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Psychologie des Protagonisten


 
 
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Ryrke
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 50



Beitrag19.03.2015 15:23
Psychologie des Protagonisten
von Ryrke
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Ihr Lieben,

nachdem mich User Gießkanne so herzlich willkommen geheißen hat, befolge ich jetzt ihr "Einstandsritual" und tanze 2x ums Lagerfeuer, während ihr meine Geschichte lest. Die ist jetzt einfach eine kurze Genre - Übung (vielleicht auch mal für einen Krimi - KG - Wettbewerb)  und hat eigentlich nichts mit meinem Buch zu tun.
Trotzdem viel Spaß und ich freue mich auf Beiträge.

Ich saß mit Freunden beim Picknick nicht weit von der Stadt auf einer kleinen Anhöhe unter der großen Linde. Ein Baum, der Kultstatus hatte. Dort wurde über die Jahre romantisch gesäuselt, ausgelassen gefeiert, wild geliebt, herzzerreißend gestritten. Einmal soll die Linde sogar Zeuge einer Geburt gewesen sein. Die Aura des Baumes war also eine ganz besondere. Jeder, der im Dorf etwas auf sich hielt, hat bei der Linde schon einmal irgendetwas erlebt – und wenn es nur in Erzählungen war.
Ich war heute ruhiger als sonst, aber das fiel kaum jemandem auf, denn die anderen schienen mit sich zufrieden, plauderten unbeschwert vor sich hin und ab und an gab man flüsternd und augenzwinkernd ein privates Geheimnis preis.
Es dauerte nicht lange, da fühlte ich mich matt und es schnürte mir die Kehle zu. Ich wünschte, ich säße nicht unter Menschen, sondern wäre allein mit mir und meinem Gewissen. Ich dachte an Marie, ihre sonnen gebräunte Haut, ihr freches Lachen, ihre goldenen Locken. Meine Marie. Die Marie, der ich gerne mein Leben geschenkt hätte, die Marie, die alles für mich bedeutete. Die Marie, die jetzt für immer bei mir ist. Mein Kopf begann zu schmerzen. Warum unterhielten die sich alle so lang, warum konnte ich nicht einfach aufstehen und gehen? Ich versuchte, ein paar Worte objektiver Natur beizusteuern, um mich abzulenken, aber das Tosen in mir blieb. Es wurde sogar stärker. Was hatte ich getan? Eigentlich nichts schlimmes. Alles was ich tat, geschah aus Liebe. Meine Marie hatte mich abgewiesen und ich dachte daran, dass ein Mädchen sich wohl zieren müsse, wie es der Ehrenkodex gebietet. Aber sie hat mich wieder und wieder abgewiesen und wollte mir nicht glauben, dass ich das Beste für sie sei. Da musste ich ihr doch auf die Sprünge helfen, oder? Das hätte sicher jeder in meiner Position getan. Hundertprozentig jeder. Es ist absolut nichts verwerfliches dabei.
Ich fing an zu schwitzen und Panik stieg in mir auf. Wie kam ich dagegen an? Sitzen und ausharren, bis diese lustigen Leute fertig sind mit ihren Gesprächen. Dann, wenn alle auf dem Heimweg waren, würde ich die Reste des Picknicks meiner Marie geben. Sie war nicht weit von uns, wartete auf mich, da sie letztendlich eingesehen hatte, dass sie an meine Seite gehört. Ich streichelte den Teil der Decke, auf dem ich saß und hoffte, dass sie es spürte.
Niemand merkte etwas von meinen Kopfschmerzen und der Abend neigte sich langsam dem Ende. Ich hatte später doch noch alle recht gut unterhalten, lustig und forsch – sogar mit Intonation der Leute, über die ich mich lustig machte. Zwischendurch rang ich nach Atem, aber keiner bemerkte es, weil jeder dachte, es gehört zur Show. Meine Kopfschmerzen nahmen zu, Marie rief meinen Namen, lauter und lauter, nichts und niemand konnte diese Klangfarbe übertönen, meine eigene Stimme nicht und das Lachen meiner Freunde auch nicht.
Ich rutschte aufgeregt hin und her, natürlich half aber auch das nichts. Warum ging denn keiner? Meine Marie fängt doch sonst an zu frieren! Ich wurde wütender, sprang auf, lief ein paar Schritte, setzte mich wieder, um dann erneut aufzuspringen.
Meine Freunde lächelten mich an und sprachen weiter – als ob ich gar nicht da wäre. Maries Schreien übertönte langsam die Leute auf der Decke. Sie mussten es doch hören – oder nicht? Hörten sie meine Marie unter Ihnen schreien? Ich nahm die Hände vor den Kopf und schrie auch.
„Leute“, brüllte ich, „hört ihr nicht dieses Schreien? Meine Marie, sie braucht mich! Runter von der Decke!“ Ich zerrte an der Unterlage und alle blickten mich ungläubig an, während sie erschrocken aufsprangen.
„Hier!“ Ich buddelte und grub wie ein Irrer unter der Linde, bis meine Marie hervorkam.
Tot aber wunderschön.

Weitere Werke von Ryrke:
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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1735



Beitrag19.03.2015 15:34

von Stefanie
Antworten mit Zitat

Hallo,
die Idee gefällt mir und die Umsetzung, wie er sich immer wieder hineinsteigert auch. Allerdings war mir schon im Mittelteil klar, dass er ihr etwas angetan hat, da könntest du noch subtiler vorgehen.

Und am Ende ... kalt, aber wunderschön, dass sie tot ist, soll der Leser selbst erkennen.
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Gefühlsgier
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 31
Beiträge: 421



Beitrag19.03.2015 15:39

von Gefühlsgier
Antworten mit Zitat

Hey,

ich finde es sehr fesselnd.
Wie bereits erwähnt, würde ich den Mittelteil weniger offensichtlich gestalten,so bleiben dem Leser noch ein paar Gedanken dazu, die er sich selbst machen kann und des letzten Satzes bedarf es meiner Meinung nach ob der Offensichtlichkeit auch nicht mehr. Rolling Eyes

Ansonsten aber sehr beeindruckend. Freu mich auf mehr!

Übrigens: Herzlich Willkommen nochmal Laughing


_________________
"Exhaustion pays no mind to age or beauty. Like rain and earthquakes and hail and floods."
Haruki Murakami - "Dance Dance Dance"

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Many bastards succeed
But I, I've learned nothing
I can't even elegantly bleed
out the poison blood of failure
"Swans - Failure"

~

semidysfunktional
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Willebroer
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5444
Wohnort: OWL


Beitrag19.03.2015 17:33

von Willebroer
Antworten mit Zitat

Hallo Ryrke,

es erinnert mich ein wenig an "Das verräterische Herz" von Edgar Alan Poe. Rolling Eyes

Ansonsten könnte man noch ein paar Kleinigkeiten überbügeln. Formulierungen wie "Ich fing an zu schwitzen" müssen nicht sein.

Auch ein Satz wie "Es dauerte nicht lange, da fühlte ich mich matt und es schnürte mir die Kehle zu" kommt etwas abrupt.

Die Vorhersehbarkeit ist auch ein gewisses Problem. Ich habe bis zum Ende auf eine unerwartete Wendung gehofft.

Gruß
W.
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Ryrke
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 50



Beitrag19.03.2015 21:25

von Ryrke
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo an alle und danke für eure ermutigenden Anmerkungen smile

-über die Vorhersehbarkeit werde ich noch einmal nachdenken.

Willebroer hat Folgendes geschrieben:
Hallo Ryrke,

es erinnert mich ein wenig an "Das verräterische Herz" von Edgar Alan Poe. Rolling Eyes

Ansonsten könnte man noch ein paar Kleinigkeiten überbügeln. Formulierungen wie "Ich fing an zu schwitzen" müssen nicht sein.

Auch ein Satz wie "Es dauerte nicht lange, da fühlte ich mich matt und es schnürte mir die Kehle zu" kommt etwas abrupt.

Die Vorhersehbarkeit ist auch ein gewisses Problem. Ich habe bis zum Ende auf eine unerwartete Wendung gehofft.

Gruß
W.


Nun zu Willebroer, ich habe mal in Poes Geschichte reingeschaut, bei Projekt Gutenberg und nun ja, sie ist tatsächlich irgendwie ähnlich - was mich total überrascht hat. Ich habe von Poe bisher nur 2 Sachen gelesen, Der Rabe und Der Untergang des Hauses Usher und das ist auch schon etliche Jährchen her.

Interessant ist hierbei aber, dass ich dachte, der wörtlichen Rede mehr Kraft zu verleihen, indem sie nur einmal am Ende auftaucht.
Es gibt wirklich keine Idee, die nicht schon mal da war smile

Die kritisierten Sätze habe ich umgebaut und es gibt jetzt für den oben geposteten Absatz auch noch eine Einleitung (Neudeutsch Prequel).

Vielen Dank!
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suntime
Geschlecht:männlichEselsohr
S


Beiträge: 433



S
Beitrag20.03.2015 16:47

von suntime
Antworten mit Zitat

Hallo @Ryrke:

Mein erster Eindruck:
Etwa zur Mitte hin kapiere ich, dass da etwas passiert sein muss, das „Ich“ getan habe.

Zwischendurch wird es einmal paranormal, was der Geschichte meiner Meinung nach nicht guttut.

Den Schluss: Muss „Ich“ da unbedingt wie ein Hund buddeln? „Ich“ breche ja offensichtlich psychisch unter dem Druck zusammen, was „Ich“ da getan habe. Aber würde sich das so äußern? Gäbe es da nicht andere Varianten des Zusammenbruchs?

Aber insgesamt liest es sich gut und flüssig. Ich fühle mich zum Weiterlesen motiviert. Grundsätzlich ist die Geschichte in der Ich-Form nah dran an der Psyche des Ichs, deshalb würde ich hier das Präsens wählen, weil es den Leser noch näher miterleben lässt.
 
Im Detail fällt mir auf:
Zitat:
Ein Baum, der Kultstatus hatte.

Der Satz sollte als Nebensatz dem vorangehenden zugeordnet sein. Alleine entfaltet er seine Aussage nicht so deutlich.
Zitat:
Ich war heute ruhiger als sonst

Die Aussage empfinde ich in Bezug auf die später erkennbare Tat als zu passiv. Woran merkst du das? Woran könnte ein Beobachter das festmachen? Es fiel niemanden auf, okay. Aber es hätte sein können, das schwebt da ja mit. Warum hätte es sein können? Ich sehe da eine verschenkte Spannung, wenn du diesen Satz so passiv stehen lässt. Vielleicht zittere „Ich“ innerlich und bin mir nicht sicher, ob ich auch äußerlich zittere?

Zitat:
… ich säße nicht unter Menschen, sondern wäre allein mit mir und meinem Gewissen.

Noch war es laut Text ja deine freie Entscheidung. Aber wenn „Ich“ mit meinen Freunden mitgehen musste, um nicht auffällig zu werden, würde es mehr Spannung erzeugen.
Zitat:
Die Marie, der ich gerne mein Leben geschenkt hätte,

Du meinst wahrscheinlich, mit der Ich gerne mein Leben geteilt hätte? Oder du musst andeuten, dass du dein Leben geben würdest, um Marie ihr Leben wieder zu geben.
Zitat:
Eigentlich nichts schlimmes.

Erstens stimmt das nicht und zweitens würde ich den Satz besser komplett streichen. Der folgende Satz: Alles, was ich tat, geschah aus Liebe, lässt mehr Raum für Interpretationen, auch für die schlimmsten.

Zitat:
Das hätte sicher jeder in meiner Position getan.

Du meinst wahrscheinlich in meiner Lage, oder ist die berufliche Position damit gemeint?
Zitat:
Ich fing an zu schwitzen und Panik stieg in mir auf.

Zeige dem Leser, warum du ins Schwitzen gerätst. Man gerät ja nicht einfach so ins Schwitzen. Spricht jemand über Marie? Will jemand gerade buddeln?
Zitat:
Bis diese lustigen Leute fertig sind mit ihren Gesprächen.

Es sind doch meine Freunde, mit denen „Ich“ dort sitzt und mich unterhalte. Dann würde ich sie nicht als lustige Leute bezeichnen, das hört sich an, als wären es Fremde, die auch zufällig dort sitzen.
Zitat:
…Würde ich die Reste des Picknicks meiner Marie geben.

Würden die Picknickabfälle Maries Andenken beschmutzen, würde mir da eher in den Sinn kommen.
Zitat:
… weil jeder dachte, es gehört zur Show

Welche Show? Halte „Ich“ einen Vortrag oder so etwas in der Art?

Zitat:
Marie rief meinen Namen, lauter und lauter, …

Hier wird es paranormal. Da wechselst du ins Fantasy-Genre. Das schadet der psychischen Dramatik, meine ich. Lass „Ich“ in deinen Gedanken um Hilfe rufen, als „Ich“ sie umgebracht habe, oder so etwas in der Art. Würde ich besser finden.

So weit erst einmal von mir. Es sind nur Kleinigkeiten, die ich hier aufliste. Sie entspringen dem, was ich beim Lesen empfinde. Das muss nichts weiter bedeuten. Ich erhebe da keinerlei Anspruch auf Korrektheit oder Wahrheit. Aber in meinen Augen ist es nicht nur ein unglücklich formulierter Satz, der die tolle Szene nicht wirken lässt, das wäre zu verzeihen. Es sind eben doch ein paar mehr Kleinigkeiten, deshalb habe ich sie hier aufgeführt.
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Ryrke
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 50



Beitrag20.03.2015 17:19

von Ryrke
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Suntime,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Diese Dinge wären mir nicht so klar aufgefallen, weil ich in diesem Schreibprozess drinstecke.

Ich wollte noch mal auf diesen meinen Teil-Satz eingehen:
"bis diese lustigen Leute fertig sind mit ihren Gesprächen."

Ich wollte da andeuten, dass die vertrauten Leute dem "Ich" seit seiner Tat fremd vorkamen. Also eigentlich müsste er Ihnen fremd vorkommen, aber es ist umgekehrt. (ich habe jetzt aus "Gesprächen" "zwischenmenschliche Spielchen" gemacht, weil das m. E. besser zu den preisgegebenen Geheimnissen weiter oben passt)

Und das Picknick will "Ich" mit seiner Marie teilen, weil sie für ihn nicht tot ist. Also in dem Moment, als er sie schreien hört, in seinem Kopf.

In einer Sache hast du recht, was ich  ausbauen müsste, wäre das, was sie schreit. Da könnte man noch mal näher auf den Mord eingehen.

Danke!
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