gerüstlosen eigene Grabkammern zur Verfügung zu stellen. Niemand weiß, wie es zu einer Demontage eines kompletten Gerüsts kommen kann, ausgenommen die Betroffenen selbst. Aber die verraten nichts.
Die Geächteten kullern überall herum, wo sie nicht willkommen sind. Meistens werden sie unter Zuhilfenahme von mehr oder weniger Zehengliedern zum Weiterrollen aufgefordert. Die Geächteten sind auch sprachlich im Nachteil. Üblicherweise verständigen sich die Verblichenen, indem sie die Schneidezähne aneinander reiben, den Unterkiefer kreisen lassen und mit den Backenzähnen klappern. Heftiges Gestikulieren mit Hand- und Fußknochen unterstreicht diese Zahnmorsesprache. Je nach Vorhandensein der dazu notwendigen Bauteile spricht der eine besser, die andere schlechter.
Auf dem Boden liegend tun sich die Geächteten sogar mit der Zahnmorsetechnik schwer. Aus ihren Mündern dringt dann meistens schwer verständliches Zischen, was sie in der Regel nicht daran hindert, sich permanent mitzuteilen.

Hoch erhobenen Hauptes schreitet der Freiherr am Geächteten vorbei.
„Bleib weg von ihr! Bleib weg von ihr! Bleib weg von ihr!“
„Was redest du da? Halt dein geschwätziges Gebiss!“ Der Freiherr wendet sich verächtlich ab.
„Bleib weg von ihr! Bleib weg von ihr!“
„Nun langt’s mir aber!“ Der Freiherr dreht sich um und verpasst dem schmutzigen Schädel einen Tritt in die wild klappernden Kiefer. Dabei bricht ihm ein Zehenglied ab.
„Du unseliger -“ Der Freiherr ist außer sich. Heftig klappern seine Kiefer eine Reihe vulgärer Flüche herunter. Jetzt bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Friedhöfliche Leimstelle aufzusuchen. Jetzt! Um fünf Uhr morgens, wo er sich doch gerade zur Ruhe betten wollte.
Der schmutzige Schädel, auf dem Jochbein zu liegen gekommen, zischt und keucht weiter.
„Sie ist eine Bestie! Ein Ungeheuer! Bleib weg von ihr!“
„Achhhhhh!“, zischt der Freiherr zurück und zeigt dem Geächteten den gut erhaltenen knöchernen Mittelfinger.
Er dreht sich abrupt um, lässt den im Kreis kullernden Moosschädel weiterkreischen und macht sich schleunigst auf den Weg zur Friedhöflichen Leimstelle. Er hat Glück. Der Leimkamerad ist noch da. In seiner Kammer, abseits der Armengräber, stinkt es erbärmlich nach kalt gewordenem Knochenleim. Wöchentlich werden von der Fundstelle alle übrig gebliebenen Knöchelchen zur Leimverarbeitung hier abgegeben. Der Freiherr lässt sich vom schweigsamen Leimkameraden das abgeknapste Zehenglied wieder montieren.
„Vorsicht beim Auftreten.“, knirscht der Leimkamerad, als der Freiherr die übel riechende Örtlichkeit verlässt.
Der Freiherr schlendert gemächlich an der efeuberankten Friedhofsmauer entlang und beschließt, sich demnächst eine frische Bleiche zu genehmigen. Die Aussicht, sein Gerüst in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, stimmt ihn gleich wieder fröhlich. Seine Eitelkeit würde ihn ganze zwei Stunden Mooskratzen kosten. Gleichviel, man gönnt sich ja sonst nichts im Tode. Der Freiherr hasst Mooskratzen. Wie oft hat er schon versucht, Madame Marie Écaille, wie sie sich zu nennen pflegt, zu einer anderen Zahlungsmodalität zu überreden. Aber die alte Schreckschraube, deren wasserstoffgebleichte Gebeine schon ans Vulgäre grenzen, lässt nicht mit sich reden. - Wie Madame Écaille in Wahrheit heißt, ist übrigens kaum jemandem bekannt. Ihr Grabstein ist mittlerweile so verwittert, dass sich die Inschrift nicht mehr entziffern lässt. Man munkelt, Madame habe sogar ein wenig nachgeholfen, damit ihr - vermutlich banaler, bürgerlicher Name - beizeiten in Vergessenheit geriete…
Jedenfalls ist es Madame ein Bedürfnis, in einer moosfreien Grabstätte zu residieren. Die wohlhabenden Kryptianer stehen über solchen Dingen – sie lassen ihr Personal für sich bezahlen. Die Leimung würde der Freiherr auch noch abdienen müssen. Wenigstens lässt der Leimkamerad mit sich handeln. Weil er den nasalzischelnden Freiherrn in sein längst verrottetes Herz geschlossen hat. Die Götter allein wissen warum.
Da – ein Rascheln hinter den Büschen. Der Freiherr zuckt zusammen. Was war das? Ein Tier? Er blickt verwirrt um sich.
Es raschelt wieder. Das kann kein Tier sein! Wie ein Blitz durchzuckt ihn die Erinnerung an das Knistern der gebauschten Seidenkleider gewisser Halbweltsdamen, die zu seinen Lebenszeiten über die Hintertreppe zu ihm hinauf ins Schlafgemach gehuscht waren… Ach, süße Erinnerung, du bist alles, was mir geblieben ist, denkt der Verblichene und stößt einen Schrei aus. Vor ihm steht die schöne Elfenbeinfarbene. Ihre zarten Gebeine sind in schimmernde Seide gehüllt, ein Spitzenschleier verdeckt ihre freundlich klappernden Zähne.
Was hat sie gesagt?
Der Freiherr fasst sich und besinnt sich seiner ansonsten tadellosen Manieren. Er verbeugt sich tief.
„Mademoiselle, was tun Sie hier um diese Zeit? Wissen Sie nicht, dass es gefährlich ist?“, säuselt er, ganz der korrekte Gentleman.
Der Spitzenschleier hebt und senkt sich unter ihrem glockenhellen Lachen, das eigentlich nichts weiter als ein Krächzen ist, in des Freiherrn Hohlschädel jedoch eine ganze Salve zuckender Erinnerungsblitze losgehen lässt.
Der Freiherr zupft nervös an seiner verrotteten Fliege, dem einzigen noch übrigen Kleidungsstück aus seiner ohnehin dürftigen Grabausstattung.
„Warum lachen Sie, Mademoiselle?“
„Sie amüsieren mich, Freiherr!“, kichert die Schöne.
Der Freiherr ist irritiert. Hätte er sein Herz noch, es würde ihm jetzt bis zum Halse klopfen oder gleich in die Hose rutschen.
„Kommen Sie!“
„Wohin, Mademoiselle?“
Sie berührt ihn sanft am Unterarmknochen. Geistesgegenwärtig bietet ihr der korrekte Freiherr seinen Arm an und lässt sich von ihr zum schmiedeeisernen Hintertor, das einen Spalt breit offen steht, geleiten.
„Mademoiselle, ich bitte Sie…“, stammelt er und seine Zähne klappern abwehrend. „Sie wollen doch nicht etwa…“
„Warum denn nicht?“
Schon stehen sie draußen, in der Welt der LEBENDEN! Mein Gott…
„Sie sind doch so gebildet, Freiherr.“, schmeichelt die Elfenbeinfarbige. „Ich möchte von Ihnen wissen, was das dort ist.“
„Was meinen Sie?“
„Die rosa schimmernden Lichter.“ Sie deutet nach oben.
„So viele Lichter in einer Reihe. Und es sind keine Gaslaternen, so wie ich sie kenne. Ich habe noch nie rosafarbenes Licht gesehen. Was also sind sie und woher kommen sie?“
Der Freiherr, selbst noch im Zeitalter des Gaslichts dahingeschieden, wähnt sich dank seiner frischeren Freunde in technischen Dingen auf dem neuesten Stand. Nun ja, wenn man hinzufügt, dass die technisch versierten Freunde in den zwanziger Jahren das Licht der Unterwelt erblickt haben…
„Es ist elektrisches Licht.“, erklärt er großspurig.
„Und was heißt das précis – elektri-wie?“ Sie klingt amüsiert.
„Elektrisches Licht! Nun ja, das – das hat mit Elektrizität zu tun, mit Strom, einer Energie, die – irgendwie äh eingefangen wird und – jedenfalls benötigt man kein Gas mehr, um Licht zu erzeugen.“
„Ach ja?“, säuselt sie, Bewunderung vortäuschend.
Der Freiherr kratzt sich verzweifelt den Schädel. Da hat er sich über Elektrizität informiert und jetzt? Das schöne Wissen ist wie weggeblasen. Und das Schlimmste ist – sie hat es auch bemerkt. Kein Zweifel also, er braucht Hilfe, und zwar von einem Neuzeitlichen. Nachdenklich kratzt sich der Freiherr am Stirnbein. Da war doch unlängst eine Beerdigung… Aber wie heißt dieser Frischling…  Und vor allem - wo genau residiert er jetzt? Flugs macht sich der Freiherr auf den Weg zur Kapelle, um die Parten im Schaukasten zu inspizieren. Und er hat Glück - die Parte des gesuchten Frischlings hängt - dank der saumseligen Friedhofsverwaltung - noch an Ort und Stelle.

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„Ein hohler Kopf behält eben nicht viel!“, spöttelt der Frischling hinter seinem versperrten Grabtürchen, nachdem er sich des Freiherrn verzweifeltes Gestammel über ´“das Problem mit der vermaledeiten Elektri-irgendsoetwasinderart“ aufmerksam angehört hat.
„Du musst mir helfen!“, näselt der Freiherr, die Beleidigung ignorierend. „Ich soll ihr jene rosafarbenen Lichter für ihr Grabgemach herbeischaffen. Aber ich weiß nicht wie und wo. Du entstammst doch der modernen Zeit.“
„Ist dir vielleicht entgangen, dass ich für die nächsten Monate in diesem elenden Bunker eingeschlossen sein werde? Wenn ich Pech hab, dauert es ein Jahr, bis ich vom Fleisch gefallen bin. Wie also soll ich dir besorgen, was du brauchst, Hohlschädel?“
Der Freiherr zischelt Unverständliches. Natürlich ist er sich über die unliebsame Lage der Frischlinge im Klaren. Sie dürfen ihre Grabkammer erst verlassen, wenn nur noch das Skelett übrig ist. Sich im Verwesungszustand zu präsentieren, ist unzumutbar. Schlichtweg degoutant. Vom Geruch einmal ganz abgesehen. Trotz aller Widrig- und Widerlichkeiten - jetzt ist Taktik geboten. „Ich muss wirklich gestehen, du hast die Zahnmorsesprache sehr schnell erlernt.“, schmeichelt der Freiherr.
„Hab einen guten Lehrer erwischt und besonders schwierig ist dieses Geklapper ja nicht. - Aber jetzt zur Sache. Womit kann ich dir dienen, Hohlschädel?“
„Du sollst mir sagen, was genau es ist, das ich ihr bringen soll. Ich habe sagen hören, dass du jemanden kennst, der alles besorgen kann.“
„Und was hab ich davon?“, zischt der Frischling lauernd.
Der Freiherr beißt die Zähne zusammen. Es ist wie im Leben, denkt er. Niemand macht einen Fingerknochen krumm ohne Gegenleistung. Umsonst ist nur der Tod – und den haben die Verblichenen bereits kassiert…
„Ich bezahle dir deine erste Bleiche, wenn du fertig bist.“, seufzt er zähneknirschend.
„Das ist ein Wort. Hab schon so einiges gehört über die Zahlungsmodalitäten hier. Und ich kann nicht behaupten, dass sie mir gefallen. Also, hör genau zu, Hohlschädel…“

Des Frischlings Anweisungen vor sich hin murmelnd, um sie nicht wieder zu vergessen, macht sich der Freiherr auf den Weg zur Kapelle, wo der, der alles besorgen kann, laut Frischling, meist anzutreffen sei.
„Bleib weg von ihr! Bleib weg! Sie wird dir Schlimmes antun! Du wirst geächtet sein für alle Zeit!“, kreischt plötzlich der Moosschädel von vorhin.
„Du schon wieder, elender Lump! Du kommst mir nicht mehr in die Quere!“ Der Freiherr greift sich einen dicken Ast, der auf dem Boden herumliegt und schwingt ihn drohend. Zeternd kullert der Moosschädel davon.
„Du wirst es bereuen! Du wirst es bereuen!“, hallt es hinter dem Freiherrn her.
„Lich-ter-kette mit – wie war das noch – Ba-tte-ri-en…“, murmelt dieser unbeirrt weiter. Der Freiherr hat Glück. Der, der alles besorgen kann, lungert vor der Kapelle herum und verspricht ihm – nicht umsonst natürlich – eine batteriebetriebene Lichterkette herbeizuschaffen.
Der Freiherr meint, sein Herz klopfen zu hören. Eine Art Phantomschmerz, wie die Lebendigen sagen würden. Morgen Nacht, morgen Nacht, singt er vor sich hin, als er sich endlich zum wohlverdienten Tagesschlaf in sein Armenkämmerchen begibt. Er bettet seine Gebeine vorsichtig auf eine dicke Moosunterlage und denkt an die Elfenbeinfarbene. Adelheid von Effenberg hieß sie zu Lebzeiten. Persephone wird sie seit ihrem Todestag genannt, weil sie so unnahbar und geheimnisvoll wirkt, sogar ihre Eltern nennen sie so. Persephone, die Göttin der Unterwelt…  Und ihre Beckenschaufel hat sie ganz sanft an die seine gedrückt. Eine hauchzarte Berührung… So weit sind wir schon, denkt der Freiherr. Er dreht sich auf den Rücken und sehnt sich nach dem gemütlichen Sarg, den er viele Jahre zuvor hat entsorgen müssen. Er hat damals einen ganz guten Preis erzielt beim Gruftpersonal der herzöglichen Familie. Weiß der Himmel, was die Schönen und Reichen mit verrottenden Särgen tun. Es interessiert ihn nicht. Nur sie ist wichtig. Persephone. Wahrhaftig eine Göttin… Und sie will ihn. Ausgerechnet ihn, den Freiherrn aus dem Armengrab, Reihe 5, Nr. 8.

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Am nächsten Abend wird der Freiherr von lautem Gepolter vor der Tür aus seinen Träumen gerissen.
„Geh aus dem Weg!“
„Du darfst das nicht tun! Du darfst es nicht!“
„Verschwinde endlich! Oder ich trete dir in den A… - äh in deinen geschwätzigen Kiefer, dass auch der letzte Rest von dir zu Staub zerbröselt!“
Der Freiherr reißt sein Türchen auf. Draußen schlägt keuchend der, der alles besorgen kann, nach dem schmutzigen Moosschädel, der sich in dessen Zehenknöchelchen verbissen hat. Der Freiherr, ob seiner bevorstehenden Verabredung mit Persephone milde gestimmt, stupst den Moosschädel sachte an.
„Wir reden später.“, flüstert er. „Aber geh jetzt bitte.“
Der Geächtete, nicht wenig überrascht von der Freundlichkeit, die ihm plötzlich zuteil wird, lässt von dem, der alles besorgen kann, ab und trollt sich.
„Na bitte – es geht doch.“, murmelt der Freiherr zufrieden. Dann bittet er den, der alles besorgen kann, in sein bescheidenes Grabgemach.
Der, der alles besorgen kann, sieht sich neugierig um. „Ganz schön eng hier, was? Und alles voller - Dings - äh Moos und so ein Zeug! Und wo ist dein Sarg?“
„Ich habe ihn verkauft!“, erklärt der Freiherr hochnäsig. „Wer braucht schon einen Sarg? Moos tut es auch!“
„Hm, na ja, jedem das Seine…“, murmelt der, der alles besorgen kann. „Aber sag mal -  was war eigentlich mit diesem komischen Schädel los? Fällt mich ohne Grund an wie ein tollwütiger Köter!“ Er deutet auf seine angeknabberten Zehenknöchelchen. „Und wieso ist der ohne seine Rüstung unterwegs?“
Der Freiherr mustert sein Gegenüber von oben bis unten. Gebeine: sehr hell, keine Schrammen, nicht eine einzige geknickte Rippe, Gebiss: vollständig, keine Verfärbungen. Allein die Schädeldecke scheint etwas lädiert zu sein, weist aber keine gröberen Abnutzungserscheinungen durch Witterung oder feuchte Erde auf. Friedhofskundig? Eindeutig: NEIN.
Kurz und ungut: Ein Neuer. Einer, der seine Frischlingszeit gerade hinter sich gebracht hat. Der Freiherr seufzt. Dann setzt er zu einer langen Erklärung, die Marginalexistenz betreffend, an. Wie etwas auswendig Gelerntes und x-mal Wiedergegebenes leiern seine knirschenden Zähne die nötigsten Informationen herunter. Klapper, klapper, ratter, ratter. Der Ex-Frischling hat noch einige Mühe mit der Zahnmorsesprache.
„Und wenn es doch wichtig war?“
„Glauben Sie mir, mein Lieber!“, näselt der Freiherr von oben herab. „Diese Moosschädel wollen nichts als Unfrieden stiften und Intrigen spinnen. Sie haben letztlich nichts mehr, was sie noch  am Totsein hält. Doch genug jetzt. Ich verspüre nicht die geringste Lust, mich länger als nötig über diese Kreaturen zu unterhalten. Haben Sie diese Lichter?
„Na klar, Mann!“ Der Ex-Frischling zieht die Lichterkette aus seinem muffelnden Sack und erklärt dem Freiherrn, wie sie zu bedienen ist. Der Freiherr bestaunt Schalter und Batterien ausgiebig und kann sich nicht satt sehen an den rosa blinkenden Lämpchen.
„Woher haben Sie diese Kostbarkeit?“, haucht der Freiherr ehrfürchtig.
„Na ja – Kostbarkeit ist vielleicht übertrieben. Einer meiner Kumpels hat mir das Teil beschafft. Er wohnt gleich da drüben in der Birkengasse …“
Dem Freiherrn fährt der Schreck in die morschen Glieder.
„Sie haben Kontakt zu einem – LEBENDEN?“ Er schüttelt sich vor Abscheu.
„Was hast du denn gedacht? Dass ich – bei meiner atemberaubenden Erscheinung – in den nächsten Baumarkt marschiere und mich in aller Höflichkeit nach batteriebetriebenen Lichterketten erkundige?“
„Äh – wie? Baumarkt?“ Der Freiherr kratzt sich nachdenklich am Hinterhauptbein.
„Vergiss es, ok? Ist zu umständlich, um es zu erklären.“
„Wie, ähm – wie sind Sie eigentlich ums Leben gekommen, wenn ich fragen darf?“
Der Ex-Frischling zuckt gleichgültig mit den Schulterblättern.
„Motorradcrash. Hab ein wenig zu tief ins Glas geschaut. Na ja und dann ist es halt passiert. Bin mit 100 Sachen gegen einen Baum geknallt. Wow, ich sags dir, Alter – das überlebt keiner! Ein Wunder, dass nichts gebrochen ist. Und die eingeschlagene Stelle da oben -“ Er tippt sich auf das glatte Scheitelbein – „die hat mir der Leimkamerad ganz ordentlich wieder eingeklebt. Komischer Knochen, der Typ, aber geschickt. Man sieht gar nichts mehr. Mann, Meine Kumpels haben einen schönen Schock gekriegt, als ich ihnen zum ersten Mal über den Weg gelaufen bin – in voller Rüstung, haha! Dort hinten im Wäldchen…“ Er deutet vage nach Westen – „da hatten wir unseren Treffpunkt. Und dann sind wir abgezischt. WUMMM! Mit Vollgas über die Bundesstraße. Jesus, das waren noch Zeiten…“
Der Freiherr schluckt, d.h., er versucht es. Ein Tick aus seinem früheren Dasein als kompletter Mensch. Er traut sich nicht zu fragen, was ein Motorrad ist, oder was 120 Sachen sind. Zu tief ins Glas schauen, das kennt er. Aber dass man nach einem harmlosen Besäufnis gleich im Sarg landet…
„Jedenfalls“, zischelt der Ex-Frischling lässig weiter – „treffen wir uns regelmäßig vor der Kapelle…“
„Herr – äh, wer Sie auch immer sein mögen – wollen Sie etwa allen Ernstes behaupten, sie seien am helllichten Tage in der Kapelle gewesen? Lieber Freund, sind Sie sich denn nicht im Klaren darüber, dass Sie gegen eines der strengsten Gesetze verstoßen haben?“ Der Freiherr schafft es kaum, seine jahrhundertelang antrainierte Contenance wahren.
„Jetzt halt mal die Luft an, Kumpel. Gesetze! Wen interessieren die schon? Den ganzen Moder muss ich mir von meinen Urgroßeltern auch Nacht für Nacht anhören - und dazu noch, warum ich so plemplem war, mit knapp einundzwanzig Lenzen mein Leben sinnlos aufs Spiel zu setzen! - Mann, wenn die wüssten, dass ich mein Studium abgebrochen hab… Aber das erfahren sie ja eh nie!“ Der, der alles besorgen kann, redet auf den gequält dreinblickenden Freiherrn ein. „Also, wie gesagt, ich seh da überhaupt kein Problem. Man darf sich bloß nicht erwischen lassen und meine Kumpels halten dicht. Ehrlich! - Außerdem…“ Der, der alles besorgen kann, kratzt sich das Hinterhauptbein. „Außerdem - da gibt‘s so einen komischen Typen, der in aller Frühe um die Gräber schleicht, und der scheint mir nicht besonders tot zu sein. Also…“
„Das ist der Totengräber.“ Der Freiherr winkt ungeduldig ab. „Schenken Sie ihm keine Beachtung. Er bringt unsere Gebeine unter die Erde, ansonsten haben wir nichts miteinander zu schaffen!“
In der Kapelle schlägt die Glocke neunmal. Der Freiherr fährt hoch und strafft das Gebein. So schnell das Entsetzen über ihn gekommen ist, so schnell ist es wieder verflogen. Lebendkontakte, so abstoßend allein der Gedanke daran sein mag, hat es schließlich schon immer gegeben, also was ficht es ihn an… Er schiebt den verdutzten Ex-Frischling aus der Grabkammer.
„Unsere Unterhaltung war äußerst aufschlussreich, mein Freund. Wirklich, ich glaube, ich habe einiges dazugelernt, auch wenn mir bei Gott nicht alles davon gefällt. Aber jetzt muss ich gehen, mein Lieber. Die Bleichmarie besteht auf Pünktlichkeit.“
„Bleichmarie? Wer ist das jetzt wieder?“
„Madame Écaille von der Friedhöflichen Bleichstelle. Sie werden bestimmt bald ihre Bekanntschaft machen!“ Der Freiherr klopft dem, der alles besorgen kann, gönnerhaft auf die knöcherne Schulter. Dann marschiert er, durch zwei Zahnlücken pfeifend, von dannen.
„Friedhöfliche Bleichstelle?“, ruft ihm der, der alles besorgen kann hinterher. Doch der Freiherr kann ihn nicht mehr hören, er ist mit seinen Gedanken längst woanders.

---

Madame Écaille, von den meisten heimlich und wenig respektvoll Bleichmarie genannt, ist indes ganz damit beschäftigt, eine ihrer hochherrschaftlichen und äußerst zahlungskräftigen Kundinnen zu umgarnen.
„Nun, Mademoiselle, wir haben alle Zeit der Unterwelt. Ich habe heute Nacht nur noch einen Kunden, diesen armen Schlu-, ähm, nun der kann warten. Wie wäre es mit einem aufregenden Gala-Make-up?“ Madame Écaille strahlt Persephone mit ihren glänzenden Zähnen an.
Persephone schielt nervös auf die goldene Wanduhr in Madames eleganter Grabkammer. Wertvolle Gobelins und Seidensargkissen, wohin die Augenhöhle nur blickt. Madame lässt sich die Ausstattung ihrer Institution etwas kosten - das ist sie ihrer illustren Kundschaft schuldig.
Nur noch ein paar Stunden, denkt Persephone, dann…
„Was darf es also heute sein, Mademoiselle? Etwas Goldstaub für die Augenhöhlen, Elfenbeinlack für Finger- und Zehenglieder? Und – nun ja, Mademoiselle, Ihre werte Schädeldecke könnte eine Schleifbehandlung mit Sandblatt vertragen…“, plappert Madame Écaille munter weiter und hält Persephone eine ganze Palette voller erlesener Pudersorten und Edelfeilen hin.
„Madame, ich… Um ehrlich zu sein, wir geben heute Nacht keinen Empfang. Ich bin mit jemandem verabredet. Und deshalb möchte ich es diesmal etwas dezenter, wenn Sie verstehen.“
„Oja, jaja, natürlich, Mademoiselle. Ein Edelmann? Sie Glückliche!“
„Nun ja.“, murmelt Persephone. „Jedenfalls ein sehr, sehr interessanter Mann. Einer, der wenigen Vollständigen in unserem Refugium. Er ist nahezu parfait gebaut und ganz Gentleman.“
„Oh!“ Madame Écaille neigt ihren ausladenden Brustkorb tief zu Persephone herab. „Wer ist es denn?“, flüstert sie verschwörerisch.
„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das jetzt schon verraten darf…“
„Aber Mademoiselle! Ich bitte Sie! Sie wissen doch, ich schweige wie Asche in der Urne!“, ereifert sich Madame, während sie geschickt, Elfenbeinstaub auf Persephones Schädeldecke verteilt. „Silberpartikelchen gefällig?“
„Na ja, warum sollte ich es Ihnen nicht sagen.“
Persephone flüstert Madame etwas ins Ohr.
„Mein Gott! Der Freiherr? Der - der … Das ist doch der arme Schlu…, ich meine er, er…“
„Das weiß ich selbst!“ Persephone schneidet Madame brüsk das Wort ab. „Natürlich, ich verstehe... Pardon, Mademoiselle. Seien Sie versichert - ich will mich keinesfalls in Ihre Angelegenheiten mischen. Äh – möchten Sie etwas Zahnbleiche zum Mitnehmen, wie immer?“
Persephone nickt und tastet mit den frisch lackierten Fingergliedern nach ihrem Spitzenschleier. Er darf auf keinen Fall verrutschen während der Gesichtsknochenbehandlung. Eine etwas heikle Angelegenheit. Madame verhält sich sehr diskret und stellt keine unangenehmen Fragen.
„Notieren Sie alles auf meiner Tafel. In den nächsten Nächten schicke ich meinen Diener vorbei.“
Persephone erhebt sich grazil von der mit blassrosa Sargseide ausgeschlagenen Liegestätte und streicht ihren Brokatüberwurf glatt.
„Mademoiselle, würde es Ihnen etwas ausmachen, statt des Dieners Ihre Zofe zu schicken? Im Moment gibt es keine Grobarbeiten zu erledigen. Stattdessen wäre es an der Zeit, neue Lacke und Stäubchen anzufertigen und da…“
„Schon gut. Dazu brauchen Sie Frauenfingerknochen. D’accord, Madame.  Sie haben wie immer großartige Arbeit geleistet.“, wirft Persephone herablassend hin und begibt sich aus der eigens für Kryptianerinnen reservierten Bleichkammer.
Madame verbeugt sich tief und würde ob des Lobes seitens der Grande Dame gewiss vor Freude erröten, hätte sie noch über ein paar Tropfen Blut zur Verfügung.
Der Freiherr! Nein, der hochnäsige, heruntergekommene, nonchalante Freiherr von Krohn! Die vornehme Mademoiselle hat sich in diesen Gecken - diesen Filou verliebt! Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was man so hört…
„Das muss ich sofort Angelique erzählen!“, denkt Madame und freut sich diebisch. Sie schließt ihre Grabgemächer ab und entschwindet klappernd in der Dunkelheit.

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Wo bleibt sie denn nur, denkt der eitle Geck, den leeren Blick erwartungsvoll auf die große Uhr der alten Kapelle gerichtet. Steht sich die Gebeine ins Becken, der Filou, und ist ganz zappelig vor brennender Sehnsucht und nagender Ungeduld. Ein Windhauch fegt über die Gräber und bringt die Kerzen in ihren Laternen zum Flackern. Irgendwo schreit ein Käuzchen. Was für ein malerischer Hintergrund für ein romantisches Stelldichein, denkt er und lehnt sich an einen mit Moos überwucherten Grabstein.   
Halb eins, denkt er ungeduldig. Nach der Geliebten Ausschau haltend, dreht er sich mehrmals um die eigene Achse und verheddert sich prompt in der drei Meter langen Lichterkette.
„Schwierig, schwierig! Welch Niedertracht der modernen Technik!“, denkt er panisch und traut sich nicht, seine Rippen von der widerspenstigen Kette zu befreien, aus Angst, sie könnte reißen und was dann? Sie würde…
„Welch bezaubernder Anblick!“, tönt es da plötzlich glockenhell aus dem Gestrüpp. Der Freiherr, ein Filou sondergleichen, jaja, die Bleichmarie hat schon Recht, fährt herum.
„Sie haben sich nett zurecht gemacht für mich!“ Wie Samt und Seide umschmeichelt ihn ihre weiche Stimme. Ach, Unsinn. Sie hat längst keine Stimme mehr. Und dennoch – der Klang – ein Gedanke aus fernen Tagen. Als Tage noch Tage waren, voll Sonne und…
„Möchten Sie mich nicht angemessen begrüßen?“ tadelt die Angebetete schelmisch und streckt ihm kokett ihre elfenbeinfarbenen Fingerknöchelchen entgegen.
Der Freiherr, in die Gegenwart zurückgekehrt, ergreift die dargebotene Hand und legt sie behutsam an sein beinahe tadelloses Gebiss.
„Ich bitte Sie aufrichtig um Vergebung, teuerste Persephone. Wollen Sie mein Geschenk -“ Er zerrt an der Lichterkette und siehe da, sie gleitet von selbst von seinen Rippen – „entgegennehmen als Zeichen meiner untertänigen Ehrerbietung!“
„Wie schön! Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Ernesto!“, quietscht Persephone entzückt.
Sie rückt ein weniger näher an ihn heran, reibt ihre Beckenschaufel an der seinen. Wie schon in der Nacht zuvor durchzuckt ein wohliger Schauer sein bebendes Gerippe.
„Ich werde mich erkenntlich zeigen.“, haucht Persephone. „Schon bald – in der neunten Neumondnacht dürfen Sie mich in meiner Gruft aufsuchen.“
Der Freiherr, wieder ganz Herr seiner dahingegangenen Sinne, zieht hörbar die Luft durch seine beiden Zahnlücken. Zu ihr – in die Gruft! Das ist – grandios! Das ist mehr, als er je zu träumen gewagt hätte. Zärtlich ergreift er nochmals ihren Mittelhandknochen – doch da -
„Stoß sie weg! Stoß sie weg! Sie ist böse, böse, böse!!“
Oh nein! Nicht er schon wieder.
Persephone richtet ihre finsteren Augenhöhlen drohend auf den schmutzigen Moosschädel. Der feine Goldstaub darin vermischt sich mit dem unnatürlich rosa schimmernden Licht der Kette zu einem hässlichen Schlammbraun. Doch der Schädel lässt sich nicht beirren.
„Sieh hinter den Schleier, der die schreckliche Wirklichkeit zu verhüllen sucht! Sieh den Tatsachen in die Augenhöhlen! Entdecke ihre wahren Gesichtsknochen! Und du bist geheilt. Geheilt für alle Zeiten!“
Persephone weicht erschrocken zurück, fasst mit bebenden Fingerknochen an ihren Schleier und drückt ihn an ihr Gebiss.
„Genug! Genug!“ Außer sich vor Wut greift der Freiherr nach einem Stein und schlägt damit wie von Sinnen auf den kreischenden Geächteten ein. Schlägt ihn in tausend Stücke. Knochensplitter fliegen ihm um die Ohrknöchelchen. Persephone schreit entsetzt auf.
„Um Himmels Willen! Mon Dieu! Ernesto! Wie konntest du! Du hast ihn getötet! Du hast ihn getötet!“
„Komm zu dir, Liebste! Er war doch schon tot. Und das seit vielen Jahrzehnten.“
„Aber – aber! Du wirst Schwierigkeiten bekommen. Die Friedhöfliche Strafkommission wird deine Tat niemals dulden! Ernesto, Liebster! Was soll jetzt nur werden?“
Der Freiherr schnauft. Er hat sich beim wilden Umsichschlagen auf eines seiner eigenen Zehenglieder gehauen, das fast zu Staub zerbröselt ist. Aber damit wird er sich später auseinandersetzen. Viel wichtiger ist es, Persephone zu beruhigen und die Knochensplitter zu beseitigen.
„Komm!“, sagt er ruhig, ganz Herr der Lage. „Ich weiß, ich sollte das von einer hohen Dame nicht verlangen, aber ich bitte dich inständig - hilf mir, die Einzelteile dieses Geächteten zu verscharr- äh, ich meine, zu bestatten.“ – Und dieses Mal hoffentlich für immer, fügt er in Gedanken hinzu.
Persephone nickt. Sie fasst sich, sammelt die Schädelteilchen und verfaulte Zähne, die überall verstreut sind, gewissenhaft auf, während sich der Freiherr ans Graben macht. Die Arbeit ist schnell getan. Nichts deutet mehr auf den zweiten Exitus eines Geächteten hin. Der ruht jetzt in Frieden hinter dem bemoosten Grabstein…
„Und du bist dir ganz sicher, dass niemand es merken wird?“, fragt Persephone zum hundertsten Male, als sie Arm in Arm an der Friedhofsmauer entlang zur Gruft schlendern.
„Bestimmt nicht! Glaub mir, Liebste – ein Mitglied der Marginalexistenz vermisst kein Knochen!“
Vor dem Eingang der Gruft hat Persephone ihre Fassung wiedererlangt.
„Vergiss nicht, Ernesto – in der neunten Neumondnacht erwarte ich dich!“
„Sei versichert, Liebste, ich werde es nicht vergessen.“
Persephone pocht mit einem eigens dafür angefertigten Edelstein an das Portal der gräflichen Krypta. Eine in schwarzen Samt gehüllte Zofe öffnet ihr. Bevor Persephone die marmorne Treppe zu den kryptischen Grabgemächern hinabsteigt, dreht sie sich noch einmal zum Freiherrn um und neigt ihren hübschen Schädel zu einem letzten Gruß.
Benommen vom Rausch der Liebe tritt der Freiherr den Marsch zurück zu seinem Armengemach an. An der Kapelle begegnet ihm die Flickmamsell mit zwei verknoteten Bündeln voller Fetzen, die ihr rechts und links von den ramponierten Schulterblättern hängen.
„Unser Freiherr wandelt auf Freiersfüßen!“, ruft sie und lässt ein krächzendes Lachen ertönen. „Passen Sie auf, dass Sie sich an der feinen Dame nicht die Knochen verbrennen!“
„Ach, kümmern Sie sich doch um Ihre eigenen Liebesangelegenheiten, sofern Sie überhaupt welche haben, Sie lästerliches Weib, Sie!“, näselt der Freiherr von oben herab.
Die Flickmamsell huscht davon, immer noch glucksend wie ein Backfisch.
Dummes Lumpenpack! Woher weiß sie überhaupt von der pikanten Affaire? Wie schnell sich doch alles herumspricht – auf diesem Gottesacker! Ja, nun – der Tod schützt vor Klatschsucht nicht! Gleichviel. Der Freiherr lässt sich sein amouröses Abenteuer nicht madig machen.
„Mich! Einzig und allein mich hat sie auserwählt, die Schönste, die Bleichste, die Edelste von allen!“ Im Glückstaumel strauchelt der heruntergekommene Freiherr beinahe über das Sprunggelenk eines wohlbekannten Skeletts.
„He, Kumpel!“, reißt ihn dessen Gekicher aus seinen Schwärmereien.
„Ach, Sie sind es, ehemaliger Frischling!“
„Und? Erfolg gehabt bei der Braut?“
„Das, mein Lieber, geht Sie nicht das Geringste an!“
„Aber – ich darf dich doch gewiss daran erinnern, dass du, MEIN LIEBER, was die Zurverfügungstellung meiner werten Dienste angeht, knöcheltief in meiner Schuld stehst!“, äfft der Ex-Frischling des Freiherrn hochtrabende Sprache nach.
„Nun gut.“, meint der Freiherr müde. „Was soll es sein?“
„Tja, ich war neugierig und habe diese Bleichmarie, wie heißt sie noch - Madame Kanaille? – aufgesucht. Du wirst mir also meine erste Bleiche blechen, Kumpel!“ Der, der alles besorgen kann, grinst triumphierend.
„Ja nun, wenn es denn sein muss…“ Der Freiherr wird alles tun. Alles, um seiner Geliebten zu Diensten sein zu können. Er wird schuften. Er wird kiloweise Moos von den Wänden der Bleichmarie kratzen – nur, um Persephone ein ihr angemessenes Totsein ermöglichen zu können.
„Dann ist ja alles klar. Übrigens, Kumpel – die neunte Neumondnacht ist schon mor-gen!“
„Wie? Woher weißt du – Hast du uns gar…“
Dem Freiherrn fährt der Schreck durch sämtliche Knochen – ihm ist nicht einmal bewusst, dass er zum vulgären Du übergegangen ist.
„Was sollte ich denn tun? Ich war gaaaaaanz zufällig gerade in der Nähe. Wollte eigentlich zu einer, äh, alten Freundin. Sie liegt gleich neben dem Hintertor. War aber anscheinend anderswo zugange. Hausbesuch, du verstehst?“
„Du wolltest zu Angelique, dieser Hu- äh Lebedame?“
„Na und? Solche muss es schließlich auch geben, oder?“
Der Freiherr winkt ungeduldig ab.
„Und wie lange warst du „gaaaaanz zufällig“ in der Nähe?“
„Lange genug. Mann, du hast den geschwätzigen Moosschädel zu Brei geschlagen. Hätte ich einem wie dir gar nicht zugetraut.“
Der Freiherr beißt die Zähne fest zusammen.
„Du, äh, hast nicht etwa vor…“
„Wo denkst du hin? Ich verpfeif doch keinen Kumpel! Allerdings -“
„Was??“
„Wie du selbst schon so oft feststellten musstest, hat alles seinen Preis! Du blechst meine Rechnung beim Leimkameraden – nicht gerade ein Pappenstiel, kann ich dir gleich sagen. Aber kein Wunder bei dem Schädeltrauma, das mir mein gewaltsamer Tod eingebracht hat. Meine Urgroßeltern rücken nichts raus - ich sei selbst schuld an der ganzen Schei- Misere. Die grämen sich fast zu Tode, weil ich „das Schicksal herausgefordert hätte“ oder so was. Wie auch immer - ich erzähle niemandem ein Sterbenswörtchen, was deine - äh - Entgleisung angeht! Abgemacht?“
„Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, nicht wahr?“, knirscht der Freiherr unwirsch.
„Leider nein. Wir sind uns also einig. Ich wünsch dir noch eine angenehme Tagesruhe und vor allem – süße Träume, du weißt schon!“ Der, der alles besorgen kann, bleckt die Zähne und macht dazu eine Bewegung, die keine falschen Schlüsse zulässt. Puh, nicht auszudenken, wenn seine uranständigen Urgroßeltern von seinen kleinen illegalen Geschäften Wind bekämen - er wäre erledigt. Sie würden ihn für den Rest seines Todes einsargen - und das könnte dann lange dauern…
„Danke gleichfalls!“, zischelt der Freiherr, der nicht fassen kann, dass er gerade zum „Kumpel“ eines hinterhältigen Erpressers und Gauners ernannt worden ist.
Missmutig begibt er sich in seine ärmliche Grabkammer, wo er sich zur ewigen Ruhe bettet – zumindest für einen Tag lang.
Doch – Augenblick! Was hat der Lump gesagt? Die neunte Neumondnacht sei schon morgen? Des Freiherrn Brustkorb schnellt abrupt hoch. Fieberhaft überlegt er, was noch alles zu tun sei. Nervös zupft er an seiner schäbigen Fliege. Keine Frage: Eine neue muss herbei. Zumindest ist der Termin bei der Bleichmarie erledigt (wie sagte noch der „Kumpel“? – Madame Kanaille?).
Hahahaaa, ich lach mich tot! KANAILLE! Ja, das ist sie, die alte Schreckschraube. Genau wie die alberne Flickmamsell. Der Freiherr kommt schlagartig zur Besinnung. Um an eine Fliege zu kommen, muss er wohl oder übel die Dienste der Flickmamsell in Anspruch nehmen. Und das kann teuer werden. Zumal sie ihn seine beleidigenden Worte von vorhin mit Sicherheit spüren lassen wird.  
Der Freiherr denkt an seine Schulden, die sich in den letzten Nächten angehäuft haben. Auf fast jeder Rechnungstafel steht sein Name an oberster Stelle. Gleichviel. Bald wird er eine reiche Verbindung eingehen, und ja, nun - zumindest der Respekt sämtlicher friedhöflicher Dienstleister wird ihm sicher sein. Mit dem befriedigenden Gefühl, einer verheißungsvollen Zukunft entgegensehen zu können, schläft er schließlich ein.

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„So, so!“, gluckst die Flickmamsell belustigt. „Eine Fliege, sagten Sie?“
„Ja doch. Sie haben ganz richtig gehört - eine ordentliche, schwarze Fliege!“, brummt der Freiherr, nicht wenig abgestoßen von der schäbigen Erscheinung der Flickmamsell. Wie immer hat sie sich in irgendwelche Lumpen gehüllt, die ihr im Laufe ihrer Streifzüge durch verlassene Grabkammern in die Fingerknochen gekommen sind. Eine abgeknickte Rippe blitzt wie ein gezücktes Schweizermesser zwischen den notdürftig drapierten Fetzen hervor.
„Nun – ich glaube, ich hätte da etwas Geeignetes für Sie.“ Die Flickmamsell kramt eine Weile in ihren Lumpenbündeln herum und hält dem Freiherrn triumphierend eine Fliege aus goldenem Brokat hin.
„Ohne Zweifel, diese hier eignet sich wohl am allerbesten für Ihr amouröses Vorhaben!“
Der Freiherr ignoriert die Anspielung und überlegt. Goldbrokat ist in der Tat vom Feinsten, nur…
„Ich fürchte, ich muss Ihr Angebot ablehnen, Madame. Für eine solche Kostbarkeit kann ich beim besten Willen nicht die nötigen Mittel aufbringen. Ich müsste mich dafür zu Staube arbeiten!“
„Aber, aber, Freiherr! Ich bitte Sie. Ein stattlicher Herr wie Sie! Kommen Sie! Wie belieben Sie doch immer zu sagen? Man gönnt sich ja sonst nichts im Tode? Und da haben Sie auch völlig recht! Probieren Sie sie an! Ich könnte mir niemanden vorstellen, dem dies edle Stück besser stünde als Ihnen!“
Der Freiherr zögert. Die Verlockung ist groß. Er nimmt die Fliege, bindet sie geschickt um seine frisch gebleichten Halswirbel und betrachtet sich wohlwollend in einem fleckigen Spiegel. Die Grabkammer der Flickmamsell ist noch heruntergekommener als die seine. Verfügt der Freiherr immerhin noch über ein paar alte Gobelins und Gardinen, um die bemoosten Wände wenigstens teilweise abzudecken, so herrscht bei der Flickmamsell gähnende, modrige Leere. Bis auf eine kleine Truhe zum Aufbewahren der gesammelten Lumpen und eben jenen Spiegel besitzt sie gar nichts mehr.
„Oh, sehen Sie? Sehen Sie? Was habe ich Ihnen gesagt?“, frohlockt sie.
„Nun. So betrachtet… Ich glaube, ich nehme sie doch. Was verlangen Sie, Madame?“
„Och, nur eine Kleinigkeit. Sie überlassen mir ihre alte Fliege und ihr Sargkissen, dann sind wir quitt!“
„Wie bitte? Sie wollen nicht mehr als ein verschimmeltes Sargkissen und ein verrottetes Stück Stoff?“ Der Freiherr fällt aus allen Wolken.
„Sehen Sie, mein Herr. Ich habe mich längst daran gewöhnt, mit Lumpen abgespeist zu werden. Doch ich bin eine bescheidene Tote und begnüge mich mit dem Anblick all der vielen schönen Skelette, die ich mit Hilfe meiner Geschicklichkeit einkleiden darf.“
Der Freiherr verspürt plötzlich Mitleid mit dieser erbärmlichen Gestalt. Er verbeugt sich tief, schwört sich in Gedanken, die gute Mamsell nie wieder lästerliches Weib zu schimpfen und macht sich samt goldener Fliege auf den Weg zur Krypta.

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Die effenbergsche Krypta betritt man durch ein prachtvoll verziertes Tor aus Schmiedeeisen und Glas, um in einem kleinen oberirdischen Vorraum erst einmal die Namen sämtlicher verstorbener Effenbergs, auch derer, die woanders begraben sind, präsentiert zu bekommen: In Goldschrift sind sie in die Wand gemeißelt und für die Ewigkeit festgehalten. Eine lange, gewundene Steintreppe führt zu den prunkvollen Gemächern der hohen Herrschaften sowie zu den modrigen Grabkammern der Dienstboten.  
Persephone, ihre Eltern und ihr Bruder Friedrich kamen bei einem Schlossbrand in den 1780er Jahren ums Leben. Persephone könnte also gut und gern des Freiherrn Urgroßmutter sein - schließlich liegt ein gutes Jahrhundert zwischen den beiden Sterbedaten. Doch eine solch unbedeutende Nebensächlichkeit wie die Liegezeit zählt im Reich der Toten nicht. Es geht bei amourösen Abenteuern nicht um Jugend, sondern einzig um die Beschaffenheit des Skeletts. Je gepflegter und vollständiger, desto anbetungswürdiger!

In diesem Augenblick ist Persephone eifrig damit beschäftigt, Vorbereitungen für das romantische Tête-à-Tête zu treffen.
„Rose, meinen Schleier, schnell! Er wird gleich da sein!“
„Sehr wohl, Mademoiselle.“
„Du wartest am Portal. Wenn der Freiherr Einlass begehrt, wirst du ihm öffnen. Und du bringst ihn sofort – hörst du? – sofort in mein Grabgemach!“
„Sehr wohl, Mademoiselle.“
Rose knickst und huscht hinaus.
Persephone setzt sich an ihre Spiegelkommode und fängt an, sich für das Stelldichein mit dem Freiherrn zurecht zu machen. Eigentlich ist es ganz angenehm, tot zu sein. Das einzig Schlimme ist, seine Haarpracht lassen zu müssen. Persephone hat sich verschiedene Perücken anfertigen lassen – eine schöner als die andere. Doch als sie Madame Écaille einige davon zeigen wollte, schlug diese entsetzt die Mittelhandknochen über dem Scheitelbein zusammen.
„Mademoiselle! Non!“, rief sie entsetzt. – „Coiffure ist im Totenreich längst nicht mehr en vogue!“
Es habe eine Zeit gegeben, erzählte Madame, da hätten es sich die vornehmen Damen plötzlich in den Kopf gesetzt, sich mit Kunsthaar zu schmücken. Aber dieser modische Faux-pas habe sich glücklicherweise (!) nicht durchsetzen können.
„Die Coiffure, Mademoiselle,“, betonte Madame, „zieht die natürliche Eleganz erhabener weiblicher Skelette ins Lächerliche!“
Seitdem lässt Persephone die Fingerknochen von Perücken. Denn was Geschmack und Stilsicherheit angeht, ist Madame Écailles Meinung Gesetz.
Es klopft an der Tür. Rose tritt ein und meldet den Freiherrn. Persephone fährt hoch, streicht hastig ihr Seidenkleid glatt und nestelt an ihrem blassblauen Spitzenschleier.
„Komm ruhig näher, Liebster!“, haucht sie, weil der Freiherr zögernd in der Tür stehen geblieben ist. Die prunkvolle Ausstattung der Gruft hat den sonst so selbstsicheren Lebemann eingeschüchtert. Marmorböden, vergoldete Kerzenleuchter an den Wänden – ja, sogar Perserteppiche und Seidengobelins konnte er ausmachen, als ihn die Zofe durch einen Irrgarten unterirdischer Gänge und Kammern führte. Er kommt sich plötzlich armselig vor. Daran kann auch die elegante Halswirbelverzierung nichts ändern. „Du lieber Gott!“, denkt der Freiherr. „Worauf habe ich mich eingelassen?“
„So komm doch schon, ich beiße nicht!“, kichert Persephone, die sich an des Freiherrn Sprach- und Hilflosigkeit förmlich weidet.
„Nun – Liebste. Hier bin ich also.“ Er sieht sich in Persephones Grabgemach um. Der Boden ist mit cremeweißen Teppichen ausgelegt, Grabkerzen schimmern hinter orangefarbenen Butzenscheiben, die an den Wänden befestigt sind, so als handle es sich um kleine Fenster, durch die die Abendsonne scheint. Ein prunkvoller schwarz glänzender Sarg nimmt fast die Hälfte des Raumes ein. Darüber ist – anstelle eines Baldachins - die rosa schimmernde Lichterkette drapiert. Direkt vor dem riesigen Sarg befindet sich eine elegante steinerne Bank, auf der genug champagnerfarbene Sargkissen drapiert sind, um das Sitzbein bequem betten zu können.
„Wie findest du sie, Ernesto? Passt sie nicht vortrefflich? Niemand sonst hat rosafarbenes Licht in seiner Grabkammer.“
„Es freut mich, dass sie dir gefällt.“ Der Freiherr hat sein Sprachvermögen wiedererlangt. Zärtlich schmiegt er sein Becken an das ihre, er schlingt seine Arme um ihren Brustkorb und drängt sie sanft zum Sarg hin.
„Aber liebster Ernesto! Benimm dich!“, lacht sie schelmisch und macht sich los. „Dazu haben wir später immer noch genug Zeit.“
Sie setzt sich auf eine steinerne Bank und klopft auffordernd auf das duftige Sargkissen neben sich.
„Weilten wir noch unter den Lebenden, würde ich uns Tee kommen lassen.“, meint sie, nachdem der Freiherr neben ihr Platz genommen hat.
„Nun, für uns Tote gibt es andere Möglichkeiten zu genießen!“ Verschwörerisch neigt sie den hübschen Schädel.
Kurz darauf geht die Tür auf und Rose tritt ein. Sie knickst und stellt ein Tablett mit zwei Flakons aus Bleikristall auf dem Tischchen neben Persephone ab. Beide Flakons sind mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt.
„Du kannst gehen, Rose. Ich brauche dich heute nicht mehr.“
Rose knickst und huscht zur Tür hinaus.
„So, mein Lieber.“ Sie nimmt einen der beiden Flakons und hält ihn dem Freiherrn vor den Gesichtsschädel.
„Mit dieser erlesenen Essenz – es ist ein Geheimrezept meiner Urgroßmutter – reibst du dein Gerüst ein, Beinchen für Beinchen. Es macht die Knochen geschmeidig und verleiht ihnen einen besonders – hm – appetitanregenden Glanz!“ „Appetitanregender Glanz! Wie originell!“, säuselt der Freiherr und beschnuppert die „erlesene Essenz“. „Und was ist in dem anderen Fläschchen?“
„Das verrate ich dir nachher. Nun beeile dich. Wir haben noch viel vor!“
Sie steht auf und verlässt das Gemach.
„Aber, Liebste – was -?“
„Warte auf mich!“, haucht Persephone und weg ist sie.
Der Freiherr lässt die Flüssigkeit in dem Fläschchen kreisen und sinniert über das seltsame Verhalten seiner Geliebten nach. Denkt sie etwa, er betreibe seine tägliche Knochenpflege nicht intensiv genug? Nicht einmal seine neue Fliege hat sie wahrgenommen. Und jetzt lässt sie ihn hier allein. Gleichviel – sie wird schon wissen, was sie tut, denkt er und tunkt einen Fingerknochen in die angenehm duftende Flüssigkeit.

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„Ist alles vorbereitet, mein Kind?“
„Natürlich, Mama!“
„Und ist er wirklich so vollkommen, wie du behauptet hast?“
„Habe ich euch jemals enttäuscht?“, braust Persephone auf. „Er hat noch fast alle Zähne, was selten ist bei diesen Bettlern, die sich in den friedhöflichen Armenkorridoren herumtreiben.“
Die Gräfin schüttelt ihre Gebeine. Ganz geheuer ist ihr das Lumpenpack, wie sie die Armen Seelen zu nennen pflegt, nicht.
„Du hättest Madame Écaille nichts über dein Rendez-vous erzählen soll. Meinst du wirklich, sie wird ihr Gebiss stillhalten?“
„Sie wird schweigen wie ein Urnengrab! Wer will sich schon mit den von Effenbergs anlegen?“
„Nun denn, ich hoffe, dass du Recht behältst!“ Die Gräfin wendet sich an die Diener. „Bringt ihn in den Salon, sobald er fertig ist.“

Inzwischen hat der Freiherr getan wie ihm geheißen. Seine sorgfältig balsamierten Knochen fühlen sich merkwürdig klamm an. Ein Schauer rieselt ihm über die Wirbelsäule, als er sich mit wackligen Gebeinen aus den seidenen Kissen stemmt.
„Persephone?“, ruft er unsicher. – „Liebste?“
Leise wird die Tür geöffnet und Rose huscht herein.
„Pssst! Hier dürfen Sie nicht schreien, Monsieur!“
„Oh, verzeihen Sie, Mademoiselle. Ich wollte.. Wo ist denn…“ Er kommt nicht mehr dazu, seine Frage zu formulieren. Seine Gelenke knacken schauerlich, als sein Gerüst vor Roses Füßen förmlich in sich zusammenfällt.
„Wie ist mir? Hilfe! Ich kann meine Gebeine nicht mehr bewegen.“
„Natürlich nicht, Monsieur. Ihre Gelenke haben Ihnen den Dienst versagt.“, entgegnet Rose gelassen, als gehöre dies zum ganz normalen Ablauf eines Rendezvous mit einer Dame von Rang und Namen.
„Aber, Mademoiselle! Helfen Sie mir!“, kreischt der Freiherr panisch.
Rose wendet sich indes ab und zieht an der Klingelschnur. Als hätten sie nur darauf gewartet, stürmen drei Diener ins Zimmer und greifen nach dem Skelett des Freiherrn. Der Freiherr versucht, sich loszureißen, doch er kann keines seiner Glieder mehr rühren. Rose springt herbei und schüttet dem um Hilfe schreienden Skelett die Flüssigkeit des zweiten Flakons in den weit auseinanderklaffenden Kiefer. Seine Zähne klappern noch ein bisschen. Leiser und leiser. Bis er schließlich ganz verstummt.

„Alles bereit zum großen Soupé?“, ruft Persephone übermütig in die fröhliche Runde, die sich um die Tafel im hell erleuchteten Salon versammelt hat. Die Familie Effenberg kann es sich leisten, mit Kerzen, deren Effekt durch mannshohe, an den Wänden befestigte Spiegel noch verstärkt wird, verschwenderisch umzugehen.
„Ja, ja, ja!“, schallt es vielstimmig zurück.
„Ich brauche ein paar neue Zähne.“, murmelt ein breites, männliches Skelett, das nonchalant in einem gemütlich anmutenden Ohrensessel thront.
„Still, Friedrich!“, mahnt die Gräfin. „Diesmal ist Großpapa an der Reihe. Du siehst ja, dass er kaum noch sprechen kann.“
Wie zur Bestätigung nuschelt der uralte Graf ein paar unverständliche Worte, wobei sein grau verfärbter Schädel bedenklich auf dem obersten Halswirbel hin und her wackelt.
„Och!“, seufzt das breite Skelett. – „Denkt denn niemand an meine anstehende Verlobung mit Francoise? Soll sie vielleicht einen Krüppel heiraten, Mutter?“
„Dummer Junge!“, ärgert sich die Gräfin. „Was bist du doch für ein eitler Geck!“
Der Graf springt seiner besseren Hälfte bei. „Wie lautet die oberste Regel? Na, Persephone?“
„Sie lautet: Zuerst das Notwendige, dann das Gewünschte!“
„Sehr gut, meine Tochter! Und das bedeutet für dich, dass du nun einen perfekt sitzenden Unterkiefer bekommen wirst.“
„Oh danke, Vater! Vielen, vielen Dank! Wie lange, ach wie lange habe ich darauf gewartet, endlich diesen leidigen Schleier von mir werfen zu können!“
„Ja, mein Kind. Bald wirst du in neuer Schönheit erstrahlen!“, ruft die Gräfin erleichtert. „Ich hatte ja schon Angst, dass du für immer, nun ja, du weißt, der junge Herr drüben in der herzöglichen Gruft…“
„Mutter! Das haben wir doch alles schon besprochen!“, fällt Persephone der Gräfin unwirsch ins Wort.
„Das ist ja alles schön und gut.“, meldet sich Friedrich wieder zu Wort. – „Aber wo ist er? Ich möchte endlich anfangen. Zwei Rippen sind mir versprochen worden und die werde ich mir nehmen. Gleichviel“ - er wirft einen scheelen Blick auf den Großpapa – „welche Ansprüche irgend jemand sonst erhebt!“
„Was haben wir nur falsch gemacht, dass du, unser einziger Sohn, so habgierig und selbstsüchtig geworden bist! Mon Dieu!“, jammert der Graf.
„Schafft ihn herein!“, befiehlt die Gräfin ungeduldig.
Die drei Diener tragen den leblosen Freiherrn in den Salon und legen ihn auf die Tafel. Kaum, dass sie sich wieder entfernt haben, trippeln ein paar Zofen ins Zimmer und fangen an, das Skelett des entsetzten, aber fast sprechunfähigen Freiherrn auf der langen Tafel zu arrangieren, als richteten sie ein kaltes Buffet für eine Partygesellschaft an. Die Gräfin geht langsam um die geschäftigen Zofen herum und beäugt das Zeremoniell kritisch.
„Wo ist der Flakon? Hast du ihn nicht mitgebracht, Rose?“
„Vergebung, Madame! Ich musste seinen Redestrom bereits im Grabgemach des gnädigen Fräuleins unterbinden!“ „Das war nicht klug von dir, Rose!“, tadelt die Gräfin mit knirschenden Zähnen. „Du weißt, dass uns dadurch ein großer Teil des Amusements entgeht?“
Schuldbewusst senkt Rose den Schädel. Die Gräfin wendet sich ab.
„Gut denn - das genügt. Ihr könnt gehen!“, sagt sie nach Abschluss ihrer Begutachtung.
Die Zofen knicksen und entfernen sich im Rückwärtsgang. Persephone tritt als Erste an die Tafel. Sie betrachtet ihren Ernesto beinahe liebevoll.
„Ja, mein Liebster!“, seufzt sie. – „Ein wahrhaft schöner Anblick, so wie du da liegst, auf kostbares Tafeltuch gebettet!“
„Per-se-ph-“
„Ach, wie gefällt dir eigentlich der schmucke Teeröschenkranz über deinem Stirnbein? Ich habe mir sehr viel Mühe damit gegeben und er ist nicht schlecht geraten, nicht wahr? Ich möchte meinen, du hast solchen Luxus nicht mehr genossen, seit du dein Leben weggeworfen hast!“
„Liebste, wie konntest -“, bringt der Freiherr mühsam hervor.
„Kränke dich nicht! Du erlebtest heute die beste Nacht deines Totseins! Aber wie du sicher weißt, müssen auch die schönsten Stunden einmal zu Ende gehen.“
Langsam führt sie ihre elfenbeinernen Fingerknöchelchen an ihren Gesichtsschädel. Sie knüpft das Band ihres Spitzenschleiers auf und lässt ihn zu Boden gleiten. Der Freiherr starrt sie an. Seine Gesichtsknochen spiegeln blankes Entsetzen wider.
Persephones Anblick ist schauderhaft. Sie trägt einen künstlichen Unterkiefer, der mit klobigen Eisenstiften in ihren Jochbeinen befestigt ist. Die hölzerne Kieferprothese zerstört in ihrer ganzen Derbheit die Konturen ihres Keilbeins und verzerrt das einst hübsche Antlitz zu einer grotesken Fratze.
Persephone richtet ihre Aufmerksamkeit nun auf die Familie.
„Die Essenz hat ihre Wirkung getan. Die Trennung kann ohne Schwierigkeiten erfolgen. Dennoch – seid vorsichtig. Ich möchte meinen Unterkiefer unbeschädigt wissen!“
„Ich übernehme diese Aufgabe mit Vorliebe für dich, Schwesterlein mein!“, ereifert sich Friedrich und grinst.
„Halt ein, Friedrich!“, ruft die Gräfin. – „Zuerst die Zähne für Großpapa. Lorenzo, hole Heinrich, damit er den Unterkiefer abtrenne. Er ist am geschicktesten, wenn es um solch heikle Feinarbeiten geht.“
Lorenzo läutet nach Heinrich, der vor der Tür gewartet hat, als hätte er geahnt, dass sein Einsatz bald gefordert würde.
Schweigend macht er sich mit Säge, verschiedenen Messern und Feilen an des Freiherrn Gebiss zu schaffen.
„Könnte ich nicht wenigstens die goldene Fliege bekommen? Wenn ich sonst schon leer ausgehe?“ Der große, stämmige Friedrich gebärdet sich wie ein kleines Kind.
„Meinetwegen!“, stimmt der Graf zu. – „Nimm sie dir.“
„Und lasst den Leimkameraden kommen!“, ruft Persephone ungeduldig.
„Liebes Kind, das hat doch bis morgen Zeit! Ich glaube nicht, dass der Leimkamerad noch wach ist. Außerdem – wir müssen als erstes dafür sorgen, dass keine Spuren zurückbleiben.“
„Deine Mutter hat recht! Der Leimkamerad könnte etwas wittern. Misstrauisch wie er nun einmal ist.“
„Also denn – morgen.“ Persephone fügt sich in ihr Schicksal.

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„Natürlich liebe ich dich, Honigmäulchen! Was denkst du denn von mir?“ Der, der alles besorgen kann, wälzt sich umständlich aus Angeliques rot gefüttertem Sarg.
„Du hast eine andere!“, geifert Angelique und hüllt sich in einen schwarzen Umhang. – „Ich habe dich mit ihr gesehen! Mit dieser Gruftschlampe!“
„Also bitte, ja? Persephone ist keine Schlampe! Sie ist eine sehr feine Dame. Schön, reich und…“
„Also doch! Ich wusste es ja! Geh! Geh, ich will dich niemals wiedersehen, du Lump, du Schuft, du elender!“ Angelique schnappt sich den erstbesten Parfümflakon, den sie zu fassen bekommt und wirft ihn nach ihrem Kunden.
„Aber Angelique… Was soll….“ Der Ex-Frischling geht hinter der Kommode in Deckung.
„Gigolo!“ Angelique greift nach ihrer Puderdose und  - der, der alles besorgen kann, schafft es gerade noch, rechtzeitig auszuweichen.
„Du - du…!“  Angelique tastet bereits nach dem nächsten Gegenstand - da hechtet er blitzschnell über einen Haufen loser Kleidungsstücke und macht, dass er zur Tür hinauskommt. Mit einer wütenden Angelique ist nicht zu spaßen. Die Delle auf seinem Schlüsselbein zum Beispiel - die hat er ihrem aufbrausenden Temperament zu verdanken.
„Na und?“, denkt er trotzig, als er sich vor der tobenden Halbweltdame in Sicherheit wähnt. „Ich konnte schon als Lebender nicht treu sein. Warum sollte ich es jetzt können? Wo doch ohnehin alles wurscht ist. Ich wäre doch blöd, wenn ich mir diese Gelegenheit entgehen ließe.“
„Persephone!“, ruft der Liebende in die kühle Nacht hinein. „Warte nur, du wirst Augen machen! Einen wie mich hast du noch nie gehabt. Sei froh, dass du diesen Schuft los bist! Überall hat er anschreiben lassen, der feine Freiherr und sich dann klammheimlich aus dem Staub gemacht! Seit Wochen ist er jetzt verschwunden und ich kann mir meine erste Bleiche sonst wohin stecken!“, grummelt der, der alles besorgen kann, vor sich hin. „Der Typ ist doch nur sauer, weil er bei ihr nicht landen konnte. Dieser elende Mistk… - Aua! Mein Knöchel!“
Er reibt sich den gestoßenen Knöchel und sieht zu Boden.
„Schon wieder du!“, zischt er. – „Wie viele von euch abstoßenden Knochenresten kugeln hier eigentlich noch herum? Schwirr ab! Sonst hetz ich dir die Friedhöfliche Strafkommission, oder wie das heißt, an die Halswirbel. „Obwohl – du hast ja keine mehr, hahahaha!“
Mit flehenden Augenhöhlen sieht der Geächtete zu dem, der alles besorgen kann, auf.
„Geh nicht zu ihr!“, will er rufen. – „Du wirst geächtet sein für alle Zeit!“
Aber er bleibt stumm. Er hat nur noch ein paar Zähne und sein Unterkiefer fehlt ganz.
„Na los! Hau ab! Oder glaubst du etwa, du könntest mir mein Date streitig machen?“ Er schnaubt verächtlich, verpasst dem lädierten Schädel einen Tritt ins Scheitelbein und macht sich pfeifend auf den Weg zu seinem Rendezvous.

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Seraiya
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Beitrag10.08.2015 15:16

von Seraiya
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Hallo MarieAnn,

Also ... ok, eine lange Geschichte, die ich nicht einmal bis zur Hälfte geschafft habe, weil ich sie zu langatmig und langweilig fand.

Du wiederholst dich unter anderem sehr oft:
Zitat:
  Ach, es lebe der Tod, denkt das Skelett, während es scheppernd über verwitterte Gräber klettert, durch verwuchertes Gestrüpp kriecht, immer darauf bedacht, keinen seiner noch vorhandenen Knochen zu verlieren. Es sind derer immerhin noch viele, was man beileibe nicht von allen Bewohnern des Friedhofs sagen kann.
Das ist Leben, denkt das Skelett, dessen fahle Knochen mit ungeahnter Gelenkigkeit auf und ab schwingen und dabei gegeneinanderklappern wie Kastagnetten. Gelenke wippen wie geölt in den Pfannen. Auf und nieder. In Anbetracht der vielen Jahre unter feuchter Erde sollte man meinen, dieser sterbliche Überrest müsse längst zu einer klebrig-weichen Masse verklumpt sein und kein einziges Beinchen mehr bewegen können. Doch das Skelett hält sich gut. Das stattliche Gerüst ist  beinahe unversehrt. Fast wie zu Lebzeiten.  

Ich hatte beim ersten Mal verstanden, dass es scheppert und brauchte die Ergänzungen nicht. Sie haben mich gestört. Ein passender Satz zu den Knochen und den Gelenken hätte mir persönlich ausgereicht.

Was mich ebenfalls störte, war das ständige: "denkt das Skelett" Der Leser weiß, wer/was dort denkt.
Hier z.B.:
Zitat:
  Schon wieder der Totengräber, denkt das Skelett, das die dunkle Gestalt sehr schnell identifiziert hat

Das rot markierte könnte komplett raus.

Und anstelle von "das Skelett" könntest du auch hin und wieder "es" verwenden.

Meiner Meinung nach verlierst du dich in den unzähligen Gedanken, aber wirklich passieren tut nichts. Mir ist das einfach viel zu viel. Ich habe irgendwann übersprungen und quer gelesen und trotzdem nicht bis zum Ende durchgehalten.

Die Idee gefiel mir gut. Der Anfang machte mich neugierig und der erste Absatz hat mir gut gefallen. Ich habe dann aber leider vor dem ersten Dialog wieder aufgehört.

Meine Vorschlag wäre gaaaanz viel Kürzen.


LG,
Seraiya


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Gast







Beitrag11.08.2015 14:02

von Gast
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Hallo Marieann,

eigentlich gefällt mir deine unaufgeregte Art zu schreiben. In einem kürzeren Text wäre sicherlich nichts weiter nötig, um den Leser zu erreichen; doch hier, wo die Textmenge größer ist, muss mehr hinzukommen, glaube ich; mehr Abwechslung in der sprachlichen Gestaltung, zumindest aber ein gelegentlicher Wechsel in der Erzählgeschwindigkeit. In seiner jetzigen Form schläfert der Text ein, die Aufmerksamkeit des Lesers kann durch den immergleichen Tonfall nicht gehalten werden?!

Gruß,

Ferdi
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MarieAnn
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Beitrag11.08.2015 14:13
Hallo Seraiya
von MarieAnn
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Erst einmal vielen Dank dafür, dass du meinen Text kommentiert hast! Jedes Feedback ist natürlich hilfreich. Schade, dass du nicht weitergelesen hast.
Was den Stil betrifft, ist es so, dass ich in den letzten, sagen wir - sicher schon - 20 Jahren Einiges dazugelernt habe, was das Schreiben betrifft. Es gibt natürlich Regeln, d.h. bestimmte Strukturen, an die sich z.B. ein Roman oder eine Kurzgeschichte halten sollten, show-don't-tell, Spannungsbogen, etc.
In der "Friedhofsnovelle" hab ich einige dieser Regeln missachtet. Es ging ganz automatisch, ich habe z.B. die Stilform der Ellipse angewendet, Dinge erklärt, die ich eigentlich nicht erklären müsste, usw. Ich habe über ungefähr zwei Seiten lang den Schauplatz dargestellt und das "Leben", wie es die Toten größtenteils unter der Erde führen, also welches System sie sich geschaffen haben - dann beginnt die eigentliche Handlung.

Ich habe für die "Friedhofsnovelle" bereits sehr viel Feedback bekommen - zu ca. 90 % ist es positiv ausgefallen, ein paar andere waren in etwa deiner Meinung. Ich hab natürlich überlegt, ob ich den Anfang vielleicht doch ändern sollte, aber eigentlich will ich nicht.
Kennst du vielleicht "Hunger" von Knut Hamsun? Das Buch wurde Ende des 19. Jahrhunderts verfasst, als der Gesellschaftsroman, zumindest in Skandinavien, vorherrschend war. Hamsuns Geschichte aber hat mit einen Gesellschaftsroman kaum etwas gemein. Die Geschichte löste eine ziemliche Kontroverse aus: Die einen fanden den "Roman" genial und neuartig, die anderen - na ja...
Vielleicht ist es ganz gut, wenn man sich nicht immer an die Regeln hält - das gibt mehr Stoff für Diskussionen!

Jedenfalls danke noch mal für deine Meinung!
Liebe Grüße
MarieAnn Smile
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Stefanie
Reißwolf


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Beitrag11.08.2015 16:56

von Stefanie
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Natürlich ist es immer angenehmer, denjenigen zu glauben, die etwas Nettes posten, aber hilfreicher ist es, denen zuzuhören, die konstruktive Kritik üben.
Das soll nicht bedeuten, dass du zwangsläufig alles Angemerkte ändern solltest, aber auf eine Kritik zu antworten, dass die Geschichte anderen Leuten gefällt und du eh nichts ändern willst, motiviert nicht gerade, sich noch mehr von dir durchzulesen. Warum hast du den Text denn hier eingestellt, wenn du ihn nicht weiter verbessern willst?
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MarieAnn
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Beitrag11.08.2015 17:17

von MarieAnn
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Hallo!
Ich glaub, da hat jemand etwas in den falschen Hals bekommen! Cool
Ich habe lediglich meine eigene Meinung widergegeben und selbstverständlich will ich mich weiterentwickeln - das wollen wir ja alle. Deshalb bin ich ja auch dankbar für jegliche Art von Feedback, was aber nicht bedeutet, dass ich alles gleich umsetzen muss! Außerdem haben die Geschichte erst zwei Leute kommentiert, was noch nicht auf die tatsächliche Qualität schließen lässt.
Diesen Text habe ich schon einige Male überarbeitet und veröffentlicht und wie gesagt - ziemlich gutes Feedback bekommen (nicht von Freunden, sondern von Fremden). Deshalb bin ich ja auch gespannt, was noch alles kommt!
Liebe Grüße
Marie Smile
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Catalano
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Alter: 40
Beiträge: 136



C
Beitrag11.08.2015 18:00

von Catalano
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Hallo MarieAnn,

wo hast du denn diese Geschichte schon veröffentlicht?

Ansonsten, ich kann gut verstehen, wenn du die Geschichte nicht nochmal überarbeiten möchtest. Meine Kurzgeschichten überarbeite ich auch kaum mehr, die ich hier in meinen Thread gestellt habe. Dennoch will ich wissen, was gefallen hat, und was nicht, oder was zu verbessern wäre.

Allerdings wäre das Unterforum "Feedback" dann doch besser geeignet.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich auch nur den ersten Teil deiner Story gelesen habe. Schreiben kannst du gut, aber die Story war auch für mich ein wenig langweilig. Der Humor ist so ein wenig wie gewollt, und nicht richtig gekonnt.
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Seraiya
Geschlecht:weiblichMondsüchtig


Beiträge: 924



Beitrag11.08.2015 18:52

von Seraiya
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Hallo MarieAnn,

ich gehöre dann wohl zu den "paar anderen". Das macht nichts. smile

Ich habe es übrigens nochmal versucht und bin bei dem ersten Dialog wieder eingestiegen, musste es dann aber leider wieder aufgeben.

Zitat:
   Hoch erhobenen Hauptes schreitet der Freiherr am Geächteten vorbei.
„Bleib weg von ihr! Bleib weg von ihr! Bleib weg von ihr!“
„Was redest du da? Halt dein geschwätziges Gebiss!“ Der Freiherr wendet sich verächtlich ab.
„Bleib weg von ihr! Bleib weg von ihr!“
„Nun langt’s mir aber!“ Der Freiherr dreht sich um und verpasst dem schmutzigen Schädel einen Tritt in die wild klappernden Kiefer. Dabei bricht ihm ein Zehenglied ab.
„Du unseliger -“ Der Freiherr ist außer sich. Heftig klappern seine Kiefer eine Reihe vulgärer Flüche herunter. Jetzt bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Friedhöfliche Leimstelle aufzusuchen. Jetzt! Um fünf Uhr morgens, wo er sich doch gerade zur Ruhe betten wollte.
Der schmutzige Schädel, auf dem Jochbein zu liegen gekommen, zischt und keucht weiter.
„Sie ist eine Bestie! Ein Ungeheuer! Bleib weg von ihr!<- das ist mittlerweile mehr als deutlich
„Achhhhhh!“, zischt der Freiherr zurück und zeigt dem Geächteten den gut erhaltenen knöchernen Mittelfinger.
Er dreht sich abrupt um, lässt den im Kreis kullernden Moosschädel weiterkreischen und macht sich schleunigst auf den Weg zur Friedhöflichen Leimstelle. Er hat Glück. Der Leimkamerad ist noch da. In seiner Kammer, abseits der Armengräber, stinkt es erbärmlich nach kalt gewordenem Knochenleim. Wöchentlich werden von der Fundstelle alle übrig gebliebenen Knöchelchen zur Leimverarbeitung hier abgegeben. Der Freiherr lässt sich vom schweigsamen Leimkameraden das abgeknapste Zehenglied wieder montieren.
„Vorsicht beim Auftreten.“, knirscht der Leimkamerad, als der Freiherr die übel riechende Örtlichkeit verlässt.
Der Freiherr schlendert gemächlich an der efeuberankten Friedhofsmauer entlang und beschließt, sich demnächst eine frische Bleiche zu genehmigen. Die Aussicht, sein Gerüst in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, stimmt ihn gleich wieder fröhlich. Seine Eitelkeit würde ihn ganze zwei Stunden Mooskratzen kosten. Gleichviel, man gönnt sich ja sonst nichts im Tode. Der Freiherr hasst Mooskratzen. Wie oft hat er schon versucht, Madame Marie Écaille, wie sie sich zu nennen pflegt, zu einer anderen Zahlungsmodalität zu überreden. Aber die alte Schreckschraube, deren wasserstoffgebleichte Gebeine schon ans Vulgäre grenzen, lässt nicht mit sich reden. - Wie Madame Écaille in Wahrheit heißt, ist übrigens kaum jemandem bekannt. Ihr Grabstein ist mittlerweile so verwittert, dass sich die Inschrift nicht mehr entziffern lässt. Man munkelt, Madame habe sogar ein wenig nachgeholfen, damit ihr - vermutlich banaler, bürgerlicher Name - beizeiten in Vergessenheit geriete…
Jedenfalls ist es Madame ein Bedürfnis, in einer moosfreien Grabstätte zu residieren. Die wohlhabenden Kryptianer stehen über solchen Dingen – sie lassen ihr Personal für sich bezahlen. Die Leimung würde der Freiherr auch noch abdienen müssen. Wenigstens lässt der Leimkamerad mit sich handeln. Weil er den nasalzischelnden Freiherrn in sein längst verrottetes Herz geschlossen hat. Die Götter allein wissen warum.
Da – ein Rascheln hinter den Büschen.<- nicht wirklich erschreckend Der Freiherr zuckt zusammen. Was war das? Ein Tier? Er blickt verwirrt um sich.
Es raschelt wieder. Das kann kein Tier sein! Wie ein Blitz durchzuckt ihn die Erinnerung an das Knistern der gebauschten Seidenkleider gewisser Halbweltsdamen, die zu seinen Lebenszeiten über die Hintertreppe zu ihm hinauf ins Schlafgemach gehuscht waren… Ach, süße Erinnerung, du bist alles, was mir geblieben ist, denkt der Verblichene und stößt einen Schrei aus. Vor ihm steht die schöne Elfenbeinfarbene. Ihre zarten Gebeine sind in schimmernde Seide gehüllt, ein Spitzenschleier verdeckt ihre freundlich klappernden Zähne.   


Vermutlich ist das hier in diesem Text dann einfach dein Stil. Aber für mich sind das zu oft dieselben Wörter. Wie oft das Wort "Leim" in versch. Zusammenhängen vorkam, hab ich mir gespart.
Ich denke, ich gehöre nicht zu deiner Zielgruppe, denn ich finde es weder lustig noch in irgendeiner Weise spannend oder abwechslungsreich formuliert.

Zitat:
  Kennst du vielleicht "Hunger" von Knut Hamsun? Das Buch wurde Ende des 19. Jahrhunderts verfasst, als der Gesellschaftsroman, zumindest in Skandinavien, vorherrschend war. Hamsuns Geschichte aber hat mit einen Gesellschaftsroman kaum etwas gemein. Die Geschichte löste eine ziemliche Kontroverse aus: Die einen fanden den "Roman" genial und neuartig, die anderen - na ja...
Vielleicht ist es ganz gut, wenn man sich nicht immer an die Regeln hält - das gibt mehr Stoff für Diskussionen!   

Diesen Hinweis an mich finde ich btw überflüssig. Mir ist vollkommen bewusst, dass Geschmäcker verschieden sind und ich sage niemandem, wie er seine Geschichten zu schreiben hat. Für mich hört sich das so an, als hättest du mich mit etwas noch nie Dagewesenem überrollt und mein Hirn wäre zu festgefahren, um das Feuerwerk zu erfassen.


Viel Erfolg noch! smile


LG,
Seraiya


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nebenfluss
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Beiträge: 5982
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Beitrag11.08.2015 21:50

von nebenfluss
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Hallo MarieAnn
und willkommen im dsfo.

Ich sage leider auch nichts Konstruktives zu deinem Text, da ich ihn wegen der schieren Textmenge nicht gelesen habe. Er hat über 9000 Wörter und übertrifft damit die empfohlene Anzahl um ein Vielfaches.
Siehe dazu die Regeln (hier im Einstand, gelten genauso später in Werkstatt und Feedback):
http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=44515
Zitat:

3. Lange Texte können abschreckend wirken, wenn sie den Leser nicht schlagartig mitreißen. Denkt an die Bücher, die ihr aufschlagt, wenn ihr in einer Buchhandlung stöbert. Schon der erste Satz kann dafür verantwortlich sein, ob ihr das Buch kauft oder gleich wieder aus der Hand legt. Achtet daher in eurem eigenen Interesse darauf, im Forum nicht zu viel auf einmal zu veröffentlichen. Wir empfehlen einen Umfang von 500 bis 2000 Wörtern


Für längere Texte gibt es die Möglichkeit, erst einen kürzeren Abschnitt einzustellen und bei entsprechendem Interesse die Fortsetzungen nachzuliefern.

LG

EDIT: Ich sehe gerade, es war auf dem Roten Teppich schon drüber gesprochen worden. Ich lass es trotzdem so stehen. Viel Spaß und gutes Eingewöhnen weiterhin!


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SonjaB
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Beitrag12.08.2015 08:39

von SonjaB
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Hallo MarieAnn,

ich habe ehrlich gesagt auch nur den Anfang gelesen. Der Text war auch mir zu lange.

Im Gegensatz zu den Vorpostern hat es mir eigentlich gut gefallen. Nur die Wiederholung des "denkt das Skelett" hat auch mich genervt, teilweise fand ich auch einige Bandwurmsätze sehr kompliziert. Wenn ich gegen Ende des Satzes nicht mehr weiß, was ich zu Beginn gelesen habe, dann ist das nicht sehr gut.

Ansonsten fand ich die Atmosphäre gut beschrieben und die Stimmung hast du auch transportiert.

Anstatt denken kann man auch mal schreiben überlegen oder geht ihm durch den Kopf oder so was. Oder einfach direkt reinschreiben, so bringst du die Gedanken und Gefühle des Skeletts auch näher an den Leser heran.

Ach so, und dafür, dass du einen eher blumigen Schreibstil hast (was jetzt nicht eine negative Kritik ist, sondern eine neutrale Feststellung), fand ich die Dialoge ziemlich grob behandelt. Vielleicht wäre es in sich konsistenter, wenn du die ausführliche Beschreibung des Friedhofs und des Innenlebens des Skeletts eher mit den Dialogszenen vermischt hättest. So wäre die Einführung etwas spannender, die Dialoge nicht so abgehetzt.

Aber ansonsten fand ich den Text gut und ich finde, man merkt dir an, dass du schreiben kannst.

Gruß, Sonja.
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MarieAnn
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Beitrag12.08.2015 10:26

von MarieAnn
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Hallo Sonja,
danke für deinen Kommentar! Schön, so viel Feedback zu bekommen. Vielleicht überlege ich mir den Anfang noch mal!
Liebe Grüße
MarieAnn
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MarieAnn
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Beitrag12.08.2015 10:31

von MarieAnn
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Hallo Seraiya,
ja, du hast recht - die Geschmäcker sind verschieden - Gott sei Dank! Hab auch erfahren, dass der Text für das Forum ein bisschen zu lang ist. Das hab ich beim Lesen der Regeln leider übersehen!

Was das Buch "Hunger"  betrifft - da wollte ich niemanden belehren. Es ist mir nur zufällig als Beispiel eingefallen, weil mich Hamsuns Geschichte so fasziniert hat, obwohl oder weil sie dem Zeitgeist des 19. Jhdts nicht entsprochen hat. Ist ein echt guter Tipp!
Liebe Grüße
Marie
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Seraiya
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Beiträge: 924



Beitrag12.08.2015 12:33

von Seraiya
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Zitat:
  Was das Buch "Hunger"  betrifft - da wollte ich niemanden belehren


Vergiss es. Hatte nen schlechten Tag. Embarassed Weiterhin gutes Gelingen! smile


LG,
Seraiya


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MarieAnn
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Beitrag12.08.2015 18:13

von MarieAnn
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Hei Seraiya,
macht nix, ich hab öfter schlechte Tage - vor allem jetzt, da es so sauheiß ist! Cool
Man liest sich!
Lg, Marie Smile
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Jack Burns
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Beiträge: 1443



Beitrag15.08.2015 14:21

von Jack Burns
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Hallo MarieAnn,
so wie ich das aus Deinen Kommentaren herauslese, erwartest Du ein Feedback und keine konstruktive Textarbeit.
Ich reihe mich in die zehn Prozent Kritiker ein, denen die Parallelen dieses Textes mit den Werken des Nobelpreisträgers Hamsun entgangen sind. Das könnte daran liegen, dass zum Beispiel "Hunger" eine Aussage hat - im Gegensatz zur "Friedhofsnovelle".
Dieses Phänomen ist mir schon oft begegnet. Autoren verwenden viel Mühe in den Aufbau und vernachlässigen den Inhalt. Exzessiven Gebrauch von Adjektiven und Wiederholungen könnte man als unorthodoxen Stil interpretieren. Und vielleicht hätte mich dieser Stil auch nicht narkotisiert, wenn irgendeine Geschichte damit einherginge.
"Hunger" erzeugt ein intensives Gefühl für das existentielle Leiden des Protagonisten  an den Zwängen der gesellschaftlichen Strukturen aber auch an seinen eigenen fragwürdigen Verhaltensweisen. Ich frage mich, wie ein Exposé der "Friedhofsnovelle" aussähe.
Der vorgebliche Humor bewegt sich auf Grundschülerniveau. Ich habe nichts entdeckt, was nur den Anflug eines Lächelns auf mein Gesicht zaubern könnte. Das erzwungen wirkende Morbide funktioniert genauso wenig, wie das verwendete Klischee des Adels.
Alles zu harmlos und abgedroschen. Daher kindgerecht vom Inhalt her, allerdings viel zu aufgeblasen in der Form, um junge Leser anzusprechen.

Grüße
Martin


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Monster.
How should I feel?
Creatures lie here, looking through the windows.
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MarieAnn
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Alter: 51
Beiträge: 28
Wohnort: St.Pölten, Österreich


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Beitrag19.08.2015 13:23

von MarieAnn
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Hallo Martin,
vielen Dank für deine Anregungen!
Liebe Grüße
Marie
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