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Zyklus 1138/88r *


 
 
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gitano
Wortedrechsler


Beiträge: 91
Wohnort: inne Appelwoitäler


Beitrag08.11.2014 15:44
Zyklus 1138/88r *
von gitano
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zyklus 1138/88r *

Liebste komm, begleite mich
an diesem Tag, ein paar Minuten nur
an meine Freunde denkend, deren Spur
unauffindbar, nur in uns noch klar
und an jene
die heute mit uns sind.

(besonders für H. +)

Mein kindliches Fernweh, als Mann
schon eingezäunt geboren, kannte die Frage nicht
ob es wachsen dürfe
Mein Leben wuchs nicht mehr, blieb
klein wie mein Land, sein Geist, seine Liebe
umklammerte mich – aussichtslos

(...und ich weiß bis heute nicht, weshalb
ich mich oft deshalb schämte)

Die Stachelzaunkronen wiesen nach innen
jeden Zweifel ab, dass die Schießautomaten
und Wärter treffen, den letzten Mut der Versuchenden
hingen sie als Beute ab.

Als ich auf meiner Angst vorm Fangschuss schlich
in meiner Erinnerung irgendwo ein Refrain:
„Freiheit oder Tod“...vielleicht...
irrwitzig....vielleicht...nicht abwegig
und so verzweifelt, endgültig

hab ich euch verlassen, euch Staatsbequeme,
Staatssichere, Gehegetaugliche
in den Kellern, den schwarzen Morgenlöchern
im Magenkrampf, beim Erbrechen von Schlägen
in eurem Leugnen und Vergessen
im Namen eures Volkes

Nie wieder
werdet ihr meine Zweifel zerstreuen
dass ihr Menschen seid
als ich nicht sein durfte was ich bin
nur als Devisenpfand, übereignet wurde
und eine Aktennummer
werd ich nicht los

und mein Hoffen
wolltet ihr häuten
das Kind
in mir entführen, es tränken
am Kopf gehalten zwischen Händespangen
mit roter Milch
in der meine Tränen schwammen.

Das Drinnen und das Draussen teilte
meine Welt, und das Vergessen
liebt so sehr das Heute, ab und an
reden Leute von Heldenzeiten...
und ich schäme mich, noch immer
kenne ich das Grab von H. noch nicht

Das ich wieder schreibe
mit kindlichem Fernweh, als Mann
ist Glück
ist nicht Verzeihen, weil sie leugnen
vergesse ich nicht


letztendlich DAS

starr, zwischen uns
hatten sie eine kluft
gemauert,
sich selbst umKrenzt
ausgeschnüffelt, über manchen
wachen geist
das recht
in geschlossenen zirkeln
unterm hammer
zu einer sichel gebeugt

letztendlich
schnitt sie DAS
aus unserer Fahne


* 1138/88r : ein typisches Aktenzeichen eines politsch Inhaftierten in der DDR nach einem vereiteltem Fluchtversuch beim Anwalt und Notar Prof. Dr. Wolfgang Vogel (Ost Berlin), der gegen D-Mark Honorar (ca. 4000 DM/Fall) im Auftrag der DDR über den Freikauf politischer Häftlinge der DDR mit Vertretern der Bundesregierung verhandelte.

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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beiträge: 867



E
Beitrag24.11.2014 19:34

von Eulenbaum
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Hallo Gitano,

"euch Staatsbequeme,
Staatssichere, Gehegetaugliche
in den Kellern, den schwarzen Morgenlöchern
im Magenkrampf, beim Erbrechen von Schlägen
in eurem Leugnen und Vergessen
im Namen eures Volkes"

Solche gab es, und solche, die irgendwie doch dort weiterlebten, die untauglich waren und DORTblieben.

Oder solche, die als nicht-gehegetauglich erkannt wurden - und die Folgen zu spüren bekamen -  noch ehe sie sich selbst als solche erkannten.

Ein Gedicht mit viel Inhalt.

Danke!

Gruß,
Eulenbaum
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gitano
Wortedrechsler


Beiträge: 91
Wohnort: inne Appelwoitäler


Beitrag26.11.2014 19:33

von gitano
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Hallo Eulenbaum!
Danke fürs aufmerksame Lesen und Kommentieren.
Derlei Statements sind sicher nicht unproblematisch und auch nicht unbedingt der Lieblingsstoff von LyrikinteressentInnen in online Foren.
Aber doch ein Stück Leben vieler, über das m.M.n.auch geschrieben werden sollte.

Grüße aus dem Taunus
gitano
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Nachfrager
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Beiträge: 5
Wohnort: Stadtbewohner


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Beitrag02.12.2014 17:40

von Nachfrager
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Lieber Gitano,

schreibtechnisch habe ich nichts Besonderes einzuwenden, außer dass die Länge des Gedichtes mir etwas zu üppig erscheint und ihm die lyrischen Elemente fehlen. Aber was den Inhalt angeht, da kommen doch ein paar Zweifel, ob du als Autor damit nicht dem politischen Mainstream hinterhertrottest. Du weißt, mit diesem Text eckst du hierzulande nicht an, von gewissen Kreisen scheint er sogar erwünscht. Und wenn ich deinen Text ernst nehme, dann erweist du dich für mich als Verfasser mit ihm sogar als einer der "Gehegetauglichen", nicht mehr im östlichen, sondern im westlichen "Gehege", in jedem Fall aber in einem von dir angeprangerten Gehege. Ich will hier keine politische Diskussion aufmachen, bin aber felsenfest der Ansicht, ein politisch denkender Autor weiß, dass es außer Orden nichts bringt, dem Mainstream nach dem Munde zu reden. Ich hoffe, du nimmst mir meine deutlichen Worte nicht übel.

Ciao, Nachfrager
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beiträge: 867



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Beitrag03.12.2014 10:33

von Eulenbaum
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Hallo Nachfrager,

ich sehe da mehr als ein Reden nach dem Munde des Mainstream. Den Schritt, daß es hier und jetzt ebenso Gehegetauglichkeit gibt, muß der Autor in seinem Text nicht machen.

Diesen Schritt macht offensichtlich der Leser unter Umständen selbst. Das Gedicht stößt also etwas an, und zwar indem es sich auf genau solch eine Weise mit einem Problem auseinandersetzt, daß etwas deutlich wird, das nicht direkt in ihm angesprochen wurde.

Schon in diesem Sinne ist es also inhaltlich durchaus gelungen, das Gedicht.

Gruß,
Eulenbaum
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beiträge: 867



E
Beitrag03.12.2014 10:49

von Eulenbaum
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PS: Die Herkunft und die Position des Autors in (oder außerhalb) der DDR, in (oder außerhalb) der BRD, spielt für die Beschäftigung mit dem Gedicht keine Rolle. Auch wenn über Inhalte diskutiert wird.

Auch spielt ebenso die Herkunft und die Position der Kommentatoren in (oder außerhalb) der DDR, in (oder außerhalb) der BRD keine Rolle.

In meinen Augen ist das wichtig, sonst entgleitet die Diskussion.

Gruß,
Eulenbaum
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Nachfrager
Schneckenpost
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Beiträge: 5
Wohnort: Stadtbewohner


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Beitrag03.12.2014 12:19

von Nachfrager
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Lieber Gitano, lieber Eulenbaum,

ich bin der Ansicht, dass ein Gedicht, das den politischen Mainstream bedient, besser ungeschrieben bleiben sollte. Für mich zählt der politische Heine tausendmal mehr als ein Autor, der lediglich darauf aus ist, den gegenwärtigen Meinungsmachern nach dem Munde zu reden. Aber wie ich annehme, ist das sicherlich keine Mehrheitsmeinung. Es ist ja auch nur meine.

Ciao, Nachfrager
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beiträge: 867



E
Beitrag03.12.2014 13:20

von Eulenbaum
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Hallo Nachfrager,

das Gedicht ist für mich inhaltlich mehr als Mehrheitsmeinugsausdrücker.

Selbst wenn ich mich auf Deine Forderung einlassen könnte - denn es spielt immer auch das "Wie" eine Rolle, so kann ich mich schon deshalb nicht darauf einlassen.

Und woran macht man fest, ob es (z.B. politische) Mehrheitsmeinung ist? Soziale Mißstände anprangern - bewegt man sich da innerhalb oder außerhalb der Mehrheitsmeinung?

Wer ist schon dafür, daß so viele Menschen hungern müssen auf der Welt? Darf man jetzt sich künstlerisch nicht auf das Thema einlassen?

Aber, wie gesagt, Du siehst, daß das Gedicht hier sich (nur als Beispiel, daß das Gedicht mehr ist als Mehrheitsmeinung) über den eigenen thematischen Rahmen hinwegbewegt, indem der eine oder andere Leser sofort auf eine bundesdeutsche Gehegetauglichkeit stößt. Obwohl da nichts im Gedicht offensichtlich draufhinweist.

Es ist einfach "übertragungstauglich", und damit gelungen, oder anders: Es scheint mindestens eine Ebene unter dem Sichtbaren zu geben, die zum Offensichtlichen dazukommt.

Es geht also über eine z.B. plakative Darstellung der wie auch immer ermittelten "Mainstreammeinung" hinaus.

Und nebenbei: Nicht mainstream zu sein ist auch des Öfteren anerkannter mainstream.

Nicht so einfach,
erstmal mainstream wirklich zu diagnostizieren (sinnvoll muß schon das nicht sein, selbst wenn es gehen würde),
ihm zweitens zu entkommen
oder sich dann drittens damit auf "der richtigen Seite" zu bewegen.

Du siehst, meiner Meinung nach hakt es schon daran, daß sich sich Deine Forderung unter Umständen auch ein wenig im Kreis bewegt.

Nochmal: Das Gedicht geht über eine Darstellung von mainstream meiner Meinung nach hinaus. Es sagt viel aus. Es ist übertragbar über seinen eigenen Kontext hinaus, bringt einem z.B. eine Sichtweise näher, der man nicht folgen muß, die aber in einem Gedicht natürlich eine Berechtigung hat. Es ist berechtigt, etwas von "allen" Aktzeptiertes zu verarbeiten.

Was für eine Forderung an Kunst/Autoren: ein Autor darf nicht dem mainstream folgen.

Damit wird Kunst ... zensiert ohne nachvollziehbare Begründung auch noch (mir fällt jedenfalls keine ein).

Gruß,
Eulenbaum
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gitano
Wortedrechsler


Beiträge: 91
Wohnort: inne Appelwoitäler


Beitrag03.12.2014 21:00

von gitano
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo ihr zwei und all ihr anderen Leser!
Eigentlich wollte ich eure Diskussion nicht weiter stören...
Aber ein paar Anmerkungen sollten nun m.M.n. schon sein:
@Nachfrager:
Der Titel lautet "Zyklus 1138/88r *" Der Gesamttext setzt sich aus drei Einzeltexten zusammen...wenn man so will ein kleiner Textzyklus zu einem Thema....natürlich gibt es auch einen inhaltlichen Bezug zum Wort "Zyklus"
Was Du inhaltlich aus dem Text liest liegt natürlich bei Dir. Aber ich hoffe doch schon, dass hier erkennbar ist wie subjektive Erfahrungen des LI mit gesellschaftlichen Erscheinungen verbunden sind. Ob derlei Erfahrungen - wie im Text beschrieben - "Mainstream" sind, bezweifle ich, ebenso die Betrachtungsweise des LI - dem doch der Verlust des Freundes mehr wiegt als die Heldenreden...Will sagen, Menschen, die IM Geschehen waren ticken anders als die Betrachter...
Was immer man ansonsten politisch vom Geschehen halten mag.

@ll:
Es freut mich, dass meine Wortschöpfung "Gehegetaugliche" für Diskussion sorgt..nach meiner Intension ist es der Gegenspieler zu "mein (drängendes) Fernweh"...

Ich habe mich hier in Sachen "Verlyrung" doch klar zurückgehalten...einfach meine bewusste stilistische Entscheidung in der Bearbeitung des Themas.

und zuletzt möchte ich noch auf eine Textstelle aufmerksam machen, die meiner Meinung nach eine Textstelle über die Langzeitwirkungen des Erlebten vom LI ist:

"Das Drinnen und das Draussen teilte
meine Welt, und das Vergessen
liebt so sehr das Heute..."

Das Erlebte des LI verändert die persönliche Befindlichkeit...meist fürs ganze Leben. Es ist damit unmöglich die Welt so zu sehen, wie sie Nichtbetroffene sehen. Menschen, die solchen Personen nahe stehen bemerken dies. Die Tragik darin ist, dass diese Veränderung "augezwungen" ist UND nicht frei gewählt.

Ähnliche Phänomene gab und gibt es bei Kriegstraumatisierten, Kz-Insassen, Opfern von Naturkatastrophen und Ähnlichem ...überhaupt bei Personen die durch Gewalteinwirkungen (auch psychischer Art) schwere Verletzungen erlitten haben.
Meiner Meinung nach ist es doch eher Mainstream nicht...oder nur wenig darüber zu sprechen, zu schreiben ...etc.

...und ja, es wird sicher so sein, dass der Text je nach "Sozialisierungsbackground" etwas anders aufgefasst werden könnte...warum auch nicht.
Das Thema ist wichtig...die "Entmenschlichung" die "Verobjektung von Menschen"...wohin Diktaturen zwangläufig führen wenn sie sich in "Gefahr" wähnen...mit den vielen Begleiterscheinungen...

Es ist n.m.M. kein Jubeltext auf irgendwelche Helden...

Interessante Diskussionen weiterhin
gitano
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Eulenbaum
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Beiträge: 867



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Beitrag04.12.2014 08:26

von Eulenbaum
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Hallo gitano,

man könnte ja meinen, Dein Gedicht hätte eine eingeschränkte Sichtweise, weil das LI eben seine eigenen Erfahrungen/Sozialisationswege gemacht hat.

Das mit der eingeschränkten Sichtweisewäre meiner Meinung nach nicht zutreffend.

Der Text geht tief in die Subjektivität, damit wird er um so aussagekräftiger, und zwar nicht nur auf den von ihm behandelten Gegenstand bezogen.

Hier z.B. deutlich sichtbar: Auf einmal wird "Gehegetauglichkeit" nicht nur in der fernen Diktatur zum Thema, sondern auch auf das Jetzt bezogen. Das ist jedoch nur ein Beispiel, eben das hat mir an dem Gedicht ja gefallen, daß es noch an anderen Stellen viel zu sagen hat, für mich, für das Jetzt. Und es hat mir auch viel zu sagen bezogen auf das, was in der zeitlich "fernen" DDR passiert ist für dieses eine LI.

Weil es in diese subjektive Sichtweise des LI einsteigt (und der Autor muß das nicht selbst erlebt haben, kann es aber - das macht nichts aus, egal, in welche Richtung man das denkt, es ist stimmig für mich in jedem Fall), ist es für mich mehr als nur ein "Die DDR war böse, jetzt haben wir die gute BRD" oder ähnlich. "Einsicht" in die DDR und in die BRD gehen da Hand in Hand.

Zitat:
Die Stachelzaunkronen wiesen nach innen
jeden Zweifel ab

Auch wenn diese Worte dann auf die nächsten Zeilen bezogen sind, sagt es im Gesamtzusammenhang noch mehr. Mal ganz plakativ gesagt: Man darf nicht weiterdenken. (Ich möchte bei dem Plakativen bleiben, weil ich das Gedicht so stehen lassen möchte, weil in ihm für mich viel anklingt, das, wenn man es "übersetzt", vielleicht verloren geht für mich, platt wird, der Reiz ist ja gerade unter Anderem diese subtile Möglichkeit der Übertragung auf heute.).

Usw. Es ist schon ein starkes Stück.

Gruß,
Eulenbaum
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Eulenbaum
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Beitrag04.12.2014 08:54

von Eulenbaum
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Zusatz: Es geht für mich nicht allein um den "Gegensatz" BRD-DDR.

Das Gedicht redet an der von mir zitierten Stelle für mich z.B. auch über das Thema Denkverbote, wie auch immer geartet, es wird auch das Entstehen von Denkverboten für mich sichtbar.

In jedem "System" (Familie, Gesellschaften, Gemeinschaften) gibt es Denkverbote. Woraus bestehen Gesellschaften, Familien ect.? Anders gesagt: Denkverbote gibt es also in jeder Person auch.

Nochmal: Es ist m.M.n. so aussagekräftig, weil es auf "tief eingestiegene Weise" subjektiv daherkommt.

Gruß,
Eulenbaum
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gitano
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Beitrag05.12.2014 03:17

von gitano
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Hallo Eulenbaum!
Danke nochmals für Dein aufmerksames Lesen.
Ja, ich wollte mit derlei Anspielungen in einem einfachen Deutsch in die Hintergründe zeigen.
Der Text ist voll davon, besonders im Mittelteil...unmöglich alles zu benennen.

Ein der Phänomene war z.B. die Abschottung vor/von Informationen, die außerhalb des Ostblocks leicht zugänglich waren und für niemanden etwas Besonderes...für DDR Bürger waren sie es. Eine Art der "Dummhaltung" und dadurch auch bedingte Stagnation.
im Text:
Mein Leben wuchs nicht mehr, blieb
klein wie mein Land, sein Geist, seine Liebe
umklammerte mich – aussichtslos

Und ja, ich möchte den Text nicht nur auf die DDR bezogen wissen...Diktatur, Entmenschlichung, Angst, Wegschauen, Stillhalten, Informationsvorbehalt, gezielte Fehlinformation ...reichten und reichen weit in die Gesellschaft. Es gibt Spätfolgen der Traumatisierten...der Täter und es gibt eine Haltung der AKTUELLEN Gesellschaft dazu. Wir sind da ganz nah an einer Wertediskussion: Was ist schützenwert...was muss sanktioniert werden? Was ist unser Meinung nach Recht und richtig - was nicht?

Wie hätten z.B. die DDR Bürger die Sowjetunion gesehen, wenn sie gewußt hätten, dass ihr engster Verbündeter völkerrechtlich völlig unentschuldbar Finnland mit 150.000 Soldaten überfallen hatte (1939)...Polen mit Hitler unter sich aufteilten...das Massaker von Katyn gekannt hätten, die Gullaks usw.

Hintergründe zum 17.Juni 1953, zum Mauerbau 1961, Machtergreifung Honeckers 1973, Freikauf polit. Häftlinge der DDR durch die BRD, Devisenbeschaffungen, Unterstützung terroristischer Gruppen wie der RAF, Ausmaß der Überwachung durch die Stasi u.v.a. mehr...
Zu all diesen Dingen wußte DDR-Normalbürger nichts...wenige wußten durch Kontakt eins Ausland Bruchstücke...
Was ich nicht weiß, kann ich in meine Entscheidungsprozesse nicht einbeziehen...in mein Tun.

Und im Hintergrund ticken natürlich zeitlose Fragen (im Text) mit:
Was sind Menschen bereit anderen Menschen anzutun für den Erhalt widerrechtlich erlangter Macht?, was sind ihre Motive? was ihr Doppelleben...

Gehegetauglichkeit kann man aktuell sicher auch auf die Konsumgesellschaft beziehen..die Diktatur des Geldes. Die Abhängigkeiten sind so organisiert, das das System funktioniert.

In der Subjektivität des LI im Text spiegelt sich etwas von dem was die diktatorisch organisierte Gesellschaft (hier nur beispielhaft in der DDR) ausmachte..bzw. wie sie sich auf das LI wirkte...und einwirkte.
(besonders im Mittelteil)

...und selbstverständlich habe ich mich auf den Text vorbereitet.

Danke für (öffentliches) Nachdenken dazu
gitano
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Eulenbaum
Klammeraffe
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Beiträge: 867



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Beitrag20.03.2015 11:27

von Eulenbaum
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"Die Stachelzaunkronen wiesen nach innen
jeden Zweifel ab,"

Hallo Gitano,

ich habe jetzt gerade nochmal Dein Gedicht gelesen.
Immer noch gefällt mir z.B. die oben zitierte Stelle. Dieses Phänomen, das in dem Bild oben abgebildet ist, ist wohl zeitlos aussagekräftig, auch, wenn man die innerpsychischen "Zaunkronen" hinzuzieht, ohne die (z.B. unheilvolle) Familiensysteme nicht funktionieren würden, viele Institutionen ebensowenig, oder eben Dikaturen oder unfreie Strukturen in teilweise/überwiegend freiheitlich organisierten Gesellschaften.

Ich mag Dein Gedicht gerne, und es ist eines derer, die ich zwischendurch gerne lese.

Gruß,
Eulenbaum
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