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Es ist feurig, hat aber noch keinen Namen


 
 
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Ragnar
Geschlecht:männlichErklärbär
R

Alter: 31
Beiträge: 2
Wohnort: Köln


R
Beitrag18.09.2014 12:30
Es ist feurig, hat aber noch keinen Namen
von Ragnar
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

Hier das erste Kapitel meines Buches, bereit, um auseinander genommen zu werden. Ich freue mich sehr über jede Art von Feedback und bedanke mich im voraus.


1.
Feuer, überall wo er hinblickte. Gigantische Flammensäulen stiegen an unsichtbaren Wänden bis in schwindelerregende Höhen hinauf und warfen ihren boshaft gelben Schein in den Raum, in dem er sich befand. Insofern man den Ort überhaupt als „Raum“ beschreiben konnte. Es gab nichts, als eine beengend kleine und brüchige Felsplatte unter seinen Füßen, die scheinbar aus einem Berg herausgerissen und von einem wütenden Riesen in dieses Meer aus Flammen geworfen worden war. Vier eiserne, rostige Ketten hingen an jeweils vier Seiten des in der Luft schwebenden Felsplateaus, ragten einige hundert Meter weit in das Flammenmeer hinein und endeten scheinbar im Nichts, doch sie hielten die Plattform an Ort und Stelle.
Oder besser gesagt, sein Gefängnis.
Die diabolische Hitze, die von den wild tosenden Flammen ausging und das völlige Nichtvorhandensein von irgendwelchen Orientierungspunkten in diesem Wahnsinn, außer der Plattform unter ihm, zehrten an den Mauern seines Verstandes und bereiteten ihm zunehmend mehr Qualen. Er kniete in einer demütigenden Position auf dem brüchigen, von Rissen durchzogenen Boden der Plattform, an Armen und Beinen gefesselt von Miniaturversionen ebenjener Ketten, welche sein Gefängnis stützten und der Gedanke, dass sein Untergrund jeden Augenblick zusammenbrechen und ihn schutzlos ausgeliefert in dieses wirbelnde Chaos aus Schmerzen werfen würde, trieben zusätzliche, glühende Stiche der Angst in sein Bewusstsein.
Plötzlich ertönte wieder dieses leise, zuerst kaum wahrnehmbare Wispern in seinem Kopf, dass seinen Verstand mit Visionen von weiteren schrecklichen Bestrafungen füllte. Er versuchte sich vor der flüsternden Stimme zu verschließen, doch je mehr Widerstand er leistete, desto eindringlicher redete die Stimme auf ihn ein. Das tosende Meer aus Flammen schien sich dem Tempo des in seinem Inneren ausgeführten Kampfes anzupassen und geriet zusehends mehr in Unruhe. Unerbittlich heiß brennende Flammenwellen schlugen immer dichter vor seinem Gefängnis auf und peinigten ihn mit immer intensiveren Hitzewellen. Nach einer gewissen Zeit, es könnten genauso gut Sekunden wie ganze Jahrhunderte sein, wurde der auf ihm lastende Druck zu viel und er verlor sich in einer gnädigen Ohnmacht. Das letzte was er hörte war ein boshaftes, schrilles Lachen, das durch seinen Verstand hallte.

Er wusste nicht mehr was Wirklichkeit war und was sich sein gemarterter Verstand ausmalte. Er hatte keinen Bezug mehr zu Vorstellungen von Begriffen wie Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Für ihn existierte nur noch das grausame, sich bis in alle Ewigkeit erstreckende Jetzt. Einzelne Bilder flackerten in seinem Kopf auf von Erscheinungen innerhalb der wirbelnden Flammen um ihn herum. Wesen, die sich aus den Flammen formten und ihn mit Speeren und anderen Stichwaffen verletzten und ihm schreckliche Wunden zufügten, doch wenn er an sich hinabsah war dort nichts außer blanker, unverletzter Haut. Dämonische Wesen, die sich an seinem Martyrium ergötzten und ihn immer nur bis zum Rande des Wahnsinns trieben und ihm dann eine kurze Pause gönnten, nur um ihm irgendwann erneut zuzusetzen.
Er ertrug es nicht mehr.
Seine Persönlichkeit, sein innerstes Selbst, war bis auf den Kern bloßgelegt, abgeschält von den dauernden Qualen. Er wusste nicht mehr wer er war, wusste nicht mehr was vor diesem Ort gewesen war. Er wollte sich in die Trost und Erleichterung versprechende Umarmung des Wahnsinns fallen lassen und seinen Verstand den endlosen Weiten des Feuersees um ihn herum überlassen, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er konnte einfach nicht loslassen. Da war etwas, das ihn noch ein Stück weit in der Ordnung seiner Selbst verankerte, doch er konnte sich nicht mehr richtig daran erinnern, konnte den blutroten Schleier aus Schmerz nicht durchdringen, der ihn von seinem früheren Leben trennte. Eine neue Gefühlsregung kam in ihm hoch, ein Gefühl, das er fast vergessen hatte, welches aber nun seinen Widerstand unerwartet kräftigte.
Zorn.
Seine blanke Angst vor seinen Peinigern und den unerträglichen Schmerzen wandelte sich und richtete sich gegen sie. Er schlug die Augen auf und wehrte sich zum ersten Mal gegen seine Fesseln, riss mit aller Kraft an ihnen und schrie seinen Zorn in die ihn umgebende Unendlichkeit hinaus. Die um ihn herum in den Flammen schwebenden Wesen, nur flüchtig und schemenhaft zu sehen, wichen aufgebracht zurück ob des unerwarteten Protestes und kreischten ihm ihr Missvergnügen entgegen. Dies fachte seinen Zorn nur weiter an und er verdoppelte seine Anstrengungen. Das Flammenmeer um ihn herum reagierte auf seine aufbrandenden Emotionen und steigerte sich rasend schnell zu einem titanischen Orkan, der die in ihm wohnenden Wesen wegfegte. Die einstürmenden Gewalten waren zu viel für ihn. Er verlor sich erneut in einer tiefen Dunkelheit.

Er schlug erneut die Augen auf. Er spürte jede Stelle seines Körpers. Jedes Gliedmaß, jede Sehne war durchdrungen von Schmerzen, doch es war kein akuter Schmerz, sondern eher wie der Nachhall einer schlimmen Verletzung oder Krankheit. Er ließ alle Luft aus seiner Lunge entweichen und spürte plötzlich eine große Erschöpfung. Er hielt inne. Irgendetwas war anders. Seine Gedanken waren so klar wie lange nicht mehr. Es war, als wäre er aus einem endlos tiefen Traum aufgewacht. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es war still. Keine Stimme wisperte ihm schreckliche Dinge in seinen Verstand und das Flammenmeer, das ihn umgab wirkte seltsam weit entfernt und wage. Er strich sich mit der Hand durch das Gesicht und wunderte sich erneut. Seine Fesseln waren abgefallen. Dort wo sich die Ketten befunden hatten lag nur noch ein Haufen pechschwarzer Staub auf dem Boden des Plateaus. Nur noch eine obsidianschwarze Armschiene, an der sich vorher eine seiner Ketten befunden hatte, befand sich noch an seiner linken Hand. Der andere Arm, sowie seine Beine waren komplett befreit. Er sah an sich hinab und stellte fest, das er nur mit einem Lendenschurz bekleidet war, wie ein elender Gefangener, der er anscheinend auch war. Er kam hoch auf die Knie und kroch auf allen Vieren zum Rand seines Gefängnisses. Ein gigantischer Mahlstrom aus Feuer und purem Wahnsinn befand sich unermesslich tief unter ihm. Stechend intensive Farben leuchteten bis zu ihm hoch, von Blutrot über boshaftem Gelb, bis zu einem unergründlich tiefem Schwarz. Er drehte sich auf den Rücken und oben in weiter Entfernung erwartete ihn genau das selbe Bild. Vielleicht lag es daran, dass er sich bis vor kurzem noch im Mittelpunkt dieses Infernos befunden hatte oder schlicht und einfach daran, dass er am Ende doch wahnsinnig geworden war, doch aus dieser Entfernung erschienen ihm dieser flackernde Wirbel aus Chaos fast schon friedlich.
Er wusste nicht warum er so urplötzlich von seinen Fesseln befreit worden war und wahrscheinlich war es nur ein weiterer grausamer Schmerz, den sich dieser Ort mit ihm erlaubte, bevor er ihm wieder neue grausame Martyrien auferlegte, doch es war ihm egal. In diesem Augenblick gab er sich einfach nur seiner Erschöpfung hin und genoss den Augenblick der Ruhe, kostete ihn aus wie einen Tropfen Wasser in einer unsäglich heißen Wüste und verlor sich in diesem Moment.

Wieder schlug er die Augen auf. Er fühlte sich ausgeruhter, kräftiger. Beinahe wieder wie ein Mensch. Er richtete sich auf und lockerte seine geschundenen Muskeln. Er vollführte für seinen Körper anscheinend selbstverständliche Auflockerungsbewegungen und ließ seinen Schwertarm kreisen. Seinen Schwertarm? Er ging in die Hocke, da er befürchtete das Gleichgewicht zu verlieren auf Grund der in rasender Geschwindigkeit auf ihn einstürmenden Bilder. Er in voller Rüstung, wie er ein Schwert gegen irgendwelche Feinde führte. Er mit anderen gerüsteten Männern, mit denen er sich unterhielt, gemeinsam lebte, Kämpfe ausfocht. All die auf ihn einstürmenden Bilder, offensichtlich Erinnerungsfetzen, waren noch zu durcheinander und bruchstückhaft, um sie zu einem logischen Ganzen zusammenzusetzen, doch anscheinend war sein Handwerk das des Krieges.
Doch warum war er an diesem Ort? Das war das erste Mal, dass er sich diese Frage stellen konnte und nun schien sie ihm sehr bedeutungsvoll und gleichzeitig verwirrte sie ihn aufs äußerste. War er ein schlechter Mensch gewesen? Es fühlte sich nicht so an. Er war sich trotz seiner großen Erinnerungslücken tief in seinem Innersten sicher ein rechtschaffener Mann gewesen zu sein, doch warum war er dann an diesem Ort? Denn diesbezüglich war er sich absolut sicher.
Er befand sich in den tiefsten Tiefen der leibhaftigen Hölle.

Er saß im Schneidersitz auf seinem Plateau, das im Moment sein gesamtes Universum darstellte. Er durchforstete seinen Geist nach Erinnerungen, suchte nach einer Antwort auf diese Frage. Wie hatte sein Lebensweg am schlimmsten aller nur vorstellbaren Orte enden können? Die Verzweiflung kehrte in zunehmenden Maße zurück. Er hatte festgestellt, dass sich die beiden identischen Mahlströme über und unter ihm wieder näherten. Zwar waren sie noch weit entfernt, dennoch wurde er beinahe wahnsinnig vor Angst, wenn er daran dachte, was passieren würde, wenn sie ihn erreichten.
Er versuchte sich zu beruhigen und klammerte sich an das einzige, was ihm im Moment Festigkeit gab. Er erinnerte sich wieder an etwas Grundlegendes. An seinen Namen. Castor. Doch da war noch etwas, das ihn in Aufruhr versetzte. Eine andere Erinnerung, verschüttet in den durch die Höllenqualen eingestürzten Ruinen seiner Vergangenheit. Etwas unheimlich wichtiges, wichtiger als alles andere. Ein Teil von ihm der fehlte und dessen Trennung einen seelischen Schmerz in ihm auslöste, der auf gewisse Art noch schlimmer war als die Qualen der Hölle, doch gleichzeitig spendete ihm dieses wage und doch starke Gefühl Trost, da er wusste, dass dieser Teil der ihm fehlte etwas war, dass ihn früher sehr glücklich gemacht hatte und ihm alles bedeutete. Sogar mehr als sein eigenes Leben. Er hatte nicht mit diesem Teil seines Lebens abgeschlossen und er konnte ihn wieder erlangen, das wusste er, auch wenn er keine Ahnung hatte was es denn sein könnte.
Je intensiver er versuchte sich zu erinnern, desto unruhiger wurde er und er spürte, dass er kurz davor war, die geistigen Blockaden zu durchbrechen, die ihn von dieser wichtigsten aller Erinnerungen fernhielten.
Und dann brachen sie wie ein Staudamm, der durch die Macht eines anstürmenden Flusses niedergerungen wurde. Er sah sie mit einem Mal wieder ganz klar vor sich. Die eine Frau, die ihm alles bedeutete. Ihr engelsgleiches, schmales  Gesicht mit den vollen, geschwungenen Lippen und den grünen, unglaublich tiefen  Augen, klar wie ein Bergsee und mit glitzernden Sprenkeln von Sonnenlicht erhellt und ihr Antlitz, eingerahmt von einer wallenden braunen Haarmähne.
Er schloss die Augen und verbannte die schreckliche Aussicht um ihn herum aus seinen Gedanken.
Jetzt sah er nur noch sie vor seinem geistigen Auge und das erste Mal war der Schmerz vollkommen verschwunden. Er lächelte. Nun, da er diese wichtigste aller Erinnerungen wieder hatte, baute sie sich wie ein Schild um seinen Geist herum auf und schirmte ihn vor den Schrecken der Hölle ab.
Dieser Gedanke erfüllte ihm mit neuer Tatkraft und einer Entschlossenheit, von der er bis eben nicht mehr gedacht hätte, sie noch aufbringen zu können.
Plötzlich legte sich ein dunkler Schatten über seinen Geist. Eine weitere Erinnerung brach aus dem wirbelnden Chaos seiner Gedanken. Ein Versprechen, dass jemand ihm im letzten Moment seines früheren Lebens zugeflüstert hatte.
Sie war ihm genommen worden. Jemand hatte sie aus seinen Armen entrissen und in seine Gewalt gebracht. Ein Name schoss ihm durch den Kopf. Raphael. Warum wusste er nicht und die Erinnerung, wer Raphael war, lag ebenfalls im Dunkeln, doch dieser Name loderte in seinen Gedanken auf und entfachte den unterschwelligen Zorn in ihm, der ihm bereits zuvor geholfen hatte, und ließ in brennen.
Raphael.
Er sah seinen Blick vor sich, als er ihm versprach seine Gefährtin von ihm zu nehmen, unerbittlich, mit einem Ausdruck grenzenloser Verachtung und Zorn, den er Castor entgegen warf, kurz bevor dieser in tiefster Dunkelheit versank und in der Hölle aufwachte.
Er musste diesen Ort verlassen und den einzigen Menschen zurückzuerlangen, der ihm alles bedeutete und er schwor sich selbst, jeden zu töten, der ihm dabei im Wege stehen sollte.
Als hätte jemand seine Gedanken vernommen, geschah plötzlich etwas. Ein Knistern war in der drückend heißen Luft zu hören plötzlich taten sich am Rand der steinernen Plattform feurige Stufen auf. Sie schienen sich geradewegs in die Wirklichkeit dieses Raumes geschnitten zu haben und führten hinaus in die brodelnde, flammende Weite seines schier unermesslich großen Gefängnisses.
Er schritt an den Rand der Plattform und warf einen prüfenden Blick auf die Stufen. Sie schienen aus Flammen zu bestehen, die völlig willkürlich im Raum schwebten, doch sie waren geradlinig nach vorne angeordnet und führten weg von der Plattform. Wenn man den Blick auf sie konzentrierte, waren sie auf Grund des ebenfalls feurigen Hintergrundes beinahe nicht zu sehen, doch als er seinen Blick in die Ferne richtete, offenbarte sich ihm ein leicht ansteigender Weg. Und da war noch mehr. Es war auf Grund der fehlenden Bezugspunkte schwer zu schätzen, doch er glaubte in einigen hundert Metern Entfernung so etwas wie einen Durchgang sehen zu können. Eine Tür, eingerahmt durch feurige Linien, die sich mitten im Nichts auftat und das Ende des Weges darstellte.
Wahrscheinlich war dies nur der Auftakt einer neuen, ausgefallenen Folter, mit dem die Dämonen dieses Ortes ihn locken wollten, doch was sollte er sonst tun? Hierbleiben und die bereits erlittenen Qualen bis in alle Ewigkeit erleiden? Da konnte er sich auch auf das Spiel einlassen, dies würde ihm wenigstens ein wenig Abwechslung in seiner ewigen Verdammnis bringen. Doch insgeheim erwachte ein Funken Hoffnung in ihm, verschwindend gering, doch er gab den Ausschlag und Castor setzte vorsichtig einen Fuß auf die erste lodernde Stufe. Er rechnete schon fast damit in die feurige Hölle unter ihm zu stürzen, begleitet vom boshaften Lachen seiner Peiniger, doch sie hielt sein Gewicht. So weit so gut. Vorsichtig, Schritt für Schritt um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, arbeitete er sich in Richtung der geheimnisvollen Tür vor. Er blickte angestrengt nach vorn, um nicht in die lodernden Tiefen sehen zu müssen, doch die endlose Weite des Feuers erstreckte sich nach allen Seiten und ihm schwindelte zusehens. Schweiß lief ihm von der Stirn und er versuchte gleichmäßig zu atmen, um sich zu beruhigen. Der Weg schien sich endlos in die Länge zu ziehen, doch langsam aber sicher wurde die Tür größer.
Je näher er der Tür kam, desto stärker schwoll die Angst erneut in ihm an, doch es gab kein Zurück.
Er erreichte die Tür und blieb auf der letzten Stufe stehen.
Die Tür war offen, doch der Ort jenseits des Durchgangs war seltsam verschwommen und unscharf. Er erkannte die groben Konturen eines riesigen Ganges, der sich nach rechts und links erstreckte.
Er schloss die Augen und atmete tief ein. Was auch immer hinter diesem Durchgang auf ihn warten würde, er war bereit sich dem entgegen zu stellen. Er schritt durch die Tür und verließ sein Gefängnis.

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bibiro
Geschlecht:weiblichKlammeraffe
B


Beiträge: 716



B
Beitrag18.09.2014 13:24

von bibiro
Antworten mit Zitat

Hej,

Du willst Feedback - du kriegst Feedback.

Meiner Meinung nach solltest du kürzen. Und zwar eher mit der Axt, als mit dem Hobel.

Im Grunde entwirfst du ein eindrucksvolles Bild einer Hölle - zerredest es aber gleichzeitig mit zu vielen Worten.

Das ist mein ganz individueller Eindruck.

Mache dir mal den Spaß und markiere alle Adjektive, die du verwendet hast mit einer Farbe und alle Adverbien mit einer anderen.

Und dann schaue dir deinen Text noch einmal an.

Weißt du, ich bin sicher kein Anhänger des Purismus, Adjektive auf Teufel komm raus Twisted Evil zu vermeiden. Aber sie wirken einfach besser, wenn man sie sparsam einsetzt und nicht zu beliebig.

Dies gilt - noch verstärkt - für Adverbien.

Dann habe ich das Gefühl, dass du all seine Qualen nur behauptest. Ich kann sie nicht (nach)fühlen, wenn ich deinen Text lese.

Zeige mir, wie es sich anfühlt, wenn einen Ketten in ein unbequemes Kauern zwingen. Und behaupte es nicht nur.

Zeige mir, wie sich die Hitze auf seiner Haut anfühlt, wie die Flammen die Härchen auf seinen Armen versengen, wie seine Zunge am Gaumen klebt, seine Lider wie Sandpapier über seine Augäpfel reiben. Behaupte es nicht nur, dass er unter der Hitze leidet.

Das ist so das Hauptsächliche, was mir auffällt.

Und dann - warum erinnert er sich an seinen eigenen Namen und an den des Rivalen - aber nicht an den seiner Frau?

So, um dir aber Mut zu machen:

Zitat:
Feuer, überall wo er hinblickte.


Dein erster Satz gefällt mir total gut!
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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1735



Beitrag18.09.2014 13:40

von Stefanie
Antworten mit Zitat

Das ist aber eine Menge Text.
Mir gefällt deine Idee und ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Aber einiges fällt auf:

Du erschlägst einen regelrecht mit Adjektiven. Dein guter Wille, blumig zu beschreiben, in allen Ehren, aber das ist zuviel. Vor lauter Beschreibung des Höllenfeuers geht völlig unter, was der Held eigentlich durchmacht.
"Gigantische Flammensäulen stiegen an unsichtbaren Wänden bis in schwindelerregende Höhen hinauf und warfen ihren boshaft gelben Schein in den Raum"
Das sind fünf Advektive in einem Satz mit 20 Worten.

Außerdem würde ich viele Substantive durch Verben ersetzen, das wirkt weniger förmlich.

"Die diabolische Hitze, die von den wild tosenden Flammen ausging und das völlige Nichtvorhandensein von irgendwelchen Orientierungspunkten in diesem Wahnsinn, außer der Plattform unter ihm, zehrten an den Mauern seines Verstandes und bereiteten ihm zunehmend mehr Qualen."

>>Es quälte ihn so, orientierungslos in den Flammen gefangen zu sein, dass er fast wahnsinnig wurde.

Die ganze Handlung des Kapitels:
Er ist in einem Flammenmeer angekettet und verliert vor Angst und Schmerzen fast den Verstand. Plötzlich ist er frei und wundert sich warum. Er erinnert sich an eine Frau. Er geht eine Treppe hoch, die plötzlich da ist.
Der Rest malt das nur aus.
Die langen Sätze und ausführlichen Beschreibungen nehmen Tempo aus der Geschichte.

Also kürzen, kürzen, kürzen.
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Alpen-Yeti
Geschlecht:weiblichLeseratte
A

Alter: 53
Beiträge: 131



A
Beitrag18.09.2014 13:54

von Alpen-Yeti
Antworten mit Zitat

Hallo Ragnar,

herzlich Willkommen und auch von mir bekommst Du einen ersten kurzen Eindruck.

Zunächst: Deine Welt macht mich neugierig. Zuerst hatte ich eine Art "Prometheus-Bild" vor Augen. Gefesselt an einen Felsen usw. Ich habe nur darauf gewartet, dass gleich der Adler angeflogen kommt.

Nächster Eindruck: von allem einfach zu viel. Obwohl ich selbst zum (euphemistisch) "poetischen" Schwurbeln neige, fand ich den Text nach dem zweiten Absatz einfach nur noch mühsam zu lesen und habe dann das weitere (ich gestehe es) nur noch überflogen.

Abschließend: Wie Bibi und Stefanie bin ich der Meinung, ein bissele weniger Adjektive und die Sätze ausmisten. Ich weiß, wie schwer das ist. Ich schwurbele doch selbst so gerne.

An der Stelle hier war ich komplett verwirrt:
Zitat:
Sie war ihm genommen worden. Jemand hatte sie aus seinen Armen entrissen und in seine Gewalt gebracht. Ein Name schoss ihm durch den Kopf. Raphael.

Er versucht also verzweifelt sich an seine Geliebte zu erinnern. Gut. Er denkt nach. Auch gut. Ein Name schießt durch seinen Kopf. Meinetwegen ... Aber dann kommt "Raphael"?? Zuerst dachte ich, ich habe falsch gelesen, dann dachte ich, es ist ein Tippfehler und soll "Raphaela" heißen, denn ich habe vermutet, er erinnert sich jetzt an den Namen seiner Geliebten. Aber nein, es ist der Name seines Feindes, was man aber erst in den folgenden Sätzen erfährt. So was mag ich als Leser gar nicht.

Ist nur meine persönliche Meinung, kann von der anderer abweichen, ist nicht in Stein gemeißelt und soll Dir nur eine grobe  Orientierung geben, wie ein potentieller Leser auf Deinen Text reagieren könnte.

Für ausführlicheres Auseinanderpflücken habe ich momentan leider keine Zeit.

Liebe Grüße
Bianca
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Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag23.09.2014 16:23

von Zeitenträumer
Antworten mit Zitat

Hallo Ragnar,
eben aus dem Urlaub zurück, bin ich voll Wohlwollen - aber nicht nur deshalb hat mir dein Text irgendwie gefallen. Dazu weiter unten.
Der Kritik meiner Vorredner bezüglich der Adjektive kann ich mich nur anschließen. Die Intensität des Textes ist gleichmäßig so hoch, dass sie nach kurzer Zeit nicht mehr wirkt.
Ich glaube, du könntest den Text deutlich verbessern, wenn du weniger von außen beschreibst, sondern mehr, was er tut, womit ich Bibiros Kritik am "Behaupten" und Stefanies Anregung bezüglich der Verben aufgreifen möchte. An einigen Stellen machst du es bereits, und dies sind meiner Meinung nach die besten. Ich habe mir mal einige Beispiele rausgepickt, wo ich es gut finde.

Zitat:
Er schlug die Augen auf und wehrte sich zum ersten Mal gegen seine Fesseln, riss mit aller Kraft an ihnen und schrie seinen Zorn in die ihn umgebende Unendlichkeit hinaus.


Zitat:
Er strich sich mit der Hand durch das Gesicht


Zitat:
Er schritt an den Rand der Plattform und warf einen prüfenden Blick auf die Stufen.


An diesen Stellen bin ich drin, nur leider kommt dann meist eine weitere "Behauptung". In einem deiner Sätze zeigt sich der Unterschied sehr deutlich:

Zitat:
Er richtete sich auf und lockerte seine geschundenen Muskeln. Er vollführte für seinen Körper anscheinend selbstverständliche Auflockerungsbewegungen und ließ seinen Schwertarm kreisen.


"Er richtete sich auf" - soweit, so gut.
"...und lockerte seine geschundenen Muskeln" kann man sich gerade noch vorstellen. Aber
"Er vollführte für seinen Körper anscheinend selbstverständliche Auflockerungsbewegungen" ist nicht nur sehr umständlich, sondern auch aus einer Perspektive, die sicher nicht seine ist.
"...und ließ seinen Schwertarm kreisen." hingegen ist wieder sehr gut.
Daher würde ich diesen Satz auf "Er richtete sich auf und ließ seinen Schwertarm kreisen." reduzieren.

Was mir gut gefällt, ist deine ein wenig lyrische Sprache - aber dafür brauchst du die Adjektive nicht. Es gelingt dir so, eine Stimmung zu erzeugen, jedenfalls, bis man aufgrund der Reizüberflutung abschaltet. Dazu noch eine weitere Anregung: Worte wie "Emotionen" oder "Schneidersitz" brechen in meinem Empfinden mit dieser Sprache und reißen mich aus der Atmosphäre heraus (Atmosphäre ist auch so ein Wort Rolling Eyes ). Ich würde sie durch einfacheres ersetzen, z. B. "Gefühle", "mit gekreuzten Beinen", "Stimmung".

So das wars erstmal, ich bin gespannt auf eine abgespeckte Version. Wie gesagt die Stimmung kommt auch (sogar besser) rüber, wenn du deutlich sparsamer bist, und das gibt dir zudem die Möglichkeit, dich an Höhepunkten zu steigern.

In diesem Sinne, beste Grüße,

David
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Ragnar
Geschlecht:männlichErklärbär
R

Alter: 31
Beiträge: 2
Wohnort: Köln


R
Beitrag23.09.2014 20:37

von Ragnar
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Vielen Dank für das viele Feedback!

Jeder, der schonmal etwas geschrieben hat kennt das sicher ... Man ist viel zu nah an der Story dran und sieht offensichtliche Dinge nicht. Nachdem es gesagt wurde ist mir das Mit den Adverben etc. auch sofort aufgefallen, ja geradezu ins Gesicht gesprungen. Vorher habe ich es einfach überhaupt nicht wahrgenommen. Die Leute aus meinem persönlichen Umfeld, denen ich mein Manuskript gegeben habe, haben mich auch darauf hingewiesen, dass die ersten Seiten etwas schwierig zu lesen waren. Nach den ersten paar Seiten hab ich dann komischerweise viel weniger benutzt.

Ich werde mich am Wochenende mal dransetzen und eine weitere Runde Korrekturlesen anfangen, diesmal wahrscheinlich mit geöffneteren Augen.
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