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Ryrke Wortedrechsler
Beiträge: 50
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20.03.2015 13:06 Lyrik Einstand von Ryrke
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I
Da stand sie nun
Mit dem Koffer in der Hand
Makellos schön
Bereit zu gehen
Da stand er nun
Eine Armlänge hinter ihr
Fassungslosigkeit im Gesicht
Sie zögerte
Er schluckte
Ohne Worte standen beide reglos
Irgendwo tropfte ein Wasserhahn einen öden Takt
Sein Mund formte lautlose Worte
Er strengte sich an, doch kein Laut brach aus ihm heraus
Sie weinte lautlos
Die Hand an der Klinke
Hörte ihn schwer atmen
Als sie das Zimmer verließ,
Für immer.
II
Da stand ich nun
Mit dem Koffer in der Hand
Bereit zu gehen
Ich zögerte und wartete
Ob er hinter mir irgendetwas zu sagen hatte
Enttäuschung
Tränen liefen mir über die Wangen
Als ich die Tür hinter mir zuschlug,
Für immer.
III
Da stand ich nun
Eine Armlänge entfernt
Sie war unglaublich schön
Einfach so wollte sie weg?
Ich schluckte, wollte sie aufhalten
Aber wie?
Kein Laut drang über meine Lippen
Jedoch umso mehr Worte in meinem Kopf
Schrien sie an, bettelten, flehten
Tränen liefen mir über die Wange
Als die Tür ins Schloss fiel,
Für immer.
IV
Was war aus ihrer Liebe geworden?
Hatten sie zu sehr geliebt, oder zu wenig?
Das Leben hatte sie verändert,
Für immer.
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Gast
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24.03.2015 17:12
von Gast
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Hallo Ryrke!
Mir scheint, du bist beim Schreiben dieses Gedichts einige Wagnisse eingegangen?!
Da ist zum einen die beschriebende Lage - sie verlässt ihn, den Koffer in der Hand: das ist reines Klischee, und Klischee ist in einem Gedicht, dass ja immer eher auf das Besondere als das Allgemeine aus ist, eine gefährliche Sache.
Das "makellos schön", "unglaublich schön" trägt zum einem zu diesem Klischee-Eindruck bei, zum anderen zeigt es eine andere Gefahr: Der Text nutzt viele Oberbegriffe, die aber notwendig allgemein bleiben müssen, leer. "Fassungslosigkeit", "Enttäuschung" - so was. Meinem Gefühl nach belasten sie das Gedicht, statt ihm zu nützen.
Schließlich scheint mir der Ausdruck manches Mal zu breit; knappere Ausdrücke würden wahrscheinlich tiefere, weil unmittelbarere Wirkung erzielen?! "Er strengte sich an, doch kein Laut brach aus ihm heraus" - das wäre ein Beispiel: Einmal ist es ohnehin immer misslich, etwas zu beschreiben, das nicht geschieht; und dann sehe ich nicht, warum statt "doch kein Laut brach aus ihm heraus" nicht ein einfaches "Nichts" denselben Dienst täte (nach Doppelpunkt oder in neuer Zeile).
Auch die unmittelbare Wiederholung von Worten ... "lautlose Worte", "Laut", "lautlos" - sicher hat das eine Wirkung, aber ich bin gar nicht sicher, ob die ausschließlich gut ist.
Hm. Der Grundgedanke, dieses I, II, III, IV: das will mir schon gefallen. Trotzdem hat der Text keine rechte Wirkung auf mich, aus den genannten Gründen. Dazu kommt dann noch eine Sache, die aber eher eine Geschmacksfrage ist: Dieser Text lässt nichts offen, er lässt dem Leser keine Möglichkeit, sich zu beteiligen, sondern weist ihm ausschließlich die Rolle des Nachvollziehenden zu. Das mag ich nicht so.
Gruß,
Ferdi
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lilli.vostry Wortschmiedin
Beiträge: 1219 Wohnort: Dresden
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24.03.2015 23:56 aw: von lilli.vostry
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Hallo Ryrke,
die Grundidee finde ich reizvoll. Da sind sich zwei nah und fern zugleich, einer überlässt es dem anderen: zu gehen oder bleiben. Das wird aus ihrer, seiner und der Ich-Perspektive erzählt - das gefällt mir - auch das Ringen um Worte, die hin und her geschoben werden von Vers zu Vers...
Leider sind Bilder und Wortwahl wenig überraschend und auch der Schlussvers ist m.E. überflüssig, damit wäre der Text offener.
Es wirkt auch mehr wie eine Kurzgeschichte in Zeilenform als Lyrik.
Ein bisschen erinnert es mich an Kästners Gedicht "Sachliche Romanze". Allerdings nur vom Thema her.
Etwas mehr verdichtet und weniger austauschbare Bilder würden die Wirkung des Textes erhöhen.
Viele Grüße,
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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25.03.2015 01:27
von firstoffertio
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Die Idee, aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, finde ich auch interessant. Dabei läuft man Gefahr, dass Wiederholungen nicht interessant genug sind. Hast ja schon einige Hinweise bekommen, was du anders machen könntest.
Ich weiß nicht, ob es das 'nun' wirklich braucht. Weniger wäre vielleicht mehr?
Zum Beispiel fiel mir zur zweiten Strophe ein, dass die Idee dahinter ist: Er steht eine Armlänge hinter ihr, kann sie aber nicht fassen?
Also da vielleicht kürzer irgendwie so:
Er stand
Fassungslos
Eine Armlänge hinter ihr
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Ryrke Wortedrechsler
Beiträge: 50
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21.04.2015 21:29
von Ryrke
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Hallo und vielen Dank für Eure Antworten.
Ich bin mit Projekten zugeschüttet gewesen und daher ist meine Antwort etwas spät.
@lilli.vostry Du hast völlig Recht, mit Abstand erscheint mir der letzte Vers auch total überflüssig. Ist ja vorher alles schon gesagt.
@firstoffertio Deine Version ist verdichteter und damit eher so wie lilli es vorschlug, gefällt mir eigentlich auch, werd das das nächste Mal berücksichtigen
@ferdi Danke auch für Deine ausführliche Meinung. Ich denke, es ist Geschmackssache, wie "schwer" man ein Gedicht halten möchte. Ich mag so Worte wie "Fassungslosigkeit" und spiele viel mit ihnen herum, zumindest in der Lyrik - mit mehr oder weniger Erfolg.
Ich werde es noch ein mal überarbeiten.
Vielen Dank Euch allen!
_________________ Es ist immer wieder lustig, wie man von der Umwelt in Kompromisse gezwungen wird, auch dann, wenn man alles differenziert antizipierend plant. |
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