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Gesund kriminell


 
 
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Hanz
Schneckenpost
H


Beiträge: 7



H
Beitrag25.06.2015 10:54
Gesund kriminell
von Hanz
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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Heyho

ich habe mal angefangen ein Buch zu schreiben, habe mir eine Idee gemacht, von Anfang bis Ende, und habe nun mein erstes kapitel beendet.
Es sind knapp 3250 Wörter. ob das lang ist, lang genug oder normal weiss ich nicht.
Ich dachte mir ich hau mal die erste Hälfte des Kapitels raus, und schau wie es so ankommt.




Gesund kriminell


1

"Aufstehen", schreit der Wärter und schlägt gegen die Zellentür.
Als könnte man hier vernünftig schlafen, geht es Ben durch den Kopf.  Bisher hat er in diesem etwa 10-Quadratmeter großen Raum, bestehend aus einer verdreckten Toilette, einem genauso verdreckten Waschbecken,einem verrosteten Stuhl, einem genauso verrosteten Tisch, einem Metallbett und einem kleinen Schrank, keine einzige Nacht durchschlafen können.
Auch heute lag er, an die Decke starrend, auf seinem Bett, und war wach bevor der Wärter anfing, in typischer Drill-Instructor-Manier, die Häftlinge zu wecken.
"Essenszeit in dreißig Minuten",fährt Wärter Jansen schreiend fort, und schlägt schon gegen die nächste Zellentür.
"Mein Freund und Helfer", schmunzelt  Ben, steht auf, begibt sich zum Waschbecken, wäscht sich das Gesicht und putzt sich seine Zähne   obwohl sich das Wasser so dreckig anfühlt, wie es das Waschbecken ist   und zieht sich Jogginghose, T-Shirt und Schlappen an.
Nun heisst es, auf´s Frühstück warten.
                                              
##########

Mein Name ist Benjamin Schmidt, aber die meisten nennen mich Ben. Ich bin aufgewachsen in tollen, familiären Verhältnissen. Aufgezogen von einer ehrlichen, offenen und freundlichen Putzfrau, und einem charakterstarken, liebevollen und loyalen Meister der Industrietechnik, in einem Einfamilienhaus, abseits der Stadt.
Es fehlte mir in der Kindheit weder an materiellen Dingen, noch an Liebe und Zuneigung. Ich bekam zu Weihnachten und zu jedem meiner Geburtstage stets was ich mir wünschte. Ich hatte jegliche Art von Konsolen, hatte immer einen coolen, grossen Fernseher,   der logischer Weise auf dem neuesten Stand war   eine leistungsstarke Musikanlage, quasi alles, was einem Jugendlichen wichtig ist, wenn er ein Faible für Elektronische Sachen hat.
Außerdem stand bei uns immer reichlich und gutes Essen auf dem Tisch. Kein Wunder, dass ich damals bei hundersiebzig Zentimetern Körpergröße ganze fünfundachtzig Kilogramm wog. Ich esse aber auch für mein Leben gern muss ich dazusagen. Naja, wenns schmeckt natürlich.
Meine Eltern setzten mich nie unter Druck, waren nie streng mit mir, aber auch nie nachlässig. Auf meinen Zeugnissen mussten nicht nur gute Noten stehen, es durften nur auf garkeinen Fall schlechte darauf sein. Das war meinen Eltern mehr als wichtig. Befinde dich mindestens im oberen Mittelfield, rieten sie mir immer. Dementsprechend zog man mich groß getreu dem Motto: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Somit stellte es nie ein Problem für mich da, die Realschule doch mit guten Noten und dem erweiterten Realschulabschluss zu beenden, ganz im Gegenteil. Hätte ich mich ein wenig angestrengt, und dem Unterricht ein wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen, so hätte ich auch das Gymnasium durchlaufen können. Das sahen nicht nur meine Eltern so, sondern auch meine Lehrer. Ich jedoch war völlig zufrieden, dort wo ich mich aufhielt.
Ich wollte nämlich keine dieser erfolgreichen Rechtsanwälte, anzugtragenden Bänker und karrieregeilen Geschäftsleute werden. Die Mittelschicht schien mir genau richtig. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass ich mich nach Erhalt des Realschulabschlusses spontan dazu entschied, meine Ausbildung, zum Gärtner, zu verwerfen, und lieber mein angespartes Geld auszugeben, und die Zeit zu nutzen um einen Trip durch Europa zu machen. Meine Eltern waren alles andere als erfreut, als ich Ihnen davon erzählte. Ihnen wäre lieber gewesen, ich hätte zuerst meine Ausbildung absolviert, bevor ich durch die Weltgeschichte reise. Mein Entschluss stand jedoch fest. Also schnappte ich mir Papier, Stift und einen Atlas, und stellte eine Route zusammen.Als Reiseziele setzte ich mir Italien, Schweden, Norwegen, Finnland, Frankreich und Grossbritanien.
Der Zeitpunkt schien mir perfekt für solch eine Reise. Ich hatte immerhin grade meine Schulzeit recht erfolgreich abgeschlossen, und stand nun vor dem Beginn meines Beruflebens. Und wie wir alle wissen, inpliziert das Berufsleben Verantwortung zu übernehmen, Geld zu verdienen, Rechnungen zu bezahlen, eine Wohnung oder ein Haus zu besitzen, Steuererklärungen abzugeben und was sonst halt noch zum Erwachsenwerden dazugehört.
Naa, da lass ich doch vorher lieber nochmal die Sau raus.
Und mit diesem Gedanken buchte ich mir mein Flugticket nach Italien.
Mit dem Ticket in der Hand verfiel ich in eine Art Rausch. Es war das erste mal, dass ich mir ein Flugticket selber gekauft hatte. Ich war zwar schon einige Male mit meinen Eltern im Urlaub, dieses mal jedoch war es anders. Ich sollte alleine verreisen, keine Eltern neben mir stehen haben, die mir sagen du darfst das machen und du darfst das nicht machen.  Ich war sechzehn Jahre doch fühlte mich so erwachsen wie mit sechsundzwanzig. Ein tolles Gefühl.
Eines hatte ich jedoch nicht ganz so erwachsen geregelt. Ich hatte mir null Komma null Plan gemacht. Ich würde in einem Land ankommen, irgendwann abreisen und wieder in einem anderen Land ankommen, solange, bis ich schliesslich wieder in Deutschland sein würde.
Hat man Geld und Selbstbewusstsein braucht man keinen Plan oder eine Art Reisestruktur. Man fliegt und kommt wieder.
Ich kann mich aber noch genau an den Moment erinnern, als meine Mutter mich nach meinem Plan frug, und ich ihr trocken, mit einem Augenzwinkern, antwortete:
"Klar Muttern".
 
##########

Wieder schlägt es gegen die Zellentür. "Frühstück Häftling" schreit Wärter Jansen in gewohnter Tonart, und reicht Ben ein Tablett durch die Essensluke. "Morgen Wärter Jansen, Schmidt meldet sich lebendig für Hafttag einhundert", schreit Ben grinsend zurück, feiert so sein hundert tägiges Jubiläum in der JVA (???Hegendorf, zirka hundertzwanzig Klometer von seinem Heimatort, Osnabrück, entfernt,???) und schnappt sich zügig das Tablett. Wärter Jansen schenkt Ben´s kleiner Showeinlage jedoch keine Aufmerksamkeit, und ist schon auf dem Weg zur nächsten Zelle, was jedoch nicht unbedingt für seinen Arbeitseiver spricht, sondern eher daher rührt, dass er schnell fertig werden will um mit Frau Wulften, im Gemeinschaftsraum, ein kleines Techtel Mechtel abhalten zu können.
Als Ben am Tisch sitzt, begutachtet er wie immer das Essen auf dem Teller vor ihm. Trocken Scheibe Brot, kleine Portion Marmelade, und dazu ein Glas stilles Wasser.
"Frühstück wie bei den Weightwatchers", spricht Ben mit sich selbst   womit man in der Haft, in einer Einzelzelle, sehr schnell anfängt   während er die Marmelade aufs Brot streicht.
Er isst die erste Hälfte seines Marmeladenbrots, trinkt ein halbes Glas Wasser um der Trockenheit des Brotes entgegenzuwirken, isst die zweite Hälfte und spühlt auch diese dann mit einem halben Glas Wasser herrunter.
"Ja. Wie immer ein Nahreiches Frühstück", nuschelt Ben, schiebt das Tablett bis an den  Rand des Tisches, entfernt sich von diesem und begibt sich zum Bett, dass wie immer quietscht und knartscht, wenn man sich darauf legt.
In fünfundzwanzig Minuten wird der zweite Wärter der Frühschicht, Wärter Behrens, in deutlich ruhigerem Tonfall, das leere Tablett verlangen.
Genügend Zeit für Ben, sich lang zu machen und ein Nickerchen zu halten, bis es wieder gegen seine Zellentür hämmert.

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sohndeslupus
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Beitrag25.06.2015 12:02

von sohndeslupus
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Hallo Harz,
schön dich so kurz nach dem rotem Teppich schon im Einstand zu sehen. Da ich dir ja dort auf dem Teppich gesagt habe, ich würde gerne etwas von dir lesen, tue ich das natürlich auch gleich.
Ich habe allerdings nicht super viel Zeit, weil ich eigentlich meine Seminararbeiten fertig schreiben sollen. Deshalb nicht so super ausführlich:

1. Mal vorne weg: Ich fand deinen Text relativ lang, was bei mir oft dazu führt, dass ich irgendwo in der Mitte das Interesse verliere. Das ist mir bei dir nicht passiert. Ich fand es interessant und schon recht flüssig geschrieben.

2. Ein paar Sätze finde ich zu lang, zu verschachtelt und damit unnötig kompliziert.
Als Beispiel:
Zitat:
Bisher hat er in diesem etwa 10-Quadratmeter großen Raum, bestehend aus einer verdreckten Toilette, einem genauso verdreckten Waschbecken,einem verrosteten Stuhl, einem genauso verrosteten Tisch, einem Metallbett und einem kleinen Schrank, keine einzige Nacht durchschlafen können.


Zitat:
Ich hatte jegliche Art von Konsolen, hatte immer einen coolen, grossen Fernseher, - der logischer Weise auf dem neuesten Stand war - eine leistungsstarke Musikanlage, quasi alles, was einem Jugendlichen wichtig ist, wenn er ein Faible für Elektronische Sachen hat.


3. Ich habe das Gefühl, du neigst ein bisschen zu überflüssigen Dialoganhängeln. Du kannst mal überlegen ob du diese hier streichst:
Zitat:
"Aufstehen", schreit der Wärter ...

Zitat:
"Essenszeit in dreißig Minuten",fährt Wärter Jansen schreiend fort

Zitat:
"Mein Freund und Helfer", schmunzelt Ben ...

Zitat:
"Ja. Wie immer ein Nahreiches Frühstück", nuschelt Ben ...


4. Ein Rückblick gleich an Anfang ist immer diskussionswürdig. Deiner ist sogar recht lang. Du kannst dir überlegen, ob du nicht erst im der Gegenwart weiter machst und du diese Information später einbaust. Ich fand es allerdings gar nicht so furchtbar störend.

5. Ich lese nicht gerne in Gegenwart. Das ist zwar Geschmackssache, aber ich glaube, wir mir geht es da Vielen.

6. Ich bin mir nicht so ganz sicher ob das Ganze in der Gegenwart spielt. Eigentlich tippe ich auf heute. Falls ich damit richtig liege: Ich war noch nie in einer JVA. Allerdings glaube ich, dass es da heutzutage gemütlicher ist als du es beschreibst. Alles verrostet und trockenes Brot und nur Wasser zum Frühstück? Ich glaube so ist das heute nicht mehr.

So das wär es von mir erst mal. Bestimmt geht noch jemand auf die Feinheiten ein. Wie gesagt ich finde deinen Einstand soweit recht gelungen Wink

lg
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Hanz
Schneckenpost
H


Beiträge: 7



H
Beitrag25.06.2015 14:25

von Hanz
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey Danke erstmal für dein schnelles Feedback und somit mein erstes Überhaupt.

Ich hab schlimmeres erwartet, dachte ich werde hier jetzt in der Luft zerrissen.

Zu deinen Punkten:

Die ersten, zu verschachelten Sätze, dann lieber als mehrere einzelne? ich fand die eigentlich voll cool lol2

Die Dialoganhängsel mus sich ma gucken

Zu Punkt 4, 5 und 6

Ich weiss nicht wie viel ich da erzählen will lol2

Die Geschichte spielt in der Vergangenheit, der Charakter erzählt die Geschichte aber aus dem Gefängnis, in der Gegenwart
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Papa Schlumpf
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 373
Wohnort: Friedersdorf


Beitrag25.06.2015 23:12

von Papa Schlumpf
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Hey, Hanz,
ein ziemlich abgefahrener, will meinen ungewöhnlicher, Plot, den Du da angehst. entsprechend Milieustudium und Recherche vorausgesetzt kann da ein Reißer herauskommen. Aber ein wenig Arbeit muss wohl noch rein.
Lange Sätze. Wenn sie eine gewisse Schönheit auszeichnet, fabriziere ich sie selbst. Die Beschreibung der Zelle kann damit aber nicht aufwarten. Die besteht ja zu allererst aus vier Wänden, Decke und Fußboden, der Rest steht drin. Die eingeschobene Aufzählung der Einrichtung stört mE das Satzgefüge. Bei "keine Nacht ..." musste ich zurücklesen, worum es jetzt geht. Eine bessere Lösung bestünde im Nachstellen der Aufzählung, vielleicht auch im Vorziehen des Nachsatzes: "Keine Nacht konnte Ben bisher durchschlafen in diesem zehn-Quadratmeter-Raum mit der verdreckten Toilette ..." Das "hat fliegt in jedem Fall raus. Und da stoßen wir unwillkürlich auf die Omnipräsenz der Hilfsverben "haben" und "sein" in Deinem Text. ein kleines Hobby von mir. Ich versuche weitestgehend darauf zu verzichten und statt dessen das sachlich und sinngemäß am besten passende Verb zu finden. Das macht durchaus Arbeit.
Bei der Bildung von vollendeten Zeitformen (Plusquamperfekt, Perfekt, FuturII) kann man nicht auf sie verzichten. Das führt aber auch dazu, dass ein im PQP abgefasster Absatz durch ständige Wiederholung von "hatte" und "war" nicht sehr sympatisch wirkt.
Auch für "war wach" lässt sich etwas finden. Vorschlag: "Auch heute lag er wach auf seinem Bett, starrte an die Decke, lange bevor ..." Nur ein schnell gestrickter Vorschlag, mach was draus.
Zitat:
Nun heisst es, auf´s Frühstück warten.
In diesem Fall, (langer Vokal) verpflichtet die neue Rechtschreibung immer noch zum ß. heißt. Und zwischen "Frühstück" und "warten" fehlt ein "zu". auf's Frühstück zu warten. Kleinigkeiten.
Problematischer empfand ich den Perspektivwechsel von "er, Ben" zu "ich, Ben" im nächsten Abschnitt, zumal die dahinter stehende Intention sich nicht deutlich abzeichnet. Perspektivwechsel gehen oft nach hinten los. Die Selbstbespiegelung (sollte es sich um eine Vorstellung handeln?) des Häftlings erscheint mir auch etwas zu umfangreich geraten. Da solltest Du unbedingt nochmal drüber schlafen. Muss ja nicht in der Zelle sein.
Es gab noch ein paar Dinge, der Bänker fällt mir ein, der ohne die Punkte überm "a" im Duden steht, und das Nahrreiche Frühstück. Vielleicht fehlt mir jetzt irgendeine Information, bin auch der Jugendsprache etwas entwachsen, aber ich schriebe nahrhaft und klein.
Soweit mein Kurzkommentar. Mach was draus. Man liest sich.
P. S.


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nebenfluss
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Beitrag26.06.2015 04:40
Re: Gesund kriminell
von nebenfluss
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Hanz hat Folgendes geschrieben:
Heyho

ich habe mal angefangen ein Buch zu schreiben, habe mir eine Idee gemacht, von Anfang bis Ende, und habe nun mein erstes kapitel beendet.
Es sind knapp 3250 Wörter. ob das lang ist, lang genug oder normal weiss ich nicht.

Irgendwo hier im Forum empfiehlt die Obrigkeit als Maximallänge für eine Textprobe 2000 Wörter. Für intensive, lektoratsähnliche Textarbeit kann das aber schon deutlich zu viel sein - für die Werkstatt sind deshalb Abschnitte von 500 bis 1000 Wörtern besser.
Hier im Einstand, wo es um einen ersten Eindruck deiner Schreibe geht, ist die von dir gewählte Länge OK.

Ich versuche mal, auf den Text einzugehen ohne mich all zu sehr in Details zu verlieren:

Der Schauplatz zieht zu Anfang schon mal ganz gut.
1. dürften die meisten Leser (wie ich) noch nie im Knast gesessen haben,
2. hat Ben es beengt,
3. ist er in gewisser Weise den Wärtern ausgeliefert.
Konflikte liegen also in der Luft, und das erzeugt Spannung. Warum ist er dort, wie kommt er wieder raus, wie wird er in der Zwischenzeit mit der Gefangenschaft fertig? - Fragen, die bei vielen Lesern instinktiv im Hinterkopf auftauchen dürften.
So weit, so gut.
Ich weiß, ich bin schon der dritte, aber auch mir ist dieser Satz aufgefallen:
Zitat:
Bisher hat er in diesem etwa 10-Quadratmeter großen Raum, bestehend aus einer verdreckten Toilette, einem genauso verdreckten Waschbecken,einem verrosteten Stuhl, einem genauso verrosteten Tisch, einem Metallbett und einem kleinen Schrank, keine einzige Nacht durchschlafen können.

Ob Schachtelsätze cool sind oder nicht, hängt von einer ganzen Reihe Faktoren ab. Im Knast sind z. B. die Verhältnisse eher einfach, das darf auch auf den Satzbau ausstrahlen.

Gut gefallen mir die Paarungen Toilette/Waschbecken (Dreck) sowie Stuhl/Tisch (Rost), das hast du richtig fein hingekriegt.
Leider kommt das wegen der unschön gebauten Schachtel aber nicht gut zur Geltung.
Ich bin kein Schachtelsatz-Nazi, aber hier ist der Einschub zu lang, um der äußeren Grammatik mühelos folgen zu können. Außerdem ist es meistens ein schlechtes Zeichen wenn man fürs Funktionieren eines Wurmsatzes zu abstraktem Beamtendeutsch greifen muss (hier: bestehend).
Anders könnte die Sache aussehen, wenn der Dreck und der Rost Ben nachts wecken würden. Aber da es ja so sicher nicht gemeint ist, bist du in der Reihenfolge frei und kannst entzerren.

Zitat:
"Mein Freund und Helfer", schmunzelt  Ben, steht auf, begibt sich zum Waschbecken, wäscht sich das Gesicht und putzt sich seine Zähne   obwohl sich das Wasser so dreckig anfühlt, wie es das Waschbecken ist   und zieht sich Jogginghose, T-Shirt und Schlappen an.
Nun heisst es, auf´s Frühstück warten.

"Freund und Helfer" bezieht sich auf Polizisten, normalerweise - ich fürchte, ich verstehe Bens Schmunzeln nicht. Aufstehen, sich zum Waschbecken 'begeben' und Anziehen brauchst du nicht - im Gegenteil, es wirkt schnell öde, wenn du solch unspektakuläre Tätigkeiten erwähnst. Deine Leser sind ja nicht blöd.

Ein Vorschlag für die Neuaufteilung und leichte Umformulierung:
"Mein Freund und Helfer", schmunzelt  Ben. Er wäscht sich das Gesicht und putzt sich seinedie Zähne (wessen Zähne sonst), obwohl sich das Wasser so dreckig anfühlt wie sich das Waschbecken ansieht. In Jogginghose, T-Shirt und Schlappen wartet er auf's Frühstück.
Merkst du, wie der Text an Dynamik gewinnt, weil dein Leserhirn auch was tun darf, nämlich die Lücken füllen? Als praktischer Nebeneffekt hat sich auch gleich die Wiederholung des Begriffes "Waschbecken" erledigt.

Noch ein Beispiel für nicht zum Millieu passendes Abstraktdeutsch, in Kombi mit sohndeslupus' Punkt 3, Dialoganhängseln:
Zitat:
"Essenszeit in dreißig Minuten",fährt Wärter Jansen schreiend fort, und schlägt schon gegen die nächste Zellentür.

'Fortfahren' tut einer in einer Rede, der sich gerade den Mund trocken geredet und für einen Schluck Wasser pausiert hat.
Dass der Wärter nicht auf einmal flüstert, versteht sich von selbst, außerdem gibt's zur Verdeutlichung das Ausrufezeichen.
Also vielleicht so:
"Essen in 'ner halben Stunde!" Jansen schlägt schon gegen die nächste Tür.
Oder ähnlich.

Hm, wollte ich nicht vermeiden, mich in Details ... ich komm mal zum Wesentlichen:

Das Präsens stört mich nicht - ich benutze es gerade in meinen eigenen Texten gerne. Ich habe den Eindruck, es kann die Unmittelbarkeit erhöhen. ABER: Der Bruch zur anderen Erzählebene hin ist ultrakrass, und die Wechsel erfolgen sehr schnell - für den Anfang, damit der Leser das Prinzip begreift, vielleicht? Aber dafür wirkt es inhomogen, was daran liegt, dass du - zusätzlich zu Erzählzeit und Schauplatz - drei(!) Dinge auf einmal änderst:

1. Wechsel von der personalen zur Ich-Perspektive (obwohl wahrscheinlich der Prota der gleiche ist)
2. Wechsel der formalen Zeit vom Präsens in Präteritum
3. Wechsel von einer szenischen Darstellung zur erzählten Biografie im InfoDump-Stil.

Mit Punkt 3 habe ich das größte Problem. Dieser Junge hat ja eine ausgesprochene 08/15-Kindheit. Das kann natürlich Absicht sein - du könntest etwa zeigen wollen, dass auch ein ganz normaler Jugendlicher, bei dem die Eltern sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, auf die schiefe Bahn geraten kann. Aber dann mach lieber auch das szenisch, damit es lebendig wird. Zeig mir einen Ausschnitt aus seinen albernen Mittelschichtssorgen - ein Computerspiel, für das er eigentlich noch zu jung ist, das er sich aber zum Geburtstag wünscht und sich deshalb einen hitzigen Schlagabtausch mit den Eltern liefert. Irgendsowas.

Ich kann mir sogar vorstellen: Wenn einmal klar ist, dass wir uns in einer früheren Zeit befinden, ist der Wechsel ins Präteritum gar nicht nötig.

Auch aus der Abreise am Flughafen ließe sich etwas Ergreifenderes machen, denke ich.

Hm, ich glaube, es wird schon klar, dass ich noch viel mehr schreiben könnte. Das ist jetzt nicht als Totalverriss gedacht - im Gegenteil, mit etwas Übung und Lektorat scheinen mir gerade die Gefängnisszenen Potenzial zu haben - und das, obwohl ich noch nicht die geringste Ahnung habe, worauf das hinauslaufen wird.

LG


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"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
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tokidoki
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 38
Beiträge: 47



Beitrag26.06.2015 18:59
Re: Gesund kriminell
von tokidoki
Antworten mit Zitat

Hallo Hanz,

Hier ist ja schon eine Menge zu deinem Text gesagt worden, da will ich mal schauen, ob ich nicht noch etwas ergänzen kann.

Insgesamt finde ich deinen Gefängnisteil gelungener als die Selbstreflexion deines Protas. Hier hast du mich ungefähr bei der Hälfte verloren. Du schweifst zu weit aus, wiederholst zu viel.
Hanz hat Folgendes geschrieben:

Ich wollte nämlich keine dieser erfolgreichen Rechtsanwälte, anzugtragenden Bänker und karrieregeilen Geschäftsleute werden. Die Mittelschicht schien mir genau richtig. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass ich mich nach Erhalt des Realschulabschlusses spontan dazu entschied, meine Ausbildung, zum Gärtner, zu verwerfen, und lieber mein angespartes Geld auszugeben, und die Zeit zu nutzen um einen Trip durch Europa zu machen.


Ich glaub hier könntest du z.B. gut den Rotstift ansetzen. Die Ausführung, was er alles NICHT will, ist viel zu lang(weilig)
Wahrscheinlich könntest den ganzen Abschnitt auf ungefähr die Hälfte eindampfen. Ich sag nur, Infodump

Du beendest deinen Text mit:
Hanz hat Folgendes geschrieben:

Genügend Zeit für Ben, sich lang zu machen und ein Nickerchen zu halten, bis es wieder gegen seine Zellentür hämmert.

Doch zuvor führst du aus, dass er schon lange vor dem Wärter wach ist, weil er nicht schlafen kann. Ein Widerspruch?

Hanz hat Folgendes geschrieben:

obwohl sich das Wasser so dreckig anfühlt


Ich weiß nicht, wie Andere das sehen, aber mich stört der Begriff fühlen in Bezug auf Wasser. Wasser rieche, sehe, schmecke (besonders beim Zähneputzen) ich. Fühlen ist ein Begriff der Haptik, wie kann es sich dreckig anfühlen? Oder schwimmen Dreck-klumpen drin?
Ist aber nur meine Meinung.


Ich habe deinen Text sehr gerne gelesen, mit ein wenig Überarbeitung kannst du einen guten Anfang für dein Buch hinbekommen.
Viel Glück dabei.
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Harald
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant

Alter: 76
Beiträge: 5103
Wohnort: Schlüchtern


Beitrag26.06.2015 20:45
Re: Gesund kriminell
von Harald
Antworten mit Zitat

tokidoki hat Folgendes geschrieben:
… mit ein wenig Überarbeitung kannst du einen guten Anfang für dein Buch hinbekommen.


Hier kann ich zwar zustimmen, doch sollte dir klar sein, dass da noch erhebliche Überarbeitungen auf dich zukommen, ich würde dir daher empfehlen, vor dem Weiterschreiben am Schreibstil zu arbeiten - oder das Manuskript durchzuschreiben, es in die Ecke zu legen und dann erst mal den eigenen Stil zu finden …

In ­ein, zwei oder drei Jahren kannst du dich wieder an dein MS setzen und die erste Überarbeitung vornehmen, bevor du es den ersten Korrekturlesern zur Verfügung stellst.

Zum Anfang:

"Aufstehen", schreit der Wärter und schlägt gegen die Zellentür.
Als könnte man hier vernünftig schlafen, geht es Ben durch den Kopf. Bisher hat er in diesem etwa 10-Quadratmeter großen Raum, bestehend aus einer verdreckten Toilette, einem genauso verdreckten Waschbecken,einem verrosteten Stuhl, einem genauso verrosteten Tisch, einem Metallbett und einem kleinen Schrank, keine einzige Nacht durchschlafen können.



»Aufstehen«, schreit der Wärter und schlägt gegen die Zellentür.
Wie du siehst, habe ich deine beiden oben stehenden "Gänsefüßchen" in deutsch gesetzte Guillemets » & « geändert, das ist die heute eigentlich übliche Art bei Verlagen
Als könnte man hier vernünftig schlafen, geht es Ben durch den Kopf.
Bisher hatte er in diesem etwa zehn Quadratmeter großen Raum, bestehend aus einer verdreckten Toilette, einem genauso verdreckten Waschbecken, einem verrosteten Stuhl, einem genauso verrosteten Tisch, einem Metallbett und einem kleinen Schrank keine einzige Nacht durchschlafen können.
Auch wenn dieses Resümee sich auf etwas gerade Erlebtes bezieht, es ist damit schon Vergangenheit, also ► ­Bisher hatte er …
Das erste markierte Komma, da fehlt nur das Leerzeichen, das ­zweite ist an dieser Stelle nicht zwingend vonnöten.



So geht es durch deinen ganzen Text, Kleinigkeiten, die Auszuräumen eigentlich sinnvoll wären, aber dafür gibt es ja, wie beschrieben, zwei Wege …

Ich wünsche dir viel Erfolg auf dem Weg zum Autor …

 Wink


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Harald

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Nina
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Beitrag28.06.2015 15:35

von Nina
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Lieber Hanz,

mir gefällt auch, was ich hier lese. Es stimmt, ein paar kleine Fehler sind drin, aber im Grunde sitzt das Ganze schon ganz gut. Während Harald empfiehlt, dass Du erst Mal Deinen Stil finden solltest, lese ich bereits hier Deinen Stil und ich mag es, wie Du schreibst, die Geschichte aufbaust und erzählst. Für mein Empfinden ist es das Wichtigste, dass Du die Geschichte in seiner Gänze aufschreibst und dann bloß nicht (!) jahrelang das Manuskript liegen lässt, sondern dann recht bald daran und damit arbeitest. Du musst für Dich herausfinden, was am besten für Dich funktioniert: Ob Du (erste) Kapitel schon gegenlesen lassen und korrigieren willst, oder ob Dich das aufhält, irritiert oder im schlimmsten Fall blockiert und Du erst Mal weiter und weiter schreibst und hinterher vielleicht die Schwierigkeit hast, dass irgendwo Logikprobleme drin sind und Du unter Umständen einiges Umschreiben oder Streichen musst. Überarbeiten musst Du sowieso, das müssen alle, die schreiben, insofern, lasse Dich nicht entmutigen. Das hier liest sich, trotz kleiner Ungereimtheiten schon sehr gut. Also: Weiter machen!

LG
Nina


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Hanz
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H


Beiträge: 7



H
Beitrag02.07.2015 11:29

von Hanz
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Ich danke euch allen erstmal für die konstruktive Resonanz.

Ich werde mir alle szu herzen nehmen, werde aber direkt weiterschreiben, da auch ich glaube, irgendetwas liegen zu lassen wäre falsch.
Ich werde einige Tipps anwenden und zb die Perspektive in einem Abschnitt ändern. Ich werde das Kapitel nochmal überarbeiten, recherchen reinstecken und poste es euch dann nochmal, und hoffe wieder auf feedback.

MFG

Hanz
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Hanz
Schneckenpost
H


Beiträge: 7



H
Beitrag06.07.2015 14:14
Neue und überarbeitet version des ersten Abschnittes meines ersten kapitels
von Hanz
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Gesund kriminell



1


Der Wärter schlägt gegen die Zellentür, schließt gleichzeitig auf, begibt sich in meine Zelle, und macht wie üblich, jeden Morgen um sechs Uhr, die Lebendkontrolle.
»Schmidt ist auch am heutigen Hafttag lebendig«, sage ich lächelnd und mit geschlossenen Augen, bevor mich der Wärter nach meinem Wohlbefinden fragen kann.
»Geh zur nächsten Zelle Jansen. Ich habe zwar wie immer wenig geschlafen, bin aber trotzdem gut zufrieden, fit und gesund, und freue mich auf diesen Tag, wie auf jeden anderen auch«.
Ohne ein Wort zu sagen dreht Wärter Jansen sich um, verlässt meine, und macht sich auf den Weg zur Nachbarzelle. Jansen weiß ich bin ein Spaßvogel, aber auch ein mustergültiger Häftling. Ich mache hier und da einen Witz, eine kleine Blödelei, aber alles in allem halte ich mich an jede Regel, begegne jedem Wärter mit Respekt, erledige sorgfältig meine Arbeiten und warte entspannt auf den Tag meiner Entlassung. Achthundert siebenundzwanzig Tage habe ich noch in meiner 10-Quadratmeter-Zelle abzusitzen. Einer Zelle möbliert mit jeweils einem Kleiderschrank, indem aber keine zwanzig Kleidungsstücke Platz finden, Tisch und Stuhl, die so verrostet sind, dass sie schon fast antik wirken, und einem Metallbett, dass durch den Rost nicht antik wirkt, sondern anfängt zu quietschen und zu knartschen, legt man sich darauf. Ein Waschbecken befindet sich in einem kleinen separaten Raum, allerdings nur mit kalt Wasser, indem sich auch eine Toilette befindet, welche man zwar selber putzen kann, dennoch aussieht, als hätte sie schon vor Erbauung der JVA dort gestanden.
Durch das Geld, welches mir meine Eltern direkt zu Anfang meiner Haftstrafe schickten, konnte ich mir ein kleines, 56 Zoll großes Fernsehgerät leisten und in meine Zelle stellen. Da ich mich in einer Einzelzelle befinde, mit niemandem nach Einschluss reden kann, ist das die einzige Beschäftigungsmöglichkeit die ich habe, und aufgrund der Qualität des deutschen Fernsehprogramms, welche nicht einmal schlecht ist, sondern durchweg beschissen, sah ich mich gezwungen, meine Eltern nochmals um Geld an zu hauen, dieses mal für einen DVD-Player und reichlich DVD´s. Auch nach mehr als vierhundert Hafttagen freue ich mich noch immer wenn ich eine DVD in den Player schieben, Play drücken, und in eine Welt abtauchen kann, die bei weitem nichts mit der Realität zu tun hat.
All das DVD schauen und das An sein des TV Gerätes verbraucht natürlich Strom, und den muss ich als Häftling selber zahlen. Man kann sich hier in der JVA einen Job suchen. Als Hausarbeiter zum Beispiel. Das sind dann Jobs wie Küchendienst, Wäschedienst, und Essensausgabe. Der Küchendienst steht logischer Weise in der Küche und bereitet das Essen zu, was uns umsonst gestellt wird. Frühstück, Brot, Marmelade und eine Tasse Tee, Mittagessen, was ganz ordentlich schmeckt und abwechslungsreich ist, denn mal gibt es Gulasch, mal Spaghetti, mal Eintopf, außer Freitags, da gibt es immer Fisch und Sonntags ist Resteessen angesagt, Abends bekommt man dann nochmal Brot, dieses mal ein wenig Aufschnitt und wieder eine Tasse Tee dazu. Zwei Tage die Woche sind für mich wie mein Geburtstag. An diesen Tagen darf ich mir jeweils einen Liter Milch bestellen. Da ich von Kindheit an Milchfan bin, ist das natürlich ein Ereignis auf das man sich einstellt, freut und das einem sogar dabei hilft, dass die Tage schneller vorrüber gehen.
Neben den Jobs der Hausarbeiter gibt es noch die betrieblichen Jobs wie Gärtner, Schlosser, Tischler oder zum Beispiel Müllmann. In diesen Bereichen begibt man sich zu Arbeitsbeginn in einen Betrieb, der in einem Extrateil des Gebäudes liegt, wo man Sachen herstellt für gemeinnützige Organisationen und behinderten Werkstätten, die diese dann Verkaufen können. Das Geld aus dem Verkauf dient als Spende für Obdachlose, Arme, geistig und körperlich Behinderte, und jeden anderen sozial Schwachen. Eine Gute und auch die einzig Sinnvolle Umsetzung der Zeit eines Häftlings. Die Arbeitszeiten sind in allen Jobs gleich, 7:00 Uhr - 15:15 Uhr.
Ich stehe meistens um kurz vor sechs auf, wobei ich schon früher wach bin aber erst dann aus dem Bett steige um mich fertig zu machen. Um sechs Uhr kommt dann ein Wärter, begleitet von zwei Hausarbeitern die den Essenswagen schieben, und lässt das Frühstück austeilen. Dreißig bis fünfundvierzig Minuten beschäftigt man sich in der Regel mit dem Frühstück. Dann wird es von einem anderen Wärter und zwei anderen Hausarbeitern wieder abgeholt. Ob man seine Zelle während dessen abschließt oder auf lässt ist jedem selbst überlassen. Die einen labern sich morgens gerne mal die Backen wund, während andere lieber in sich gekehrt in der Zelle hocken oder einfach in Ruhe essen wollen. Um sieben Uhr geht es dann zur Arbeit, Feierabend ist um kurz nach drei Uhr. Vor Beginn der Arbeit wird man stets mit einer Metallsonde abgesucht, schließlich könnten wir irgendetwas von einem Gefängnisteil in den anderen Gefängnisteil schmuggeln.
Man kann seine Arbeitszeit unterbrechen lassen für Sachen wie zum Beispiel, ein Gespräch mit seinem Anwalt, Psychologen, Arzt oder der Polizei. Um zwölf Uhr wird eine lange Mittagspause gemacht, ordentlich was gegessen, und dann geht es nach einer Stunde wieder an die Arbeit. Häftlinge ohne Arbeit gibt es auch, da es nicht selten dazu kommt, dass es zu wenig Arbeit in der JVA für all deren Häftlinge gibt. Und selbst ohne Jobcenter lebt es sich ohne Arbeit, im Gefängnis  wie außerhalb des Gefängnisses. Rum lungern vom feinsten, nur in der Zelle hocken, vormittags eine Stunde Hofgang, und sonst den ganzen Tag nur TV gucken bis der Arzt kommen muss, weil sie angeblich an Migräne leiden. Sendungen wie Mitten im Leben, Auf Streife, Trovatos, und und und, sind bei diesen Häftlingen sehr gern gesehen. Gleiches gesellt sich zu gleichem sagte mir mein Vater immer.
Also gesellt sich hier wohl sinnfrei zu sinnfrei.
Als Häftling mit Arbeit kommt man gegen halb vier Uhr zurück in seine Zelle. Ab da hat man bis neunzehn Uhr zeit, sich verschiedener Aktivitäten anzunehmen wie Fußball, Basketball, Fitness, Brett- sowie auch Kartenspiele, Konsolenspiele, und man kann eine Stunde Hofgang nachholen, da man schließlich den halben Tag arbeiten war. In dieser Zeit sollte man außerdem, vor Einschluss, duschen gehen. Man kann solange und so oft duschen wie man will, und auch mit so viel warmen Wasser wie man will. Es gibt Häftlinge die duschen seltener als ein Komapatient, es gibt welche die duschen alle zwei, drei tage, es gibt Häftlinge wie mich, die duschen jeden Tag ganz normal wie zu Hause auch, und es gibt Häftlinge die einfach mal Stunden in den Duschräumen verbringen, kostenloses Wasser soll es ja nicht überall geben.
Um achtzehn Uhr wird dann wieder, von einem Wärter und seinen zwei Jünglingen, das Abendbrot gebracht und man darf sich wieder entscheiden zwischen, alleine essen mit geschlossener Tür, oder alleine essen mit geöffneter Tür und Schwachsinns Gebrüll auf den Fluren. Ich bevorzuge ganz klar die erste Variante. Nachdem man sein Abendbrot zu sich genommen hat, das Tablett und Geschirr abgeholt wurde, reden die einen nochmal miteinander bevor es dann um neunzehn Uhr heißt, Einschluss. Vierhundert achtunddreißig mal habe ich nun schon diesen Tagesablauf hinter mich gebracht. Mit ein wenig Glück habe ich nach weiteren vierhundert mal meinen eigenen Tagesablauf wieder. Das wären dann zirka zwei drittel meiner Haftstrafe. Der Rest wird mir hoffentlich wegen guter Führung und gutem Benehmen als Bewährung ausgelegt. Immerhin hab ich kein Verbrechen in dem Sinne begangen. Na ja, für mich zumindest.
Am 03.03.2010, den Tag werde ich nie vergessen, saß ich auf meinem Sofa, in meiner knapp sechzig Quadratmeter großen Wohnung. Ich hatte wenige Minuten zuvor meinen Besuch, drei Jungs die ich ein Jahr vorher bei einer Summerjam getroffen, kennen gelernt und als Freunde gewonnen hatte, verabschiedet und wollte gemütlich einen Joint rauchen und How High gucken. Nach dem ersten Zug an meinem Joint, gefüllt mit feinstem New York Diesel, kurz NYD, knallte es mit einmal heftig und das nicht nur in meinem Schädel. Als würde irgendwo, mitten in meiner Wohnung eine Rauchbombe oder ähnliches explodieren. Nicht ganz!
Das SEK, Sondereinsatzkommando, welches gerne mal auf super taff macht, denkt sie wären die stärksten, weil sie nur zu Fällen gerufen werden mit »scheinbar« Schwerstkriminellen, trat meine Tür ein und stürmte meine Wohnung.
»Hände hinter den Kopf und auf den Boden. Sofort« schrie der erste Rambo als er mich auf dem Sofa entdeckte.
»Hörst du schlecht? Leg dich auf den Boden du Stück Scheiße« schrie der zweite direkt hinterher, keine drei Sekunden später.
»Du hast wohl zu viel Flash geschaut alter« antwortete ich während ich mich auf den Boden legte, und schnippste den Joint vor die Füße der Beamten.
»Wie soll ich mich in nicht einmal drei Sekunden hinlegen, nachdem ohne Vorwarnung meine Wohnung von euch Halbstarken gestürmt wurde und ich garnicht weiß was los ist«
»Wenn sie bewusst gegen das Gesetz verstoßen, wissen sie das irgendwann die Polizei, oder halt wir auftauchen« antwortete mir der SEK Beamte, der zuerst geschrien hatte.
»Ja, ja, kann sein. Sie könnten aber auch ihre Leute das Haus umstellen lassen, sie klingeln, ich kann nicht weglaufen, würde ich aber auch garnicht, öffne ihnen die Tür, und sie haben sich kurzerhand die Kosten der Tür erspart die sie grad eingetreten haben. Aber da kann man natürlich nicht auf dicke Hose machen was?« provozierte ich den SEK Beamten.
Während wir uns freudig unterhielten, durchsuchten die anderen Beamten meine Wohnung. Ich fragte direkt nach einem Durchsuchungsbefehl und bekam ihn prompt vors Gesicht gehalten. Das war natürlich ungünstig, denn in meinem Schlafzimmer befanden sich zehn Kilo Cannabis, abgepackt in jeweils halbe Kilo Portionen die ich am nächsten Tag verkaufen wollte, und zwanzig tausend Euro in bar, aus dem letzten Drogendeal.
Die Beamten kamen keine Minute nach beginn der Durchsuchung ins Wohnzimmer, wo ich mich, auf dem Boden kniend, mit Rambo befand, der sich überaus freute als seine Kollegen ihm mit stolzer Brust ihren Fund präsentierten.
»Herr Schmidt, Herr Schmidt, was haben wir denn da?« lächelte er, als hätte er einen Kleiderbügel gefressen.
»So viel Marijuhana, abgepackt in Portionen, wahrscheinlich für den Verkauf nicht wahr? Und dann das viele Geld. Na, da werden sie doch bestimmt kein Nachweiß für aufbringen können oder?Na ja, ich sag ihnen jetzt mal was. Das alles sehen sie nie wieder. Jetzt werden wir sie für lange, lange, ja  für eine sehr lange Zeit wegsperren, das verspreche ich ihnen« sagte er, drehte sich zu seinen Kollegen und befahl ihnen: »Schafft mir den Burschen aus den Augen«. Zwei SEK Beamte packten mich an den Achseln, hoben mich abrupt hoch und schafften mich aus meiner Wohnung, in ihren Wagen und steckten mich in U-Haft, wo ich  siebenundachtzig Tage, bis zu meiner Verhandlung und Verurteilung, inhaftiert war.
Im Gerichtssaal waren der Richter und der SEK Beamte, der die Hausdurchsuchung geleitet hatte, beste Freunde, was mir nicht grade geholfen hat.
Man verurteilte mich, wegen schweren Drogenhandels, zu dreieinhalb Jahren, in der geschlossenen JVA Hegendorf in Niedersachsen, zirka hundertzwanzig Kilometer von meinem Heimatort, Osnabrück, entfernt.
Fünfhundert Fünfunddreißig Tage sind vergangen, seitdem man mich in U-Haft steckte, und siebenundachtzig Tage später nach Hegendorf, in die geschlossene JVA verlegt hat. Heute ist der 20.08.2011 und ich werde vorraussichtlich nicht vor 2013 hier rauskommen.
Es ist jetzt sechs Uhr fünfzehn. Wärter Jansen kommt mit zwei Häftlingen die als Hausarbeiter in der Essensausgabe tätig sind, und lässt sie das Frühstück heraus geben. Der erste Hausarbeiter ist für diese Woche Schwipps, eigentlich heißt der junge Mann Thorsten Schneider, aber wir nennen ihn Schwipps, da er bei seiner Inhaftierung zwei Komma drei Promille intus hatte. Er meint immer, Alkohol nähme ihm den Stress und verschaffe ihm Ruhe. Kein Wunder wenn man den ganzen Tag besoffen pennt. Schwipps ist einer von der harten Sorte und wurde wegen Drogenhandel mit Kokain verurteilt. Ich sag ja immer, bleibt pflanzlich.
Der zweite Hausarbeiter wird Jose sein. Jose ist ein kleiner, ein Meter fünfundsechzig großer, schwarzhaariger, auf beiden Armen leicht tätowierter Spanier. Jose Garcia Alvarez. Seine Mutter hat sich von seinem Vater getrennt, da war er grade vier. Jose und seine Mutter sind dann irgendwann nach Deutschland ausgewandert, und nun lebt er zirka zehn Jahre hier sagt er, und ist davon das zweite im Gefängnis. Er ist ein wenig durchgeknallt, aber vollkommen in Ordnung. Leider scheint er es nicht zu schaffen, nicht mehr in Supermärkte einzubrechen und irgendwelchen unnützen Schwachsinn wie Schokolade, Alkohol, Kaugummis, Zigaretten und wissen die Ladenbesitzer was sonst noch zu klauen und zu verkaufen. Jose wird wohl noch öfter eine JVA bewohnen dürfen.
Da das Frühstück wie immer makaber ist, bin ich schnell fertig, stelle mein Tablett auf den Tisch und warte bis Jose und Schwipps es wieder abholen, begleitet von unserem Freund Jansen natürlich.
Dabei ist Jansen bei bestem Willen nicht der schlechteste Wärter. Er ist einer der netteren, einer der respektvolleren. Für ihn ist nicht jeder Häftling gleich ein schwerst Krimineller. Da gibt es auch ganz andere Wärter hier in Hegendorf.
Als mein Tablett endlich abgeholt wird ist es sechs Uhr fünfundvierzig. Nun mache ich mich fertig und auf den Weg zu meinem »Knastjob« wie wir sagen, um meine tägliche Arbeit zu voll richten.
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Hanz
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H
Beitrag07.07.2015 20:38
Gesund kriminell
von Hanz
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Der Wärter schlägt gegen die Zellentür, schließt gleichzeitig auf, begibt sich in meine Zelle, und macht wie üblich, jeden Morgen um sechs Uhr, die Lebendkontrolle.
»Schmidt ist auch am heutigen Hafttag lebendig«, sage ich lächelnd und mit geschlossenen Augen, bevor mich der Wärter nach meinem Wohlbefinden fragen kann.
»Geh zur nächsten Zelle Jansen. Ich habe zwar wie immer wenig geschlafen, bin aber trotzdem gut zufrieden, fit und gesund, und freue mich auf diesen Tag, wie auf jeden anderen auch«.
Ohne ein Wort zu sagen dreht Wärter Jansen sich um, verlässt meine, und macht sich auf den Weg zur Nachbarzelle. Jansen weiß ich bin ein Spaßvogel, aber auch ein mustergültiger Häftling. Ich mache hier und da einen Witz, eine kleine Blödelei, aber alles in allem halte ich mich an jede Regel, begegne jedem Wärter mit Respekt, erledige sorgfältig meine Arbeiten und warte entspannt auf den Tag meiner Entlassung. Achthundert siebenundzwanzig Tage habe ich noch in meiner 10-Quadratmeter-Zelle abzusitzen. Einer Zelle möbliert mit jeweils einem Kleiderschrank, indem aber keine zwanzig Kleidungsstücke Platz finden, Tisch und Stuhl, die so verrostet sind, dass sie schon fast antik wirken, und einem Metallbett, dass durch den Rost nicht antik wirkt, sondern anfängt zu quietschen und zu knartschen, legt man sich darauf. Ein Waschbecken befindet sich in einem kleinen separaten Raum, allerdings nur mit kalt Wasser, indem sich auch eine Toilette befindet, welche man zwar selber putzen kann, dennoch aussieht, als hätte sie schon vor Erbauung der JVA dort gestanden.
Durch das Geld, welches mir meine Eltern direkt zu Anfang meiner Haftstrafe schickten, konnte ich mir ein kleines, 56 Zoll großes Fernsehgerät leisten und in meine Zelle stellen. Da ich mich in einer Einzelzelle befinde, mit niemandem nach Einschluss reden kann, ist das die einzige Beschäftigungsmöglichkeit die ich habe, und aufgrund der Qualität des deutschen Fernsehprogramms, welche nicht einmal schlecht ist, sondern durchweg beschissen, sah ich mich gezwungen, meine Eltern nochmals um Geld an zu hauen, dieses mal für einen DVD-Player und reichlich DVD´s. Auch nach mehr als vierhundert Hafttagen freue ich mich noch immer wenn ich eine DVD in den Player schieben, Play drücken, und in eine Welt abtauchen kann, die bei weitem nichts mit der Realität zu tun hat.
All das DVD schauen und das An sein des TV Gerätes verbraucht natürlich Strom, und den muss ich als Häftling selber zahlen. Man kann sich hier in der JVA einen Job suchen. Als Hausarbeiter zum Beispiel. Das sind dann Jobs wie Küchendienst, Wäschedienst, und Essensausgabe. Der Küchendienst steht logischer Weise in der Küche und bereitet das Essen zu, was uns umsonst gestellt wird. Frühstück, Brot, Marmelade und eine Tasse Tee, Mittagessen, was ganz ordentlich schmeckt und abwechslungsreich ist, denn mal gibt es Gulasch, mal Spaghetti, mal Eintopf, außer Freitags, da gibt es immer Fisch und Sonntags ist Resteessen angesagt, Abends bekommt man dann nochmal Brot, dieses mal ein wenig Aufschnitt und wieder eine Tasse Tee dazu. Zwei Tage die Woche sind für mich wie mein Geburtstag. An diesen Tagen darf ich mir jeweils einen Liter Milch bestellen. Da ich von Kindheit an Milchfan bin, ist das natürlich ein Ereignis auf das man sich einstellt, freut und das einem sogar dabei hilft, dass die Tage schneller vorrüber gehen.
Neben den Jobs der Hausarbeiter gibt es noch die betrieblichen Jobs wie Gärtner, Schlosser, Tischler oder zum Beispiel Müllmann. In diesen Bereichen begibt man sich zu Arbeitsbeginn in einen Betrieb, der in einem Extrateil des Gebäudes liegt, wo man Sachen herstellt für gemeinnützige Organisationen und behinderten Werkstätten, die diese dann Verkaufen können. Das Geld aus dem Verkauf dient als Spende für Obdachlose, Arme, geistig und körperlich Behinderte, und jeden anderen sozial Schwachen. Eine Gute und auch die einzig Sinnvolle Umsetzung der Zeit eines Häftlings. Die Arbeitszeiten sind in allen Jobs gleich, 7:00 Uhr - 15:15 Uhr.
Ich stehe meistens um kurz vor sechs auf, wobei ich schon früher wach bin aber erst dann aus dem Bett steige um mich fertig zu machen. Um sechs Uhr kommt dann ein Wärter, begleitet von zwei Hausarbeitern die den Essenswagen schieben, und lässt das Frühstück austeilen. Dreißig bis fünfundvierzig Minuten beschäftigt man sich in der Regel mit dem Frühstück. Dann wird es von einem anderen Wärter und zwei anderen Hausarbeitern wieder abgeholt. Ob man seine Zelle während dessen abschließt oder auf lässt ist jedem selbst überlassen. Die einen labern sich morgens gerne mal die Backen wund, während andere lieber in sich gekehrt in der Zelle hocken oder einfach in Ruhe essen wollen. Um sieben Uhr geht es dann zur Arbeit, Feierabend ist um kurz nach drei Uhr. Vor Beginn der Arbeit wird man stets mit einer Metallsonde abgesucht, schließlich könnten wir irgendetwas von einem Gefängnisteil in den anderen Gefängnisteil schmuggeln.
Man kann seine Arbeitszeit unterbrechen lassen für Sachen wie zum Beispiel, ein Gespräch mit seinem Anwalt, Psychologen, Arzt oder der Polizei. Um zwölf Uhr wird eine lange Mittagspause gemacht, ordentlich was gegessen, und dann geht es nach einer Stunde wieder an die Arbeit. Häftlinge ohne Arbeit gibt es auch, da es nicht selten dazu kommt, dass es zu wenig Arbeit in der JVA für all deren Häftlinge gibt. Und selbst ohne Jobcenter lebt es sich ohne Arbeit, im Gefängnis  wie außerhalb des Gefängnisses. Rum lungern vom feinsten, nur in der Zelle hocken, vormittags eine Stunde Hofgang, und sonst den ganzen Tag nur TV gucken bis der Arzt kommen muss, weil sie angeblich an Migräne leiden. Sendungen wie Mitten im Leben, Auf Streife, Trovatos, und und und, sind bei diesen Häftlingen sehr gern gesehen. Gleiches gesellt sich zu gleichem sagte mir mein Vater immer.
Also gesellt sich hier wohl sinnfrei zu sinnfrei.
Als Häftling mit Arbeit kommt man gegen halb vier Uhr zurück in seine Zelle. Ab da hat man bis neunzehn Uhr zeit, sich verschiedener Aktivitäten anzunehmen wie Fußball, Basketball, Fitness, Brett- sowie auch Kartenspiele, Konsolenspiele, und man kann eine Stunde Hofgang nachholen, da man schließlich den halben Tag arbeiten war. In dieser Zeit sollte man außerdem, vor Einschluss, duschen gehen. Man kann solange und so oft duschen wie man will, und auch mit so viel warmen Wasser wie man will. Es gibt Häftlinge die duschen seltener als ein Komapatient, es gibt welche die duschen alle zwei, drei tage, es gibt Häftlinge wie mich, die duschen jeden Tag ganz normal wie zu Hause auch, und es gibt Häftlinge die einfach mal Stunden in den Duschräumen verbringen, kostenloses Wasser soll es ja nicht überall geben.
Um achtzehn Uhr wird dann wieder, von einem Wärter und seinen zwei Jünglingen, das Abendbrot gebracht und man darf sich wieder entscheiden zwischen, alleine essen mit geschlossener Tür, oder alleine essen mit geöffneter Tür und Schwachsinns Gebrüll auf den Fluren. Ich bevorzuge ganz klar die erste Variante. Nachdem man sein Abendbrot zu sich genommen hat, das Tablett und Geschirr abgeholt wurde, reden die einen nochmal miteinander bevor es dann um neunzehn Uhr heißt, Einschluss. Vierhundert achtunddreißig mal habe ich nun schon diesen Tagesablauf hinter mich gebracht. Mit ein wenig Glück habe ich nach weiteren vierhundert mal meinen eigenen Tagesablauf wieder. Das wären dann zirka zwei drittel meiner Haftstrafe. Der Rest wird mir hoffentlich wegen guter Führung und gutem Benehmen als Bewährung ausgelegt. Immerhin hab ich kein Verbrechen in dem Sinne begangen. Na ja, für mich zumindest.
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Rodge
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Beitrag08.07.2015 07:48
Story
von Rodge
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Moin Hanz,

hmmm, alles ganz gut geschrieben (Interpunktion wäre noch an einigen Stellen anzupassen), aber mir ist nicht klar, um was es hier geht. Ist das der Anfang einer Geschichte? (Die Frage klingt blöd, aber eine Weile dachte ich, es ginge um eine Reportage des Knast-Lebens). Da man nicht weiß, was hier eigentlich der Konflikt oder die Story ist, fragt man sich z. B. bei der Stelle mit den DVD´s, warum man das jetzt wissen muß...

Grüße
Rodge
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Bananenfischin
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Beitrag08.07.2015 09:09

von Bananenfischin
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Hallo Hanz,

offenbar handelte es sich bei dem von dir neu erstellten Thread um eine weitere Überarbeitung eines Textauszugs in einem bereits bestehenden Thread. Daher habe ich beide Fäden zusammengeführt.
Um das Forum übersichtlich zu halten und Dopplungen zu vermeiden, handhaben wir es so, dass pro Werk immer nur ein Thread eröffnet wird; auch Fortsetzungen werden im selben Thread gepostet.

Liebe Grüße
Bananenfischin


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Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

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I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf)
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Hanz
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H
Beitrag08.07.2015 09:57

von Hanz
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danke fürs zusammenfügen, hatte ich zu spät gesehen


genau rodge, das is der anfang meiner storyy, klärt sich also nach und nach auf worum es geht, da sind nur die ersten 1000 wörter, das erste kapitel steht zb bis 4500, wollte halt nur ein teil posten
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Drakenheim
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Beitrag11.07.2015 09:24

von Drakenheim
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Hallo Hanz,

der Titel hat mich neugierig gemacht, darum habe ich hier rein geschaut. Ich habe jetzt Version 1 und Version 2 gelesen und finde es klasse, wie du auf die Kritik eingehst und dich sofort an die Überarbeitung setzt.

Du hast die Infos über Bens Familie rausgenommen, die zwar als Infodump eingeordnet wurden, aber damit auch die Frage: "Wie kommt ein Typ aus gutem Haus in so eine Situation? Und wieso gefällt ihm das auch noch?". Ich stelle fest, dass für mich damit die Spannung raus ist.

Du hast recherchiert. Der Knastalltag wirkt jetzt realistischer, was ich gut finde, liest sich aber, als ob du eine Dokumentation gesehen hast und nun darüber schreibst. Das ist schade, denn so kommt die Stimmung nicht rüber. Du be-schreibst was morgens geschieht, bringst aber in meinem Kopf kein Kino zum Laufen. Zu viele Wörter behindern meine Fantasie, die Kunst ist, mit den richtigen Wörtern die richtigen Bilder in meinen Kopf zu malen.

Ich habe jetzt auch ein Problem mit deinem Protagonisten gekriegt: Er ist mir unsympathisch geworden. Ein ober-cooler kleiner Angeber, der bei seiner eigenen Verhaftung Sprüche reißt, statt wie ein normaler Mensch völlig perplex auf dem Boden zu liegen, bevor er auch nur rafft, dass die Bullen im Haus sind. Entweder hat er schon mehrjährige Razzia-Erfahrung und ist eine eiskalte Sau, oder es gibt ihn nicht.

Das sind meine Eindrücke beim Lesen. Ich bin schon auf Version 3 gespannt, aber eigentlich interessiert mich mehr, wie Ben in diese Situation geraten ist, und wieso er dabei so gelassen bleibt, wie in Version 1.

Viele Grüße - die kleine Drächin
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Papa Schlumpf
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Wohnort: Friedersdorf


Beitrag16.07.2015 16:37

von Papa Schlumpf
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Hallo, Hanz,
Deine Überarbeitung geht in eine interessante Richtung. Einige unglückliche Formulierungen suchten schon das Weite, andere stören noch, mal sehen, ob ich sie gleich finde.
Zitat:
bin aber trotzdem gut zufrieden,
zum Beispiel. Was bedeutet "gut zufrieden"? Oder:
Zitat:
möbliert mit jeweils einem Kleiderschrank, indem aber keine zwanzig Kleidungsstücke Platz finden, Tisch und Stuhl, die so verrostet sind, dass sie schon fast antik wirken, und einem Metallbett,
Das scheint mir a) inkonsequent, sonst ließest Du den unbestimmten Artikel vorm Blechbett weg und b) überflüssig, den mit "je" machst Du aus dem unbestimmten Artikel ein Zahlwort, das Du durch Verwendung des Singular gar nicht brauchst. Es genügte und täte der Aussage keinen Abbruch, schriebst Du: "möbliert mit Kleiderschrank, ..., Tisch und Stuhl, ..., sowie Metallbett ..." Weil ich mich gerade beim Interieur aufhalte:
Zitat:
allerdings nur mit kalt Wasser, indem sich auch eine Toilette befindet,
Was macht die Toilette im kalt Wasser? Das fehlende Leerzeichen zwischen "in" und "dem" ließe noch etliche dumme Fragen zu (wenn die Toilette nicht wäre, gäb's dann auch warmes Wasser?), lassen wir's bewenden. Kaltwasser schreibt man als ein Wort, auseinander geschrieben heißt es kaltes Wasser. Mit "Toilette" meinst Du sicher den "Zylinder", die Sanitärkeramik, das Klosett oder bei Stand der Technik, das WC ("WasserClosett"). Ich neige dazu, den kleinen separaten Raum in der Zelle als Toilette zu bezeichnen.
"Welch" gehört meiner Auffassung nach nie als Ersatz für denbestimmten Artikel verwendet, und schon gar nicht doppelt in drei Zeilen, gleich im Anschluss ans Klo.
Deine Interpunktionsschwäche erwähnten schon die Vorposter, da will und kann ich jetzt nicht Detailarbeit leisten. Mitunter befällt mich selbst große Unsicherheit. Nur eine Sache noch: Die Arbeitszeiten sind in allen Jobs gleich, 7:00 Uhr - 15:15 Uhr.  Zwei Dinge, zum einen setzte es sich durch, Zahlen nicht arabisch, sondern lateinisch zu schreiben, als Wort. Andererseits wiederholst Du die zeitliche Einordnung der Arbeit in den Knastalltag im folgenden Absatz:
Zitat:
Um sieben Uhr geht es dann zur Arbeit, Feierabend ist um kurz nach drei Uhr.
Und wenn ich mich recht erinnere, so spielen genau diese Uhrzeiten weiter unten nochmal eine Rolle. Du solltest auch darauf achten, dass solche Angaben im laufenden Text identisch bleiben.
Übrigens : auch Kokain gehört zu den pflanzlichen Rauschgiften. Man gewinnt es durch Extraktion aus Cocablättern. Die ursprüngliche Rezeptur eines koffeinhaltigen Erfrischungsgetränks enthielt Coca-Extrakt. Darf aber nicht mehr.
Vielleicht hilft es ja. Viel Spaß beim Überarbeiten. Man liest sich.
LG P. S.


_________________
Nicht alles, was wir bewirken, haben wir auch gewollt.
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Hanz
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H
Beitrag17.07.2015 11:21
Und noch einmal
von Hanz
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Habe mich nun dafr entschieden, die Knastszenen im nachhinein zu schriben. Ich schreibe erst die grundstory runter und dann die Knastszenen dazu, einfacher und strukturierter.

Das erste Kapitel der rohfassung, Grundstory, ist soweit fertig. Ich freue mich wieder auf Resonanzen und wünsche freudiges Lesen.




Gesund kriminell



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Ich bin geboren und aufgewachsen in Osnabrück, einer kleinen Stadt in Niedersachsen, mit nicht einmal hunderttausend Einwohnern, und lebte dort bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr. Ich wurde groß gezogen, von einer ehrlichen, offenen und sehr liebevollen Putzfrau, meiner Mutter Susanne, und einem charakterstarken, selbstbewussten und ehrlichen Meister der Industrietechnik, meinem Vater Jürgen. Mir gaben sie den Namen Benjamin. In der Regel nennen mich die Leute aber Ben. Meinen Eltern waren Ehrlichkeit und Engagement sehr wichtig. Lügen wurden hart bestraft. Mein Vater konnte Momente einfach nicht ausstehen, in denen ich Mist gebaut, er es raus bekommen, und ich ihn trotzdem angelogen hatte. Das Mist bauen an sich fand er nicht schlimm, Jugendliche bauen nun mal Mist, nur sollte ich immer sofort zu ihm kommen und ihm stets die Wahrheit erzählen. Meine Mutter war da nicht viel anders. Während mein Vater mir gern Hausarrest für irgendwelche aufgetischten Lügen gab, hat meine Mutter mir eine Zeitschaltuhr an den Fernseher und die Konsole gehängt, was natürlich als Jugendlicher ziemlich schlimm ist. Für manche schlimmer als der Hausarrest. Ab und an wurde auch ein Kochlöffel verwendet, auf meinen Pobacken zweigeteilt und danach war wieder gut. Auch das ist dem einen oder anderen lieber als die Zeitschaltuhr.
Trotz der harten Bestrafungen für irgendwelche aufgetischten Lügen, mangelte es meiner Kindheit an nichts. Weder an Liebe und Zuneigung, noch an materiellen Dingen. Die Stimmung bei uns zu Hause war immer sehr familiär, warm, gemütlich und freundlich. Es gab oft gebackenes von meiner Mutter. Bienenstich, Apfel, Pflaumen oder auch Käsekuchen, wobei, auch wenn alles sehr sehr lecker ist, mir der Käsekuchen am meisten schmeckt. Ich hab bis heute nicht verstanden, warum meine Mutter nie ein Backwaren-Geschäft eröffnet hat. Und das sage ich nicht damit ich jeden Tag hätte umsonst dort Kuchen essen können, das geht ja logischer Weise auch so, nur wäre es so gewesen, dass sich viele Leute ihrer Backwaren erfreut hätten, da bin ich mir ziemlich sicher. Na ja, noch ist ja nicht nie.
Zu Weihnachten und zu meinem Geburtstag bekam ich als Kind immer das geschenkt, was ich mir auch gewünscht hatte. Und auch wenn ich dies schon vorher wusste, war es trotzdem immer ein Highlight gewesen. Meine Mutter stand mit mir vor der Wohnzimmertür, ich mit dem Kopf an der Tür angelehnt in der Hoffnung ich würde etwas hören, einen kleinen Klang erhaschen.
Ich habe nie etwas gehört.
Dann hat mein Vater die Tür aufgeschlossen, gesagt er hätte sich kurz mit dem Christkind unterhalten, die Geschenkeliste überreicht und die Sachen entgegen genommen. Natürlich Schwachsinn, aber als Kind eine wundervolle Illusion.
Ich hatte immer die neueste Spielekonsole und obwohl ich nach Erhalt der Konsole nicht mehr davon wegzukriegen war, bekam ich immer wieder eine und hab meine Eltern wahnsinnig gemacht. Na ja, bis zur Zeitschaltuhr, die irgendwann kam auch wenn ich nicht gelogen hatte.
Eine super Musikanlage durfte natürlich auch nie fehlen, denn was gibt es schöneres, als Jugendlicher mit seinen Freunden über seine Boxen in seinem Zimmer coole Gangsta Musik zu hören. Man versteht zwar kein Wort, entweder weil es ausländisch ist, oder aber weil die Akteure nuscheln als würden sie keine Aufnahme unter drei Promille anfangen, aber es dröhnt in den Boxen und knallt durch das ganze Haus. Na ja, bis zur Zeitschaltuhr natürlich, denn die kam irgendwann auch ohne Konsole spielen oder Eltern anlügen.
In der Gegend unseres Wohnhauses, abseits der Stadt, zwischen Wiesen und Wäldern, gab es coole Strecken auf denen man mit seinem Dirtbike heizen konnte. Mit voller Montur   Handschuhe, Helm, Anzug et cetera    bretterten wir über Hügel und durch Bäche, über Staubwege und durch Schlamm, bis wir schließlich nichts mehr sehen konnten, weil die Visiere der Helme bedeckt waren mit Schlamm und Dreck. Ein unglaubliches Gefühl, gefüllt mit nichts als Adrenalin, schießt einem durch den Körper. Unbeschreiblich. Unersetzbar.
Genau wie meine Hobbys, pflegte ich auch schon in jungen Jahren meine Freundschaften. Ich hatte viele Freunde und war in meiner Kindheit nie allein. Ich war immer unterwegs, war draußen und spielte mit meinen Jungs, ging auf Partys, hatte Spaß und lernte Mädchen kennen. Ich fand normal langweilig, verrückt abwechslungsreich. Ich war einer der bei allem dabei war, egal was angestellt wurde. Ich konnte nie nein sagen. Man konnte mehr als nur Pferde mit mir stehlen.
Ich hatte aber auch das Glück, nie bei irgendetwas erwischt zu werden, außer beim Lügen gegenüber meinen Eltern. Egal was wir anstellten, ich bin immer im letzten Moment davon gekommen, oder konnte mich irgendwie aus dem Dreck ziehen. Und da wir uns innerhalb unserer Clique geschworen hatten, niemals einen Kameraden zu belasten oder zu verraten, gab es auch nie eine Aussage die mich zum Verdächtigen gemacht hatte. Es festigte sich dadurch in mir ein Bild, dass ich jedem der mir seine Freundschaft anbot, vertrauen könne. Das Leben sollte es mich noch anders lehren.
Verräter werden bei uns als 31er bezeichnet und einem 31er tritt man gegenüber mit nichts als purer Verachtung.
»Bist du mein Bruder bin ich dein Bruder! Bist du mein Feind bin ich dein Teufel!«
Ich habe mir früh diese Wortwahl ausgesucht und befolge sie heute noch mit höchster Sorgfalt und schenke ihrer Bedeutung oberste Priorität. EHRE, RESPEKT und LOYALITÄT sind drei weitere sehr wichtige Punkte in meinem Leben. Bevor ich einen Kameraden verrate, sitze ich lieber lebenslänglich in irgendeinem Gefängnis.
Neben all diesen Aspekten absolvierte ich die Realschule. Meine Eltern prägten mir immer ein, zumindest versuchten sie es, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Es hat nicht ganz funktioniert, da ich in der Schule das Vergnügen dem Lernen vorzog, trotzdem beendete ich meine zehnte Klasse erfolgreich mit dem höchstmöglichen Abschluss. Und das ohne aufzupassen geschweige denn mich anzustrengen. Ohne Probleme hätte ich auch noch das Gymnasium dranhängen, und danach ein Studium beginnen können, um später einmal ein erfolgreicher Arzt, gut verdienender Bänker oder Anzug und Krawatten tragender Anwalt zu werden. Ich entschloss mich jedoch völlig anders nach Erhalt meines Abschlusszeugnisses. Ich war sechzehn Jahre alt, hatte grade erfolgreich die Realschule beendet, hatte bis dato nie mein Sparbuch angerührt, auf das monatlich ein paar Euro von meinen Eltern eingezahlt wurden, hatte ein einwandfreies Führungszeugnis und noch nie meine Heimatstadt, Osnabrück, oder gar mein Heimatland, Deutschland, verlassen. Ich entschied mich also dafür meine Ausbildung zum Gärtner, die nach den Sommerferien begonnen hätte, nicht anzutreten und stattdessen mein angespartes Geld zu nutzen, um damit einen Europatrip zu machen. Meine Eltern waren alles andere als begeistert, als ich ihnen von meinen Plänen erzählte. Meine Ausbildung zu machen, sollte mir ihrer Aussage nach am wichtigsten sein, und nicht durch die Weltgeschichte zu reisen und Geld auszugeben ohne vorher jemals gearbeitet zu haben. Meine Meinung dagegen war, dass ein, zwei oder vielleicht drei Jahre nicht arbeiten, die Welt erkunden und neue Kulturen, Sitten und Leute kennen zu lernen, nicht schaden würden. Und wenn ich mit zwanzig wiederkomme, habe ich noch immer weit über vierzig Jahre in denen ich malochen kann. Das sollte vollkommen ausreichend sein für ein Menschenleben. Mein Entschluss stand somit fest und da meine Eltern mich immer meiner Wege gehen ließen, taten sie es auch hier. Ich konnte also mit dem Geld rechnen und fing an, meinen Eurotrip zu planen.
Italien – Spanien – Frankreich – Irland – Großbritannien – Norwegen – Schweden – Dänemark – Deutschland.
In der Reihenfolge plante ich die Reise. Wie lange ich mich in den jeweiligen Ländern aufhalten würde, würde ich spontan entscheiden. Eine zeitliche Begrenzung wollte ich mir einfach nicht setzten. Ich meine »Hey!«. Sechzehn, frisch aus der Schule, kurz vor dem Erwachsen werden, welches langweilige und alles andere als spaßige Veränderungen impliziert wie Arbeiten zu gehen, Rechnungen zu bezahlen und unnützen Papierkram zu erledigen, da lasse ich vorher doch lieber nochmal die Sau raus. Und wer weiß schon so genau wie lange so etwas dauert.
Mein erstes Ziel sollte also Italien sein. Ich schnappte mir meinen Laptop, durchsuchte das Internet nach dem günstigsten Flugticket, vom möglichst naheliegendsten Flughafen, und buchte mir mein Flugticket von Münster nach Rom. Ich dachte mir mitten rein ist ein ganz gutes Konzept. Ich wollte schließlich Kulturen und Menschen kennen lernen. Vom Land an sich würde ich meines Empfindens nach, in der Stadt genug sehen. Das Ticket ließ ich vom Konto meiner Eltern abbuchen. Das Buchen des Flugtickets per Mausklick empfand ich irgendwie als unecht. Mit einem Klick ist eine solch große und kostspielige Entscheidung getroffen. Das Geld wird abgebucht und du musst auf dein Ticket warten. Das zweite würde ich nicht im Internet buchen, soviel war sicher.
Einige Tage später war es dann soweit. Ich konnte mein erstes, vom eigenen Geld bezahltes, mich allein auf Reise schickendes Flugticket in der Hand halten. Ich war das ein oder andere mal zwar schon verreist, aber immer mit meinen Eltern. Dieses mal war es was komplett anderes. Es gab keine »Aufpasser« oder Begleitpersonen die mir sagen würden, tu dies nicht, tu das nicht, benimm dich. Nein, dieses mal war ich alleine unterwegs, alleine sollte ich am Flughafen stehen, hinein gehen, mich zurecht finden und meinen Flug in ein mir fremdes Land nehmen. Ich war sechzehn, fühlte mich aber wie sechsundzwanzig. Ein einmaliges Gefühl.
Vor meinem Abflug, der von dem Erhalt des Flugtickets an noch vier Wochen entfernt war, wollte ich unbedingt in Deutschland noch einiges an Geld wechseln. Ich wollte etwas Bargeld in jeder Währung dabei haben, die ich auf meiner Reise benötigen würde. In Italien, Spanien, Frankreich und Irland ist die aktuelle Währung der Euro, für Großbritannien würde ich Pfund benötigen, für Norwegen die Norwegischen, für Schweden die Schwedischen und für Dänemark die Dänischen Kronen. Eines hatte ich jedoch nicht ganz so erwachsen und reif geregelt. Ich hatte mir null Komma null Plan über die Details meiner Reise gemacht. Ich würde in einem Land ankommen, irgendwann abreisen und wieder in einem anderen Land ankommen, solange, bis ich schließlich wieder in Deutschland sein würde. Hat man das nötige Kleingeld und die nötige Menge Selbstbewusstsein braucht man keinen Plan oder eine Art Reisestruktur. Man fliegt weg und kommt wieder.
Ich kann mich aber noch genau an den Moment erinnern, als meine Mutter mich nach meinem Plan frug, und ich ihr trocken, mit einem Augenzwinkern, antwortete: »Klar Muttern«.
Die letzten dreieinhalb Wochen vor meinem Abflug wollte ich nutzen, um reichlich zeit mit meinen Freunden und meiner Familie zu verbringen. Mit meiner Familie wollte ich einfach eine gemütliche Zeit verbringen, in der es vielmehr darum ging, sie als frische Erinnerung mit auf Reise nehmen zu können. Momente, Gesichtszüge, ein Witz meines Vaters oder aber ein liebes Wort meiner Mutter. Es sollte so frisch sein, dass ich es wie einen Film, nur durch das schließen meiner Augenlider, sehen und abspielen könnte. Allerdings war ich auch ganz versessen darauf, den Schweinebraten meines Vaters mit Kräuter-Senf-Füllung nochmal zu essen. Geschmorte Zwiebeln und eingelegte Ofenkartoffeln dazu, übergossen mit einer Bratensoße, leicht im Abgang doch geschmacksintensiv. Ein wahres Gedicht. Oder Vaters Marmelade. Früchte in Alkohol einlegen, danach pürieren und mit anderen Zutaten - Ich weiss bis heute nich welche, da Vattern es einfach nicht preisgeben will - zu Marmelade verarbeiten.
Der Mann der die Marmelade kocht, meinte er einmal zu mir. Verrückter Kerl.
Natürlich durfte Mutters Käsekuchen auch nicht fehlen. Der ist bis heute luftiger als die luftigste Luftschokolade. Kein Wunder, dass ich bei dem essen, bei einem Meter siebzig auf ganze fünfundachtzig Kilo komme. Den Genen darf man  jedoch auch etwas Schuld zuschieben. Alle in der Familie sind nicht dünn und auch nicht dick, sondern irgendwas irgendwo dazwischen. Ich bin damit aber eigentlich ganz zufrieden. Ich strebe ja wie gesagt nicht nach dem Nonplusultra. Man sagt nicht umsonst die goldene Mitte.
Mit meinen Freunden wollte ich an den Wochenenden richtig feiern gehen. Da es Sommer war, das Wetter gut und somit auch gute Laune in der Luft lag,  planten wir große Gartenpartys. Partys mit bis zu fünfzig Leuten, in Gärten mit Platz für maximal zwanzig Leute. Tanzen bis die Füße nichts mehr spüren, trinken bis man nicht mehr trinken kann, dann morgens verplant und völlig orientierungslos durch die Stadt laufen und nach Stunden erst seine Bushaltestelle finden, um dann auch noch zu merken, der nächste Bus fährt erst in drei Stunden. Herrlich!
In Hohem Kurs standen bei uns auch etwas unkonventionelle Minispiele im Fußball. Hoher Ball war zum Beispiel eines dieser Minispiele. Spielt sich wie folgt:
Gespielt wird mit drei bis fünf Spielern. Der erste Torwart wird durch Lattenwerfen entschieden. (Vom Fünfmeterraum mit der Hand den Ball gegen die Latte werfen, wer nicht trifft muss als erstes ins Tor). Die anderen Spieler befinden sich im Sechzehnmeterraum und dürfen diesen auch nicht verlassen. Die Spieler müssen sich nun den Ball gegenseitig zuspielen und dürfen nur aufs Tor schießen, außerhalb des Fünfmeterraumes und direkt aus der Luft, wenn der Ball vorher bereits über zwei Stationen in der Luft gespielt wurde. Tippt der Ball auf den Boden und man schießt aufs Tor, ist man Torwart. Schießt man vorbei, ist man Torwart. Hält der aktuelle Torwart den Ball, er muss ihn direkt festhalten und darf ihn nicht aus den Händen fallen lassen, ist man Torwart. Das ganze geht solange bis ein Torwart zehn Gegentore kassiert und somit keine »Leben« mehr hat. Das ganze klingt nicht unkonventionell? Der Verlierer muss sich danach auf die Torlinie stellen, mit dem Kopf zum Tornetz und gebückt natürlich. Die anderen Spieler bekommen nun fünf Versuche, mit dem Ball vom Fünfmeterraum den Hintern des Verlierers zu treffen, und zwar so hart man kann. Der Titel des Spiels hieß bei uns nämlich immer: Hoher Ball mit Arschschießen.
Und so schnell wird es unkonventionell.
Es stand also das erste meiner letzten drei Wochenenden vor meiner Abreise an. Geplant hatten wir eine Party, im Elternhaus eines guten Freundes. Geplant wurde die Party dort, aufgrund des Urlaubes indem sich die Eltern befanden. Das hieß für uns sturmfreie Bude und welcher Teenager ist von so etwas nicht begeistert.
Das Haus befand sich auf einem kleinen Hügel, umgeben von nichts außer riesigen Tannen, Eichen und na ja, anderen Bäumen. Mehr Arten habe ich nicht erkennen können, aufgrund meines nicht vorhandenen Wissens über die Natur natürlich. Die sollte sich in meinem Leben aber noch drastisch ändern.
Die Einfahrt des Hauses war eine zirka hundert Meter lange, mit Kieselsteinen bedeckte Straße. Am Ende der Straße befand sich ein Wendepunkt, der einem den Ausstieg direkt vor der Eingangstür ermöglichte. Es war ein riesiges Grundstück. Ich würde sagen vielleicht zwei Fußballfelder groß. Es gab jedoch keine Blumen die blühten, nur Gras, zwar schön geschnitten, leuchtend grün und auch sehr schön anzusehen, nur wirkte es nicht lebendig. Das Haus selber war ein Steinhaus, welches mit antiken und teuren Eichenmöbeln möbliert wurde. Im Wohnzimmer befanden sich teuer aussehende Skulpturen, Kunstwerke hingen an der Wand über denen immer ein Leuchter befestigt war, der es erhellte und gut sichtbar machte (für mich sind es Bilder wie von Kindern gemalt, für reiche Leute sind es Kunstwerke und ein Grund viel Geld auszugeben und seinen Wohlstand der Bevölkerung zu offenbaren). In einer Ecke stand ein riesiger, weit über einen Meter großer Full HD LED TV der Marke Philipps. Daneben zwei genauso große Standboxen, dazu noch fünf kleinere Standboxen die im Raum verteilt an den Wänden hingen. Unter dem TV befand sich ein DVD-Player und unter dem ein gigantischer Subwoofer der ebenfalls zur Anlage gehörte.
Es gab eine Sitzecke in schwarzem Leder, auf der mindestens fünfzehn Leute Platz fanden. Begleitet wurde die Sitzecke von einer langen Couch für weitere zehn Leute, und ein paar Sesseln. Alles bestand natürlich aus feinstem schwarzen Leder. Es gab eine offene Küche mit einer Kochinsel und einer kleinen Bar nebenan, die coole verzierte Barhocker davorstehen hatte.
Im Badezimmer befand sich über dem Waschbecken ein rechteckiger goldener Wasserhahn. In der Ecke stand eine Dusche für ich weiß nicht wie viele Leute ausgerichtet, so groß war sie, mit integriertem Radio und einem Duschkopf der fröhlich die Farben wechselt während man duscht.
Eingeladen waren knapp fünfzig Leute und die Party ging los um zwanzig Uhr. Für Getränke und Snacks war gesorgt, niemand musste etwas mitbringen, obwohl es der ein oder andere trotzdem tat, da ihm die »normalen, nicht überteuerten« Getränke und Snacks nicht gut genug waren. Jedem das seine. Ein Betrunkener teilt in der Regel eh alles mit eh jedem von daher war es mir recht.
Ich machte mich zu Hause fertig wie sonst auch. Duschen, Bart rasieren   auch wenn nicht viel da war zum rasieren   , Haare stylen, kleines Kettchen um den Hals, schicke moderne Jeans an, ein freshes, cooles T-Shirt, da drüber einen, mit freshem Motiv bestickten Markenhoody und als krönenden Abschluss angesagte und nigelnagelneue Nike Schuhe.
Als ich mit allem fertig war, zeigte die Uhr zwanzig Uhr dreißig. Ein perfekter Zeitpunkt um zu einer Party zu gehen die schon vor einer halben Stunde begonnen hat. Ich verabschiedete mich von meinen Eltern, sagte ihnen ich wäre am nächsten Morgen erst wieder da, bekam von meiner Mutter skeptische Blicke zugeworfen, von meinem Vater hingegen viel Spaß gewünscht und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Ich wartete keine fünf Minuten ehe der Bus kam, stieg ein und setzte mich in die letzte Reihe. Eine Frau stieg ein, ein Mann stieg aus, drei Haltestellen passierte nichts, eine Frau stieg aus, eine Gruppe Jugendlicher stieg ein und die nächste Haltestelle war auch schon meine. Nicht ganz siebzehn Minuten Fahrt. Nun musste ich einige hundert Meter die Straße entlang in den Wald, bis ich schließlich die Einfahrt erreichen würde. Angst im dunkeln hatte ich nie, schließlich war ich ein junger Mann. Die Betonung lag auf Mann, na ja oder vielleicht auch nicht. Ich hatte zumindest eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und freute mich schon den ersten von meinen Reiseplänen zu erzählen. Voller Vorfreude, mit einem breiten Lächeln im Gesicht und mit jeder Menge Lust auf Party ging ich die Straße entlang Richtung Einfahrt des Elternhauses meines Freundes. Fünf Minuten waren vergangen und es war noch keine Einfahrt in Sicht, kein Ton zu hören, niemand zu sehen. Ich war bis dato nur einmal dort gewesen, da die Eltern nicht oft verreisen und nicht gerne Besuch haben wenn sie da sind, und so konnte ich mich nicht erinnern wie lange ich das erste mal die Straße entlang gelaufen war bis ich das Haus erreicht hatte. Doch mit einmal hörte ich ein Geräusch. Es war jedoch kein Geräusch aus einer laufenden Musikanlage, kein Geräusch einer Unterhaltung zwischen mehreren Menschen, nein, es waren Schritte, ein knacken hier, ein knistern da. Da ich vor mir weit und breit nichts entdecken konnte dreht ich mich um und mir offenbarte sich ein Bild, dass ich nicht sofort verstand. Ich sah einen Halbkreis, bestehend aus vielleicht sieben oder acht Leuten, die einen groß, die anderen kleiner aber immer noch groß, die einen breit gebaut, die anderen etwas dürrer, kein einziger zeigte einen Gesichtszug, eine Mimik oder sagte etwas. Sie kamen einfach immer näher und in meinem Magen tat sich ein unwohles Gefühl auf. Ich blieb stehen und schaute den Jungs mitten ins Gesicht. Da wurden sie einen Schritt schneller und mir wurde klar, dass die knappen zehn Meter Abstand zwischen uns schnell weniger werden würden. Langsam ging ich rückwärts und machte mich auf den ersten Kampf meines Lebens gefasst.
Die Jungs sahen sportlicher und auch dünner aus als ich, von daher fand ich die Idee weg zu laufen eher schwach als gut durchdacht. Ich war schließlich mit meiner Statur kein guter Läufer.  Angriff ist die beste Verteidigung war das einzige was mir durch den Kopf schoss und ich musste mich schnell entscheiden, denn es waren keine fünf Meter Abstand mehr zwischen mir und meinen Gegnern, nachdem ich die Situation endlich realisiert und verstanden hatte. Ich ging weiterhin langsam rückwärts und ließ meine Gegner noch zwei Schritte machen. Dann blieb ich abrupt stehen. Zwei der Jungs wurden schneller und gingen nun als erster auf mich zu. Bis sie knapp einen Meter fünfzig vor mir standen wartete ich, dann machte ich zügig einen Schritt auf den ersten zu, der leicht vor dem zweiten Stand und zum Schlag ausholte, dem ich aber auswich. Ich duckte mich drunter her und verpasste seinem Kollegen einen kräftigen Haken gegen sein Kinn, worauf er ins Schleudern kam und zu Boden ging. Ich hatte jedoch keine Zeit und musste mich sofort auf den zweiten konzentrieren, der sich nämlich schon umgedreht hatte und auf mich zu rannte. Als er grade wieder ausholen wollte, rannte ich an, duckte mich und warf ihn über mich hinweg, wie man es als Kind im Wrestling gesehen hat. Ich holte tief Luft, löste meinen Blick von dem Gegner den ich grade auf den Boden geworfen hatte und schaute hoch. Vor mir sah ich einen Hünen, dessen Größe und Breite sich vorher nicht deutlich gezeigt hatte, der mir arrogant und siegessicher ins Gesicht grinste. Warum?Was passierte nun? Ich hatte grade in meiner ersten Auseinandersetzung, zwei gar nicht mal so schlechte Gegner auf den Boden befördert und war ziemlich zufrieden mit meiner Leistung. Nach den nicht mal drei Sekunden in denen ich mich das gefragt hatte, bekam ich jedoch  aus dem nichts, völlig unerwartet und volles Pfund ohne Deckung zwei harte Faustschläge gegen die Schläfen. Ich spürte die Wucht der Schläge und sackte direkt in mich zusammen, verlor allerdings nicht mein Bewusstsein. Mein Kopf sagte mir es würde nun Schläge und Tritte hageln und ich sollte lieber den Kopf mit Händen schützen. Also schlug ich mir sofort die Hände über den Kopf, das Gesicht auf dem Unterarm gepresst, um nicht auf den nackten Asphalt zu schlagen, sollte es wie mein Kopf mir sagte, Schläge und Tritte hageln. Und dies passierte auch.
Ich spürte harte Tritte in der Magengegend, gegen meine Kniescheibe und gegen meinen Kopf. Ich weiß nicht warum, aber die Tritte in der Magengegend schmerzten am meisten, die im Kopfbereich machten mir am meisten sorgen. Ich nahm den kompletten Arm auf dem das Gesicht nicht lag, schlug ihn über den Kopf und hoffte es er würde alle weiteren Tritte abwehren.
Auf einmal gingen mir meine Eltern durch den Kopf. Weder Leute die vielleicht noch zu der Party kamen und mich und diese Verrückten sehen würden, Autos die auf dieser Straße unterwegs waren oder sonst irgendjemanden. Nur meine Eltern. Würden sie es überstehen wenn ich diese Nacht nicht überlebe? Würde ihr Leben danach von Trauer bestimmt sein? Würden sie sich Vorwürfe machen, weswegen auch immer? Würden sie sich streiten oder würde die enge Verbindung zwischen meinen Eltern bestehen bleiben? All diese Fragen schossen mir durch den Kopf während die Schmerzen langsam weniger wurden.
Ich erinnerte mich an meine Einschulung und meine riesige Einschulungstüte. Geburtstage und Weihnachtsfeste gingen mir durch den Kopf, wie auch einige unserer vielen Grillabende. Mir ging all das durch den Kopf, was ich noch vor meiner Abreise erleben wollte. Es war ganz nah und doch so fern. Ich konnte es beinahe spüren, meine Eltern anfassen als stünden sie vor mir und würden mir sagen, ich solle ihre Hand nehmen, und doch schienen sie zu weit weg, die Hand unerreichbar. Ich wollte sie fassen doch sie wich immer weiter zurück. Nein Ben, sagte ich mir. Kämpfe. Die Hand ist doch direkt vor dir. Immer und immer wieder, bis ich irgendwann reflexartig meine Augen aufriss. Langsam und schreckhaft nahm ich den Arm von meinem Gesicht, hob den Kopf und schaute mich um. Es war niemand mehr da. Auf der Straße sah ich weit entfernt kleine Umrisse einiger Leute die in die Richtung liefen, aus der ich kam um zur Party zu gelangen. Ich konnte weder einen klaren Gedanken fassen, noch mich zur Ruhe bringen. In stand auf, sah mich noch einmal um und fing an zu laufen. Runter von der Straße, auf der fühlte ich mich nicht mehr sicher, ab in den Wald und so lange grade aus, über Büsche und Wurzeln und zwischen Bäumen hindurch, bis meine Beine mich nicht mehr tragen konnten, meine Lunge völlig ausgetrocknet war und wie ein offenes Feuer brannte. Einige male stolperte ich und fiel hin, rappelte mich aber sofort wieder auf und rannte weiter, ohne viel Zeit verstreichen zu lassen. Dann war der Wald plötzlich zu Ende und ich sah ein Licht, Laternen. Erst eine, dann die zweite und plötzlich einen ganzen Haufen, verstreut über einen Parkplatz, mitten vor einer Discothek. Das musste meine Rettung sein. Ich war physisch wie psychisch total am Ende. Der Überfall auf mich, die Tritte und Schläge mit denen man mich malträtiert hatte und dann auch noch der wahnsinnige Lauf durch den Wald. Mir wurde bewusst, dass ich nicht mehr lange grade laufen, geschweige denn stehen würde. Also machte ich mich langsamen Schrittes auf den Weg Richtung Parkplatz und der dahinterliegenden Discothek. Als ich die zweite Laterne passierte und keine fünfzig Meter mehr vom Parkplatz entfernt war, kam ein kleiner Opel Corsa angefahren und schnappte sich einen freien Parkplatz. Während ich das Auto und deren Insassen beobachtete, ging ich weiter. Die Scheinwerfer blieben an. Niemand stieg aus. Dann öffnete sich ein Fenster und Qualm kam aus dem Auto. Die Insassen rauchten wohl noch eine Zigarette bevor sie in die Disco gehen würden. Da mein Körper immer schlaffer und schwächer wurde, nahm ich mir vor bis zum Auto zu gehen, mich einfach auf die Motorhaube fallen zu lassen und zu hoffen irgendjemand würde einen Krankenwagen rufen. Mir selber war dies nicht möglich, da ich kein Handy besaß. Ich fand die neue Welt der Handys, Smartphones, nervig, überteuert und vor allem nicht ansatzweise so reibungslos funktionstüchtig wie zum Beispiel die alten Handys, wie das Nokia 3310.
Ich ging strikt auf den Opel Corsa zu, passierte eine weitere Laterne und erreichte zehn Meter weiter das Auto, ließ mich auf die Motorhaube fallen, rief so laut ich konnte, wobei ich nicht weiß ob es wirklich laut war, »Hilfe« und rutschte gleichzeitig von der Motorhaube runter, knallte auf den Boden und bewegte mich keinen Zentimeter mehr. Ich schaute runter auf meine Hände und sah nichts als Blut. Blut auf meiner Jeans, auf meinem Hoody, meinem T-Shirt und meinen Schuhen. Vorher war mir dies zu keinem Zeitpunkt aufgefallen. Ich ließ den Kopf nach hinten sinken, legte ihn leicht auf den Asphalt und legte meine Hände nebeneinander auf den Bauch. Mir wurde kalt obwohl es nicht kalt war. Ich fing an zu frieren, aber nicht wie im Winter, wenn man angezogen durch die Stadt läuft und einem einfach kalt wird, sondern viel mehr von innen nach außen. Als würde die Kälte sich in mir entwickeln, ausbreiten und dann meinen Körper nach außen hin erfrieren lassen. Meine Zähne begangen leicht zu klappern und zu stottern, meine Lippen fingen an zu zittern und da sah ich es. Ein Gesicht über meinem starren Blick grade aus nach Oben Richtung Himmel.
»Kannst du mich hören? Der Krankenwagen ist auf dem Weg und müsste jede Minute eintreffen« sprach das Gesicht zu mir.«Bleib ruhig und beweg dich nicht okay?«
Das waren die letzten Worte die ich hörte, bevor sich meine Augen schlossen und ich schließlich mein Bewusstsein verlor.
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Rodge
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Beitrag18.07.2015 09:56
Bericht
von Rodge
Antworten mit Zitat

Moin, moin,

für mich ließt sich das eher wie ein Erfahrungsbericht. Auch scheint es da keine Distanz zwischen Autor und Figur zu geben. Zu vieles wird als Information gegeben (Redaktionsstil). Vielleicht willst du ja auch so schreiben, dann ist das natürlich ok. Wenn du das veröffentlichen willst, ein Tip: Schau dir deine 3 Lieblingsbücher an. Wie beginnen die? Wieviel Informationen geben sie dem Leser?

Grüße
Rodge
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nebenfluss
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Beitrag18.07.2015 11:33
Re: Und noch einmal
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Hanz hat Folgendes geschrieben:
Habe mich nun dafr entschieden, die Knastszenen im nachhinein zu schriben. Ich schreibe erst die grundstory runter und dann die Knastszenen dazu, einfacher und strukturierter.

Das erste Kapitel der rohfassung, Grundstory, ist soweit fertig. Ich freue mich wieder auf Resonanzen und wünsche freudiges Lesen.

Freudig war's bei mir nicht, ich war eher etwas entsetzt. Ich habe die Diskussion jetzt nicht detailiert verfolgt, aber was hat dich denn bewogen, nun ausgerechnet mit der langweiligen Jugend des Ich-Protas einzusteigen - nicht dein Ernst!?
Ich geh mal durch den ersten Absatz.

Zitat:

Ich bin geboren wie jeder und aufgewachsen in Osnabrück, einer kleinen Stadt in Niedersachsen, mit nicht einmal hunderttausend Einwohnern, und lebte dort bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr. Du schreibst für den deutschen Sprachraum. Jeder weiß ungefähr, wo Osnabrück liegt und dass es nicht gerade eine Metropole von Weltrang ist. Was macht Osnabrück als Schauplatz überhaupt so wichtig, dass es im ersten Satz erwähnt werden muss? Wäre die Geschichte eine ganz andere, wenn sie in Gießen oder Augsburg passieren würde? Wenn ja, dann zeig das dem Leser!
Ich wurde groß gezogen, von einer ehrlichen, offenen und sehr liebevollen Putzfrau, meiner Mutter Susanne, und einem charakterstarken, selbstbewussten und ehrlichen Meister der Industrietechnik, meinem Vater Jürgen. Mir gaben sie den Namen Benjamin. Offenbar ist es dem Erzähler wichtiger, welche Berufe diese Personen mit welchen Charaktereigenschaften ausüben (da putzt z. B. jemand sehr liebevoll) als die Tatsache, dass es sich um seine Eltern handelt?!
In der Regel nennen mich die Leute aber Ben. Irgendwann wird wörtliche Rede vorkommen, in der dein Prota Ben genannt wird, das reicht. An dieser Stelle ist die Info völlig entbehrlich.
Meinen Eltern waren Ehrlichkeit und Engagement sehr wichtig. Lügen wurden hart bestraft. Mein Vater konnte Momente einfach nicht ausstehen, in denen ich Mist gebaut, er es raus bekommen, und ich ihn trotzdem angelogen hatte. Das Mist bauen an sich fand er nicht schlimm, Jugendliche bauen nun mal Mist, nur sollte ich immer sofort zu ihm kommen und ihm stets die Wahrheit erzählen. Meine Mutter war da nicht viel anders. Während mein Vater mir gern Hausarrest für irgendwelche aufgetischten Lügen gab, hat meine Mutter mir eine Zeitschaltuhr an den Fernseher und die Konsole gehängt, was natürlich als Jugendlicher ziemlich schlimm ist.
Sorry, aber das ist Redundanz-Stil: Gelaber. Du erkennst die Fehler besonders an den von mir eingefetteten Markierungen. Das sind kleine Verräter, die dir automatisch raus- bzw. reingerutscht sind. Etwas, was 'einfach' ist, braucht man nicht mit so vielen Worten zu umschreiben, und Sachverhalte, die so 'natürlich' sind, dass sie sich der Leser auch selbst denken kann, schreibt man am besten gar nicht erst hin.
Für manche schlimmer als der Hausarrest. Ab und an wurde auch ein Kochlöffel verwendet, auf meinen Pobacken zweigeteilt und danach war wieder gut. Auch das ist dem einen oder anderen lieber als die Zeitschaltuhr.
Was spielt es für die Erzählung für eine Rolle, wie es auf irgendwelche anderen gewirkt hätte? Dein Prota lebt offenbar als Einzelkind in dieser Familie, ausschließlich er muss damit klarkommen.
Trotz der harten Bestrafungen für irgendwelche aufgetischten Lügen, mangelte es meiner Kindheit an nichts.
Extrem überflüssige, wörtliche Wiederholung. Dass in diesem Haushalt Ehrlichkeit einen hohen Stellenwert hat und Lügen bestraft werden, hat auch der dümmste Leser längst begriffen.
Weder an Liebe und Zuneigung, noch an materiellen Dingen. Die Stimmung bei uns zu Hause war immer sehr familiär, warm, gemütlich und freundlich. Es gab oft gebackenes von meiner Mutter. Bienenstich, Apfel, Pflaumen oder auch Käsekuchen, wobei, auch wenn alles sehr sehr lecker ist, mir der Käsekuchen am meisten schmeckt. Ich hab bis heute nicht verstanden, warum meine Mutter nie ein Backwaren-Geschäft eröffnet hat. Und das sage ich nicht damit ich jeden Tag hätte umsonst dort Kuchen essen können, das geht ja logischer Weise auch so, nur wäre es so gewesen, dass sich viele Leute ihrer Backwaren erfreut hätten, da bin ich mir ziemlich sicher. Na ja, noch ist ja nicht nie.
Zu Weihnachten und zu meinem Geburtstag bekam ich als Kind immer das geschenkt, was ich mir auch gewünscht hatte.
An dieser Stelle habe ich dann jede Lust verloren. Wäre das Ganze eine Leseprobe eines veröffentlichten Romans, hätte ich bereits nach dem zweiten Satz aufgegeben. Das ist sowas von öde, normal und Friede-Freude-EierPflaumenkuchen, ich schlaf gleich ein. Zu allem Überfluss wird einem nicht nur erzählt, was ist, sondern auch noch das was nicht oder noch nicht ist, genauso unspannend und darüberhinaus vermutlich unerheblich für die Geschichte. 'logischer Weise' = Verräter, siehe oben.

Ich weiß nicht, Hanz - ist dir nicht klar, dass eine Geschichte nur Interesse hervorruft, wenn etwas Ungewöhnliches, Faszinierendes, Ambivalentes erzählt wird? Stattdessen lässt du dich her lang und breit über ein Wohlstandssöhnchen aus, dessen größte Sorge darin besteht, dass ihn seine Eltern nicht beliebig lang an seiner Konsole rumspielen lassen (was bei verantwortungsbewussten Eltern generell selbstverständlich und nicht eine Sanktion wäre?!) und seine Mutter aus ihren Backkünsten (den üblichen, meine Mutter kann auch super Käsekuchen und Bienenstich) keinen Beruf gemacht hat. Was soll das eigentlich ständig mit den Berufen? Ist ihm das vielleicht peinlich, dass seine Mutter putzt? Hörte sich bis jetzt nicht so an - schließlich erwähnt er es gleich im zweiten Satz.
Ich frage mich, wie so einer überhaupt in die Verlegenheit kommt, Mist zu bauen und Lügen zu erzählen. Das hätte vielleicht interessant sein können, vielleicht kommt das auch noch, aber meine Aufmerksamkeit hast du dann schon vorher längst verloren.


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Harald
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Beitrag20.07.2015 17:25

von Harald
Antworten mit Zitat

Hallo Hanz,

irgendwie scheint es den anderen wie mir zu gehen, man sieht keinen Grund mehr, jemandem immer wieder Ratschläge zu geben, die zu nichts führen …

Anstatt ständig neue und andere Varianten zu "erfinden", die zumindest eines gemeinsam haben, nämlich die ungefähr gleiche Fehlerquote, solltest du dich bemühen, konkrete Hinweise umzusetzen und zumindest angezeigte Fehler zu eliminieren.

Over and out


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