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Ein Kind steht auf einem Korbstuhl.


 
 
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odelmann
Schneckenpost


Beiträge: 10



Beitrag15.08.2015 15:25
Ein Kind steht auf einem Korbstuhl.
von odelmann
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ein Kind steht auf einem Korbstuhl. Es schaut durch eine Kamera auf einen toten Mann hinunter.
Der Mann trägt ein hellbeiges Leinenjacket, das er auch immer an seinen Geburtstagen getragen hatte. Er liegt in einem Sarg ohne Deckel. Die rotbraune Holzkiste scheint viel zu flach, um den Mann ganz aufzunehmen. Trotzdem passt er genau hinein. Zugedeckt mit einer weißen Bettdecke, die Hände darüber gefaltet. Die Sargschale auf einem Podest, das mit weißem Samtstoff, wahrscheinlich ein Imitat, bedeckt ist. Der Stoff ist auf dem Boden in ein Wellenmuster drapiert worden.
Um das Podest stehen Kerzen. Zwei davon sind echt, sie flackern auf Kieselsteinen in großen Glasvasen. Die restlichen, drei auf jeder Seite, bestehen aus LED-Birnen, in Wachs eingelassen, orange Stoffstücke, die Flammen nachahmen.
Hinter dem Sarg zwei Tannengewächse.   
Die Leute, die den Unterkiefer des Mannes mit seiner Nasenscheidewand vernäht und seinen Mund zusammengeklebt hatten, konnten nicht wissen, wie sein Mund in lebendigem Zustand ausgesehen hatte. Die Lippen liegen in unnatürlicher Position aufeinander. Die Mundwinkel hängen Richtung Boden. Die Nase, sonst immer eher rundlich und dick, ist jetzt klein und spitz. Die Haut, gelb, schlägt sich neben den Ohren in Falten. In den Adern liegt Formaldehyd.
Der Korbstuhl, auf dem das Kind steht, ist nicht wirklich aus Korbzweigen, sondern aus geflochtenem Plastik.
„Ein letztes Foto!“, hatte die Mutter gesagt. „Mach du das Foto, du bist so leicht, du kannst dich auf den Stuhl stellen.“
Das Kind versucht den Bildausschnitt so zu wählen, dass der Mann ganz zu sehen ist.

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Mogmeier
Geschlecht:männlichGrobspalter

Moderator
Alter: 50
Beiträge: 2677
Wohnort: Reutlingen


Beitrag17.08.2015 21:32

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

So beim ersten Durchlesen wusste ich nicht so genau, wohin damit.
Das Ding wirkte so ziemlich erst im Nachhinein.

Das Begräbnis, ein Event, dass man unbedingt miterlebt und vor allem festgehalten haben muss (in Bild und Ton oder wie auch immer). Schön finde ich darin diesen fast schon zynischen Ton, dass das Kind, das noch nicht alles realisieren bzw. registrieren kann, darauf getrimmt wird, sich diesem Treiben anzuschließen.

Ähm ja, das war jetzt mal nur meine Interpretation, die ich hier am Rande so als ersten Eindruck hinterlege.

EDIT:Und auch die LED Birnen … Ja, man geht halt mit der Zeit.

Ob die Bilder dann auch auf Facebook gepostet werden? Ich denke, schon … Wink



Gerne gelesen!
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nebenfluss
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5982
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
Podcast-Sonderpreis


Beitrag18.08.2015 11:21

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Was nehme ich mit aus diesem Text? Was soll ich mitnehmen?

Den Toten wohl nicht. Das ist ja realistisch dargestellt. Man kann den lebenden Menschen im Tod nicht mehr kennenlernen.

Die Absurdität, ein Kind zum Fotografieren auf einen Korbstuhl zu stellen, wo es kaum in höherer Position sein dürfte als ein erwachsener Mensch? Führt für mich nirgends hin.

Am ehesten mitnehmen kann man vielleicht eine Kritik an dem Dauergeknipse selbst, eine Gesellschaft im Foto- und Abbildwahn, die selbst vor dem Tod nicht haltmacht, nach dem Prinzip: "Ach, schau mal, das ist ja interessant, so sieht er also aus, wenn er ..."
Der Kind-Korbstuhl-Witz ist mir vor dieser Interpretation aber zu überzogen. Es wundert mich, dass er durch den Titel so sehr in den Fokus gerückt wird. Vielleicht gibt es ja eine ganz andere Intention hinter dem Text, die nur nicht meiner Lesart entspricht?
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odelmann
Schneckenpost


Beiträge: 10



Beitrag20.08.2015 17:38

von odelmann
pdf-Datei Antworten mit Zitat

danke für eure antworten!

auf "dauergeknipse" und kritik an neuen medien wollt ich aber eigentlich nicht hinaus. (totenfotografie ist auch nichts neues.)
eher auf die künstlichkeit der situation und dass es unmöglich ist den mensch "ganz aufs bild" zu bekommen, weil er halt nicht mehr wirklich da ist.

höm, dann muss ich wohl doch noch etwas dran schrauben.
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Mogmeier
Geschlecht:männlichGrobspalter

Moderator
Alter: 50
Beiträge: 2677
Wohnort: Reutlingen


Beitrag20.08.2015 17:55

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

ja, diese Künstlichkeit hatte ich auch schon entdeckt, die kam allerdings im Text mehr als Improvisation rüber (auch oder gerade im Zusammenhang mit dem Fotografieren), was mich dann natürlich auf eine falsche Fährte brachte.

LG Mog
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shatgloom
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 372
NaNoWriMo: 27985
Wohnort: ja, gelegentlich


Beitrag20.08.2015 18:07

von shatgloom
Antworten mit Zitat

Beim Lesen des ersten Absatzes dachte ich, ich wäre in einer Bildbeschreibung.
Bis dann die Kerzen flackerten.
Am Ende schien auch für mich der "Knipswahn" der Kernpunkt der Geschichte.
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Maria
Geschlecht:weiblichEvolutionsbremse

Alter: 52
Beiträge: 5998

DSFo-Sponsor Ei 1
Ei 4


Beitrag21.08.2015 15:52

von Maria
Antworten mit Zitat

Hey,

hab ihn jetzt mehrfach gelesen, aber immer nur das Handy zur Hand gehabt, da tippt sichs so schlecht. Je öfter ich ihn also lese, desto ungnädiger werde ich - das tut mir ein wenig leid wink

Die Sätze klingen alle gleich, in ihrer fast exakten Länge liest es sich anfangs noch abgehackt, dann beginnt es aber eintönig zu leiern. Das war der erste Eindruck, nach mehrfachem Lesen hat sich der Effekt dann echt extrem gesteigert.

Inhaltlich gäbe das schon was her, träfe meinen Geschmack, aber die Umsetzung eben nicht. Der Schlußsatz schließt uncharmant, würgt den Text geradezu ab.

Meine Empfehlung wäre eine etwas harmonischere Satzbildung, etwas mehr ... "flow", viiiiel weniger Nacherzählung.

Nix für ungut, nur mein Eindruck
Gruß, maria
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