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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Allgemeines rund um die Schriftstellerei -> Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
Heult ihr auch manchmal beim Schreiben?

 
 
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caninus
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Beitrag31.05.2014 20:47

von caninus
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>Heult ihr auch manchmal beim Schreiben?

Was sagt denn Vadder Goethe? Im Faust.

>Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.. <

Na ja, Die Herzen aller LESER zwingt.
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nebenfluss
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Beitrag02.06.2014 11:09

von nebenfluss
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caninus hat Folgendes geschrieben:
>Heult ihr auch manchmal beim Schreiben?

Was sagt denn Vadder Goethe? Im Faust.

>Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.. <

Na ja, Die Herzen aller LESER zwingt.


Gibt es im Faust einen Vadder Goethe? Ich muss zugeben, die Lektüre ist lange her.  Ist es nicht vielmehr so, dass Goethe das jemanden sagen lässt?

Ich halte den Schluss, man sei näher am Herzen des Lesers, wenn man beim Schreiben heult, für riskant. Ich denke, man braucht einen klaren Kopf und auch eine kritische Distanz zu seinen Figuren, möchte man Kitsch vermeiden.


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caninus
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Beitrag02.06.2014 11:33

von caninus
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@nebenfluss; jaa. jesses.

A) Der Fürst lässt es jemanden sagen.

B) für mich liegt die Betonung auf
"auch manchmal ".

Als ich Anfing mein Buch zuschreiben und an das autobiografische Thema kam, "wie alles begann", war ich doch schon sehr aufgewühlt.

Das diese Gefühle dann nicht auch zu Papier gebracht werden (müssen),
steht ja auf einem anderen Blatt.
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Bawali
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Beitrag02.06.2014 12:02

von Bawali
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, man braucht einen klaren Kopf und auch eine kritische Distanz zu seinen Figuren, möchte man Kitsch vermeiden.

Dann produziert also folglich jeder, der mit Herz und Seele schreibt, automatisch Kitsch?!
Eine mehr als gewagte Schubladisierung.
Was du als notwendig erachtest gilt sicher für ein Sachbuch, aber nicht in der Belletristik.


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nebenfluss
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Beitrag02.06.2014 12:41

von nebenfluss
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Bawali hat Folgendes geschrieben:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, man braucht einen klaren Kopf und auch eine kritische Distanz zu seinen Figuren, möchte man Kitsch vermeiden.

Dann produziert also folglich jeder, der mit Herz und Seele schreibt, automatisch Kitsch?!
Eine mehr als gewagte Schubladisierung.
Was du als notwendig erachtest gilt sicher für ein Sachbuch, aber nicht in der Belletristik.

Ich glaube, dass viele Sachbücher mit Herz und Seele geschrieben sind. Aber muss man physisch weinen dafür?
Wenn man von der Schubladisierung wegkommen möchte, stellt sich die Frage: Welche Absicht verfolgt man als Autor?

Ich möchte eben nicht, dass meine Leser weinen. Mein Ziel ist eher so ein Lachen, das im Hals stecken bleibt. Ich denke, man kann durchaus Belletristik schreiben, die zum Nachdenken anregt - und das mit Herz und Seele. Dramatische Appelle an die Emotionen sind da nicht das richtige Mittel.

Und ja, wenn ich heule, wenn ich im Selbstmitleid bade, bleibt bei mir nur Kitsch übrig. Da bin ich völlig unoriginell ... vielleicht schließe ich da von mir auf andere.

LG


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nebenfluss
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Beitrag02.06.2014 12:50

von nebenfluss
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caninus hat Folgendes geschrieben:
Das diese Gefühle dann nicht auch zu Papier gebracht werden (müssen),
steht ja auf einem anderen Blatt.


Was meinst du damit? Worüber unterhält man sich denn in einem Schriftstellerforum - wenn nicht darüber, was man zu Papier bringt?
Es geht doch hier ums Heulen beim Schreiben, nicht ums Heulen beim Geschriebenes-in-den-Papierkorb-schmeißen, dachte ich.


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Bawali
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Beitrag02.06.2014 15:18

von Bawali
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:

Ich glaube, dass viele Sachbücher mit Herz und Seele geschrieben sind. Aber muss man physisch weinen dafür? Aber sicher nicht bei Sachbüchern (ausgenommen vllt. zb. Kochbuch, wenn es um Zwiebeln geht) Smile
Wenn man von der Schubladisierung wegkommen möchte, stellt sich die Frage: Welche Absicht verfolgt man als Autor? Absolut richtige Frage.

Ich möchte eben nicht, dass meine Leser weinen. Mein Ziel ist eher so ein Lachen, das im Hals stecken bleibt. Noch besser, wenn es nicht stecken bleibt. Ich denke, man kann durchaus Belletristik schreiben, die zum Nachdenken anregt - und das mit Herz und Seele.
Bin ich ebenso der Meinung.
Dramatische Appelle an die Emotionen sind da nicht das richtige Mittel. Kalte Sachlichkeit und Nüchternheit aber ebenso wenig.

Und ja, wenn ich heule, wenn ich im Selbstmitleid bade, bleibt bei mir nur Kitsch übrig. Da bin ich völlig unoriginell ... vielleicht schließe ich da von mir auf andere.
Es ging hier im Thread, wenn ich es richtig mitbekommen habe, nicht um das Weinen aus Selbstmitleid sondern um die emotionelle Tiefe, in die der Autor sich beim Schreiben hineinbegeben hat.
Da gibt es natürlich zwischen dem Sachlich-/Fachlich-/Technischen Schreiben und dem emotionsgeladenen Drama einen riesigen Bereich der Zwischenstufen.
Und das ist ja auch gut so, denn für jeden Schreibenden und Lesenden liegt die Schwelle der Gefühlsempfindung und -Äußerung (die sie leben oder auch sich erlauben) auf einer anderen Stufe.

LG


Im übrigen habe ich keinerlei Probleme mit deiner Sicht der Dinge. Jedem wie er es mag und passend findet. Mein Einwand kam nur deshalb, weil es mich störte, dass du unter Maßgabe deiner persönlichen Sicht, das emotionellere Vorgehen sofort in die Negativschublade 'Kitsch' geschoben hast. Das kann man nicht so absolut einstufen.


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Hardy-Kern
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Beitrag02.06.2014 18:27

von Hardy-Kern
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Bawali hat Folgendes geschrieben:

Es ging hier im Thread, wenn ich es richtig mitbekommen habe, nicht um das Weinen aus Selbstmitleid sondern um die emotionelle Tiefe, in die der Autor sich beim Schreiben hineinbegeben hat.

So sehe ich das auch. Das kann man aber nur bestätigen, wenn man den Mut dazu hat, sich in der Öffentlichkeit preiszugeben.
Derartige rührigen Szenen könnten den Autor schon dazu treiben einige Tränen zu vergießen.

Mit Kitsch muss das nichts zu tun haben. Es könnte die Erkenntnis aus einer knallharten Szene sein, die man unter Aufwendung aller Kräfte, Früh 3 Uhr, endlich fertig hat. Auch wenn es nur eine Fiktion sein sollte, ist man als Autor selbst so geschockt, dass man erst später bemerkt, wie tief man in der Darstellung dieser Szene involviert ist.

Der Schreiber hat sich so tief ins Geschehen der Handlung geschrieben, dass er nicht mehr weiß ob Authentizität oder Fiktion.
Er hat sich in die Gefühlswelt einer 10-jährigen geschrieben, deren Mutter sich neu verliebt hat. Sie musste erfahren, dass ihr Vater ein Verbrecher ist und viele Jahre im Knast sitzen wird.

Der neue Gefährte der Mutter kümmert sich liebevoll um die Kleine, trotzdem er zehn Jahre jünger als die Mutti ist.
Das ist Stoff, der die Welt bedeutet, beinahe schon plumper Alltag. (leider)
Natürlich gibt es auch viel Spaß.

Wenn der Autor denkt, ihm wäre eine gute Mischung gelungen, auch für einzelne Ereignisse, kann man schon mal eine Träne aus dem Knopfloch quetschen.

Das wird nur gelingen, wenn man absolut in der Geschichte steht.
Es kommt immer auf den Stoff an und wie man heran geht.
Darum rate ich auch: Wenn man nicht genügend Bezug zu einer Geschichte, mit seinen Protagonisten und deren Handlungen hat, sollte man es lassen.

Hardy
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nebenfluss
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Beitrag02.06.2014 18:56
Re: Heult ihr auch manchmal beim Schreiben?
von nebenfluss
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Ich habe mich schon stark auf das Weinen (auch gleich selbstabfällig "Heulen" genannt) bezogen. Dass man sich in seine Figuren einfühlen sollte, halte ich für eine Selbstverständlichkeit.

Hardys Bemerkungen bringen mich gerade darauf, dass in der Threaderöffnung etwas impliziert ist, was ebenfalls beeinflussen kann:
Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:

Wie fühlt ihr mit euren Figuren mit oder seht ihr das professioneller oder einfach nur mit mehr Abstand?

Das hieße ja so etwa: Wenn ich nicht mehr mit meinen Figuren fühle, bin ich auf dem Weg zum Profi. Wer weiß, wer sich nun nicht mehr traut, sich hier als Weiner zu outen.

Wenn aber jemandem so etwas passiert ...
Hardy-Kern hat Folgendes geschrieben:
Der Schreiber hat sich so tief ins Geschehen der Handlung geschrieben, dass er nicht mehr weiß ob Authentizität oder Fiktion.

... dann würde ich meinen, dass ich es mit einem ernsthaften und fortgeschrittenen Autor zu tun habe. Und ich blutiger Anfänger bin.
(ich möchte so was ja zu gerne mal erleben)

Aber Selbstmitleid kann es trotzdem sein. Wenn man nicht mehr weiß, dass man nicht sein Prota ist und so quasi das eigene Schicksal betrauert.

LG


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Hardy-Kern
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Beitrag02.06.2014 19:53

von Hardy-Kern
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Ich werde Dir natürlich antworten, nebenfluss, nur heute klappt das nicht mehr. Das ist wirklich gut!

Hardy
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Gast







Beitrag02.06.2014 21:39

von Gast
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Wenn die Geschichte oder eine Person in der Geschichte keine Gefühle beim Leser weckt, stimmt etwas nicht. Die große Nähe und  intensive Beziehung zu einem Protagonisten zeigt sich in den Emotionen, die er zu wecken weiß. Wenn die Erzählung so emotional wird, dass sie sogar beim Verfasser starke Gefühlsregungen hervorbringt, ist das doch kein schlechtes Zeichen. Das gilt mit zwei Einschränkungen: Erstens sollte der Verfasser nicht zu nah am Wasser gebaut haben, weil er dann nicht als Maßstab für die Emotionalität des Textes taugt. Zweitens sollte es nicht am Text liegen, der dem Urheber die Tränen in die Augen treibt. Aber das steht hier wohl nicht in Rede.

Gruß

Attingat
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nebenfluss
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Beitrag03.06.2014 18:48

von nebenfluss
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Zitat:
Wenn die Geschichte oder eine Person in der Geschichte keine Gefühle beim Leser weckt, stimmt etwas nicht. Die große Nähe und  intensive Beziehung zu einem Protagonisten zeigt sich in den Emotionen, die er zu wecken weiß. Wenn die Erzählung so emotional wird, dass sie sogar beim Verfasser starke Gefühlsregungen hervorbringt, ist das doch kein schlechtes Zeichen.

Falls sich das auf meine Kitsch-Bemerkung bezieht: Nein, das ist wohl nicht bei allen ein schlechtes Zeichen. Für mich ist aber 'tränenrührig' und 'kitschig' so etwa das Gleiche. Die Frage, die ich gerade sehr interessant finde: Kann man große Gefühle kalkulieren, ohne tiefere Empathie beim Schreiben?
Das müsste man wohl am besten an einem praktischen Beispiel untersuchen (ich habe auch eine Idee dazu, die allerdings noch reifen muss).
Zitat:
Das gilt mit zwei Einschränkungen: Erstens sollte der Verfasser nicht zu nah am Wasser gebaut haben, weil er dann nicht als Maßstab für die Emotionalität des Textes taugt.

Genau so sehe ich das auch! Denn der gemeine Leser ist möglicherweise nicht so emotional wie der Autor. Außerdem hat der gemeine Leser die Tendenz, die Intention des Autors bestenfalls oberflächlich wahrzunehmen. Oder auch nicht dessen Motto.
(wer sich leicht über Süffisanz aufregt, sollte den Spoiler auf keinen Fall lesen)
Ich heule, also bin ich Laughing
Zitat:
Zweitens sollte es nicht am Text liegen, der dem Urheber die Tränen in die Augen treibt. Aber das steht hier wohl nicht in Rede.

Woran denn sonst? Aber vermutlich meinst du: mangelnde Qualität des Textes. Nein, da hilft heulen nix, sondern nur überarbeiten oder wegschmeißen.

LG


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Gast







Beitrag03.06.2014 22:06

von Gast
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Bücher sind wie Musik. Sie sollen uns emotional bewegen. Die Grenze zu Kitsch und Klischee mag schnell erreicht und überschritten sein. Ohne Emotion droht aber Sterilität und Langeweile. Die Kunst besteht darin, das richtige Maß zu finden.

Ich halte es für nicht vorstellbar, den tragischen Held sterben zu sehen, ohne dass zum Taschentuch gegriffen wird.

Kann der geschlagene Held Odysseus Penelope erretten, und wir bleiben gelassen? Was für eine Situation, wenn der treue Hund Argos Odysseus im Bettlergewand erkennt und darauf verstirbt. Was für ein Ende, wenn  Odysseus Rache an denen übt, die die nach langem Warten zweifelnde Penelope über Jahre bedrängt haben.  Sind das nicht bewegende Momente?

Augenblick: Ich muss mal schnell zum Taschentusch greifen!

Zitat:
Kann man große Gefühle kalkulieren, ohne tiefere Empathie beim Schreiben?


Man muss schon sehr abgebrüht sein, um große Gefühle zu erzeugen, ohne  empathisch zu sein. Die Gefahr ist allenfalls die zu große Nähe des Autors zu seinen Charakteren, weil die Geschichte ins Kitschige abgleiten kann. Das ist der Grund, warum ich die auktoriale Erzählweise bevorzuge.  Erzähler und Protagonist stehen sich distanzierter  gegenüber oder sollten dies zumindest tun. Oder sehe ich das falsch?
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Hardy-Kern
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Beitrag04.06.2014 18:33

von Hardy-Kern
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Zitat:
Ohne Emotion droht aber Sterilität und Langeweile. Die Kunst besteht darin, das richtige Maß zu finden.
Man muss schon sehr abgebrüht sein, um große Gefühle zu erzeugen, ohne  empathisch zu sein. Die Gefahr ist allenfalls die zu große Nähe des Autors zu seinen Charakteren, weil die Geschichte ins Kitschige abgleiten kann. Das ist der Grund, warum ich die auktoriale Erzählweise bevorzuge.  Erzähler und Protagonist stehen sich distanzierter  gegenüber oder sollten dies zumindest tun. Oder sehe ich das falsch?


Die "Gefahr" der Nähe des Autors zu seinen Protagonisten könnte sein.
Was ist aber nun, wenn der Autor in der Ich-Form schreibt und seine Geschichte selbst erlebt hat, auch wenn sie viele Jahre zurück liegt?
Ob das kitschig wird oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle, denn es geht im Thread nicht darum ob der Leser weint, sondern ob der Schreiber meint, alle machbaren Emotionen ausgeschöpft zu haben und erschöpft etwas Nasses durch ein Knopfloch kullern lässt. Wir sind Menschen!

In diesem Fall kann es passieren, dass er denkt seine Potenzen ausgeschöpft zu haben und glücklich ist.
Ob der Leser- falls er dieses Machwerk überhaupt angeboten bekommt- das auch so empfindet können wir nicht wissen.

Zitat Attingat:
"Ohne Emotion droht aber Sterilität und Langeweile. Die Kunst besteht darin, das richtige Maß zu finden."
Richtig! Und das ist die Kunst, die man vielleicht niemals erlernt, leider oder auch zum Glück.

@nebenfluss:
Ich denke damit auch deine Post beantwortet zu haben.
Mehr habe ich dazu nicht auf Lager. Smile

Hardy
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Angst
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Beitrag05.06.2014 08:45

von Angst
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Das ist mein Thema, haha!

nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Und ja, wenn ich heule, wenn ich im Selbstmitleid bade, bleibt bei mir nur Kitsch übrig. Da bin ich völlig unoriginell ... vielleicht schließe ich da von mir auf andere.

Beim Schreiben von Lyrik weine ich sehr oft. Es ist sogar mein Ziel, dass meine Leserinnen und Leser weinen. Das, was ich beim Schreiben empfinde, ist wohl sehr nahe am dem, was du »Selbstmitleid« nennst.

Das hat aber nichts mit Kitsch zu tun. Kitsch ist, um mit Clement Greenberg zu sprechen, »vorgetäuschte, unechte Empfindung«. Kitschig sein bedeutet, nur auf den oberflächlichen Effekt – hier auf das Gefühl – aus zu sein. Wenn ich mir aber vornehme, die Leserinnen und Leser zu berühren, indem ich ihnen ein Gefühl verstehbar mache, ist es nicht mein Ziel, Kitsch zu produzieren. Im Gegenteil: Ich denke, wenn eine über etwas schreibt, das sie selbst nachvollziehen kann, über etwas also, das auf authentischen Gefühlen basiert, so kann das eine Immunisierung gegen Kitsch sein. Selbstverständlich ist das eine Gratwanderung. Ich glaube auch, dass eine Autorin nur dann nachvollziehbar schreiben kann, wenn sie (zum Beispiel bei der Überarbeitung) eine gewisse emotionale Distanz zu ihrem Text einnimmt. Aber das heisst nicht, dass sie beim Schreiben nicht weinen darf.


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»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
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nebenfluss
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Beitrag05.06.2014 10:40

von nebenfluss
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Hallo Scheinheilige,

interessanter Beitrag, finde ich. An Lyrik hatte ich bei dem Thema bisher gar nicht gedacht - typisch!

Man sagt ja, dass sich Autor und LI in der Lyrik oft näherstehen als dies (von bekennenden Autobiographen mal abgesehen) in der Prosa der Fall ist. Ich glaube, dass Menschen, die Lyrik lesen, tendenziell bereit sind, sich auf das - meine Wortwahl - "Selbstmitleid" des Autors einzulassen.

Verstehbar, hast du hervorgehoben. Ist das nun eher "nachfühlbar" oder "nachvollziehbar"? Vielleicht geht es um diesen Unterschied. Beim Prosa-Schreiben (und -Lesen) erwarte ich, dass sich der Autor in verschiedene Figuren hineinversetzen kann und nicht nur ihre Gefühle an sich vermittelt, sondern sich diese aus Biographie, momentaner Situation etc. ergeben. Wenn ich also einer Figur ein mir vertrautes Gefühl "andichte", muss ich erst analysieren, wie es dazu kommen kann und den Plot darauf abstimmen. Und damit entrückt das Gefühl auf eine rationale, weil erklärte Ebene, wo ich als Autor zu sehr denke, um zu fühlen.
ob jetzt wohl gleich eine Frau kommt, die mir erklärt, dass Männer halt einfach zu doof zum Multitasking sind?
Und doch kann es gerade durch diese rationale Anbahnung echt werden, denke ich.

Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber kommt Lyrik nicht oft nur mit dem Erlebbar-machen der Symptome aus (was eben, damit es nicht zum Kitsch wird, auf originelle, tiefere Weise zu geschehen hat?)

LG

EDIT: Weinen darf natürlich sowieso jeder beim Schreiben. Es bleibt einem doch gar nichts anderes übrig, als da großzügig zu sein. Die Leute machen einfach, wonach ihnen ist.


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Angst
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Beitrag05.06.2014 13:05

von Angst
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Das ist eine interessante Diskussion.

nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
EDIT: Weinen darf natürlich sowieso jeder beim Schreiben. Es bleibt einem doch gar nichts anderes übrig, als da großzügig zu sein. Die Leute machen einfach, wonach ihnen ist.

Hihi. Ja, stimmt.

nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber kommt Lyrik nicht oft nur mit dem Erlebbar-machen der Symptome aus (was eben, damit es nicht zum Kitsch wird, auf originelle, tiefere Weise zu geschehen hat?)

Nun ja, ich will nicht behaupten zu wissen, worum es in der Lyrik tendenziell geht. Ich kann nur davon sprechen, wie ich Gedichte schreibe und was ich als Ziel meines Schreibens im Blick habe.

Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es in der Lyrik »nur« ums (Nach-)Fühlen geht. Meine Arbeitshypothese, die ich heute morgen gebildet habe, ist die folgende: In der (meiner) Lyrik bricht der Unterschied zwischen rationaler Erklärung und emotionalem Nachvollzug zusammen. Oder, vielleicht besser: Diese beiden Aspekte, die du in deinem Beitrag oben wirklich schön getrennt hast, beeinflussen sich gegenseitig und verschwimmen ineinander.

Was meine ich damit? Ein Beispiel: Wenn ich ein Gedicht über das Trauma nach einer Vergewaltigung schreibe, dann werde ich mich davor hüten, darin den Begriff »Vergewaltigung« zu verwenden. Eine so direkte »Ursachenforschung« zu dem, was das Lyrische Ich empfindet, würde für mich die Offenheit des Gedichtes zerstören. Insofern hast du bestimmt recht: Ich würde keine rationale, direkt nachvollziehbare Erklärung für das Gefühl liefern. Aber: Ich würde versuchen, die Ursachen für das Gefühl metaphorisch oder stilistisch einzubauen. Ich glaube nämlich, dass die (indirekte) Benennung der Ursachen das Mitfühlen der Leserinnen und Leser steigert. Ich führe das Beispiel fort. Dass sich ein Lyrisches Ich an den Bauch fasst und dort eine Leere fühlt, ist an sich nicht besonders traurig. Sie könnte ja Hunger haben. Wenn ich meine Leserinnen und Leser aber auf die Fährte locken kann, dass diese Leere mit einem Schwangerschaftsabbruch zu tun haben könnte, erhält die Situation eine grössere Tragik. (Entschuldige, dass dieses Beispiel nicht besonders subtil ist.)

Was ich damit sagen will, ist Folgendes. Wenn ich lyrisch ein Gefühl darstellen will, frage ich mich eigentlich immer zweierlei: 1. »Wie fühlt es sich an?« (emotional) 2. »Weshalb fühlt es sich so an?« (rational) Und diese beiden Fragen sind nicht unabhängig voneinander. Ich trenne sie auch meistens nicht bewusst.


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nebenfluss
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Beitrag06.06.2014 09:24

von nebenfluss
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Hallo Scheinheilige,

danke für deine Sichtweise bzw. Vorgehensweise. Die Beispiele waren passend, so konnte ich das gut begreifen. Ich überlege gerade, ob ich mich, was diese Gefühlserforschung angeht, noch weiter entwickeln könnte. Mehr fällt mir dazu gerade nicht mehr ein.

LG


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Hardy-Kern
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Beitrag06.06.2014 10:18

von Hardy-Kern
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Hallo Scheinheilige,
Ich überlege gerade, ob ich mich, was diese Gefühlserforschung angeht, noch weiter entwickeln könnte. Mehr fällt mir dazu gerade nicht mehr ein.

Mit dem Alter wird sich das sicherlich entwickeln. Smile

Hardy
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MShadow
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Beiträge: 306



Beitrag02.07.2014 20:30
Ja, ich weine manchmal beim Schreiben
von MShadow
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ja, ab und zu mal. Das hat dann aber eher weniger mit meinen Emotionen zu tun (Außer bei dem Tod meiner Lieblingsfigur, die allerdings nicht meine Hauptperson ist und bei der Verbitterung und Veränderung meiner 2.lieblingsperson, ebenfalls nicht die Hauptperson), sondern eher damit, dass ich die Person eigens erschaffen habe, mein ganzes Herzblut verbraucht habe und etliche Nachmittage und sie dann einfach ausradiere, so als gäbe es sie gar nicht. Das wäre quasi umsonst. Aber man muss verzichten können Smile
Es ist mir auch mal passiert, dass die meisten die das gelesen haben, danach sehr traurig waren, und mir kam das viel zu emotionslos vor...

Aber besonders beim Lesen einiger Bücher wie zB Drachentor von Jenny Mai Nuyen musste ich weinen


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WARNUNG! Diese Person ändert ihre Signatur, ihren Schlüsselanhänger und ihr Nummernschild für ihren zukünftigen Wagen sehr oft.

Wer nichts weiß, aber weiß, dass er nichts weiß, der weiß mehr als der, der nichts weiß und nicht weiß, dass er nichts weiß.
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Magpie
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Wohnort: NRW


Beitrag02.07.2014 21:29

von Magpie
Antworten mit Zitat

Interessant.
Ich habe beim Schreiben noch nie geweint, aber oft beim Lesen.

Aber ich versuche auch, meine Emotionen zu zügeln, da ich mir meiner Macht bewusst bin. Ich weiss, wenn ich mich zu sehr hineinsteigere, nehme ich zu viel Einfluss auf das Geschehen und die Charakterkonformität der Protagonisten wird unecht.
Normalerweise entwickeln meine Geschichten immer eine gewisse Eigendynamik, die selbst ich als Schreiber nicht genau vorraussagen kann und wenn ich mich dann zu sehr in einen Protagonisten vergucke bzw. einen zu sehr verachte, dann wirke ich negativ in diese Eigendynamik ein, verhindere einen Mord oder verursache einen Unfall etc.
Ich missbrauche sozusagen meine Macht als Autor und verderbe die Geschichte...

... ich hoffe, das ergibt irgendwie Sinn ...
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Ron Swanson
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Beitrag03.07.2014 21:49

von Ron Swanson
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Beim Lesen habe ich schon öfters geweint Laughing Z.B. bei Büchern wie: "Die Farbe Lila" oder "A Child called it"...
Aber beim Schreiben? Ich muss dazu sagen, dass es auch noch keine todtraurige Szene in meiner Geschichte gab, aber meine Charaktere tuen mir schon manchmal leid. Vielleicht kommt das ja noch in der Fortsetzung meiner Geschichte, aber bisher... Laughing
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