Rohtext liegen lassen

[Paul_D]

Wie lange lässt ihr einen Text (z. B. einen Roman) nach Abschluss der Rohfassung liegen, bevor ihr euch an die Überarbeitung macht. Ich bin mir nicht sicher, ob drei Monate zu lang dafür sind, aber auf der anderen Seite muss ich genügend Distanz zu meinem Text haben, um kritisch zu mir selbst zu sein. Wie sieht das bei Euch so aus?

[bewusst]

Hi Paul,

meist lasse ich den Text solange liegen, bbis mich die "Sucht" packt, jetzt unbedingt verbessern zu wollen, was meinen Text beim ersten Mal schräg hat werden lassen.
Ansonsten halte ich einen Monat für ausreichend, aber ich vergesse schnell, was ich schreibe (Alzheimerkritzelei?)

[meerenblau]

Ich würd auch so sagen, 1 Monat.

[Willebroer]

Manche Texte müsen gehen und reifen wie ein guter Teig oder Käse. Andere wirken nur durch die frische Zubereitung. Deshalb kann man keine pauschale Antwort geben.

Wenn ich einen kurzen Text fertig habe, kann ich es kaum erwarten, ihn im Stück zu genießen. Aber eine Nacht drüber schlafen ist sinnvoll.

Bei längeren Texten zieht sich das bei mir sowieso durch die Lebensjahre, aber dann bin ich in Gedanken oft dabei.

[Piratin]

Hallo Paul,

das ist bestimmt bei jedem anders. Ich nehme mir manchmal nur ein Kapitel vor und überarbeite schon, während nach hinten raus noch Kapitel fehlen. Außer dem "Liegenlassen" ist bestimmt auch gut, diese Zeit für Testleser zu nutzen, denn vielleicht sind Stellen über die man selbst mit dem eigenen kritischen Blick stolpern würde für Testleser gar nicht existent, weil ihnen z. B. Informationen über die Protas "fehlen", die Du aber kennst (also nicht "fehlen" im Sinne der Geschichte). Es geht also im Kern Deiner Frage wohl auch darum, ob es die Überarbeitung ist, bevor es an Testleser geht oder die Überarbeitung danach. Für die davor, wenn Du nicht schon während des Schreibprozesses daran gefeilt hast, würde ich empfehlen, ein Buch mit ähnlichem Thema und aus dem gleichen Genre zu lesen, was vielleicht laut Rezis nicht so gut ankommt, dann eines, was sehr gut ankommt und danach ... frisch ans eigene Werk.
Viele Grüße
Piratin

[Ylajali]

Ich gehe einen Text ehrlich gesagt meist rasch nach dem Schreiben durch, z.B. schon am nächsten Tag - aber das hat auch damit zu tun, dass ich, wie wahrscheinlich die meisten hier im Forum, einen zeitaufwendigen Erstjob habe und ich schauen muss, wann überhaupt Zeit und Kraft für das Schreiben übrig sind.
Bei mir bewährt hat es sich, den Text zu verschiedenen Zeitpunkten auch nach verschiedenen Gesichtspunkten durchzusehen, z.B. am einen Tag Storyführung, die Dialoge, dann nur der Ausdruck oder die Atmosphäre - nicht, dass ich da so systematisch vorginge - ich mache immer das, was mir gerade als erstes ins Auge springt, oder was so einfach erscheint, dass ich es nach 21.00 Uhr noch machen möchte.