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[Lorraine & Klemens_Fitte] Korrespontanz


 
 
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nebenfluss
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Beitrag03.10.2014 12:37

von nebenfluss
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Das wird aber philosophisch hier. Wäre das nicht zu hinterfragen, ob Fao (und Jenni?) nun von der Leser- auf die Autorenseite gewechselt sind - nur, weil sie sich selbst zitieren? Reicht also ein Klick auf den Quote-Button, mit dem ich ja meinen Kommentar jetzt auch einrahmen könnte, damit ich Mitautor werde, ein Schreiberquintett daraus wird? Oder bedürfte es dazu nicht einer Bestätigung von Seiten Lorraines oder des Herrn Fitte, indem sie mit einem klaren Hinweis (ganz eindeutig wäre ein Zitieren der beiden bzw. dieses Briefpartners von Fao) dem Antrag entsprechen? Bin ich ein bürokratischer Kleingeist? Ist diese Trennung von Leser und Autor ein konservatives Gedankenrelikt, eines zeitgemäßen Intellektuellen unwürdig? Ein vergebliches Klammern am Strohhalm einer Restsicherheit? Wie könnte man das einem Verlag erklären, der diesen Thread entdeckt und veröffentlichen möchte und gerne Klarheit über die Verantwortlichkeit gewinnen will? Warum habe ich keinen Vorgarten? Ich könnte mir einen blitzgrünen Rasen wachsen lassen, den BN einladen und wir könnten mit einem bunten Ball darauf spielen und wüssten Bescheid.
 
(mir wären übrigens mühelos noch ganz viele weitere Fragen eingefallen, aber ich geh jetzt Fahrradfahren und es ist mir völlig egal, ob man beim Fahren gehen kann, Hautpsache die Sonne scheint)


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Nihil
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Moderator
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Beiträge: 6039



Beitrag03.10.2014 13:18

von Nihil
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Lorraine & Klemens_Fitte & Fao hat Folgendes geschrieben:
Nihil hat Folgendes geschrieben:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Reicht also ein Klick auf den Quote-Button, mit dem ich ja meinen Kommentar jetzt auch einrahmen könnte, damit ich Mitautor werde, ein Schreiberquintett daraus wird?

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saher
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Beitrag03.10.2014 15:07

von saher
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BN hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht sollten sich noch ein paar Leute an diesem Verkehr beteiligen, dann gefällt es mir evtl. auch.

Ne, ich glaub dann gibt's a Stau auf der Au - äh - Emailbahn. Wink

Im Ernst, zu viele Köche verderben den Brei und zu viele Autoren sind auch nicht förderlich, wenn es am Ende etwas geben soll, das irgendwie einen Zusammenhang aufweist. Nicht umsonst hat Lupus damals von den zwei Schachpartien gesprochen.
Es wirkte am Anfang schon wenig zusammenhängend genug. Wenn jetzt noch mehr offizielle Korrespontänzer dazukommen, dann riskiert es ins Uferlose zu schweifen. Für die Tänzer macht vielleicht gerade das den Reiz aus, aber mMn wäre es doch etwas unleserlich. Ich finde es gerade so gut, wie es ist! Aber da kann ja jeder seinen eigenen Standpunkt haben.
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Lorraine
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Beitrag04.10.2014 12:48

von Lorraine
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.


Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Stimmlose,

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Dabei nennst du dein eigenes Lesen die Suche nach Verwertbarem. 

"Verwerten", also schreiben, deiner eigenen Sprache vertrauen – wenn zugleich das, was du aus Genet oder Jahnn oder Miller in dein kleinkariertes Notizbuch und dein begrenztes Koordinatensystem überträgst, am Heidelberger Karlstorbahnhof sitzend oder am Spreeufer (ich verfrachte dich dorthin, um das Bild auszufüllen, das mir dein Schweigen malt), deine eigenen Worte überlagert. 


Dieses „Verfrachten“ erinnert mich daran, Lola, welche Rolle ich in deinem Lesen spiele. Du schreibst eine Figur auf einem Spielbrett umher, suchst dem Charakter einen passenden Schauplatz wie du es für einen deiner Protagonisten auch tätest, schließlich brauchen deren Gedankenströme ein Flussbett? Leser sollen sich orientieren können, Land muss in Sicht bleiben, ein rettendes Ufer. Wer will schon, so überlegst du dir, untergehen, in der Sprache eines Anderen, erst einem Sog ausgeliefert, dann hinunter – mit hinunter – gezogen werden; wer will einverleibt werden, sich verlieren, sich auflösen müssen? Und so wird dein Strom nicht breiter, nein, die Ufer streben einander zu, ich sehe und beschreibe dir das und … mir wird klar: es geht nicht stromabwärts, du schreibst zur Quelle hin, das ist es, was du mit Ursache meinst:  nicht einem Ende zustreben, und niemals dem Schlusspunkt entgegen oder mehr anbieten als ein Spiegeln von Zerrissenheit – solange, wie eine Chance besteht oder Erkenntnis lauert oder Enttäuschung wartet, die Ursache könne vielleicht, vielleicht nur einer plappernden Quelle ähneln, die du zum Versiegen bringen den Versuch machen wirst, und du verlangst nicht einmal, einer solle mit dir schwimmen, die Ufer laden ja ein zum Verweilen, sonntäglich leicht und seicht und sanft und sandig glitzernd; luftige, sommerliche Heimat, wie sie einer beschwerten Kindheit hinzu gedichtet wird; Figuren künsteln Dialoge, die das Erzählen zum Inhalt haben, diesen Luxus, den sich Spaziergänger leisten und manchmal, an Herbsttagen, wirst du sie denken, sie sich festschreiben lassen; sie werden dort am Ufer – angesichts einiger welker, träge treibender Blätter – an einer oder eigener Vergänglichkeit sich reiben, sie beginnen jetzt, die von Großvätern, Vätern, Brüdern geschnitzten Rindenschiffchen, Steinschleudern zu sehen, bald darauf den zugehörigen Großvater, Vater oder dessen Bruder. (War er nicht der Kriegsgefangene, der Sohn eines Gauleiters, der Mitläufer, der Widerstandskämpfer,  der Großmutter Vergewaltiger, das Opfer, der Täter, Verursacher, Träger des Familiengeheimnisses?) Und so beginnt dort am Ufer, etwas abseits, eine Nebenhandlung.
Kindheiten brechen auf, Leser schwärmen auf Wald-, Wiesen- und Kieswegen aus, sie spüren – noch undeutlich – Hände des Wohlwollens auf Schultern, von Schultern abgleitend unruhig, bald fahrig werdend, durch kaum merkliches Zittern bekommen sie keimende Geilheit zu kosten. Probeweise wollen sich Hände dreiwegig (Lesende, träge nun und geblendet vom Glitzern der Herbstsonne auf weichem Wasser, lassen es geschehen): unter Achseln hervor tasten, sich zwischen Schenkel, auf gespannte Hinterteile wagen, doch halt - hinhalten, absetzen, du lässt die Lechzenden dort, sie haben es nicht weit, finden ohne dich zu ihrem Ende, du brauchst sie nicht mehr, du willst nur die, deren Durst du nicht stillen kannst, die dir um deines und ihres Mangels Willen folgen, nicht ihrer Sättigung wegen; Lola, während du dich nun fragst, wessen Sprache ich schreibe, dich doch nicht in ihr treiben lassen kannst, weil du aufwärts dagegen halten, dich zu toten Gebirgen hin durchschlagen, dem Fließen trotzen willst: Lola … verfrachte mich. Spreeufer? Isarstrand? Bergbäche, die noch um das Plappern der Quellen wissen, wenn längst kein Schnee mehr schmilzt, kein Regen mehr fällt.
Ein Rinnsal, Blasen werfendes Schmutzwasser des Autowäschers, der Samstägliches tut, verwertbare Töchter und Söhne dabei denkt und den Fernsehabend plant und dahinter beginnt die Stadt und du kommst wieder, gehst langsam – Flughafenstraße, Hasenheide, Südstern – in die Nacht am Kanal zurück, findest dich nicht zurecht im Beginn einer anderen Geschichte, die kein Ende nahm, eine Stadt wäscht die andere, ruhe dich aus.


K.

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nebenfluss
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Beitrag07.10.2014 15:15

von nebenfluss
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Eine unerwartete Wendung, erneut: Statt zur Mündung soll's zur Quelle gehen; nicht philosophisch Unkonkretes wird versuchsweise ins Lesermeer hinausgespült, sondern Klemens drängt Lola (ich freu mich über den nick für die Prota-Lo) zurück in die Zwiesprache, ins Private, Intime, und verweist den Leser wieder in die Rolle des Voyeurs. Dieser Gedankenstrom (Bewusstseinsstrom?) fließt formal sehr stimmig zwischen den beiden Autoren daher, einerseits an des Herrn Fittes Bekenntnis zu H. H. Jahnn und einflussartig »Vom Hörensagen« anknüpfend, andererseits motivisch an Lorraines Zugfahrt angelehnt sowie an etwas, das ich als frühere Prosa von ihr erinnere (könnte ein Auszug aus dem 'Blog'-Roman gewesen sein?!), der ich nicht (ver-)standgehalten habe.

Soll ich mich als Leser identifizieren, mich selbst als Lola denken? Lesen und Schreiben, setze ich voraus, sind gerade mal wieder der gleiche Vorgang, sonst müsste ich schon im zweiten Satz die weiße Fahne hissen. Ein bisschen erschreckt mich das Folgende, die totalitäre Wortwahl, immer wieder: nach Klemens' Angst vorm eigenen Bücherregal und dem Auslöschung!szitat, behauptet er hier an Lolas Stelle, man könne in der Sprache eines anderen nicht nur untergehen, sondern müsse sich dabei auch gleich selbst auflösen. Eine plappernde Quelle soll nicht etwa kanalisiert, gestaut oder umgeleitet, sondern zum Versiegen gebracht werden. Vielleicht bin ich zu tumb, um diese rigorosen Vorgänge miterleben zu können, vielleicht lebens-schreibens-erfahrungsmäßig vorneweg, vielleicht hintendran, keine Ahnung. Egal, es gibt kein spannendes Schreiben ohne Dramatik ...
Der Landgang erfolgt also den Lesern zuliebe, die sich nicht zu Schaden tauchen sollen. Während diese erleichtert relaxen, muss Autorin Lola weiterplappern - die Entertainerin spielen, ihnen Dialoge spendieren (wie sie sich Spaziergänger leisten! Ich bin begeistert und verwirrt, eigentlich überzeugt, einen Lorraine-Text zu lesen, aber hier klingt's mir 100% nach Fitte – vielleicht ist es ja eine noch engere Kooperation als wir dachten?), an Kindheitserinnerungen appellieren oder sie im konkreteren Sinne verführen, letzteres schön beiläufig inszeniert - was aber nirgendwo hinführt bzw. (hier ergänze ich möglicherweise den 'echten' Fitte aus anderen Threads) irrelevant ist, so lange man das eben für Leser schreibt, die am Ufer, bräsig und sandverkrustet, mit jedem Stoff »zum Ende« kämen und satt einpennen, die Döshilfe noch in der Hand; und wäre doch noch ein Kapitel übrig, und würde es weggespült durch ein plötzliches Hochwasser, sie würden auch darüber nach kurzem Bedauern die Schultern zucken und fragen, wann's wieder was zu Futtern gibt.

Es gefällt mir, es fasziniert mich. Es liegt viel in und an der Sprache, in die Lola angeblich nicht reinfindet, aber das Entscheidende dürfte sein, dass ich mir einen Bogen von Lola zu meinem eigenen Autordasein denken kann, der mit Hilfe dieser Sprache in bestechender Konsequenz gespannt wird vom Briefdialog hin zu etwas, das sich für mich fast liest wie ein Plädoyer – die Autorität des Autors ist unantastbar (Irving schreibt schließlich auch, wie's ihm passt)! Oder auch: Literatur ist kein Dienstleistungsgewerbe (oder sollte es nicht sein für jene Autoren, denen Gelesenwerden an sich nicht zur eigenen Sättigung genügt).
Die kalte Dusche besteht für mich, wieder, in diesem pessimistischen Tonfall beim Appell, Lola (oder gar jeder Schreiber) solle sich im Bewusstsein der eigenen Mangelhaftigkeit mit mangelhaften Lesern umgeben. Damit kann ich nichts anfangen, so lange ich es mir nicht rumdrehe zu: gemeinsam die Lücken füllen, wissen, Neues erfahren – sich, wie Lorraine zu »Vom Hörensagen« schrieb, konzentrieren statt zerstreuen wollen. Kein einseitiges Satt-Trinken soll es sein, bliebe es aber, so lange der Leser passiv bleibt. Ich ahne heraus, hier wird ein Nicht-Veröffentlichen als Statement verstanden, und mit dieser Argumentation verfrachtet Klemens seine Lola ein weiteres Mal, zu sich nach Berlin, in die Exklusivität der Korrespondenz zurück und entlässt sie (diesmal zu Fuß) in der bekannten melancholischen Stimmung, an eine neue Sprache denkend.

Meine eigene Plapperquelle versiegt für den Moment. Ich wollte irgendwann mal etwas schreiben zum Verwerten aus Lieblingsbüchern, zum Verwerten aus dem Leben, aber es passt hier nicht hin.
Ich bedanke mich für das Lesevergnügen und warte gespannt, ob hier wirklich nur eine Rast eingelegt wird, ob noch lesenswerte Kapitel folgen oder sich Bär und Schildkröte nun Gute Nacht sagen.

LG


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crim
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Beitrag07.10.2014 21:04

von crim
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Zitat:
Figuren künsteln Dialoge, die das Erzählen zum Inhalt haben


Hier ist mein Schlüssel. Ihr schreibt euch. Schade, dass alle Kommentare in den Wind am Fluss gehen. Ein Fluss, der zur Quelle fließt. Ist das ein besseres Bild für das Schreiben oder das Lesen? Egal. Es ist ein großes Bild.
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Klemens_Fitte
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Beitrag12.10.2014 20:31

von Klemens_Fitte
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.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:

Du schreibst von Flüssen, und ich weiß doch: es war nur ein Rinnsal gewesen, das du mit Steinen und Holz gestaut hattest. Weiter bachaufwärts hattest du mit der Hand geschöpftes Wasser zum Mund geführt und getrunken; weil du Indianer sein wolltest. Und heute stehst du im wohltemperierten Außenbecken, weil Wasser für dich nach Chlor riechen muss, den Kopf in den Nacken gelegt blickst du Zugvögeln nach, die an den Schnüren imaginärer Hochspannungsleitungen aufgezogen durchs Blaue ziehen, meinst das Hohnlachen ihrer hölzernen Schnäbel zu hören, mit denen sie dir die Sehnsucht aus dem Leib picken. Wenn sie wiederkommen, werden sie dir fremd sein, um eine Erfahrung reicher, die du nicht teilen kannst, ein Geheimnis, das auf dem Grund ihrer schwarzen Knopfaugen liegt, unergründlich, weil du dich an den Beckenrand klammerst, dich nicht hinreißen lässt, es dir lediglich erlaubst, die Kette deines Blicks bis zur Baumgrenze zu spannen.
Und dann denkst du dich zurück ins Freibad hinterm Gasthof Lamm, das du nur als leeres Becken kennengelernt und inzwischen als zugeschüttete Grube wiedergefunden hast, und anstatt dich an den Beckenrand zu stellen, mit den nackten Zehen nach der Kante tastend, erfindest du die Dörfler, die Badenden, den Geruch nach Chlor und Sonnenmilch, den Geruch nach Gras und Schweiß und nassen Handtüchern, weil du verrückt nach der Idee bist, Anderen beim Lesen deiner peniblen, schon obsessiv detailgenauen Beschreibungen über die Schulter zu gucken, zu fühlen, wie genau sie lesen und zu sehen, wie oft sie sich dabei verstohlen mit der Zungenspitze über die Lippen fahren:
Vorderzähne schlagen aufeinander – die Symplegaden – ein Daumen durchfährt ihre Felsen und rutscht an der Unterlippe ab. Blicke laufen auf Grund; kenternde Pupillen.

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Und so beginnt dort am Ufer, etwas abseits, eine Nebenhandlung.


Und dann erliegst du doch wieder der Versuchung, als die sich dir eine Handlung, etwas Erzählbares präsentiert, wie damals, als die Cousine des Vaters mit ihrer Adoptivtochter
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
nennen wir sie Anne
zu Besuch gewesen war und Anne – die Erwachsenen hatten noch bei Kaffee und Kuchen gesessen – sich dir anvertraut hatte, am geöffneten Wohnzimmerfenster stehend, weil du hattest rauchen wollen, oder zumindest hattest du dir später eingeredet, euer Gespräch sei ein Anvertrauen ihrerseits gewesen, und dann hattest du den Satz und die Geschichte noch einmal beginnen müssen, später, denn eigentlich müsste es um die Cousine des Vaters gehen, nicht um Anne, die noch bei Kaffee und Kuchen erzählt hatte, ein Pfleger in der offenen Anstalt – der Vater hatte derartiges vor dem Besuch erwähnt
Zitat:
»Naja, wir haben dann ein eigenes Zimmer gehabt, aber – da sind wir dann umgezogen und haben das Bett dort gelassen, das Bettzeug haben wir mitgenommen, also nach drüben, wenn wir bei ihm schlafen durften, nur das Bettzeug, nicht die Matratzen … das war ja noch ein Stockbett gewesen …«
»Wo jetzt?«
»In der alten Wohnung.«
– habe sie auf ihre Frage hin, warum er nicht ans Telefon gehe, als bekloppt hingestellt und geleugnet, dass das Telefon geklingelt habe, dabei habe sie das Telefonklingeln deutlich vernommen, vielleicht, hattest du sofort gedacht, ebenso deutlich, wie sie zuvor das Glockenläuten vernommen habe – »Hör mal, Mutti«, hatte sie zur Cousine des Vaters gesagt, »die Glocken läuten.« – als dir zum ersten Mal der Gedanke gekommen war, es müsste nicht um Anne, sondern um die Cousine des Vaters gehen, die ihre Tochter barsch zurechtgewiesen und ihr unterstellt hatte, rumzuspinnen, dabei hatte jeder im Raum, wenn auch leise, das Glockenläuten gehört, woraufhin aber von niemandem ein Widerspruch gekommen war, auch nicht von Anne, die sich ohnehin nicht wehren könne, wie sie zuvor erzählt hatte – »Dazu bin ich zu gut erzogen«, hatte sie gesagt – und dann, auf die Erwiderung ihrer Mutter hin, man könne gar nicht zu gut erzogen sein, wieder verstummt war, ohnehin zum Ende hin stumm am Tisch gesessen und erst später, mit dir am geöffneten Fenster stehend, wieder zu reden begonnen hatte, als sich in dir längst Zweifel an ihrer Krankheit geformt hatten, zumindest hattest du dir eingeredet, es gehe nicht um die Krankheit der Tochter, sondern um das Verhalten der Mutter, hattest dir eingeredet, das normal erscheinende Verhalten der Tochter sei nicht nur auf die Medikamente zurückzuführen, wie auch ihre Probleme nicht auf eine Krankheit zurückzuführen seien, denn weshalb sonst hättest du dem Vater unter vier Augen deine Zweifel antragen sollen – »Bei dir wäre Anne nicht so geworden«, hattest du gesagt und es erst später als naive Aussage empfunden – wieso sonst hättest du dir diese Zweifel im Gespräch mit Anne so bereitwillig bestärken lassen, als sie dir erzählt hatte, ihre Eltern hielten sie an der kurzen Leine, als du den Satz und die Geschichte noch einmal beginnen musstest, denn sie hatte keine Leine erwähnt, sondern Flügel, die die Eltern ihr gestutzt hätten, um immer über sie verfügen zu können, durch die Krankheit über sie verfügen zu können, auch damals, als sie die Mutter gebeten habe, die Psychologin zu wechseln und die Mutter gesagt habe, das sei nicht nötig – »Wozu? Die Tabletten bleiben doch die gleichen, egal wer sie verschreibt«, habe die Mutter gesagt
Zitat:
»Dann war noch etwas mit einer Hirnhautentzündung?«
»Ich war da … so sieben oder so – es gab ein anderes Kind, das entlassen wurde am Tag, als ich aufgewacht bin. So genau weiß ich das nicht mehr. Am nächsten Tag hat mir meine Mutter einen Gameboy mitgebracht, ich war dann allein im Zimmer, glaube ich.«
»Hat sie noch etwas gesagt?“
»Wer? Meine Mutter?«
»Ja.«
– und du ihr zugehört und dir deinen Teil gedacht und entschieden hattest, deinen Teil aufzuschreiben, ohne jemals an dem zu zweifeln, was dir gerade anvertraut worden war, denn du hattest es partout als ein Anvertrauen ihrerseits empfinden wollen, hattest dir eingeredet, es müsse um die Cousine des Vaters gehen, die plötzlich im Zimmer gestanden und euer Zwiegespräch unterbrochen hatte mit dem Hinweis, Anne solle dich nicht zu sehr beanspruchen – »Es ist nicht alles real«, hatte sie abschließend noch in deine Richtung gesagt – und hattest dabei nicht bemerkt, dass du damit vor allem Anne, nicht ihre Mutter, zu deiner Figur hattest machen wollen, weil die Verlockung, eine erzählenswerte Geschichte zu haben, zu groß gewesen war.


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Lorraine
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Beitrag15.10.2014 09:03

von Lorraine
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Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Verschlafene,

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
»Ǝs ist nicht alles real«, hatte sie abschließend noch in deine Richtung gesagt –


Du schreibst mich mir, schreibst von meinen erzählenswerten Geschichten und du sagst mir nicht: Irgendwann muss es doch gut sein, siehst du nicht, wie dir davon läuft, was du nicht mit alten Blicken festhalten kannst?
Warum schickst du mir keinen Gedanken, verschwendest nichts von deiner Verlockung, alles neu zu denken, Unwirkliches und Halbwahrheiten, Splitter deiner verfahrenen, fahrigen Erkenntnisse zur Wirklichkeit, zum Wiedererkennen werden zu lassen, sie alle los zu schicken an deiner Stelle, damit sie – deine Antonia und Lola und Marlene und Maria und Anna (Namen, immer noch schlichter) – die Geschichten an deiner Statt von den Wegen kratzen, vom Asphalt der Straßen der Städte deiner Reisen; zwischen Kopfsteinen keimten sie doch hervor?
Du wolltest spielen, mit Metrik stümpern, hast blank gezogen: Lügenknüpfer; viergehobenes Gewinsel hast du versucht und schließlich für dich behalten, wie du der Zeit (der alten Kitschtante) Zäsuren in Trimeter gezwängt hast.
So wie du ein „Gestern“ und das „Morgen“ nicht verbildern konntest, blieben leere Hülsen auf deinen roten Zonen liegen (Schmerz und Hoffnung, le ridicule ne tue pas? …)
Wolltest Blicke auffangen, wie sie über Fassaden rannen, von den Schlusssteinen der Torbögen tropften, wolltest sie schreiben und sie sollten tief dringen, sie sollten spürbar werden, lesenswert und immer hast du am Ende sehen müssen, du kannst nicht mitspielen, wirst nicht heran reichen, niemals wirst du mehr auslösen, als ein vorübergehendes Ungleichgewicht, wie ein Irritiert-sein – umwerfen wirst du keinen Leser und du weißt es und wirst dich bescheiden, ent-scheiden, beschneiden: alles Wuchernde. Verbrennen musst du nichts, bist du doch nie angekommen, zwischen zwei Deckeln … ein Knopfdruck genügt, und du wirst unsichtbar.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Aufstehen.
Regen in dünnen Fäden. Ich bin Lola. Bin Antonia. Will aufstehen, weggehen, durch den Regen tauchen, dabei transparent werden. Unsichtbar will ich sein, genau ab dem Moment, in dem Fesseln zur Schwanzflosse wuchern und ich abtauche. Ich will im Schlaf Stromlinien und Seekarten lesen, will erwachen, wenn auf der Insel der Morgen anbricht. Damit ich dort stranden kann, rot sehen und mit Hängeschultern sitzen, mit meinen elektrischen Fingerspitzen den Grund ertasten. Vom Wind – er trocknete mein weinendes Haar – würde ich willkommen geheißen, hier ist Platz für dich, weil niemand hier ist, den du störst mit deinem Schmerz. Niemand, der dich beobachtet. Niemand, dem ein Wissen zur Last würde, wendete er sich ab von dir.

Aber es ist ja nur mein Blick, der durch den Regen irrt, ich stehe nicht auf, meiner Füße Sehnen steckt in schweren Schuhen, Zehen krümmen sich, strecken sich wieder, ich sitze fest. Finger auf Tasten, t a s t e n. Ich, Lola, schreibe mich fort, suche und werde Antonia, gehe als Antonia über die Insel, schlängle mich durch Dickicht, erklettere Felsen, sehe die Grenzen, die Ufer rundherum. Ferne, unüberwindlich. Das alles schreibe ich mir - ohne je aufzustehen.
 

Ich bin ja durch den Wedding gelaufen, bis das Album einmal durchgespielt war, aber gerade, als dieser Song kam, wurde mir die Welt sehr rötlich. Es hat einen Moment gedauert, bis ich merkte, dass sich zu meiner Rechten eine Lücke in der Häuserzeile aufgetan hatte, durch die man den abendroten Himmel sehen konnte.‏
Wie du mir mich geschrieben hast, so stehst du nun hier: still. Kannst du die Musik hören, die dich zum Tanz bewegen will?

Klemens
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag19.10.2014 17:17

von Jenni
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Ein Nichtveröffentlichen als Statement, schreibt Nebenfluss, und ich habe zwar auch das Gefühl, es geht jetzt, da sich zur Bedeutung der Rezeption bekannt ist, darum, welche Ziele sich der Autor im Wissen um diese Bedeutung setzen kann. Allerdings ist das hier ferner eines Statements, als ich es, soviel ich beide Autoren zu kennen glaube, erwartet hätte. Jedenfalls wäre es ein trotziges Statement, das sich selbst dermaßen in Zweifel zieht. Oder geht es schlicht um das gefühlte Unvermögen, die eigenen Ansprüche an neue Wege und unverbrauchte Gedanken zu erfüllen?
Zitat:
Und dann denkst du dich zurück ins Freibad hinterm Gasthof Lamm
weil du deine Erfahrungen doch nicht loslassen kannst,
Zitat:
und anstatt dich an den Beckenrand zu stellen, mit den nackten Zehen nach der Kante tastend, erfindest du die Dörfler, die Badenden, den Geruch nach Chlor und Sonnenmilch, den Geruch nach Gras und Schweiß und nassen Handtüchern
und deine vertrauten Gedanken, und weil du auch nicht außer Acht lassen kannst, welche Wirkung du erzielen wirst,
Zitat:
zu fühlen, wie genau sie lesen und zu sehen, wie oft sie sich dabei verstohlen mit der Zungenspitze über die Lippen fahren
weil die Wirkung deiner unverbrauchten Gedanken unvorhersehbar wäre oder weil du deinen Lesern nicht genug zutraust, oder weil die Erkenntnis dir Angst macht, wie sehr das Schreiben abhängig vom Lesen und von der Person des LESERs ist?
Zitat:
Wolltest Blicke auffangen, wie sie über Fassaden rannen, von den Schlusssteinen der Torbögen tropften, wolltest sie schreiben und sie sollten tief dringen, sie sollten spürbar werden, lesenswert und immer hast du am Ende sehen müssen, du kannst nicht mitspielen, wirst nicht heran reichen, niemals wirst du mehr auslösen, als ein vorübergehendes Ungleichgewicht, wie ein Irritiert-sein – umwerfen wirst du keinen Leser und du weißt es und wirst dich bescheiden, ent-scheiden, beschneiden: alles Wuchernde. Verbrennen musst du nichts, bist du doch nie angekommen, zwischen zwei Deckeln … ein Knopfdruck genügt, und du wirst unsichtbar.
Das klingt so resigniert, als ob es nicht (mehr) ausreicht, ein Irritiert-sein auszulösen, und als ob nicht veröffentlicht zu sein den einzigen Vorteil böte, sich zurücknehmen zu können und sich von seinen Überzeugungen zu distanzieren. Mag im Effekt so sein, aber die Überlegung ist müßig, denn es geht ja diesbezüglich nicht um das Ergebnis, das Buch, sondern um das Vermögen sich von einer entsprechenden Zielsetzung freizumachen und welche Freiheiten das erlaubt.
Die Frage, um die es geht, scheint mir letztlich zu sein: Macht es überhaupt Sinn, sich von dem Wissen um die Bedeutung der Rezeption freizumachen. Wenn der Text erst in seiner Rezeption entsteht, was bleibt dann davon übrig, wenn man sich von der Überlegung um die Zielgruppe freimacht. Das Nicht-Veröffentlichen als Statement? Und das Nicht-Gelesenwerden als Todesurteil des Textes.

Wird das so eine Art Endkampf, ich bin wirklich gespannt, zu welcher Konsequenz ihr hier kommt, falls überhaupt. Aber ich kann nicht mehr so einfach sagen "Ich lese hier gerne mit", ich lese nach wie vor mit großem Interesse und vielen offenen Fragen und halbfertigen Gedanken, aber eher beunruhigt als vergnügt im Moment.

Liebe Grüße von einer um unzulängliche Worte Ringenden an euch zwei Schweigende.
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Klemens_Fitte
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Beitrag21.10.2014 19:21

von Klemens_Fitte
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.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:

Schweigender,

du fragst, warum ich dir keinen Gedanken schicke, nichts verschwende von meiner
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Verlockung, alles neu zu denken, Unwirkliches und Halbwahrheiten, Splitter deiner verfahrenen, fahrigen Erkenntnisse zur Wirklichkeit, zum Wiedererkennen werden zu lassen […]

und … schweigst? Du, der du dich stets darauf berufst, ein guter Satz gebiete Ruhe, und am Ende nicht mehr zu sagen weiß, wann die Ruhe ins Schweigen gekippt ist, kannst nur schreibend existieren, eben weil es deine Antipode zum Erleben geworden ist; weil es dir erlaubt, dich herauszuhalten, den Mund erst dann zu öffnen und die Finger erst dann auf die Tasten zu setzen, wenn es nichts mehr zu tun, sondern nur noch etwas zu sagen gibt.

Nein, uns trennt kein Abgrund, sondern die Art unserer Abgründe.
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Schöpferisch sein, beim Schreiben? Ja, wenn ich wie mit einem Brunnenkübel Worte aus mir schöpfe und die endlose Satzkette meine Luftröhre hinaufrennt.

Was dir als Brunnen dient, längst gemauert, mit einer Kette versehen, an der ein Eimer hängt, tut sich in mir als Loch auf, das ich nicht mehr zu schütten kann. Was für dich Bestand hat, weil es abgelegt oder abgeworfen und abgetragen ist und zwischen zwei Deckel gepresst ist, rinnt mir durch die Finger. Dein Schreiben ist Ausschöpfen, meins Wassertreten. Verlassen mich die Kräfte, gehe ich unter, bevor dein Krug bricht?

Und dann erzählst du mir, wenn du ausnahmsweise einmal nicht schweigst, wie du die Besucher durch die Gemäldegalerie geführt hast, mit ihnen vor den immergleichen Bildern stehengeblieben bist, angehalten hast, denen nämlich, für die du eine Geschichte parat hast, die dir einen Halt bietet, heute noch, An-Haltepunkte, auf die du hast zeigen können (von der Versuchung erzählst du, den Besuchern im Scherz zu sagen: »Fühlen Sie doch einmal den Farbauftrag«), auf die du hast verweisen können, und eigentlich, denke ich mir, hast du doch darauf hoffen müssen, es könnte dir einmal eine neue, unerwartete Frage gestellt werden, was natürlich nicht vorgekommen ist, es könnte sich dir ein neues Detail, eine unerwartete Ansicht zeigen, was natürlich nie vorgekommen ist, weil du vor den immergleichen Bildern stehengeblieben bist und sie gar nicht mehr angesehen hast, nur noch den Besuchern ins Gesicht gelogen oder nach innen geblickt hast, auf die Bücher und Aufsätze, die du über die immergleichen Bilder gelesen hast, so dass sich auch dein Blick nicht mehr ändern konnte, denke ich mir, während du uns durch die Gemäldegalerie führst, bis ich heiße Augen bekomme, vor den Altarbildern stehenbleibst mit ihren Kreuzigungen und Schmerzensmännern, den Suchbildern mit den Marterwerkzeugen und den Passionsstationen und den Wundweisungen – »Da, fühlt doch mal den Farbauftrag, da, steckt doch eure Finger rein«, hättest du noch sagen können, dich fühlen können wie vor dem Schmerzensmann, den du gern über dein Bett genagelt hättest, damit du
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
den Kreuzsplitter im Auge meine zerfurchte Strin auf sein Haupt senken kann wie eine Gewitterwolke, meine Lippen an Christi Adamsapfel setzen und ihm über sanfte Kehlkopfmassage ein paar meiner hohlen Zeilen diktieren kann: Herr, ich kann mich net zerreiße – ich kann mir kee Bein ausreiße für dich.


Ein guter Satz gebiete Ruhe, hast du einmal gesagt und bist dann verstummt, als wäre dem nichts hinzuzufügen.



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»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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Lupo
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Beitrag01.11.2014 09:35
Schachtel in der Schachtel in der ...
von Lupo
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Keine Blockade hatte ich beabsichtigt.
Nach dem Radieren meiner Worte sei der Weg frei für weitere Kommentare!

Lupo.
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Lorraine
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Beitrag25.02.2015 17:20

von Lorraine
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.



Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

Wo du auch bist,

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Nein, uns trennt kein Abgrund, sondern die Art unserer Abgründe.
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Schöpferisch sein, beim Schreiben? Ja, wenn ich wie mit einem Brunnenkübel Worte aus mir schöpfe und die endlose Satzkette meine Luftröhre hinaufrennt.

Was dir als Brunnen dient, längst gemauert, mit einer Kette versehen, an der ein Eimer hängt, tut sich in mir als Loch auf, das ich nicht mehr zu schütten kann. Was für dich Bestand hat, weil es abgelegt oder abgeworfen und abgetragen ist und zwischen zwei Deckel gepresst ist, rinnt mir durch die Finger. Dein Schreiben ist Ausschöpfen, meins Wassertreten. Verlassen mich die Kräfte, gehe ich unter, bevor dein Krug bricht?



In den Tagen nach deiner Abreise, als mit jedem Handgriff, mit jedem Aufräumen mehr von den Spuren deiner Anwesenheit verschwand, wurde mein Sprechen wieder ein Gegenüberloses, zumindest an meinem Schreibtisch.


Du hattest dich hier für einige Tage eingenistet. Wenn ich jenes „Hier“ für dich in Folie frischhaltend verpackte, wie du es heute dort manchmal für mich unternimmst, dann wären das Bruchstücke des Vorlesens,  Spazierwegblicke und dein Pflasterstein.


Vorgelesen hast du mir aus dem, was ein Roman werden soll. Gesagt habe ich dazu nichts, oder nicht viel. Mein Schweigen war dem Fieber geschuldet, erst jetzt denke ich, du könntest es als ein missbilligendes verstanden haben.

Eine Notiz könnte auf einem Zettel warten, wenn dich jemand beobachtet und gehört hätte.


    Ihr wird übel oder ihr schwindelt?     Beim Versuch,
    Form zu geben,  habe sie verformt,  sich verbogen.
    Andauernd unterbricht sie sich.      Will nicht hören,
    sich nicht lesen hören.      Entlarve nicht die eigene
    Stimme?
    Einer Wahrheit,  die es nicht gibt,    kann man nicht
    gefährlich nahe kommen.
    (Ungeöffnet   gebliebene   Briefe,  die  keinen  Blick
    wert waren).   Was bei ihr bleibe, gefaltet, gepresst,
    könne nicht verschmäht werden.


Du hast auch vorgelesen aus einem Buch, einem Roman, auf dessen Cover ein Aufkleber prangte, einer dieser Orden für Verdienste um die Industrie, oder abziehbare Orientierungshilfe für Zielgruppenangehörige.
Die Räume hier erinnern sich, wie du die Distanz vergrößertest zu einer anfänglichen Begeisterung, wie du nachdenklich wurdest, als deiner Meinung nach das Beeindruckende der ersten, besseren Kapitel dem Sog des Schwamm-Ichs der Erzählerin zum Opfer fiel und fraglich wurde, ob damit der Wert des Buches auf den Zweck der Unterhaltung und den Nutzen eines Erkenntnisgewinns über zu Vermeidendes reduziert werde – bis heute weiß ich nicht, ob du zu einem abschließenden Urteil kamst, in deinem Lesen stritten sich Wohlwollen und Spott, doch braucht es einen Gewinner?

Illusion erst gestreut, dann ihr feiner Staub wieder aufgelesen, ein Körnchen ums andere.

Was notiere ich denn? Was könntest du erzählen, die mich gesehen hat, mir gefolgt ist, die neben mir saß, die von der Brücke über den Gleisen eine Rampe mit den Blicken suchte, um mit fremdem, erlesenem Erinnern den Versuch über das Zweifeln im Inneren neu zu beleben? Und wieder zu wissen, dass sie keine Wahl hat, kein Ergebnis abwarten wird?

Lorraine hat Folgendes geschrieben:



Was ist dahinter, was hieltest du fest auf dem Weg, wie groß ist Bedrohung, wie leer und abgelebt ihre Symbolik?


Am Ende: Ein dunkler Morgen, Hast. Abreise.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Lola hat Folgendes geschrieben:
Mich dem Du annähern, sagt er und ich kann ihn nicht fragen, denke mir, dass es nur einen Sinn hätte, könnte ich mich doch dazu überwinden, aber sie wollen sich keine Form geben lassen, die Fragen bleiben mir im Hals stecken oder schweben (Sinkflug) als gelähmte Finger über Tasten, rollen sich ein: geballte Fäuste.

Meine grobschlächtigen Hände, Finger also wie nutzlose Arme und Beine, kopfloser Hals: Wie ich sitzen bleibe, mich um mein Inneres erhärte, so bleiben auch sie, wutlos in lockerer Faust, eine Farce.


Wann steht sie wieder auf?
K.



.
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Nihil
{ }

Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag02.03.2015 16:47

von Nihil
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Zitat:
Nein, uns trennt kein Abgrund, sondern die Art unserer Abgründe.


Das ist so toll, dass ich über die Genialität dieses Satzes die übrige Korrespondenz kaum richtig wahrnehmen konnte.
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Klemens_Fitte
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Beitrag14.05.2015 15:47

von Klemens_Fitte
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.


Lorraine hat Folgendes geschrieben:


Und dann verstummst du immer mehr, je öfter ich dein Schweigen auf den Tisch bringe.

[18:46:55] …: Mensch, ich rede mich rein
[18:47:22] …: Es ist nur so, ich sehe es ja immer mal
[18:47:51] …: und ich frage mich manchmal, ob es nun gegessen ist, so mehr oder weniger


Stattdessen werde ich auf mein eigenes Verstummen zurückgeworfen, als wäre gemeinsames Schweigen erträglicher.

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Und dazu:
Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Es kommt ständig etwas hinzu, das Verzetteln scheint unausweichlich. Und dabei möchte ich doch das Leben mögen. Immer noch weniger das Bedürfnis, mich zu "äussern". Wozu auch. Wenn das Innern schon zur Sprachlosigkeit führt. Zur Schriftstellerin werde ich nicht. Wenigstens schreiben will ich.

fällt mir noch dieses ein:
Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Meine Texte schreibe ich nicht, um mich mitzuteilen, sondern um mich abzugrenzen, das Feld meiner schreibenden Existenz abzustecken.


Du kannst dich der Leere deiner Küche – die eher eine lauernde als eine offensichtliche ist; eine, die unversehens, sobald du ihr den Rücken zuwendest, um die Spüle auszuräumen, die Waschmaschine auszuräumen, aus dem toten Winkel springt und dich hinterrücks an der Gurgel packt – nähern, wie du willst, auch deinem Schreiben kannst du dich nähern, wie du willst, du kannst gegen die Wand schreiben oder ins leere Zimmer hinein, du kannst dir dabei wiederholen, wer schreibe, um sich selbst auf- und davonzuschreiben, der entferne sich zwangsläufig von Anderen – um die Konsequenz kommst du nicht herum, dass jede Isolation in Sprachlosigkeit mündet. Zitiere noch so oft Jahnn¹, du wirst auch in der größten Einsamkeit keinen Fluss ohne Ufer schreiben.

Ob meine Laube oder dein Schreibtisch* – um beide Inseln steigt der Meeresspiegel, und das Wasser trägt die Sandkörner ab, führt sie einem anderen, einem uns fremden Zweck zu. Vielleicht wird einmal jemand darauf bauen oder sie durch die Finger rinnen lassen, auf der Suche nach einem Körnchen du-weißt-schon.

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Schlag um Schlag schreibe ich uns weg, streiche uns Satz für Satz aus dem Leben, und was ich schreibe, glaube ich nicht.


Nein, das sind keine Vorhaltungen; eher die Auswirkungen einer schrumpfenden Welt.

Von den Stufen,

L.


* Hast du ihn tatsächlich ein Floß genannt oder war das nur der Nachhall des Geräusches, das ein schiefes Bild erzeugt, wenn es endlich von der Wand fällt?



¹ »Ich gehe im ›Fluss‹ bis an die Grenze der mir erreichbaren Wahrheit, und ich habe die Unerschrockenheit, die die völlige Einsamkeit gibt, eingesetzt.« – Hans Henny Jahnn


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Einar Inperson
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Beitrag14.05.2015 16:17

von Einar Inperson
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Ich wollte eigentlich still sein. Hier in dieser Sammlung außerordentlicher Texte.

Gibt ein Déjà-vu wirklich und unbedingt, oder wie erklärt sich die wunderbare, inflationäre Beschäftigung in Texten der letzten Zeit, mit dem Schweigen, mit dem Nichtschweigen, mit der unerträglichen Lautstärke des Schweigens, für das der Schritt vom Floß, das trägt, zum Bild, das war, vielleicht nur schief, aber es war und es fällt und das Schweigen hallt nach und dieser Schritt ist nur ein weiteres Wort, das gesagt werden musste.

Sehr berührt.


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

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nebenfluss
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Beitrag16.05.2015 10:06

von nebenfluss
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gelesen und Endlos-Kommentar verkniffen
.


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Lorraine
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Beitrag12.08.2015 16:33

von Lorraine
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    .


    Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

    Lorraine,

    Lorraine hat Folgendes geschrieben:

    Nein, das sind keine Vorhaltungen; eher die Auswirkungen einer schrumpfenden Welt.


    Auswirkungen einer schrumpfenden Welt?

    Wenn sich etwas zusammenzieht um dich, Alltägliches und zur Gewohnheit gewordenes Brüten deine Stunden zu Kubiksekunden würfelt, kannst du sie im Gefrierfach deiner poetopathologischen Abteilung dem Vorrat hinzufügen und auf bessere Zeiten hoffen? Auf Zeiten der Zuflucht in dein tropisches Gewächshaus – dort würdest du sie zum Schmelzen bringen, dem Innigen deine schweißgekühlte Stirn bieten können. Den Kopf in altgebrannte Kinderhände gestützt, könntest du das Treiben der Schlingpflanzen beobachten. Protokolle schreiben.

    Du fragst dich, ob du zu lange in der Haltung einer Beobachterin abwartest? Unterschätzt, wie flüchtig erhobene Daten, kluge Bemerkungen während eines Gesprächs oder im Gedächtnis gespeicherte Bilder sein können?

    Wäre es nicht besser, sich darüber Gedanken zu machen, wenn es so weit ist? Statt sich im Vornherein davon lähmen zu lassen? Jetzt kann ich mich fragen, ob du dabei bist, die Suche aufzugeben … oder ob du dir die Freude der Langsamkeit bewahrt hast?

    Ilse Aichinger hat Folgendes geschrieben:

    Das Ärgste wäre es, zuletzt das Suchen nicht gefunden zu haben. Es ist auffindbar.*


    Lorraine hat Folgendes geschrieben:

    Nur - (und ich weiß, wovon ich spreche, bin ich doch weit gekommen, auf den Reisen ins Innere meiner Welt) es gibt Arten von Handeln oder Behandlung, die mir sehr fehlen, manche kompensieren diesen Mangel mit gutem oder vielem Essen, oder überhaupt mit allem, was zu konsumieren geht, mir genügt das nicht ... und wieder komme ich zum Schreiben. Mit Sprache umzugehen - es hat etwas von Zärtlichkeit und Zuwendung. Und es hat mit Leidenschaft zu tun.


    Und mit Sinnlichkeit. Und dafür ist es erstaunlich, wie oft dieser Aspekt ausgeklammert wird, nicht bei dir, denn deine Texte finde ich genau deswegen – weil sie nichts 'unbewusst' ausklammern, weil sie all dem einen Platz einräumen– so eindrücklich, bei anderen also ausgeklammert wird, oder man hat das Gefühl, es diene, wenn es da steht, nur der Befriedigung einer Lesererwartung, und dann könnte man sich wieder die Frage stellen, wie weit man seine Texte prostituieren kann, darf oder muss, und dann muss man sich gleich wieder auf die Zunge beißen und sich fragen, ob man Worte wie "prostituieren" in einem solchen Brief eigentlich benutzen kann, und ob nicht schon dieses Zögern wieder ein Ausdruck einer Haltung ist, die man sich eigentlich hatte abgewöhnen wollen, als man den Vorsatz gefasst hatte, endlich einmal konsequent zu sein. 

    Es zu vermeiden, sich um sich selbst zu drehen, das ist leichter gesagt, als getan. Ich hoffe, es ist dir gelungen/gelingt dir. Mir fällt es wieder schwer, irgendetwas von dem in Worte zu fassen, was mir durch den Kopf geht, solange ich nicht das Gefühl habe, einen Text zu schreiben, mein schreibendes Ich für mich sprechen lassen zu können, in meinem Namen, der gar nicht mein Name ist.


    Lorraine hat Folgendes geschrieben:

    Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

    Und dazu: 
    Lorraine hat Folgendes geschrieben:

    Es kommt ständig etwas hinzu, das Verzetteln scheint unausweichlich. Und dabei möchte ich doch das Leben mögen. Immer noch weniger das Bedürfnis, mich zu "äussern". Wozu auch. Wenn das Innern schon zur Sprachlosigkeit führt. Zur Schriftstellerin werde ich nicht. Wenigstens schreiben will ich.


    fällt mir noch dieses ein: 
    Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:

    Meine Texte schreibe ich nicht, um mich mitzuteilen, sondern um mich abzugrenzen, das Feld meiner schreibenden Existenz abzustecken.



    Lesen ... fremde Wege gehen und die Figuren der Anderen beobachten, Bilder betrachten, die dich nicht meinen, in denen du dich trotzdem wiedererkennst, in Teilen nur, vielleicht einer Haltung, manchmal in einer zu Pose erstarrten Bewegung. Du hältst inne, verzichtest aufs Umblättern. Beginnst, erst zögernd, im Kopf wieder Sätze zu formen, suchst nach Verbindungen, denn Lesen, wenn es den Verzicht auf dein Schreiben bedeutet, das ist wie Vermissen …
    Vermissen und dabei nicht vermisst werden. Ein Schmerz überlagert den anderen nicht, sie ergänzen sich, vereinen und vervielfachen ihre Kräfte.

    Schreiben, um zu existieren? Schreiben, damit Spuren einer Existenz bleiben? Wenn ich zur Schreibenden wurde, dann dank oder trotz dieser Phasen des Lebens, in denen ich Zugang zum Inneren finden, über Fiktion mich mir selbst erklären, nach Klärung forschen wollte.
    Wie es mich ermüdet. Ist es nicht aussichtslos, wird das Ergebnis der Bemühung um die Sprache nicht immer als Strafe empfunden? Sich nicht genug bemüht zu haben, oder zu scheitern – diese Einsamkeit, wenn nur einem selbst klar ist, dass nicht gesagt wurde, was intendiert war oder nicht so, wie es gesagt werden wollte. Wenn die Suche erfolglos blieb, nichts gelang. Weil die zusammenhängende Zeitspanne der Konzentration zu kurz war. Weil das Können nicht ausreichte. Das aber, das alles, meinst du nicht, mit "schreibender Existenz"?

    Ich gebe nicht auf.



    Ilse Aichinger hat Folgendes geschrieben:

    Man darf nichts so suchen, als ob man verzweifelte, wenn man es nicht fände. Man muss das Suchen an sich nehmen.*


    Wir sprechen uns. Vor meinem Bücherregal.

    Klemens



    ________________

    * Aus: Ilse Aichinger - Kleist, Moos, Fasane (II – Aufzeichnungen 1950-1985)
    © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1987



    .
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Klemens_Fitte
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Beitrag05.11.2015 17:42

von Klemens_Fitte
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Berlin, Plötzensee


Zur Stadt hinaus geht man der Sonne nach, die man als blinden Lichtfleck im Gesichtsfeld trägt. Einmal draußen, bereut man den eigenen Mangel an Begrifflichkeiten für die Dinge. Man bildet die Idee eines Vergessens, das der erfolgreichen Umrundung des Sees folgen könnte; ein synchrones Bewältigen, das sich augenblicklich nach Passieren einer gedachten oder zufällig gewählten Demarkierung einstellt. Um dieser Idee Substanz zu verleihen, denkt man an ein Buch, das man einmal in Händen gehalten hatte und von dem nur der Eindruck unverschämt kurzer Sätze zwischen Schwarzweißfotografien geblieben war und die beruhigende Illusion, jedes Problem lasse sich meistern, sobald man es formulieren könne. Doch anstatt zu formulieren, unterbricht man die Umrundung der Wasserfläche – man hatte sie bis dahin kaum beachtet –, setzt sich auf eine steinerne Bank und notiert: dies. Unweit liest jemand heil gebliebene Blätter vom Weg.


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Beitrag11.11.2015 13:11

von Lorraine
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Metz, November


            Fortfahren? Farbveränderungen fühle ich mich ausgeliefert, die
            Bremskraftverstärkung bereitet weniger Schwierigkeiten.

            Spaziergänge mag ich, sie setzen kein Ziel voraus. Von ihnen bringe
            ich vergangene Zeit mit, Verlust gibt es nicht. Ich trage ein buntes Tuch,
            eng um den Hals gewickelt.
             
            Der Wind am Fluss wirbelte Blätter auf, trug sie ein Stück weiter,
            ließ sie wieder sinken – so verwischte er vieles.
            Noch gilt, was ich jetzt sehe.
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Klemens_Fitte
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Beitrag13.12.2015 17:55

von Klemens_Fitte
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Waldmühlbach, Dezember


                                    Ein Satz wird nicht dadurch wahr, dass man ihm das
                                    Aufschreiben versagt.
                                    Worte, die ich unterwegs im Notizbuch eintrage,
                                    klopfe ich ab, sobald ich über die Schwelle trete.

                                    Man verschreibt sich der fixen Idee, mit einem Satz
                                    bis zum Kern vorzudringen; man treibt ihn wie einen
                                    Nagel ins Holz und stellt schließlich fest: es lässt
                                    sich nichts mehr daran aufhängen.


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Beitrag11.04.2016 15:16

von Lorraine
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Saint-Denis, April


Schau, ich las, versuchte, zu entziffern: nichts rührte sich, nicht drinnen. Es half nicht, bis in die Nacht zu wachen oder wach zu werden, bevor sie noch zu Ende wäre, immer blieb zu wenig Zeit. Nichts ließ sich begreifen, trotz der Inszenierung einer Starre dort, im Gegenüber. Durch Spiegelungen kam Bewegung in die Zeilen, mir wurde deutlicher, wie das Gewölk die Fäuste ballte hinter meinem Rücken und, vom Wind gejagt, mir immer neu Grimassen schnitt. Ich las in Spiegelschrift, verstand zur Hälfte – und nur dort, wo man das Dunkel zugelassen hatte.


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Gast







Beitrag11.04.2016 18:46

von Gast
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Ich bin neulich nachts zufällig auf das hier gestoßen, als ich total breit war, und obwohl ich schnellstens ins Bett wollte, weil ich früh zur Arbeit mußte, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen.

Das ist wirklich ne tolle Nummer, die ihr hier aufführt, und ich hoffe für euch, daß die Story nicht so ernst ist, wie sie nicht sein sollte.
Denn eine Seifenoper muß glücklich enden.
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