[disqualifiziert] Lohn der Angst

[Mardii]

Das schwarze Nichts kam völlig unvermittelt. Marthe spürte laue Feuchtigkeit auf ihrem Arm. Der Körper des Typs vor ihr, war gegen sie gestoßen, als das Licht im Bunker erloschen war. Der Inhalt ihres Cocktails hatte sich über ihr Shirt ergossen. Sie schob den Mann ein Stück von sich weg.
„Ay, was soll das?“ Die quengelige Stimme des Typs setzte sich unangenehm in ihren Ohren fest, überlagerte das ängstliche Quieken eines Mädchens. Er hatte etwas grün floureszierendes an sich, vielleicht ein Bändchen am Handgelenk.
Wo war bloß Santos abgeblieben? Eben, bevor die Leuchten ausfielen, die Musik abbrach und ein raunendes Gewirr der Leute, die Szenerie davor ersetzte, eben hatte Santos noch neben ihr gestanden. Wollte ihr ein silbernes Röllchen zustecken. Marthe tastete an ihrer Weste. Niente, da war nichts in dem knappen Täschchen.
Ihre Nase fühlte sich trocken an. Erst jetzt bemerkte sie den Staub, der in der Luft hing, dazwischen roch sie trockenen Schweiß. Ganz in ihrer Nähe spürte sie ein paar Leute, die sie ab und an anrempelten. Murmelnde Stimmen drangen zu ihr vor. Sie verstand nur Bruchstücke von Worten, die Ausdruck des allgemeinen Rempelns waren. Aber niemand erhob die Stimme, die kurzen Schreie der Frauen waren einem gedopten Flüstern gewichen.
Marthe drängte sich nun auch zwischen den Körpern durch. Spitze Ellenbogen und unterdrückte Flüche belehrten sie über die Sinnlosigkeit ihres Tuns.
„He, Santos!“ Ihre Stimme hörte sich an wie ein Bügeleisen, zwischen feuchte Lappen gehalten.
„Ruhe bewahren.“ Das war die Stimme von Reverend Army, der sonst die Anlage bediente und seine Pferdezähne gegen ein altertümliches Mikro drückte. Endlich hatte er sich aufgerafft von seiner Aufgabe Gebrauch zu machen. Das quittierten Etliche mit erleichterten Ausrufen. Ohne elektrische Verstärkung war es das aber auch, was er hervorbrachte.
„Santos, wo steckst du?“ zischte Marthe noch einmal. Sie tat ein paar vorsichtige Schritte rückwärts, wo sie die Wand vermutete. Sie trat ins Leere, vielleicht hatte sie sich gedreht. Hoffentlich ging bald das Licht wieder an. Wenn sie nicht bald etwas zum Durchziehen bekam, würde sie Durchfall bekommen oder Schlimmeres.
„Ruhe bewahren. Gleich geht das Licht wieder.“ Rev. Army hörte sich an, als würde er gerade mit einem schleimigen Kissen erstickt. Vielleicht sollte er die Leute endlich informieren, was los war. Aber das fiel dem Typ nun mal nicht ein.
Marthe spürte einen festen Griff an ihrem Ellenbogen. „Komm schon.“ Ein leichter Speichelsprühregen legte sich auf ihre Wange. „Santos?“ Ein blutwarmer Körper drängte sie vorwärts. Marthe bemerkte einen graunebeligen Schimmer, der von unten herauf kam. Sie sah an ihrem Körper hinab, der sich mit einem Schlagschatten vom Boden abhob. Ihr schiebender Nachbar hielt eine stabförmige Taschenlampe. Sein Gesicht war dicht bei ihr. Sie konnte die feinen grauen Härchen von Santos Schnurrbart erkennen. Er schob sie zum Ausgang des Bunkers und weiter oben schien auch die grüne Notlampe.
„Gib´mir mein Zeugs und hau ab!“ presste Marthe durch die Zähne.
„Wo ist die Kohle?“ Santos sprach wie durch einen rostgesprenkelten Kehlkopf. Er presste sie gegen die stahlbetonierte Wand neben den Toiletten. Die Wand roch wie eine von Phosphor-Bomben verbrannte Nacht. Dem WC entkam die passende Hitze.
Marthe wollte nur ihren Stoff und dann weg hier. „Mein Westentäschchen,“ heulte sie leise. Santos Finger nestelten an ihrer Flanke. Sie lies ihren Kopf gegen die Wand sinken. Da flackerte die Neonlampe über ihr auf. Sie sah den schwarzen Umriss des angesengten Kondensators. Dann blieb eine gleichmäßige grüne Helle.
„Hier.“ Santos streckte ihr die Faust entgegen, Marthe packte sie von unten und bog seine Finger auseinander. Das warme Aluröhrchen fiel in ihre Hand.
„Arschloch!“ Marthe stieß die Toilettentür auf und entwischte Santos in den weiß erhellten Waschraum. Schnell zwirbelte sie das Staniol auseinander, streute das graue Pulver auf den Waschbeckenrand. Mit einem Hub schniefte sie das Zeug in ihre Nebenhöhlen. Es brannte wie Atomstaub auf ihren Schleimhäuten.