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Gefangen -Eine Kurzgeschichte zum Thema "Gute Seiten, schlechte Seiten"


 
 
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Kaja_Fantasy
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 23
Beiträge: 182
Wohnort: Mein literarisches Wohnflugzeug


Beitrag09.04.2015 21:10
Gefangen -Eine Kurzgeschichte zum Thema "Gute Seiten, schlechte Seiten"
von Kaja_Fantasy
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo!
Nach fast einem Jahr in diesem Forum wollte ich dann mal einen Text hier posten (mir war bis vor kurzem gar nicht aufgefallen gewesen, dass ich das noch nicht getan hatte). Es handelt sich dabei um eine Kurzgeschichte, die ich jüngst bei einem Schreibwettbewerb mit dem Thema "Gute Seiten, schlechte Seiten" eingereicht habe. Natürlich wollte ich sie eigentlich davor schon hier einstellen, aber ich war mir nicht sicher, ob das dann nicht irgendwie geschummelt wäre, also jetzt hier die Geschichte:
Gefangen

Es war eine milde Julinacht, die Luft gefüllt mit Essensgeruch, Lachen und Rufen. Obwohl die Sonne schon untergegangen war, drängten sich in den größeren Straßen die Leute. Nicht so in der schmalen, dunklen Gasse, auf die Damian zumarschierte, welcher sich auf dem Weg zur nicht weit entfernten Dönerbude seines Vaters befand. Die Stirn in Falten gelegt, feilte er an Argumenten für das anstehende Gespräch herum. „Weißt du, mit ihr und mir ist es anders, als mit dir und Mama.“ Nein, das klang nicht gut. Grimmig schritt er aus. Im Grunde stand sein Entschluss ja fest und er würde ihn auch ohne den Segen seines Vaters in die Tat umsetzen, aber doch wäre es ihm lieber, wenn sie beide nicht im Streit auseinandergingen.
In dieser dunklen Gasse nun, auf die der Junge zusteuerte, befanden sich zwei bewaffnete Männer und eine Frau um die dreißig, letztere mit dem Rücken an die Wand gepresst, die Augen ängstlich zwischen der Pistole des einen und dem Messer des anderen hin und her zuckend. „Hört mal“, setzte sie an, wobei ihre Stimme nur leicht zitterte, „ihr kriegt euer Geld, ja? Es gab da nur einen kleinen Engpass bei meinen Geschäften und ich brauche es gerade selber, versteht ihr? Aber wenn ihr mir noch ein paar Wochen Zeit gebt -“ Der größere der beiden hielt ihr das Messer an die Kehle. „Was, wenn wir das Geld aber jetzt haben wollen? Weil es so abgemacht war?“
Damian bog um die Ecke.
„Nenn mir also einen Grund, dich nicht zu töten!“
Der Junge überquerte die Straße, er wollte eine Abkürzung nehmen.
„Nein, versteht doch, ich habe es gerade -“
Damian betrat die Gasse.
„Du hast es gerade wie?“
Damian entdeckte die drei Gestalten und beschleunigte seine Schritte.
„Ich  – halt, da ist wer!“
Der Junge rannte nun.
„Du glaubst doch nicht ehrlich, wir fallen auf diesen alten Trick rein?“
Damian rannte noch schneller.
Der Mann mit der Pistole fuhr herum.
Die Zeit schien stillzustehen.


Ein Stich, ein Schuss.


Dann nichts mehr.

Am Tag darauf.
Ich betrat mein Zimmer und ließ den Rucksack achtlos auf den Boden fallen. Den ganzen Vormittag, seit der Ansprache unserer Klassenlehrerin, hatte ich wie in Trance erlebt. Nun endlich war ich allein und konnte mir über meine Gefühle im Klaren werden. Alles in mir sträubte sich dagegen, aber ich musste den Tatsachen ins Auge sehen: Damian war tot. Die schwarzen, vorne immer leicht hochgegelten Haare, die sanft geschwungene Nase, die warmen braunen Augen, sein Lächeln, all das würde ich nie mehr wiedersehen! Nun endlich brachen die Tränen hervor, die sich die ganzen Stunden über in mir aufgestaut hatten. Schluchzend warf ich mich auf mein Bett und vergrub den Kopf in den Kissen. Eins war nun klar: Ich liebte ihn noch. Diese Erkenntnis half mir nur leider nicht. Im Gegenteil.
Eigentlich hatte ich es gewusst. Mehrfache Träume von ihm, unter anderem, dass wir wieder zusammenkämen, ein Lied mit dem Titel „Find together again“, das mir eines Abends eingefallen war, ein Stich im Herzen, jedes Mal, wenn ich ihn sah… Noch deutlicher ging es kaum.
Nachdem ich einige Minuten still geweint hatte, traf mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag: Ich wollte nicht mehr leben. Was könnte mir je über meinen Schmerz hinweghelfen? Damian war nicht nur tot, ich hatte es auch nicht geschafft, die Jahre, die wir gemeinsam hätten verbringen können, auszunutzen. Ich konnte nie wieder glücklich sein. Ich wollte nicht mehr.
Aber könnte ich, sollte ich…? Die schrecklichsten Möglichkeiten drängten sich mir auf und abermals wurde ich von Heulkrämpfen geschüttelt.
Ich wollte einfach nicht mehr.
Da ergriff mit einem Mal eine bleierne Müdigkeit von mir Besitz, meine Schluchzer verebbten langsam und ich schlief ein.

Ein sanftes Rauschen. Sonnenstrahlen. Kühle Erde. Eine Barrikade vor mir, aus totem Holz. Ein großer, weißer Stein. Ist da ein Begriff? Bestimmt, aber das alles ist zu flüchtig, um es zu betrachten. Zu schnell zerstört. Das kann nicht das Wichtige im Leben sein. Leben, ja Leben braucht Zeit. Leben liegt hier auch vor, in der Form von vielen kleinen Tierchen, die auf mir krabbeln. Es ist ein schöner Tag. Von Zeit zu Zeit gibt es Lärm, etwas rast an mir vorbei, zu schnell, um es zu erfassen. Es passt nicht in die Natur und ich  habe dadurch das Gefühl zu ersticken. Doch es hält nicht lange an, also ist es wohl in Ordnung. Weiteres Leben taucht auf, es sieht so anders aus, dass es mir völlig fehl am Platz erscheint.  Nein, es passt zu dem weißen Stein. Und es hat besondere Schwingungen, die ich nicht habe, die wohl auch die kleinen Tiere nicht haben. Ob es noch andere gibt, wie es? Vermutlich. Nichts existiert nur einmal. Auch Lebende wie mich gibt es viele. Da sind sogar welche in der Nähe, dort drüben. Fragen sie sich auch, was mit dem Wesen  – wo ist es? Verschwunden. Es war schnell. Schnell. Die Schnellen wäre ein passender Name, so will ich diese Wesen benennen, sollte ich noch welche entdecken. Wieder ein stinkender Schemen neben mir. Passend zu den Schnellen. Ja, das ergibt Sinn, wenn die Schnellen, die Lauten sage ich jetzt mal, und der Stein zusammengehören. Aber die Lauten leben nicht. Der Stein lebt auch nicht. Die Schnellen leben. Wie das wohl zusammenhängt? Eigentlich spielt es keine Rolle, aber doch finde ich es merkwürdig interessant. Es ist kühler geworden und dunkler. Auch schön. Der Himmel wirkt kurz farbig, dann ist die Sonne nicht mehr da, was etwas in mir verändert. Mit mir und der Luft. Oder auch nur mit mir. Ich nehme etwas anderes aus der Luft und gebe auch etwas anderes wieder ab. Das fühlt sich aber nicht besser oder schlechter an als vorher, es ist irgendwie richtig. Natürlich. Ja, es ist natürlich. Nun wird es immer dunkler und kälter, Sterne leuchten auf und der Mond. Schön. Der Mond und die Sterne sind sicher von Bedeutung, sie gab es schon immer. Nein, immer gab es sie auch nicht, aber eine sehr lange Zeit. Sie müssen also von Bedeutung sein. Nachts ist es ein wenig angenehmer in Bezug auf die Lauten, nur selten durchschneiden ihre Lichtkegel die Dunkelheit. Viel mehr andere Tiere sind nun zu hören, kleine und große und zwei Schnelle in der gesamten Nacht. Sie bleiben kurz vor mir und der toten Barrikade stehen, dann gehen sie weiter. Ich glaube, sie kommunizieren miteinander über Geräusche, aber das ist nun wirklich zu schnell, um etwas verstehen zu können.
Irgendwann kommt die Sonne wieder. Die Tage verfliegen. Weitere Schnelle. Weitere Schwingungen. Mir scheint, manche der Schnellen haben mehr davon als andere. Diese sind dann besonders. Besonders. Dann sind das die Besonderen und die anderen die Anderen. Das ist gut, aber was ist das? Eine kleine Besondere, eine sehr kleine. Ich glaube, sie ist noch nicht fertig. Nun ist sie weg. Eine Wachsende. Ja, die Kleinen sind die Wachsenden, die anderen die Fertigen. Und was ist das? Jemand Fertiges, aber trotzdem irgendwie unfertig, mit dem Anderen, der öfter mal hierher kommt. Er besucht dann die Besondere, die in dem großen, weißen Stein zu leben scheint. Ihre Schwingungen sind beide ziemlich gleich, sehr negativ ausgerichtet. Aber ihre Beziehung zueinander ist äußerst schwierig. Einerseits etwas Gutes, oder da war etwas Gutes, aber es scheint zerbrochen zu sein… Oh, wieder diese komische Fertige, ich glaube, sie ist fertig und verwelkt schon, deshalb sieht sie so anders aus. Das ist interessant, so will ich diese Gruppe die Verwelkenden nennen. Nun habe ich wirklich schon viel benannt. Warum interessiere ich  mich eigentlich so für die Schnellen? Sie können schließlich nicht von Bedeutung sein, wozu heißen sie die Schnellen? Andererseits stört es sie ja auch nicht, wenn ich sie beobachte, sie sind viel zu hastig, um die Schwingungen meines Geistes wahrzunehmen. Also will ich damit fortfahren. Wie, ist schon wieder Nacht geworden? Mir scheint, das geht manchmal etwas arg schnell mit Sonne und Mond. Aber gut, dann werden wohl bald die beiden anderen kommen, die immer des Nachts vorbeischauen. Was sie wohl hier wollen? Sie gehören nicht zu der Besonderen, dem Anderen oder der Verwelkenden und ihre Schwingungen sind auf eine völlig andere Art und Weise schlecht.
Da sind sie ja schon. Diesmal haben sie etwas dabei, etwas großes, in einer Art Hülle. Es fühlt sich tot an, wie einige der Tiere, die unter mir begraben liegen, aber gleichzeitig auch wie einer der Schnellen. Ein toter Schneller? Doch da ist noch etwas Merkwürdiges, eine Verbindung zwischen ihm und mir… Sie zerstören die Erde vor mir, mir scharfkantigen Geräten. Schmerz. Sie sollen aufhören! Ich will das nicht! Schmerz, heißer roter Schmerz, der durch meine Adern schießt. Wann wird das enden, wieso scheint der Moment so kurz, doch kaum schmerzt er, dehnt er sich Ewigkeiten? Endlich unterbrechen sie ihre Arbeit. Sie haben nun eine tiefe Grube ausgehoben, klettern heraus und legen den toten Schnellen hinein.
Da ist wirklich eine besondere Verbindung zwischen uns beiden. Er war ein Anderer, dies kann ich gleich erkennen und er ist wichtig. Zwar ist er ein Schneller, aber ich weiß, dass er wichtig ist. Ich muss von nun an versuchen, die Worte der Schnellen zu verstehen, damit ich in Erfahrung bringen kann, wer er ist. Was für einen Sinn das haben soll, weiß ich nicht, aber in mir steckt dieses Verlangen so tief, dass es eine Bedeutung haben muss.
Ich übe Tag für Tag. Das ist so anstrengend, ich muss mich aufs Höchste konzentrieren und darf mich durch nichts ablenken lassen. Aber ich verstehe doch nie etwas, oh, da sind die beiden Schnellen, die immer nachts kommen, ich will versuchen… „Neues… Geld?“ „Nein… Elise… investiert… warten… Mord… dumm…“ Es entgleitet mir wieder und schon sind die beiden verschwunden. Was sie reden, ergibt keinerlei Sinn, es ist so verwirrend. Was ist Geld? Was ist Elise? Was ist Mord? Was ist dumm? Mir scheint, ich habe die nächsten Zusammenkünfte der Schnellen verpasst, aber nun kommt der Andere mit der merkwürdigen Verbindung zu der Besonderen. Er spricht mit der Verwelkenden. „Warum… Streit… Mädchen… zurück…? Soll… doch… denke… jetzt. Bestimmt… mir… reden! Versuche… erinnern… wer… da gewesen… Nacht… so viele“ Abermals entgleiten mir die Worte. Und was ist Streit, was Mädchen? Ich glaube, ich werde nie etwas von dem verstehen, was sie da reden.
Da sind die beiden Anderen wieder. Ist es etwa erneut Nacht geworden? Ja, Dunkelheit überzieht die Landschaft, wie schnell die Zeit vergeht… „Vielleicht… nicht gut… hier… Versteck… unsicher…“ „Warum… beschattet… Streit… Familientragödie“ „Aber… Vater… weiß zu viel… gesehen“ „Glaubst…?  …auch umbringen?“ „Ja.“ Sie entfernen sich. Endlich habe ich es geschafft, ein Gespräch bis zum Ende zu belauschen, auch wenn es nur in Bruchstücken ist. Aber was reden sie da nur? Wieder dieses Wort Streit, aber was ist Familientragödie? Was Vater? Die Sonne kommt wieder. Wo sind die Schnellen? Ich achte nicht mehr auf andere Lebewesen, mich interessieren nur noch sie. Ob das wohl gut ist? Wohl eher nicht, aber da ist die Besondere. Sie hat noch eine weitere Besondere dabei, sie reden. „Seit… Tod… Damian“
Damian! Damian, Damian, Damia-

Oh nein, was, wie, das kann nicht sein, ich bin ein Baum! Ich bin ein Baum! Warum bin ich ein Baum?! Damian, Damian ist immer noch tot, die beiden Typen haben ihn umgebracht und seine Leiche liegt unter meinen Füßen, nein Wurzeln! Das ist irgendwie  – nun ja, ich werde sie jedenfalls eigenhändig vor Gericht stellen und -  verdammt, ich kann sie nicht vor Gericht stellen, weil ich verflucht noch mal ein Baum bin! Ein Baum! Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was ist nur passiert? Da war was, warum haben die Typen Damians Leiche hier vergraben? Warum nicht woanders? Irgendein Versteck ist zu unsicher geworden… Und sie haben über einen Streit, eine Familientragödie geredet… Wollen sie etwa den Leuten weismachen, Damians Eltern hätten ihren eigenen Sohn  umgebracht? Das klappt doch nie im Leben! Und um was für einen Streit geht es? Von Damian mit seinen Eltern? Oder mit einem Elternteil? Vermutlich eher mit einem, die beiden sind geschieden. Aber woher sollten denn diese Männer davon wissen, wenn es so wäre? Halt, meinte nicht der eine Typ, er hat jemanden beschattet, vielleicht Damians Vater  – ja, das passt! Auch er hat seiner Mutter-?- gegenüber von einem Streit gesprochen, irgendwas mit einem Mädchen und zurück.
Moment, was wenn ich dieses Mädchen bin? Was, wenn er mich zurückwollte?! Und er sich darüber mit seinem Vater gestritten hat?! Und, und, reden, er wollte mit ihm reden und ist dann  - seinen Mördern in die Arme gelaufen.
Nein. Nein!
Dann bin ich schuld an seinem Tod, das ertrage ich nicht, das halte ich nicht aus, nein, nein, nein! Wenn ich nur ein bisschen mehr in unsere Beziehung gesteckt hätte, dann hätten wir uns nicht getrennt, dann hätte er sich nicht mit seinem Vater gestritten, hätte nicht noch mal mit ihm reden wollen und wäre jetzt nicht tot!
Es ist alles meine Schuld!
Ich kann nicht mehr, ich kann mich nicht bewegen, kann nicht weinen, ich halte es hier drin nicht aus, ich muss hier raus!
Und dann bringe ich mich um. Warum habe ich das nicht schon an Damians Todestag getan? Dann hätte das Universum oder was auch immer, mich nicht in einen Baum gesteckt! Klar, die gute Seite an der Sache war natürlich, dass ich alles vergessen hatte, aber offenbar hat es ja nicht so richtig funktioniert! Wenn ich mich aber umbringe  – umbringen. Das haben die Männer auch gesagt, da war noch etwas… Damians Vater. Sie wollen Damians Vater umbringen. Weil, wie kann das, natürlich! Damian wollte zu der Dönerbude seines Vaters, und der versucht sich nun zu erinnern, wen er an diesem Abend alles gesehen hat. Die Typen scheinen also an der Dönerbude vorbeigegegangen zu sein, wenn sie da jetzt Gefahr vermuten. Bestimmt haben sie Damians Vater weiter beschattet und glauben, dass er irgendwann auf sie kommen wird!
Ich muss das verhindern, irgendwie, das bin ich Damian schuldig!
Ich will wieder ich sein, in meinem Körper!
Verdammt, es funktioniert nicht.
Nein, nein, bitte nicht!
Es ist zwecklos. Ich bin gefangen. Gefangen, für vielleicht hundert Jahre, bis dieser Baum stirbt. Gefangen mit meiner Schuld.
Gefangen mit all den Scheißseiten dieses Baumdaseins.

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nebenfluss
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Beitrag10.04.2015 11:45

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Hallo Kaja,

wenn ich ein einziges Wort für diese Geschichte finden müsste, wäre es:
verwirrend.
So verwirrend, dass ich einfach irgendwann querlesen musste, um nicht ganz doof im Kopf zu werden. Ist nicht böse gemeint, du bist ja schon eine Zeitlang im Forum und weißt, wie das hier läuft.

Vielleicht gucken wir mal, woran es liegt?

Der Plot, so weit ich ihn mitbekommen habe, ist ziemlich krass und hat mich – das ist ein Kompliment – an einer Stelle ziemlich ergriffen.
Da wird ein Junge ermordet, und daraufhin will seine Ex-Freundin sich umbringen, und dabei geht irgendwas schief und sie wird ein Baum (du trägst deinen Nickname nicht umsonst ...) und kriegt irgendwie mit, dass der Ex-Freund unter ihren Wurzeln begraben liegt (das war dann die Erkenntnis, die mich ergriffen hat, ist ja schon eine Horror-Vorstellung). Am Schluss fühlt sie sich schuldig - was mich nicht sehr überzeugt -
1. weil sie sich den Hergang ziemlich abenteuerlich zusammenreimt
2. weil man nie schuldig ist, wenn andere ein Verbrechen begehen.

Du siehst, ziemlich viel irgendwas/irgendwie und indirekte Fragen. Wie gesagt, ich habe gegen Ende nur noch so schlampig drübergelesen, aber das hat ja Gründe.

Zunächst mal: Das ist zwar vielleicht eine kurze Geschichte, aber keine Kurzgeschichte. Nein, ich will hier keinen Deutschunterricht abhalten, aber: Alle Prosa hat ihre eigenen Regeln, und die haben ihren Sinn. Wenn man den verstanden hat, kann man sich gezielt daran machen, ihn zum Teufel zu jagen.

Du mutest dem Leser hier eine ziemlich verrückte Geschichte zu, die er schon von der eigentümlichen Logik her erst mal akzeptieren muss. Um so wichtiger ist es, ihm irgendeine Orientierung zu bieten.

Wie viele Perspektiven hast du drin? Zwei, drei, vier? Die klassische Kurzgeschichte hat genau eine. Bei dir sehe ich erst diese Straßenszene, dann geht’s rein in den Kopf von Damian, dann szs 180 Grad gedreht aus der Sicht dieser beiden Mörder, dann der Mord, und plötzlich ein Ich-Erzähler. Puh! Das kann man alles machen (wenn man es kann), aber nicht in einer Geschichte, wo der Ich-Erzähler dann auch noch zum Baum wird. Das ist einfach zu viel.

Ein zweiter Punkt – ich zitiere mal aus deiner 'Biografie':
Zitat:
Im Kurzfassen bin ich sowieso ganz schlecht.  

Äh … ja. Wie geht noch dieser blöde Spruch: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.
Falls du Lust auf den zweiten Schritt hast, schmeiß mal die Sätze raus, die keine neue Information für den Leser bieten. Auch hier verwirrst du! Indem du deine Prota oft erst darüber rumgrübeln lässt, was sie überhaupt sagen will:
Zitat:
Der Himmel wirkt kurz farbig, dann ist die Sonne nicht mehr da, was etwas in mir verändert. Mit mir und der Luft. Oder auch nur mit mir. Ich nehme etwas anderes aus der Luft und gebe auch etwas anderes wieder ab. Das fühlt sich aber nicht besser oder schlechter an als vorher, es ist irgendwie richtig. Natürlich. Ja, es ist natürlich. Nun wird es immer dunkler und kälter, Sterne leuchten auf und der Mond. Schön. Der Mond und die Sterne sind sicher von Bedeutung, sie gab es schon immer. Nein, immer gab es sie auch nicht, aber eine sehr lange Zeit. Sie müssen also von Bedeutung sein.

Siehst du, was ich meine? Wiederholungen und so "Häh? Was denn nu!"-Stellen. Ich verstehe schon, wie es dazu kommt, man spürt eben beim Schreiben den Dingen nach, bis man zufrieden ist. Das kann man auch erstmal hinschreiben, um den Fluss nicht zu unterbrechen, aber später gehört das alles rausgekürzt, denn dieser Prozess irritiert den Leser nur, oder nervt ihn sogar! Der will doch nicht dasitzen und warten, bis sich deine Prota mal entschieden hat.

Wie gesagt, die Geschichte ist zwar abgedreht, könnte dadurch aber auch interessant und spannend sein, das empfinde ich eher als Pluspunkt. Schau mal, ob du das nicht kürzer hinkriegst, und ob du diesen Anfang überhaupt brauchst, oder gleich in der Ich-Perspektive einsteigen kannst. Ich würde gerne eine Überarbeitung sehen.

LG


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"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
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Ynishii
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Beitrag10.04.2015 13:01

von Ynishii
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Hallo Kaja smile extra

in gewissem Sinne gebe ich Nebenfluss durchaus recht. Eine klassische Kurzgeschichte ist es nicht, weil sie zu viele Handlungsstränge hat. Eine Kurzgeschichte besteht eigentlich nur aus einem.

Ist also eher eine Art Kurzroman (oder so).

Allerdings hab ich zum Rest eine etwas andere Meinung. Als Fantasy-Fan muss ich neidlos zugeben, dass es eine der besten Ideen ist, die ich seit langem gehört oder gelesen habe. smile

Auch die Beschreibung des Lebens als Baum, den verlangsamten Zeitablauf und das Ausatmen von Sauerstoff in der Nacht, finde ich absolut gelungen. Ich hab zwar auch zweimal lesen müssen um alles zu verstehen, glaube aber, dass Du Dir wirklich viel dabei gedacht hast.

Das mich die Komplexität und der Perspektivwechsel nicht so stören, kann daher rühren, dass ich komplexe Geschichten besonders liebe und auch selber oft die Perspektive wechsle, wenn ich eine schreibe. smile

Fazit: Für Fantasy-Leser und auch Mystery oder SciFi-Fans eine wunderbare und absolut lesenswerte Geschichte mit viel Hintergrund.

Auch mich hat die Geschichte berührt und gleichzeitig inspiriert.

Das Einzige, was mir fehlt, ist der Sinn, die Moral oder das große "Warum".

Wieso wurde sie als Baum wiedergeboren? (Eigentlich ist sie ja als erwachsener Baum zurückgekommen)

War das eine Strafe für ihren Selbstmord?  Oder eine neue Chance? Ist es überhaupt ein Selbstmord oder nur ein versuchter?

Die Qualen, die sie erleidet, kann ich durchaus nachvollziehen, vor Allem, weil sie zwar weiß was passieren wird, es aber nicht ändern kann, weil sie ein Baum ist. Das ist aber so traurig, dass ich irgendwie den Hang verspüre ein eigenes Ende zu schreiben.

Dafür ein großes Kompliment, denn diesen Hang hatte ich bis jetzt nur bei "Herr der Ringe" und "Braveheart", zwei Meilensteinen der Filmgeschichte.

LG

Y.


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Verehrt mich nicht an dunklen Orten. Tretet hinaus in die Welt und macht sie bunt. - Arthamos, Gott der Künste (auch »Der Bunte« genannt)

Ich kann beweisen, dass dem Schöpfungsprozess eine gewisse kreative Eigeninitiative innewohnt. - Dr. Aurora Fleming
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Kaja_Fantasy
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Beitrag10.04.2015 22:53

von Kaja_Fantasy
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Hallo nebenfluss und danke für dein Feedback! Ich schreibe mal in blau meine Kommentare rein.
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:

Der Plot, so weit ich ihn mitbekommen habe, ist ziemlich krass und hat mich – das ist ein Kompliment – an einer Stelle ziemlich ergriffen. Danke schön! smile
1. weil sie sich den Hergang ziemlich abenteuerlich zusammenreimt
Ja, das ist wirklich ein Problem, aber das ist eben auch der Grund, warum ich am Anfang Damians Perspektive drinhabe, damit sie sich das dann nicht auch noch dazureimen muss. Denn eigentlich denkt man ja da nicht so über den Tathergang nach. Nur wollte ich halt auch, dass der Leser  Bescheid weiß, wie sich die Sache zugetragen hat. Wenn du da irgendeine Idee hättest , wie man das anders unterbringen könnte, wäre ich sehr dankbar.
2. weil man nie schuldig ist, wenn andere ein Verbrechen begehen.
Aber das ist doch das menschliche Wesen, oder? Entweder ist man so jemand, der sich immer die Schuld gibt (oder oft) oder so jemand, der immer anderen die Schuld gibt und meine Prota gehört eben zu ersterer Sorte. Zumindest habe ich noch nie von jemandem gelesen, der immer sogleich den richtigen Schuldigen erkennt, über alle Zweifel erhaben ist und aber auch niemandem die Schuld geben muss, wenn niemand schuld ist. Gegenbeispiele erwünscht!
Zunächst mal: Das ist zwar vielleicht eine kurze Geschichte, aber keine Kurzgeschichte. Ups. Äh, ja, das ist mir jetzt etwas peinlich. Embarassed Ich dachte immer, eine Kurzgeschichte wäre einfach eine kurze, in sich abgeschlossene Geschichte und ansonsten darf man machen was man will. Ja, also, wieder was gelernt, würd ich mal sagen...
Wie viele Perspektiven hast du drin? Zwei, drei, vier? Die klassische Kurzgeschichte hat genau eine. Bei dir sehe ich erst diese Straßenszene, dann geht’s rein in den Kopf von Damian, dann szs 180 Grad gedreht aus der Sicht dieser beiden Mörder, dann der Mord, und plötzlich ein Ich-Erzähler. Puh! Das kann man alles machen (wenn man es kann), aber nicht in einer Geschichte, wo der Ich-Erzähler dann auch noch zum Baum wird. Das ist einfach zu viel.
Okay, ja, also das am Anfang habe ich auch erst im Nachhinein eingebaut, wie gesagt, wegen den Informationen. Wenn ich die an der Stelle nicht habe, müsste meine Prota entweder als Baum noch mehr mitkriegen oder sich später mehr zusammenreimen, beides etwas schwierig, ich will´s mal in einer neuen Version versuchen, wie gesagt, andere Ideen, die Informationen einzubringen, sind sehr willkommen!
Falls du Lust auf den zweiten Schritt hast, schmeiß mal die Sätze raus, die keine neue Information für den Leser bieten. Auch hier verwirrst du! Indem du deine Prota oft erst darüber rumgrübeln lässt, was sie überhaupt sagen will:
Zitat:
Der Himmel wirkt kurz farbig, dann ist die Sonne nicht mehr da, was etwas in mir verändert. Mit mir und der Luft. Oder auch nur mit mir. Ich nehme etwas anderes aus der Luft und gebe auch etwas anderes wieder ab. Das fühlt sich aber nicht besser oder schlechter an als vorher, es ist irgendwie richtig. Natürlich. Ja, es ist natürlich. Nun wird es immer dunkler und kälter, Sterne leuchten auf und der Mond. Schön. Der Mond und die Sterne sind sicher von Bedeutung, sie gab es schon immer. Nein, immer gab es sie auch nicht, aber eine sehr lange Zeit. Sie müssen also von Bedeutung sein.

Siehst du, was ich meine? Wiederholungen und so "Häh? Was denn nu!"-Stellen. Ich verstehe schon, wie es dazu kommt, man spürt eben beim Schreiben den Dingen nach, bis man zufrieden ist. Das kann man auch erstmal hinschreiben, um den Fluss nicht zu unterbrechen, aber später gehört das alles rausgekürzt, denn dieser Prozess irritiert den Leser nur, oder nervt ihn sogar! Der will doch nicht dasitzen und warten, bis sich deine Prota mal entschieden hat.
Also das hatte für mich jetzt zum Wesen des Baumes dazugehört: Alles ganz langsam, über alles erst mal etwas nachdenken, keine vorschnellen Entscheidungen, usw.
Da guck ich erst mal, was andere noch dazu sagen und ändere das dann vielleicht entsprechend.


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Kaja_Fantasy
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Beitrag10.04.2015 23:01

von Kaja_Fantasy
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Hallo Ynishii, auch dir vielen Dank für dein Feedback!
Ynishii hat Folgendes geschrieben:


Allerdings hab ich zum Rest eine etwas andere Meinung. Als Fantasy-Fan muss ich neidlos zugeben, dass es eine der besten Ideen ist, die ich seit langem gehört oder gelesen habe. smile
Wow, vielen, vielen Dank! smile
Auch die Beschreibung des Lebens als Baum, den verlangsamten Zeitablauf und das Ausatmen von Sauerstoff in der Nacht, finde ich absolut gelungen. Ich hab zwar auch zweimal lesen müssen um alles zu verstehen, glaube aber, dass Du Dir wirklich viel dabei gedacht hast.


Das mich die Komplexität und der Perspektivwechsel nicht so stören, kann daher rühren, dass ich komplexe Geschichten besonders liebe und auch selber oft die Perspektive wechsle, wenn ich eine schreibe. smile

Fazit: Für Fantasy-Leser und auch Mystery oder SciFi-Fans eine wunderbare und absolut lesenswerte Geschichte mit viel Hintergrund.

Auch mich hat die Geschichte berührt und gleichzeitig inspiriert.

Das Einzige, was mir fehlt, ist der Sinn, die Moral oder das große "Warum".

Wieso wurde sie als Baum wiedergeboren? (Eigentlich ist sie ja als erwachsener Baum zurückgekommen)

War das eine Strafe für ihren Selbstmord?  Oder eine neue Chance? Ist es überhaupt ein Selbstmord oder nur ein versuchter?
Tja, das war eigentlich so: Sie wünscht sich weg, quasi weg von sich selbst -und kommt dafür in eine andere Gestalt, "einfach" so.
Denn die Idee für die Geschichte hatte ich, als ich auf dem Nachhauseweg an, ja, an einem Baum eben, vorbeifuhr und mir so dachte: "Wie wäre es wohl, ein Baum zu sein?" Da ich noch nach Ideen für bereits genannten Schreibwettbewerb suchte, war die Grundidee also: Gute und schlechte Seiten eines Baum-Daseins. Aber nur aus der Sicht eines Baumes schreiben ist ja auch langweilig, also habe ich eben jemanden in einen Baum verwandelt.
Und an Suizid hat sie eigentlich nur gedacht, zuerst, sich dann halt weg gewünscht, wurde quasi vom Universum erhört und dann in den Baum befördert.
Die Stelle könnte ich vielleicht noch etwas deutlicher schreiben.
Aber Achtung, genau lesen: Zum Schluss steht in Bezug auf Suizid "Warum habe ich das nicht schon an Damians Todestag getan?", demnach kann sie sich ja nicht umgebracht haben. Na gut, sie könnte sich umgebracht haben, ohne sich daran zu erinnern, aber den Rest weiß sie ja auch wieder, demnach wäre das nicht wirklich logisch (auch wenn "logisch" jetzt vielleicht nicht das Wort ist, mit dem man die Story ansonsten beschreiben würde).


Die Qualen, die sie erleidet, kann ich durchaus nachvollziehen, vor Allem, weil sie zwar weiß was passieren wird, es aber nicht ändern kann, weil sie ein Baum ist. Das ist aber so traurig, dass ich irgendwie den Hang verspüre ein eigenes Ende zu schreiben.

Dafür ein großes Kompliment, denn diesen Hang hatte ich bis jetzt nur bei "Herr der Ringe" und "Braveheart", zwei Meilensteinen der Filmgeschichte.

LG

Y.
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Ynishii
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Wohnort: Erde


Beitrag17.04.2015 12:15

von Ynishii
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OK, jetzt hab ich es verstanden smile extra

Wer lesen kann ist klar im Vorteil.

In meinem Kopf hatte für kurze Zeit nur die Vorstellung gespukt, dass sie sich tatsächlich umgebracht hat und zur Strafe in einen Baum versetzt wurde, was sich aber später gar nicht als Strafe, sondern als Geschenk entpuppte, weil die Ruhe und der Frieden als Baum sie dazu bringt, das Leben und auch den Tod aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Sie wäre dann möglicherweise in der Lage gewesen, die Existenz nicht als vergänglich und qualvoll, sondern als Abfolge von vielen Leben zu betrachten, die einer Seele die Möglichkeit geben, die Welt in allen Facetten wahrzunehmen. So dass es am Ende gar nicht wichtig ist ob wir leben oder sterben, sondern nur Bedeutung besitzt, dass wir im Einklang mit dem Universum existieren.

Weiß nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin Question

Am Ende hätte dann ihr Geliebter auch als Baum wiedergeboren werden können und direkt neben ihr stehen (ein bisschen kitschig aber warum nicht?) Und da kann man sich ja noch viel mehr ausdenken (*verträumt guck*)

Das beweist, dass Deine Geschichte inspirierend ist. smile extra Ich finde sie absolut wunderbar.

Liebe Grüße

Y.


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Ich kann beweisen, dass dem Schöpfungsprozess eine gewisse kreative Eigeninitiative innewohnt. - Dr. Aurora Fleming
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Jack Burns
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Beitrag19.04.2015 01:01

von Jack Burns
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Hallo Kaja,

Ich hatte schon schon mal rein gelesen, aber in der Mitte wurde es mir zu anstrengend. Heute hab ich es geschafft und ich bin hin- und hergerissen.
Es scheint mir, Du hattest nicht den Mut, zu kürzen. Das würde der Geschichte im Mittelteil gut tun. Die Beschreibung der Welt aus Baum-Perspektive ist eine kreative Idee, wenn nicht gar experimentell im Ansatz. Aber dann verquatschst Du den entsprechenden Absatz.

Irgendwie springt der Stil während der Geschichte extrem zwischen effekthascherisch (Anfang und Ende) und ernsthaft in die Tiefe gehend (Der Wechsel in den Baum Zustand).

Der Tod des Jungen erscheint mir reißerisch und auch etwas unglaubwürdig (wieso rennt er bewaffneten Bösewichten entgegen?). Das Prinzip des Spannungsaufbaus durch schnelle Perspektivenwechsel hast Du an dieser Stelle passend eingesetzt aber nicht ganz nachvollziehbar im Detail gestaltet.
Dann jedoch blitzt ein Diamant in dieser Geschichte auf: Die Schock-Starre des Mädchens, das schnell weiterlaufende Leben um sie herum, wird durch die Verwandlung in einen Baum versinnbildlicht. Das ist eine Hammer-Idee und hat Potential für preisgekrönte Fantasy. Leider ist diese Phase, wie gesagt, etwas verwirrend konstruiert. Vielleicht wolltest Du es nach laanger expressiver Beschreibung, beim Leser als Überraschung ankommen lassen? Finde ich nicht gut, die Herangehensweise.
Aber was ich richtig schade finde, ist der Wechsel in eine schnöde Action-Krimi-Irgendwas-Szene zum Schluss. Das erinnert mich an solche Ghost Stories, vor allem in TV und Video, wo die hilflosen Seelen der Ermordeten weiterhin die Welt der Lebenden beobachten und versuchen ihre Mörder zu stellen.
Gäähn!

Mein Vorschlag: Überlege dir und entscheide dich, was genau du darstellen willst: eine 0815-Fantasy-Krimi Story oder eine fantasievolle Beschreibung des Seelenzustands einer Trauernden.

Schönen Gruß
Martin


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Jessi14040
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Beitrag25.04.2015 19:22

von Jessi14040
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Hey Kaja,
ich hatte dir ja schon Donnerstag (oder war es irgendwann in der Schule?) was zu deiner Geschichte gesagt, möchte aber noch mal genauer darauf eingehen.

Du weißt, dass ich deinen Schreibstil mag, hier in der Geschichte gefällt mir besonders dieser Wechsel zwischen Mensch und Baum.
Aufgrund unserer vorherigen Planungen und dem regen Austausch wusste ich bereits, worum es geht, wann du wie schreibst, was zum Schluss  passiert...

Beim Lesen musste ich allerdings feststellen, dass ich trotz meines Vorwissens etwas verwirrt war.
Und wenn ich gar nichts darüber gewusst hätte, wäre es wohl noch schwieriger geworden, deiner Geschichte zu folgen...
Gerade die ersten beiden Szenen mit Damian bzw. seiner Freundin.
Natürlich bemerkt man, dass die Perspektive geändert wurde, was du getan hast, um die Vorgeschichte zu erklären, es wirkt trotzdem etwas abrupt.
Vielleicht könntest du einfach alles aus der Perspektive des Mädchens schreiben, dadurch bleibt man bei der selben Person (wenn auch nicht im gleichen Körper...)

Bei deinen Baumszenen schweifst du manchmal zu sehr ab, wiederholst Dinge, etc.
Ja, das machen Bäume wohl so (zumindest gehen wir mal davon aus), dennoch kannst du da viel kürzen.
Das wurde natürlich schon oft genug erwähnt, ich wollte nur anmerken, dass ich mich dieser Meining anschließe... wink

Aber auch bei diesem Schlussteil, wo sie sich so aufregt, kann einiges weg.
Jack Burns verstehe ich hier nicht so ganz, m.M.n. macht gerade dieser Wechsel die Story so interessant.
Dass sie für immer gefangen ist, nun ja, muss da irgendwie sein.
Eine Ghost-Story würde gar nicht erst mit dem Baum-Dasein kommen, Kaja hat einen Ausgleich zwischen ebendiesem und Action gefunden, auch wenn es momentan noch etwas verwirrend geschrieben ist.
Spätestens beim zweiten Lesen sollte es jeden Fantasy-Fan begeistern, sofern man die Story durchblickt hat.
Hier stimme ich Ynishii vollkommen zu (:


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LG Jessi
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Kaja_Fantasy
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Beitrag07.05.2015 22:53

von Kaja_Fantasy
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Ja, danke, dass ihr alle genau gegenteilige Meinungen habt, da weiß ich dann auch ganz genau, was ich verbessern kann.
Nein, ihr könnt ja nichts dafür, finde es jetzt aber trotzdem sehr schwierig. Werde dann wohl im Mittelteil etwas kürzen, ich glaube, da hatte sich ein Großteil für ausgesprochen.
@Ynishii: Auch keine schlechte Idee... Aber wirklich etwas kitschig.
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Kaja_Fantasy
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Beitrag20.05.2015 22:17

von Kaja_Fantasy
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Okay, hier ist dann nochmal der Mittelteil, etwas gekürzt.

Ein sanftes Rauschen. Sonnenstrahlen. Kühle Erde. Eine Barrikade vor mir, aus totem Holz. Ein großer, weißer Stein. Ist da ein Begriff? Bestimmt, aber das alles ist zu flüchtig, um es zu betrachten. Zu schnell zerstört. Das kann nicht das Wichtige im Leben sein. Leben, ja Leben braucht Zeit. Leben liegt hier auch vor, in der Form von vielen kleinen Tierchen, die auf mir krabbeln. Schön. Von Zeit zu Zeit gibt es Lärm, etwas rast an mir vorbei, zu schnell, um es zu erfassen. Es passt nicht in die Natur und ich  habe dadurch das Gefühl zu ersticken. Zum Glück hält es nie lange an. Weiteres Leben taucht auf, es sieht so anders aus, dass es mir völlig fehl am Platz erscheint.  Nein, es passt zu dem weißen Stein. Und zu den stinkenden Schemen, die ab und zu vorbeifahren. Außerdem hat es ganz besondere Schwingungen. Alles hat Schwingungen, aber die sind so stark, so intensiv. Ob es noch andere gibt, wie es? Vermutlich. Nichts existiert nur einmal. Auch Lebende wie mich gibt es viele. Da sind sogar welche in der Nähe, dort drüben. Fragen sie sich auch, was mit dem Wesen  – wo ist es? Verschwunden. Es war schnell. Schnell. Die Schnellen wäre ein passender Name, so will ich diese Wesen benennen, sollte ich noch welche entdecken. Jetzt ist es kühler geworden und dunkler. Nacht. Da sind noch zwei Schnelle. Ihre Schwingungen sind irgendwie… schlecht. Sie bleiben kurz vor mir und der toten Barrikade stehen, dann gehen sie weiter. Ich glaube, sie kommunizieren miteinander über Geräusche, aber das ist nun wirklich zu schnell, um etwas verstehen zu können.
Irgendwann kommt die Sonne wieder. Die Tage verfliegen. Weitere Schnelle. Weitere Schwingungen. Mir scheint, manche der Schnellen haben mehr davon als andere. Diese sind dann besonders. Besonders. Dann sind das die Besonderen und die anderen die Anderen. Das ist gut, aber was ist das? Eine kleine Besondere, eine sehr kleine. Ich glaube, sie ist noch nicht fertig. Nun ist sie weg. Eine Wachsende. Ja, die Kleinen sind die Wachsenden, die anderen die Fertigen. Und was ist das? Jemand Fertiges, aber trotzdem irgendwie unfertig, mit dem Anderen, der öfter mal hierher kommt. Er besucht dann die Besondere, die in dem großen, weißen Stein zu leben scheint. Ihre Schwingungen sind beide ziemlich gleich, sehr negativ ausgerichtet. Aber ihre Beziehung zueinander ist äußerst schwierig. Einerseits etwas Gutes, oder da war etwas Gutes, aber es scheint zerbrochen zu sein… Oh, wieder diese komische Fertige, ich glaube, sie ist fertig und verwelkt schon, deshalb sieht sie so anders aus. Das ist interessant, so will ich diese Gruppe die Verwelkenden nennen. Nun habe ich wirklich schon viel benannt. Warum interessiere ich  mich eigentlich so für die Schnellen? Sie können schließlich nicht von Bedeutung sein. Nichts, was so schnell dahinlebt, kann wichtig sein. Andererseits stört es sie ja auch nicht, wenn ich sie beobachte, sie sind viel zu hastig, um die Schwingungen meines Geistes wahrzunehmen. Also will ich damit fortfahren. Wie, ist schon wieder Nacht geworden? Mir scheint, das geht manchmal etwas arg schnell mit Sonne und Mond. Aber gut, dann werden wohl bald die beiden anderen kommen, die immer des Nachts vorbeischauen. Was sie wohl hier wollen? Sie gehören nicht zu der Besonderen, dem Anderen oder der Verwelkenden und ihre Schwingungen sind auf eine völlig andere Art und Weise schlecht.
Da sind sie ja schon. Diesmal haben sie etwas dabei, etwas großes, in einer Art Hülle. Es fühlt sich tot an, wie einige der Tiere, die unter mir begraben liegen, aber gleichzeitig auch wie einer der Schnellen. Ein toter Schneller? Doch da ist noch etwas Merkwürdiges, eine Verbindung zwischen ihm und mir… Sie zerstören die Erde vor mir, mir scharfkantigen Geräten. Schmerz. Sie sollen aufhören! Ich will das nicht! Schmerz, heißer roter Schmerz, der durch meine Adern schießt. Wann wird das enden, wieso scheint der Moment so kurz, doch kaum schmerzt er, dehnt er sich Ewigkeiten? Endlich unterbrechen sie ihre Arbeit. Sie haben nun eine tiefe Grube ausgehoben, klettern heraus und legen den toten Schnellen hinein.
Da ist wirklich eine besondere Verbindung zwischen uns beiden. Er war ein Anderer, dies kann ich gleich erkennen und er ist wichtig. Zwar ist er ein Schneller, aber ich weiß, dass er wichtig ist. Ich muss von nun an versuchen, die Worte der Schnellen zu verstehen, damit ich in Erfahrung bringen kann, wer er ist. Was für einen Sinn das haben soll, weiß ich nicht, aber in mir steckt dieses Verlangen so tief, dass es eine Bedeutung haben muss.
Ich übe Tag für Tag. Das ist so anstrengend, ich muss mich aufs Höchste konzentrieren und darf mich durch nichts ablenken lassen. Aber ich verstehe doch nie etwas, oh, da sind die beiden Schnellen, die immer nachts kommen, ich will versuchen… „Neues… Geld?“ „Nein… Elise… investiert… warten… Mord… dumm…“ Es entgleitet mir wieder und schon sind die beiden verschwunden. Was sie reden, ergibt keinerlei Sinn, es ist so verwirrend. Was ist Geld? Was ist Elise? Was ist Mord? Was ist dumm? Mir scheint, ich habe die nächsten Zusammenkünfte der Schnellen verpasst, aber nun kommt der Andere mit der merkwürdigen Verbindung zu der Besonderen. Er spricht mit der Verwelkenden. „Warum… Streit… Mädchen… zurück…? Soll… doch… denke… jetzt. Bestimmt… mir… reden! Versuche… erinnern… wer… da gewesen… Nacht… so viele“ Abermals entgleiten mir die Worte. Und was ist Streit, was Mädchen? Ich glaube, ich werde nie etwas von dem verstehen, was sie da reden.
Da sind die beiden Anderen wieder. Ist es etwa erneut Nacht geworden? Ja, Dunkelheit überzieht die Landschaft, wie schnell die Zeit vergeht… „Vielleicht… nicht gut… hier… Versteck… unsicher…“ „Warum… beschattet… Streit… Familientragödie“ „Aber… Vater… weiß zu viel… gesehen“ „Glaubst…?  …auch umbringen?“ „Ja.“ Sie entfernen sich. Endlich habe ich es geschafft, ein Gespräch bis zum Ende zu belauschen, auch wenn es nur in Bruchstücken ist. Aber was reden sie da nur? Wieder dieses Wort Streit, aber was ist Familientragödie? Was Vater? Die Sonne kommt wieder. Wo sind die Schnellen? Ich achte nicht mehr auf andere Lebewesen, mich interessieren nur noch sie. Ob das wohl gut ist? Wohl eher nicht, aber da ist die Besondere. Sie hat noch eine weitere Besondere dabei, sie reden. „Seit… Tod… Damian“
Damian! Damian, Damian, Damia-

Allerdings habe ich noch zwei Fragen: 1. Im Text sind jetzt noch recht viele Kommata, sollte ich vielleicht eher mit Punkten arbeiten? Das würde, denke ich, noch besser zum Baum passen, aber kann man das dann noch gut lesen?
2. Ich habe jetzt noch einige Stellen drin, wo ich etwas von der "Innerer Monolog-Form" abweiche. Stört das? Ich fand´s jetzt beim nochmaligen Lesen etwas komisch und könnte das anders machen, dann würde der Text allerdings wieder etwas länger.
(Mit "Text" meine ich jetzt immer nur den Mittelteil.)
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Kaja_Fantasy
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Beitrag06.08.2015 14:20

von Kaja_Fantasy
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Ne Freundin meinte, man würde Beiträge "nach oben schubsen", also dass sie eher angezeigt werden, indem man noch was schreibt? Mach ich jetzt mal, vielleicht nützt es ja was.

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"Ist das eine Truhe mit Beinen???"
(Aus: "Rincewind der Zauberer", Sammelband, von: Terry Pratchett)

Arthur lolled.
(Aus: "The hitchhiker´s guide to the galaxy", von: Douglas Adams)

Plan E? Was zum Teufel war Plan E?
(Aus: "Lockwood & Co, Die seufzende Wendeltreppe")
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MarieAnn
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M
Beitrag12.08.2015 17:59

von MarieAnn
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Hallo Kaja,
deine Idee finde ich super, den Schreibstil ebenfalls, auch diese Inneren Monologe! Ich würde auch den Mittelteil ein wenig kürzen, aber im Großen und Ganzen sieht man, dass du das Zeug zum Schreiben hast. Ich würde mir aus dem ganzen Feedback das raussuchen, was nach deinem Gefühl eher passt und das Ganze ein bisschen sacken lassen...
Aber wie gesagt - mir hat die Idee sehr, sehr gut gefallen!
 Very Happy Marie
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