25.05.2012 19:21 Die seltsamen Begegnungen des Herrn Petersen von gold
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Jeder Tag verlief für Herrn Petersen gleich, bis auf einen, dem achten August. Dieser Tag wirkte zunächst bedeutungslos wie die anderen Tage auch: Herr Petersen stand auf, wusch sich, machte das Frühstück und kaufte ein. Dies alles, sowie das Erreichen
der Kurve, von der er sein Häuschen bereits sehen konnte, geschah zur selben Zeit wie an den anderen Tagen auch. Es war nichts Außergewöhnliches.
Doch als er an die Stelle kam, wo die Straße bereits wieder gerade verlief, bemerkte er plötzlich, das etwas auf der anderen Seite der grauen beigebraun umsäumten Straße auf ihn zukam, etwas Samtenes, Schwarzes. Es näherte sich ihm auf vier Füßen. Es machte weiche Schritte. In dem Samtenen sah Petersen zwei kleine Dreiecke. Es waren Augen, Augen wie ein stiller grüner weicher See. Sie leuchteten nicht, sie glühten nicht, sie waren klar und präsent. Sie waren da. Sie sahen ihn aufmerksam, wissend an, ruhig. Fasziniert und genauso wach wie sie, blickte Petersen sie an. Mit einer Selbstverständlichkeit schritt die Katze die Straße entlang, vertraut. Es war ein Sich- Kennen, ein Sich-Schätzen, ein Begleiten. Von ihr ging eine Sicherheit, ein Bei-Sich- Bleiben aus. Die Katze brachte zum Ausdruck: „du bist da und ich bin da und das ist gut.“ Sie war das gesündeste Wesen, das ihm je begegnet war. Er erlebte diesen Augenblick als rund. Er wollte nichts von ihr und sie nichts von ihm. Jeder ließ den anderen so wie er war. Es gab keinen Besitzanspruch, keinen Impuls zu ihr zu gehen und sie zu streicheln. Es war ein Wahrnehmen ohne zu haften. Das Bewusstsein, sich zu kennen, verlieh Petersen eine Ruhe, wie er sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gekannt hatte.
„Petersen, du bist ein Stück weiter auf deinem Weg“, murmelte er leise vor sich hin.
„Das ist gut so.“
Er war zufrieden- diese Begegnung mit dem samtenen Wesen bedeutete für ihn ein Zeichen für seine Gesundung. Er empfand keine Trauer- diese hätte er
früher erlebt- . So wie die Katze da war, war sie auch wieder weg, ohne Aufsehen, ohne Theater. Sie verloren sich aus den Augen- unspektakulär-.
Petersen schritt weiter. Da kam ihm eine alte Frau entgegen in einem abgetragenen grauen Mantel mit einem Trolley und einem schwarzen, glänzenden Stock. Die Augen blitzten unter einem mützenartigen Hut hervor. Wieder waren es die Augen, die faszinierten, die dieser Begegnung Bedeutung verliehen. Die Augen, diese wunderschönen Kirschaugen, voller Leben, voller Jungsein, voller Zartheit, voller Temperament. Ihre hohe, zerbrechliche Stimme klang wie Musik in seinen Ohren: |