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Messer, Löffel, Raum und Zeit


 
 
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seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag05.10.2014 23:31
Messer, Löffel, Raum und Zeit
von seitenlinie
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Messer, Löffel, Raum und Zeit


„Ich hab grad das Universum gewechselt.“ Knut lässt die Zeitung von der Tischkante auf den Schoß gleiten und sein Blick
gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt.
Else beendet das Figürchenschneiden aus Käsescheiben und schaut ihn erwartungsvoll an. In der Küche ist nur das
Kühlschranksummen zu hören und Else muss aufpassen, nichts Dummes zu sagen. „Was meinst du mit ... Universum?“
„Unser Dasein in Raum und Zeit. Die Welt, die wir wahrnehmen können.“
Die Antwort macht Else noch konfuser. Sie greift nach der Kaffeekanne und führt sie als versöhnliches Zeichen zu Knuts
Tasse.
Knut wehrt mit der Hand ab und redet weiter: „Unsere Küche hier, das Haus, Europa. Die aktuelle Stunde, der vierte Oktober
zweitausendvierzehn, sechs Uhr dreiundvierzig Greenwich-Zeit. Die Erde, das Sonnensystem, die Milchstraße, unser Galaxien-
haufen. Das gesamte All, zwanzig Milliarden Lichtjahre in jede Richtung!“
Else starrt ihn an. Das will nicht ganz in ihren Kopf und sie folgt ihrem Bauchgefühl. „Du wechselst zwanzig Milliarden
Lichtjahre?“ Sogleich beißt sie sich auf die Lippen.
„Quatsch! Keine Lichtjahre, das Universum.“
Else durchfährt ein Gedankenblitz: „Es gibt mehr als ein Universum?“
Knuts Augen leuchten auf. Seine Linke klatscht auf den Tisch, die Rechte greift nach der Dose mit dem Würfelzucker. „Stell
dir das mal vor! Vielleicht unendlich viele. Genau weiß das niemand.“
Elses Gedanken überschlagen sich: „Aber woher weiß man dann, wenn man wechselt?“
„Ist so ein Gefühl, als ob ich niesen muss. Ich spür’s im ganzen Körper. Und am Ende muss ich gar nicht niesen.“
Sie reibt sich verwundert die Nase: „Wenn du niesen musst, wechselst du das Universum?“
„Nein. Ich sagte doch, wenn ich denke, dass ich niesen muss. Natürlich nicht immer.“
„Und woher ...“
„Das wollt’ ich eben erklären.“ Knut kippt die Zuckerdose aus und verteilt die weißen Würfel auf dem Tisch. „Alle Zucker-
stücke sehen gleich aus, nicht wahr? ... sind es aber nicht!“
Else nickt und zeigt triumphierend auf eine abgebrochene Ecke.
Knut fährt unbeirrt fort: „Im Paralleluniversum stößt man auf winzige Veränderungen. Als ich fast niesen musste, hob ich
die Zeitung kurz an. Und was sehe ich? Mein Löffel liegt rechts vom Messer! Im alten Universum war’s genau andersrum.“
Else nickt und sammelt die Zuckerwürfel ein. Als Knut sich zurücklehnt und hinter der Zeitung verschwindet, schießt ihre
Hand blitzschnell über den Tisch - und der Löffel liegt wieder am alten Platz. Das ist falsch, es sieht verdreht aus. Leise seufzt
Else in sich hinein. Aber wenigstens konnte sie das Universum reparieren; die Küche, das Haus, die Erde, die Milchstraße,
zwanzig Milliarden Lichtjahre ...

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Mogmeier
Geschlecht:männlichGrobspalter

Moderator
Alter: 50
Beiträge: 2677
Wohnort: Reutlingen


Beitrag07.10.2014 19:42

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

Hallo Seitenlinie,

ich finde, das ist eine amüsante kleine Geschichte; könnte man schier als Anekdote durchgehen lassen, mit dem Motto: „Je höher der IQ, desto umständlicher das Denken.“
Ja, die Prämisse hat was für sich! – Um zu beweisen, dass es sich hierbei um ein allgemeines Phänomen handelt und nicht um einen Einzelfall, möchte ich an der Stelle ein reales Beispiel anbringen:
Die Tür zu unserem Café (es ist etwas verborgen in 'nem unscheinbar wirkenden Haus) steht generell offen – sperrangelweit – es sei denn, draußen ist es eisekalt, dann ist die Tür natürlich zu. Der Schnapper ist dabei aber auf Durchgang gestellt! D.h. man muss nur dagegen drücken oder dran ziehen, je nachdem auf welcher Seite der Tür man sich befindet ...
Unser Praktikant, er hat einen IQ von 146, stand nun außen vor dieser „geschlossenen“ Tür, die ja eigentlich offen war. Was macht er? Anstatt dagegen zu drücken, um hineinzugelangen, klingelt er. – Er dachte sich wahrscheinlich, die vielen gegebenen Möglichkeiten, die sich dem intelligenten Geiste präsentieren, müsse man, testweise in die Praxis umgesetzt, auch durchprobieren. Und warum mit der einfachsten anfangen?


Gerne gelesen!

LG Mog


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»Nichtstun ist besser, als mit viel Mühe nichts schaffen.«
Laotse
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rieka
Geschlecht:weiblichSucher und Seiteneinsteiger


Beiträge: 816



Beitrag07.10.2014 20:07

von rieka
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Amüsante kleine Geschichte ist gut. Da bleibt mir eher das Lachen eiskalt im Hals stecken. Klingt doch eher nach ganz subtilem Psychoterror.

Zitat:
sein Blick gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt

Zitat:
Antwort macht Else noch konfuser. Sie greift nach der Kaffeekanne und führt sie als versöhnliches Zeichen

Zitat:
Sogleich beißt sie sich auf die Lippen.

Wenn du das so meinst, wie ich das verstanden habe, dann hast du diesen Druck verdammt fein - und eben subtil - dargestellt.
Jetzt bin ich aber auch gespannt, ob ich richtig liege.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag08.10.2014 22:41
Re: Messer, Löffel, Raum und Zeit
von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Seitenlinie,

insgesamt eine nette Geschichte, bei der mir dein Titel, die "gro0e" Prämisse des Anfangs und die feine Pointe, dass eine kleine Geste Großes bewirkt, gefallen haben.
Etwas störend empfand ich den häufigen Gebrauch bzw. die häufigen Satzanfänge mit Else tut dies und Else denkt das. Für mich hätte es dieser (Vorher-)Erklärungen, um ihre direkte Rede zu kommentieren, nicht immer gebraucht. Bei Knut machst du es nicht.

Wir sind hier zwar im Feedback, aber ich wollte es dennoch zur Anschaulichkeit markiert zeigen, welche Stellen für mich überdenkenswert wären:
seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
Messer, Löffel, Raum und Zeit


„Ich hab grad das Universum gewechselt.“ Knut lässt die Zeitung von der Tischkante auf den Schoß gleiten und sein Blick
gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt.
Else beendet das Figürchenschneiden aus Käsescheiben und schaut ihn erwartungsvoll an. In der Küche ist nur das
Kühlschranksummen zu hören und Else muss aufpassen, nichts Dummes zu sagen. „Was meinst du mit ... Universum?“
„Unser Dasein in Raum und Zeit. Die Welt, die wir wahrnehmen können.“
Die Antwort macht Else noch konfuser. Sie greift nach der Kaffeekanne und führt sie als versöhnliches Zeichen zu Knuts Tasse.
Knut wehrt mit der Hand ab und redet weiter: „Unsere Küche hier, das Haus, Europa. Die aktuelle Stunde, der vierte Oktober
zweitausendvierzehn, sechs Uhr dreiundvierzig Greenwich-Zeit. Die Erde, das Sonnensystem, die Milchstraße, unser Galaxien-
haufen. Das gesamte All, zwanzig Milliarden Lichtjahre in jede Richtung!“
Else starrt ihn an. Das will nicht ganz in ihren Kopf und sie folgt ihrem Bauchgefühl. „Du wechselst zwanzig Milliarden
Lichtjahre?“ Sogleich beißt sie sich auf die Lippen.
„Quatsch! Keine Lichtjahre, das Universum.“
Else durchfährt ein Gedankenblitz: „Es gibt mehr als ein Universum?“
Knuts Augen leuchten auf. Seine Linke klatscht auf den Tisch, die Rechte greift nach der Dose mit dem Würfelzucker. „Stell
dir das mal vor! Vielleicht unendlich viele. Genau weiß das niemand.“
Elses Gedanken überschlagen sich: „Aber woher weiß man dann, wenn man wechselt?“
„Ist so ein Gefühl, als ob ich niesen muss. Ich spür’s im ganzen Körper. Und am Ende muss ich gar nicht niesen.“
Sie reibt sich verwundert die Nase: „Wenn du niesen musst, wechselst du das Universum?“
„Nein. Ich sagte doch, wenn ich denke, dass ich niesen muss. Natürlich nicht immer.“
„Und woher ...“
„Das wollt’ ich eben erklären.“ Knut kippt die Zuckerdose aus und verteilt die weißen Würfel auf dem Tisch. „Alle Zucker-
stücke sehen gleich aus, nicht wahr? ... sind es aber nicht!“
Else nickt und zeigt triumphierend auf eine abgebrochene Ecke.
Knut fährt unbeirrt fort: „Im Paralleluniversum stößt man auf winzige Veränderungen. Als ich fast niesen musste, hob ich
die Zeitung kurz an. Und was sehe ich? Mein Löffel liegt rechts vom Messer! Im alten Universum war’s genau andersrum.“
Else nickt und sammelt die Zuckerwürfel ein. Als Knut sich zurücklehnt und hinter der Zeitung verschwindet, schießt ihre Hand blitzschnell über den Tisch - und der Löffel liegt wieder am alten Platz. Das ist falsch, es sieht verdreht aus. Leise seufzt Else in sich hinein. Aber wenigstens konnte sie das Universum reparieren; die Küche, das Haus, die Erde, die Milchstraße,
zwanzig Milliarden Lichtjahre ...


Gerne gelesen!

LG,
Constantine
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meerenblau
Reißwolf
M


Beiträge: 1320



M
Beitrag09.10.2014 12:36
Re: Messer, Löffel, Raum und Zeit
von meerenblau
Antworten mit Zitat

Das ist echt gelungen. Die feinen Nuancen des Terrors, die da anklingen, die Personen, selbst der Titel - da passt einfach alles zusammen und ineinander.

Wenn ich meckern müßte -


seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
„Alle Zucker-
stücke sehen gleich aus, nicht wahr? ... sind es aber nicht!“
...


So wie der Typ rüberkommt, würde er nicht so nachlässig sprechen an dieser Stelle, sondern in dozierendem Ton sagen: "Sie sind es aber nicht!"

Ansonsten ... das ist möglicherweise einer der gruseligsten Texte, die ich je gelesen habe, wenn man so darüber nachdenkt. Und 1A umgesetzt!
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Literättin
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Beitrag09.10.2014 14:48

von Literättin
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Hallo Seitenlinie,

ich bin in dein Werk hineingestolpert und kriege es nicht aus dem Kopf, weil der Stolperfaktor mich nicht losgelassen hat und ich dir das nicht vorenthalten wollte.

Deshalb versuche ich hier jetzt einmal ein Feedback in der Hoffnung, dass etwas Brauchbares für dich dabei ist, ohne dass ich gleich "Werkstatt" für dich draus mache. Denn man kann durchaus den Text so lassen, wie er ist: das Stolpern zu Beginn hat mich nicht abgehalten weiterzulesen, denn neugierig macht er allemale, der Anfang.

Ich schildere also, wie es mir mit deinem Text ergangen ist - und es kann sein, dass nur ich gestolpert bin.

Zunächst: der Titel hat mich angesprochen. Einerseits, weil ich passionierte Universum-Doku-Guckerin bin und jene über den neuesten Forschungsstand mich magisch anziehen - andererseits, weil ich die Kombination mit dem gefühlten Kinderreim "Messer, Löffel, und so weiter ..." spannend fand.

Ich bin also in den Text rein in der Erwartung etwas mit spannender Bandbreite zwischen kindlich-naiv und "kosmisch weltumspannend" zu finden.

Jetzt ist dann folgendes passiert:

Ich musste den ersten Absatz zwei- dreimal lesen, um überhaupt zu verstehen wer den ersten Satz gesagt hat, weil ich wohl unbewusst ein Kind erwartet habe ("Messer, Gabel, Schere, Licht"-Titelmäßig halt) und die Reaktion des vermeintlich streng dreinblickenden Vaters als Bestätigung gelesen habe, dass da ein vorlaut-altkluges Kind am Frühstückstisch palavert, was den sauertöpfischen Vater nervt.

Dann dachte ich: Aha, klein Else ist also das schlaue Kind und fand dieses Bild im Käsefigürchen schneiden und ihrem erwatungsvollen Blick ("Was wird der Vater wohl dazu sagen?") bestätigt.

Im nächsten Satz war ich folglich durcheinander - nicht, weil klein Else dachte, nichts Dummes sagen zu dürfen - das hätte noch gepasst, sondern weil ihre Frage an den vermeintlichen Vater dann nicht stimmt.

Ab da musste ich also von vorn beginnen und hatte allerdings noch einiges zu sortieren, weil ich nicht ganz verstand: warum, oder für wen schneidet Knuts Frau Else Käsefigürchen? Sitzt also doch noch ein Kind mit am Tisch? Tauchte aber nicht auf das vermutete Kind.

Erst, nachdem ich sie dann als etwas - naja  debil? - einsortiert hatte, dachte ich so könnte es hinhauen.

Knut und Else - allein schon die Namen kreieren eine Szene zwischen lustig-harmlos, naiv-gemütlich und ... wie Meerenblau schrieb: gruselig?

Knut kommt schon des Namens wegen eher urig rüber und Else ein wenig wie die "doofe Else". Kann was haben. Hat auch irgendwie was. Ich weiß nur nicht genau was es hat - weil ich anfangs so lange herumgestolpert bin vielleicht. Werde es mir irgendwann mit Abstand noch mal zu Gemüte führen. Vielleicht ist Else ja gar nicht so doof und Knut nicht so urig? Am Ende schneidet sie die "debilen" Käsefigürchen ja für den unheimlichen Knut? wink

Auf jeden Fall aber gern gelesen!

LG, Literättin
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Kateli
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Das goldene Gleis


Beitrag09.10.2014 15:03

von Kateli
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Gefällt mir auch ausgesprochen gut. Kurz und knackig, dabei kein bisschen oberflächlich. Gut gelungen, und das mit wenigen Worten, finde ich auch die Figuren: Dezent abgehoben, voll im Bewusstseins-Flow, was seine Existenz und ihren Bezug zum großen Ganzen angeht, der eine, also Knut, Else dagegen ganz praktisch und pragmatisch. Statt ihm sonstwas zu bescheinigen, rückt sie das Universum einfach wieder gerade.
So weit die Beziehungsebene. Dahinter liegt aber noch mehr, nämlich das feine Gänsehautgruseln, mit dem ich mich selbst öfter mal frage, warum denn irgendein Ding, das ich tagelang gesucht habe, plötzlich ganz offen auf der Kommode liegt ...
Mag ich. Hat ein bisschen was von "Macht's gut, und danke für den Fisch", wenn du weißt, was ich meine Smile

LG
Nina


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sleepless_lives
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Beitrag09.10.2014 19:06

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Ich glaube, ich habe gerade auch das Universum gewechselt. Hast du nicht früher ganz anders geschrieben? Sehr direkt, sozusagen 1:1? Und jetzt kommt sowas, vordergründig eine simple Anekdote, aber hintergründig so geladen, dass man sich zusammenkrümmt, während man mit am Tisch zu sitzen vermeint.  Mit einer satirisch scharfen Beobachtung erzählt, ohne jemals mit dem Finger darauf zu deuten. Das einzige, das meines Erachtens ein wenig rausfällt, ist der Satz hier:
Zitat:
und sein Blick gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt
  
Auch die von einem meiner Vorredner kritisierten ähnlichen Satzanfänge passen meiner Meinung nach sehr gut, tragen zur allgemeinen Atmosphäre und zur Charakterisierung der Figuren bei.


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Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

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Saga
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Beitrag10.10.2014 18:37
Re: Messer, Löffel, Raum und Zeit
von Saga
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Gefällt mir, weil es wirklich etwas erzählt, und ich habe mich gerne für einen Augenblick entführen lassen.

Nur an einem Punkt habe ich eine Anmerkung.

seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
Elses Gedanken überschlagen sich: „Aber woher weiß man dann, wenn man wechselt?“
„Ist so ein Gefühl, als ob ich niesen muss. Ich spür’s im ganzen Körper. Und am Ende muss ich gar nicht niesen.“
Sie reibt sich verwundert die Nase: „Wenn du niesen musst, wechselst du das Universum?“
„Nein. Ich sagte doch, wenn ich denke, dass ich niesen muss. Natürlich nicht immer.“


Bei Lesen musste ich zurückspringen um noch einmal zu kontrollieren, wer gerade spricht, als ich bei "Sie reibt sich verwundert die Nase" angekommen war.
Erst dachte ich, es liegt an der Reihenfolge, also, dass Else zuerst sprechen sollte und sich erst danach die Nase reibt - da ja ein Zeilenwechsel einen anderen Sprecher nahelegen würde, wäre es auch nicht nötig, Else vor ihrer Replik zu erwähnen.

Aber dann fiel mir auf, dass es vielleicht daran liegt, dass ich ihre Geste im Zusammenhang mit "Verwunderung" unglaubwürdig finde. Sie scheint mir eher zum "Niesen" zu passen.
Außerdem, ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll, ist mir die Dauer der Geste zu lang im Hinblick auf den kurzen Zeitraum, der ihr eingeräumt wird. Wenn Else auch noch zur Seite blicken würde, könnte ich mir eher vorstellen, dass sie Zeit hat, sich die Nase zu reiben, bevor sie antwortet.

Stirnrunzeln oder Augenbrauen hochziehen kommt mir spontan als logischer in den Sinn. Oder eben den Moment noch irgendwie anderweitig zu verlängern, sodass die Geste nicht so eingeschoben wirkt, damit eben nicht nur Dialogzeilen zu lesen sind.
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Taschmetu
Gänsefüßchen
T


Beiträge: 26



T
Beitrag11.10.2014 23:00

von Taschmetu
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Hallo!

Eine sonderbare Geschichte. Was möchte uns der Autor damit sagen?

Ich habe sie gelesen und konnte soweit alles verstehen, aber irgendwie bleibe ich doch leicht verrätselt zurück, denn ich kann mir keinen rechten Reim darauf machen.

Wirkt auf mich wie der Einblick in das Leben zweier skurriler, alter Leute. Nett, aber nicht mehr (und auch nicht weniger).

Die Figuren wirken -vielleicht auch durch die Kürze - nicht wirklich "lebendig" auf mich.

Soweit von mir.

Grüße!
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seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag12.10.2014 16:44

von seitenlinie
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Sorry, dass ihr etwas warten musstet. War keine Absicht.

Vielen Dank für eure überwiegend positive Resonanz und die interessanten Kommentare!
Etwas überrascht bin ich über die zu negativen Auslegungen des Disputs. „Psychoterror“ und „gruselig“ wären
für mich noch eine andere Kategorie.


@Taschmetu
Weil es dir nicht gefallen hat, fange ich mal damit an. Der Text entspricht nicht deiner Wellenlänge und das ist auch
o.k. so. Die Kürze, die Reduzierung auf das Notwendigste ist in dieser kleinen Anekdote gewollt. Für den Leser ist es
aber nur reizvoll, wenn er beim Lesen mehr sieht, als dort steht. Was er nicht erfährt und sich erschließen muss.
Und all das, was noch mitschwingt an Gefühl und Motivation, an Erwartung, Enttäuschung, Vortäuschung,
Schweinheiligkeit, ...


@alle
Meine eigene Interpretation muss ich jetzt doch offenlegen. Sie hätte sich sowieso scheibchenweise ergeben.

Ich sah die Anekdote vor mir und fand sie süß.
Der Ausgangspunkt erschließt sich erst im Nachhinein. Knut ist leicht „verschnupft“ und hat das Gefühl, er sitzt im
falschen Universum. Else hat ihn grad korrigiert, d.h. sein Besteck, und das womöglich noch zu Recht.  

Deshalb zieht Knut die Diskussion auf einen Nebenschauplatz und glänzt mit angelesenem Wissen. Eigentlich sind
es nur Stichworte und es wirkt teilweise etwas plump. Dennoch beeindruckt das Else, die praktisch veranlagt ist und
die Welt lieber intuitiv erfasst. Bei den Zuckerstücken kann sie endlich folgen, sogar einen Beitrag leisten, den Knut
leider nicht würdigt.
Es sieht so aus, als würde Knut die Oberhand behalten. Am Ende aber ist es Elses kleine Geste, die das Universum
repariert. Der Leser lacht über Else und steht dennoch auf ihrer Seite. Else besitzt Empathie und Herzensbildung -
sie ist die heimliche Gewinnerin.


@Mog
Du hast ein amüsantes Beispiel gebracht.  Ich zitiere mal aus Wikipedia:
Als praktische Intelligenz wird oft jener Teilbereich der Intelligenz bezeichnet, der mit alltagsnahen mentalen Leistungen
in Verbindung steht. (http://de.wikipedia.org/wiki/Praktische_Intelligenz)

Und auf dem Gebiet hätte Else die Nase vorn. Bei Knut liegt der Fall noch etwas anders, weil er mitbekommt, was gespielt
wird und die Diskussion absichtlich in diese absurde Richtung führt.


@rieka
Du liegst nicht ganz falsch. Nur Psychoterror ist ein zu hartes Wort. Nach meiner Lesart hat es einen Grund,
warum Knut hier so reagiert. Sicherlich nicht der Idealfall einer Ehe. Auf der anderen Seite haben sich beide damit
arrangiert, ihre kleinen Dispute auf diese Weise auszutragen und abzutragen.   


@Constantine
Ich denke, du hast den Rahmen gut erfasst.
Mit einer kleinen Geste (oder der Klügere gibt nach) lässt sich das  Universum (oder unsere kleine Welt) manchmal
ganz leicht reparieren.

Dass die Satzanfänge dich stören, kann ich etwas nachvollziehen. Ich hätte es auch für mich farbig markieren können.
Mir war bewusst, dass die Sätze oft mit Else beginnen. Vertausche ich aber die Wortstellung oder fülle etwas auf,
verändert sich auch die Wirkung. Es klingt dann nicht mehr so banal und einfach, wie ich es haben wollte.

Die roten Markierungen verstehe ich nicht ganz. Ich dachte erst, du wolltest auf „Zeigen“ statt „Behaupten“ hinaus, aber
dann hättest du sicher noch mehr markiert.

Bei dieser Art Kurzprosa haben wir meist einen auktorialen Erzähler. Sonst wäre sie anders aufgebaut.
Außerdem denke ich, dass die Show-don’t-tell-Diskussion ein bisschen dogmatisch geworden ist. Manchmal ist
ein einziges Wort griffiger und viel treffender als das Umschreiben mit Gestik und Mimik. Dieses Show-Spiel hat ja
auch durch Wiederholungseffekte - inzwischen in fast jedem Buch - ein wenig an Reiz verloren.


@Literättin

Immerhin bist du hängengeblieben und es klingt etwas nach. Das mit der falschen Spur kann ich verstehen,
dann passen die Bilder nicht mehr.

Ich habe extra Messer/Löffel (nicht Messer, Gabel, ...) gewählt.
Das Kleine ist hier so banal wie das Große, wie Raum und Zeit. Und es ist genau die Geschichte, die gleich kommt.

Dennoch fallen Vorweg-Assoziationen schwer.
Mit dem ersten Satz wird uns eine Bemerkung vor die Füße geworden, der Leser ist vielleicht ebenso irritiert wie Else.
Ich wollte diese kurze Irritation. Denn es folgt gleich der Wink für den Leser:  ... und sein Blick gleicht dem von Pastor
Sauerbier bei der Sonntagspredigt. (Bitte Respekt, Schluss mit dem Figürchenschneiden*, es folgt eine Predigt zum
Thema - und der Leser soll das bitte nicht zu bierernst nehmen
.)

*Von außen wirkt es wohl ein wenig debil, aber mein Gott, was malen selbst Akademiker nicht alles auf ihre Heftränder:
Kringelchen, Figürchen, Blümchen ...
  

@Saga
Es ist auf das Notwendigste reduziert. Das sind Stellen, die nur funktionieren, wenn der Leser den Hintergrund
sehen und mitfühlen kann. Wenn nicht, kann der Autor nur hoffen, dass der Leser einfach drüber hinwegliest und
wenigstens nicht stolpert.

Sie reibt sich verwundert die Nase:
Vorn steht „Sie“ und „wundern“ kann sich in dem Moment nur Else. Warum reibt sie sich die Nase?
Else ist beeindruckt und identifiziert sich mit Knuts Schilderungen. Ihre Reaktion ist ein Reflex. Mit Nasenreiben
lässt sich Niesen unterdrücken.

@meerenblau
meerenblau hat Folgendes geschrieben:

So wie der Typ rüberkommt, würde er nicht so nachlässig sprechen an dieser Stelle, sondern in dozierendem Ton
sagen: "Sie sind es aber nicht!"

Ansonsten ... das ist möglicherweise einer der gruseligsten Texte, die ich je gelesen habe ...

An anderer Stelle wirkt Knut etwas plump.
Er überzeugt mit Schlagworten, klatscht mit der Hand auf den Tisch, macht den absurden Zuckerwürfelvergleich ...

Und zum "gruselig" gehört ein kleines Augenzwinkern, oder?


@sleepless_lives
Das freut mich sehr, dass du dich gut amüsiert hast.
Mir gefällt dieses 1:1 als Gradmesser.
Anders? Jein.
Es hängt vom Stoff ab. Ich probiere ja immer noch aus und feile am Werkzeug (Sprache). In aller Regel schwingt
etwas mit; sollte es zumindest. Manchmal gab es was zu enträtseln, was aber nicht immer funktionierte
wie gedacht.

Ich muss eine Geschichte vor mir sehen, nur erfinden geht nicht. Manchmal sehe ich sie fertig, manchmal sind es
Momentaufnahmen einzelner Szenen, dann muss ich puzzlen und konstruieren.

... und sein Blick gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt  
Du hast genau den Satz rausgepickt, mit dem ich ein wenig gehadert hatte.

Der ist weniger subtil und wendet sich direkt an den Leser. Er soll die Einstimmung nachholen und auf die Anekdote
hindeuten.


@Nina
Blinker, blinker ... gleich ein ganzer Fisch?

Ups, du hast das aber gut beschrieben! Danke!
Schade, dass sich (Freizeit)Autoren keine eigene Sprecherin leisten können.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag13.10.2014 11:19

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Seitenlinie,

danke fürs Rückmelden und klarstellen deiner angewandten Stilmittel.

Seitenlienie hat Folgendes geschrieben:
Dass die Satzanfänge dich stören, kann ich etwas nachvollziehen. Ich hätte es auch für mich farbig markieren können.
Mir war bewusst, dass die Sätze oft mit Else beginnen. Vertausche ich aber die Wortstellung oder fülle etwas auf, verändert sich auch die Wirkung. Es klingt dann nicht mehr so banal und einfach, wie ich es haben wollte.

Wenn es genau so ist, die du es haben wolltest, dann passt es. Ich fand es für mein Gefühl etwas zu viel und etwas Variation täte der Banalität und dem Simplen der Situation mMn keinen Abbruch.

Seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
Die roten Markierungen verstehe ich nicht ganz. Ich dachte erst, du wolltest auf „Zeigen“ statt „Behaupten“ hinaus, aber
dann hättest du sicher noch mehr markiert.

Bei dieser Art Kurzprosa haben wir meist einen auktorialen Erzähler. Sonst wäre sie anders aufgebaut.
Außerdem denke ich, dass die Show-don’t-tell-Diskussion ein bisschen dogmatisch geworden ist. Manchmal ist
ein einziges Wort griffiger und viel treffender als das Umschreiben mit Gestik und Mimik. Dieses Show-Spiel hat ja
auch durch Wiederholungseffekte - inzwischen in fast jedem Buch - ein wenig an Reiz verloren.

Auf "show don't tell" wollte ich nicht unbedingt hinaus. Mir fiel eine Unausgeglichenheit auf. Du möchtest (meist) auktorial erzählen, bist mir aber recht erklärend, was Else angeht, Knuts Verhalten schilderst du hingegen eher wertfrei. In rot habe ich Textpassagen markiert, die mir im Vergleich zu Knut zu dick aufgetragen sind. Dadurch, dass du mir den Zugang zu Knut durch seine Gestik selbst überlässt, mir aber Elses Gestik und auch ihr Innenleben beschreibst und erklärst, empfand ich es dann nicht mehr auktorial bezogen auf beide. Mein Vorschlag war, die roten Stellen zu überdenken, die mir zu nah an Else sind und sich manches auch aus ihrer direkten Rede ableiten ließe. Oder aber du machst beide Charaktere gleichwertig, dann würde mMn auch Knut der gleichen Stilmittel erfordern, die du bei Else anwendest.

LG,
Constantine
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Mogmeier
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Wohnort: Reutlingen


Beitrag14.10.2014 04:45

von Mogmeier
Antworten mit Zitat

seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
... und sein Blick gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt  
Du hast genau den Satz rausgepickt, mit dem ich ein wenig gehadert hatte.


Das ist nun ausgerechnet der Satz, der mich von der Bildsprache her am meisten packte. Rührt aber wahrscheinlich daher, dass mein Ururgroßvater seinerzeit Pastor und zuvor Hauslehrer war. Wenn ich mir die alten Fotos von ihm so anschaue, bei denen er – schon recht gealtert – mit zornig ernster Miene und Pastorenkäppchen oben auf dreinschaut, möchte ich fast sagen: nein danke, bei ihm möchte ich kein Schüler gewesen sein; obwohl er eigentlich ein herzensguter Mensch war. – Ja, Fotos können manchmal lügen, Bildsprache aber nicht. In diesem Sinne: Der Satz passt also vollkommen rein. Vor allem das Anhängsel mit der Sonntagspredigt rundet das Bild ab.

Was mir aber erst beim wiederholten Durchlesen auffiel: Knuts Äußerungen sind ja nun eigentlich als Hyperbel zu werten. Da habe ich mich wohl anfänglich zu sehr von den Zwischendurch-Umschreibungen ablenken lassen.


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Rainer Zufall
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Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag14.10.2014 17:52

von Rainer Zufall
Antworten mit Zitat

Hallo seitenlinie,
ich mag Mogmeier Recht geben, ich würde den Satz, mit dem du gehadert hattest, auch drin behalten:
Zitat:
seitenlinie hat Folgendes geschrieben:
... und sein Blick gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt

Warum? Weil deine Intention sonst nicht klar wird. Man kapiert sonst nicht, dass Knut sich über Else und das Verschieben des Löffels geärgert hat.

Dafür würde ich die diese Sätze hier  echt rausschmeißen.

-Die Antwort macht Else noch konfuser.
-Das will nicht ganz in ihren Kopf und sie folgt ihrem Bauchgefühl.
-Else durchfährt ein Gedankenblitz

Ich finde sie richtig störend. Show dont tell ist gar nicht mein Argument, man muss ja oft mal eine Weg- oder Zeitstrecke narrativ bewältigen, also nichts gegen ein gut gemachtes tell. Aber diese Sätze hier finde ich einfach zu platt, zu plump, sorry, ärger dich bitte nicht über die Formulierungen, mir fällt einfach grad nichts Besseres ein. Du schreibst ja sonst in dieser kleinen Geschichte so ein bisschen sptzbübisch hintergründig und arbeitest mit Andeutungen und hier kofferst du dem Leser so eine Erklärung rein, obwihl sie doich gar nicht nötig ist. Dadurch entsteht für mich das Gefühl von Übererklärung, von Leser am Genick nehmen, dass ers nur ja kapiert. Verstehst du, was ich meine?

Und ansonsten bin ich echt ein bisschen froh, dass du keine Geschichte mit perfid-hintergründigem Horror geplant hattest, Ich hatte schon an meinem Verstand gezweifelt und gedacht, ich hätte mal wieder nichts gerafft,  ich empfand die Geschichte nämlich eher amüsant, so ein bisschen loriotmäßig, wenn dir der was sagt.
Also ... gefiel mir gut.
Bis die Tage
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag17.10.2014 16:34

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Seitenlinie,

als kleiner Nachtrag zu den Anmerkungen meiner Vorrednerin:
Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Dafür würde ich die diese Sätze hier  echt rausschmeißen.

-Die Antwort macht Else noch konfuser.
-Das will nicht ganz in ihren Kopf und sie folgt ihrem Bauchgefühl.
-Else durchfährt ein Gedankenblitz

Ich finde sie richtig störend. Show dont tell ist gar nicht mein Argument, man muss ja oft mal eine Weg- oder Zeitstrecke narrativ bewältigen, also nichts gegen ein gut gemachtes tell. Aber diese Sätze hier finde ich einfach zu platt, zu plump, sorry, ärger dich bitte nicht über die Formulierungen, mir fällt einfach grad nichts Besseres ein. Du schreibst ja sonst in dieser kleinen Geschichte so ein bisschen sptzbübisch hintergründig und arbeitest mit Andeutungen und hier kofferst du dem Leser so eine Erklärung rein, obwihl sie doich gar nicht nötig ist. Dadurch entsteht für mich das Gefühl von Übererklärung, von Leser am Genick nehmen, dass ers nur ja kapiert. Verstehst du, was ich meine?

Die Anmerkungen meiner Vorrednerin ergänzen sich mit meinen eigenen. Liebe Rainer, ich empfinde die markierten Stellen auch überdenkenswert.

LG,
Constantine
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seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag19.10.2014 12:12

von seitenlinie
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mogmeier hat Folgendes geschrieben:

Das ist nun ausgerechnet der Satz, der mich von der Bildsprache her am meisten packte. Rührt aber wahrscheinlich
daher, dass mein Ururgroßvater seinerzeit Pastor und zuvor Hauslehrer war ...
In diesem Sinne: Der Satz passt also vollkommen rein. Vor allem das Anhängsel mit der Sonntagspredigt rundet das Bild
ab.
Ich will ihn auch nicht rausnehmen, sonst müsste der Anfang anders aufgebaut werden. An der Stelle brauche ich eine
Vermittlung.


Was mir aber erst beim wiederholten Durchlesen auffiel: Knuts Äußerungen sind ja nun eigentlich als Hyperbel zu
werten.

Ich habe mal nachgesehen, aber ich finde kein rhetorisches Mittel, das mir passend erscheint. Er ist eher ein
strategisches Mittel, dieses Ausweichen auf einen anderen Diskussions-Schauplatz.


@Rainer Zufall und Constantine
Was ihr kritisiert, hat für mich etwas mit Trend zu tun. Und dahinter steckt tatsächlich die schon Show-don’t-tell-
Diskussion. Der Erzähler soll nichts über die Befindlichkeit einer Figur sagen.

Damit verbannen wir einen Teil unserer Sprache aus der Prosa.

Die Anekdote hat einen auktorialen Erzähler. Will man das nicht, wird es eine andere Geschichte. Muss sie anders aufgebaut werden.
Wer sich daran stört, müsste gleich die ersten Sätze kritisieren.

Zitat:
„Ich hab grad das Universum gewechselt.“ Knut lässt die Zeitung von der Tischkante auf den Schoß gleiten und sein
Blick gleicht dem von Pastor Sauerbier bei der Sonntagspredigt.
Else beendet das Figürchenschneiden aus Käsescheiben und schaut ihn erwartungsvoll an. In der Küche ist nur das
 Kühlschranksummen zu hören und Else muss aufpassen, nichts Dummes zu sagen. „Was meinst du mit ... Universum?“


Das „Übererklären“ ist der Kürze geschuldet. Dieser Erzählton zieht sich konsequent durch die Anekdote. Würde ich all
das streichen, wird die Geschichte farbloser. Und wer versteht sie dann noch auf Anhieb?
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Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag19.10.2014 13:28

von Saga
Antworten mit Zitat

"Gefällt mir"-Button gibt´s hier ja nicht, also teile ich mal auf diese Weise mit, dass ich dieses hier
Zitat:
Der Erzähler soll nichts über die Befindlichkeit einer Figur sagen.
(...)
Damit verbannen wir einen Teil unserer Sprache aus der Prosa.
(...)
Würde ich all das streichen, wird die Geschichte farbloser.

auf der Stelle unterschreiben würde.
Und das hier gleich mit.
Zitat:
Die Anekdote hat einen auktorialen Erzähler. Will man das nicht, wird es eine andere Geschichte.


Ich finde an den genannten Sätzen im Rahmen dieser kurzen Geschichte wirklich nichts auszusetzen.

Lg, Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
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M4GN3TiC_
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
M

Alter: 27
Beiträge: 18
Wohnort: Aalen


M
Beitrag20.01.2015 23:55

von M4GN3TiC_
Antworten mit Zitat

Sehr gut Geschrieben, gefällt mir auserordentlich! Toller Anfang finde ich sehr gelungen!
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Traumtropfen
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
T


Beiträge: 9



T
Beitrag23.06.2015 16:08

von Traumtropfen
Antworten mit Zitat

Kann mich nur der Mehrzeit anschließen. Tolle Geschichte! Insbesondere die Pointe gefällt mir!
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Fichtenmoped
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 43
Beiträge: 18
Wohnort: Bayern


Beitrag24.06.2015 00:09

von Fichtenmoped
Antworten mit Zitat

Herrlich! Ich kann mir ohne Erklärungen ein Bild von Knut und Else machen.
30 Jahre verheiratet, Routine im Alltag, "klassische" Rollenverteilung (er liest Zeitung und trinkt Kaffee während sie das Frühstück zaubert).

Ein paar Dinge irritierten mich:
Das konfuse Gucken von Else - Else wirkte spätestens da auf mich mehr dement als verständnislos; sie war ja vorher schon irritiert. Vielleicht kann sie ja ihrer Verwirrung durch eine Geste oder gesprochene Worte die Krone aufsetzen?

Beim Dreinblicken "wie Pfarrer Sauerbier" musste ich erstmal überlegen, wie ein Pfarrer Sauerbier wohl von der Kanzel schaut. Wegen dem Begriff Sauerbier stellte ich mir einen anklagenden, mürrischen Blick von Knut vor…dabei wirkt Knut auf mich gar nicht mürrisch.

„Das ist falsch, es sieht verdreht aus“ – hierüber bin ich auf dem Weg zur Pointe gestolpert und hat mir den „Lauf" verhunzt. Ob Else einfach nur doof oder gewieft ist, hätte ich mir gern selbst zusammengereimt.

Else erhält mit aller Wucht den Stempel der dummen Hausfrau aufgedrückt, die ihrem Mann unterwürfig ist und sich ständig aus Angst vor der Reaktion ihres Göttergatten auf die Zunge beißt. Das irritiert mich wahrscheinlich, weil ich Else gern als bauernschlaue, diplomatische Ehefrau sähe und Knut nicht als griesgrämigen Meckerer wahrnehme vor dessen Reaktion Else sich zu fürchten braucht.

Die Anekdote gefällt mir trotz meiner Kritikpunkte so gut, dass ich gerne mehr von Knuts abstrusen Erkenntnissen und den raffinierten Lösungen seiner guten Seele Else lesen würde. Klasse, wie die Geschichte mit wenigen Worten zündet und mit unerwartet tiefgründigem Humor endet.
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MosesBob
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Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18344

Das Goldene Pfand DSFo-Sponsor



Beitrag24.06.2015 07:39

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Moin Seitenlinie!

Wochentags, irgendwann zwischen Bettkante, Zähneputzen und dem ersten Schluck Kaffee. Der obligatorische Blick ins Forum: Steht der Laden noch? Hat's gebrannt, gab's Tote über Nacht? Sieht ganz ruhig aus. Keine PN im Postfach, keine Meldung zu bearbeiten. Seltene Konstellation, das. Was fängt man an mit so viel Freizeit, ehe man den ersten Handschlag auf der Arbeit tut? Man klickt einen Thread an, den es nach Monaten mal wieder an die Meeresoberfläche gezogen hat, guckt ihn an, klebt daran fest und kommt irgendwie nicht mehr los. Mir gefällt die Geschichte. Amüsant, gewieft und fesselnd, ohne Bondage zu sein. Herzlichen Dank auch fürs Bergen!

Beste Grüße,

Martin


_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
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Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
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Gaukelwort
Leseratte


Beiträge: 123
Wohnort: Hiernichtdort


Beitrag27.06.2015 17:09

von Gaukelwort
Antworten mit Zitat

Hi seitenlinie,

ich bin heute durch Zufall von der Lyrik hierher diffundiert. Der Titel hat mich gelockt – schön, dass ich gerade die Zeit hatte dem Lockruf zu folgen.



Zitat:
Meine eigene Interpretation muss ich jetzt doch offenlegen....

...Es sieht so aus, als würde Knut die Oberhand behalten. Am Ende aber ist es Elses kleine Geste, die das Universum
repariert. Der Leser lacht über Else und steht dennoch auf ihrer Seite. Else besitzt Empathie und Herzensbildung -
sie ist die heimliche Gewinnerin.


Jupp genau so ist deine Geschichte bei mir angekommen. Passt für mich prima.

Ein für mich stimmiger und gelungener Text. Danke fürs einstellen.

LG Gaukel


p.s. Einen Nursogedanken möchte ich dir hier noch zurück lassen. Was hältst du davon, wenn Else ganz beiläufig eines der Würfeluniversen in ihrem Tee versenkt. Der Leser bekäme so eine Kopfkinotür in die ebenso willkürliche wie süße Vergänglichkeit ganzer Paralleluniversen aufgestoßen. Mag aber sein, dass dieses Bild den Text zu weit von deinem ursprünglichen Thema entfernt.


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