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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Postkartenprosa 03/2014
Feuervogel [Prosa]

 
 
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Autor Nachricht
Herbert Blaser
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 58
Beiträge: 313
Wohnort: Basel


Beitrag06.04.2014 09:20

von Herbert Blaser
Antworten mit Zitat

Wieder ein innerer Monolog. Das ist keine Szene. Eine Szene ist die Einheit von Raum, Personen und Zeit, die durch einen Konflikt (in der Regel dem Dialog) die Geschichte vorantreibt. Streng genommen sollte eine Szene die vorangegangene Frage auf der roten Linie einer Geschichte beantworten und eine neue Frage stellen. Und so weiter.. 3 Federn

_________________
Wie haben wir den Mut in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis besteht, unsere Leiden von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten?

Marcel Proust
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anuphti
Geschlecht:weiblichTrostkeks

Alter: 58
Beiträge: 4320
Wohnort: Isarstrand
DSFo-Sponsor Pokapro 2015


Beitrag06.04.2014 19:51
Re: Feuervogel [Prosa]
von anuphti
Antworten mit Zitat

Postkartenprosa hat Folgendes geschrieben:
Feuervogel

Endlich lösche ich das Licht - und falle durch die Dunkelheit. Schaue nicht länger dein Lächeln, das sich wie Feuerüberschlag auf meine Lippen ausweitet, spüre nicht deine Hände meinen entflammten Körper erkundend und fordernd deine Küsse. Höre deinen Atem im Dunkel flüstern von künftigen Verzückungen. Mein Herz möchte innehalten gleich der Welt umher, um deinen Schlaf nicht zu stören.

Auf dem Granatbaum vor dem Fenster besingt ein einsamer Vogel den nahenden Morgen. Mir macht er keine Angst mehr: Du bist geblieben, hast aus dir und mir uns gemacht. Unsere Herzen schlagen in ewigem Gleichklang; solange es mir nur gelingt meinen Atem dem deinen anzupassen. Leben wir in die gleiche Richtung –
nicht mehr zu zweit. Die Vogelhochzeit ist vorbei. Kleine nackte Füße trippeln nächtens durch unser Nest, du hörst sie nicht, hörst nicht ihr Zwitschern, nicht ihr Weinen. Ich widerstehe der Erschöpfung, die im Schutz der Dunkelheit ihre verführerischen Krallen nach mir ausstreckt. Nichts und niemand stört seinen Schlaf, seine beständigen, vollkommenen Atemzüge geben mir Kraft für die Widrigkeiten des Lebens.

- noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen, dessen ausstehende Raten unser Glück ehern zusammenhalten. Ich lausche seiner gehauchten Zuversicht, störe nicht seinen Schlaf. Doch er stört meinen: Vorstandssitzungen hält man nicht nach durchwachten Nächten, und die wievielte Chance ist die letzte?
Ich ruhe nicht, ich zweifle, ich bereue nicht. Auf meine Lust und meinen Verdruss kann ich gleichermaßen verzichten, doch ich bereue weder noch, nicht die Vergangenheit und nicht die Zukunft. Bald wird das Morgenlicht ausreichen, mich meiner Erinnerung zu versichern. Ich höre ihn: Er schnarcht. Ich wache.

Erwache ich im ersten Licht des Tages, so wird er weg sein und die Erinnerung bereits verblasst. Laubgefiltert schickt die Sonne ihre Strahlen durchs Fenster, gibt der Welt ihre Farben zurück, ich atme sie ein und fühle der vergangenen Enge nach. Ich wünsche nicht zu vergessen, doch meine Seele wird aus dem Schatten treten.


Toller Titel, schöne Sprache, Nachtwache einer Frau neben ihrem schlafenden Mann. Keine Handlung, nur innerer Monolog.

Ich habe lange versucht das Bildmotiv irgendwo zutiefst metaphorisch zu entdecken und bin kläglich gescheitert und freue mich auf Deine Auflösung, da ich den Eindruck habe, dass Du es irgendwo versteckt haben musst.

So ist es für mich trotz der sprachlichen Schönheit ein Beitrag, der die Bildvorgabe nicht umgesetzt hat.

Deshalb nur Mittelfeld.

LG
Nuff


_________________
Pronomen: sie/ihr

Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)

You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach)
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Pony
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 68
Beiträge: 269
Wohnort: NRW


Beitrag06.04.2014 22:34

von Pony
Antworten mit Zitat

Hi,

Das Thema ist getroffen, aber von der Bildvorgabe finde ich nichts. Eine Pointe hat der Text nicht, so wie es sein sollte. Dafür sehe ich den flüchtigen Augenblick nicht. Sie wacht nachts über seinen Schlaf, wälzt Sorgen, kümmert sich ums Kind, kommt nicht zur Ruhe.
Dabei denkt sie über die Beziehung nach. Der Wechsel von direkter Ansprache zur dritten Person soll wohl verdeutlichen, dass sie sich langsam von ihm entfernt. So etwas geschieht allerdings mit der Zeit, nicht in einem flüchtigen Augenblick.

Der Anfang klingt wie der Beginn einer erotischen Geschichte. Im nächsten Abschnitt kommen die Alltagssorgen, (Ein Kind, das nicht schlafen mag, finanzielle Probleme) nach denen sie vom "du" zum "er" wechselt. Gegen Ende des Abschnitts schleicht sich Verdruss und Unzufriedenheit ein - sie muss ihre berufliche Karriere zurückstecken.
Was danach kommt verstehe ich nicht mehr, das mit dem Verzichten, nicht bereuen, zweifeln. Ich grüble seit einer halben Stunde darüber nach, aber ich weiß nicht, wie das gemeint ist. Es klingt für mich einfach zu verworren.

Zitat:
Auf dem Granatbaum vor dem Fenster besingt ein einsamer Vogel den nahenden Morgen. Mir macht er keine Angst mehr:

Warum sie keine Angst mehr hat ist klar. Erklärst du im nächsten Satz. Was ich mich aber frage, ist, warum sie vorher Angst vor dem Vogel hatte.

Zitat:
Kleine nackte Füße trippeln nächtens durch unser Nest, du hörst sie nicht, hörst nicht ihr Zwitschern, nicht ihr Weinen.

Klingt schräg. Füße, die zwitschern und weinen.

Zitat:
- noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen,

Geschrieben ist es, als ob er noch Anteil an ihren Sorgen hat. Aber kann es sein, dass gemeint ist, dass er ihre Sorgen nicht hört, im Sinne von: Weder hört er das tapsende Kind, noch hört er meine Sorgen? So ganz klar wird das nicht.

Ich höre jetzt mal auf zu Grübeln und mache mit dem nächsten Text weiter.

Viel Glück
Pony


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Manche Kommentare sind wie Fisherman's Friends: Sind sie zu stark, bist du zu schwach
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Nordlicht
Geschlecht:weiblichWaldschrätin


Beiträge: 3761



Beitrag08.04.2014 01:56

von Nordlicht
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Uh, mit deinem Text kann ich, ehrlich gesagt, nicht viel anfangen – mir ist das allzu barock und bedeutungsschwanger. Die Sprache ist so gar nicht meins und verlockt mich daher nicht, auf den verschlungenen Bedeutungspfaden zu wandeln. Sorry.
Das Thema Wacht hast du zwar erfasst, aber der Augenblick erscheint mir doch etwas lang und so ganz pointenlos ist er schlussendlich auch nicht.


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If I waited for perfection, I would never write a word - Margaret Atwood
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Lupo
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 364
Wohnort: Pegnesien


Beitrag08.04.2014 21:13
Tief versteckt
von Lupo
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in Halb- und Nebensätzen vermute ich eine Botschaft, die es zu entschlüsseln gilt.
Der Titel weist mich zu dem zwiespältigen Fabelwesen, das im gleichen Maße Glück und Unglück über den ausgießt, der sich mit ihm einlässt.
Außer einer Paarbeziehung kann ich aber weder einen direkten noch einen metaphorischen Zusammenhang mit dem Postkartenmotiv entdecken.
Zwar wimmelt der Text von Andeutungen, doch finde ich keinen Faden, der mir die einzelnen Schlaglichter in eine Reihe bindet.
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Vogel
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 436

Goldene Neonzeit


Beitrag09.04.2014 14:34

von Vogel
Antworten mit Zitat

Das ist so ein Text, dem man eigentlich mehr Zeit widmen müsste, als es möglich ist, wenn man alle Texte bis Freitag schaffen will. Das ist sehr poetisch geschrieben, man könnte auch sagen, kryptisch, man könnte auch sagen: die Sprache steht sich selbst im Weg. Ich will das nicht vorschnell verurteilen, deswegen zähle ich alle Möglichkeiten auf. Mein erster Eindruck ist: komplizierter geschrieben als nötig und die schönen sprachlichen Bilder könnten auch in besser verständliche Sätze verpackt werden.
Der Übergang vom "Du" zum "er" verläuft mir zu beiläufig oder ich habe was falsch verstanden.
Ich finde die "Wacht", aber von dem Bild finde ich nichts.


_________________
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Nicki
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 68
Beiträge: 3613
Wohnort: Mönchengladbach
Ei 10


Beitrag09.04.2014 19:53

von Nicki
Antworten mit Zitat

Aus Zeitgründen schreibe ich nur kurze Bemerkungen unter jeden Text, sofern mir dazu etwas einfällt. Später bei Nachfrage natürlich gerne ausführlicher. In meine Bewertungen sind die Vorgaben, sowie Sprache und Stil mit eingeflossen. Nicht zu vergessen der persönliche Geschmack, denn jede Bewertung kann immer nur subjektiv sein.

Leider nur befedert, mir läuft die Zeit weg. Embarassed


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MfG
Nicki

"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist." Henry Ford
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Ithanea
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 34
Beiträge: 1062

Ei 3 Pokapro 2017


Beitrag09.04.2014 20:45

von Ithanea
Antworten mit Zitat

Leider ist das so gar nicht mein Stil.
So verschlungen und vernebelt - ehrlich gesagt, weiß ich nichtmal, worum es geht.
Ich muss da nochmal über die Bewertung nachdenken, denn du hast dir sicher viele Gedanken dazu gemacht, dir das wohl überlegt und nur weil der Text bei mir nicht ankommt, ist er nicht schlecht. Aber wenn der Inhalt zugunsten der kunstvollen Worte auf der Strecke bleibt, ist meiner Meinung nach auch was Wesentliches nicht erreicht.

 Ich federe erst am Schluss und bewerte nach Themenumsetzung (Eingehalten und Kreativität), Inhalt und Sprache/Stil.


_________________
Verschrieben. Verzettelt.
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UtherPendragon
Eselsohr
U


Beiträge: 402



U
Beitrag09.04.2014 22:43

von UtherPendragon
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Hallo!

Da ist sie also, die "Wacht", bzw. "Wache", in einem sehr emotionaler Text mit mMn ein paar schwächenden Aspekten.

grammatikalisch:
Zitat:
spüre nicht deine Hände meinen entflammten Körper erkundend und fordernd deine Küsse.

sowie insofern, dass der Erzähler einfach so unvermittelt von der zweiten Person in die dritte Person Singular wechselt, was Verwirrung stiftet.
Logik:
Zitat:
Mein Herz möchte innehalten gleich der Welt umher, um deinen Schlaf nicht zu stören.
Warum sollte das Herz schlafstörende Wirkung entwickeln? Wegen seines lauten Pochens wahrscheinlich, aber für mich ist das noch nicht rund.

Es wird angedeutet, dass die Partnerschaft oder Ehe dieser beiden Menschen einmal glücklich war, es aber nun nicht mehr ist, weil sie sich emotional immer weiter voneinander entfernen und der Partner nicht ein mal die eigenen Kinder kennt, falls ich das richtig nachvollzogen habe.
Dennoch bereut die Erzählerin(?) keine ihrer Entscheidungen und führt zu Beginn sogar sehr positive Empfindungen in Worte aus.
Dennoch kommt mir der Schluss wie ein Abschied für immer vor oder sogar wie ein Rückblick auf die ehemalige "Enge".
Deshalb werde ich inhaltlich leider nicht recht schlau aus diesem Werk.
Auch fehlt mir der Bezug zur Vorgabe.

Ich möchte aber auch Stellen aufzeigen, die ich für besonders gelungen halte, was sehr wichtig ist in einem Text, der maximal 350 Worte haben darf.

Zitat:
Die Vogelhochzeit ist vorbei. Kleine nackte Füße trippeln nächtens durch unser Nest, du hörst sie nicht, hörst nicht ihr Zwitschern, nicht ihr Weinen.
Den Vergleicht mit dem scheinbar perfekten Glück eines Vogelpaares finde ich sehr einfallsreich und schön geschrieben!
Zitat:
- noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen, dessen ausstehende Raten unser Glück ehern zusammenhalten.
Eine miserable Situation mit wenigen Worten erläutert.
Zitat:
Laubgefiltert schickt die Sonne ihre Strahlen durchs Fenster, gibt der Welt ihre Farben zurück, ich atme sie ein und fühle der vergangenen Enge nach.
Poesie, besonders die laubgefilterten Sonnenstrahlen.

mhmh... fünf Federn, glaube ich. Jaaa ich denke schon. smile

LG
Uther Pendragon


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firstoffertio
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Beitrag10.04.2014 23:19

von firstoffertio
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Hier habe ich Probleme, das Bild zu entdecken. Einzig das Schwarz/Weiß könnte ich finden. Das ist mir zu wenig.
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Zauberstift
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Beiträge: 389



Beitrag11.04.2014 13:49

von Zauberstift
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Schöner Text. Du verstehst dein Handwerk. Daumen hoch
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sleepless_lives
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Administrator
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Beitrag11.04.2014 16:34

von sleepless_lives
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Hier musste ich mich schon beim ersten Mal zwingen, über den ersten Abschnitt hinaus zu lesen. Die Sprache trieft von Schwulst und ist schwer ertragbar in ihrer Bemühen und Scheitern, poetisch zu sein. Im dritten Abschnitt findet sich ein veränderter Ton. Am Anfang ist es nur ein einziges Wort »schnarcht«. Es passt nicht, es ist wie ein Alarmsignal. Schau hin, hier wird eine andere Geschichte erzählt als die, die vordergründig erscheint.

Dann kommt die Erkenntnis. Da wird möglicherweise finanzielle und/oder emotional Abhängigkeit beschrieben, auf jeden Fall ist die Perspektive die der weiblichen (?) Hauptfigur und das kitschige Sentimentale ist Absicht, begründet in der Stimme der Hauptfigur. So etwas ist schwierig hinzukriegen, wenn man nur 350 Wörter hat, und so bleibt vieles im Dunklen oder Unklaren. Die Geschichte leidet darunter, denn man würde doch gerne mehr über diese Person erfahren, trotz allem, aber man muss es sich zusammensuchen und manchmal -reimen. Vielleicht gefällt es mir auch einfach nicht, dass keine andere Seite von ihr gezeigt wird, dass es dadurch etwas Stereotypes hat. Wunschdenken, dass es nicht so sein möge, gegen den Realismus des Textes gesetzt.

7 Federn


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Jenni
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Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag12.04.2014 00:27

von Jenni
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Ähem, tja, wie soll ich’s sagen. Diese Idee mit der Postkarte und den 350 Wörtern ... das verführt mich einfach dermaßen dazu, so völlig symbolisch und kryptisch zu überladen, bis leider keine Chance mehr besteht, verstanden zu werden – mir tatsächlich bewusst, aber ich kann dem einfach nicht widerstehen. Ich kann nicht mal ehrlichen Herzens sagen, dass es mir leid täte, weil es mir so enorm viel Spaß gemacht hat, meinen Text zu schreiben zusammenzukonstruieren.
Ein paar Leute zumindest haben ihn trotzdem gerne gelesen, was mich natürlich umso glücklicher macht. smile
Danke euch allen fürs Lesen und Kommentieren, besonders denen, die versucht haben zu verstehen, wo ich es euch dabei so schwer (eigentlich unmöglich) gemacht habe.

Ich würde es gerne dabei belassen, aber ich kann nicht. Kann nicht auf mir sitzen lassen, zur Wikipedia verlinkt zu werden, damit ich verstünde, was „Wacht“ bedeutet. Laughing
Deshalb meine Intention (in mehr als 350 Worten und etwas unkryptischer) ...


Die Wacht: Meine Protagonistin wacht über die Liebe, oder das was sie dafür hält, solange, bis sie erkennt, dass sie darüber sich selbst verloren hat. Die Liebe in ihrer Flüchtigkeit und das bewusste Wagnis, sich dennoch darauf einzulassen: das ist für mich die Hängebrücke.
Die beiden Wächter/Steine/Geister sind sie und ihr Geliebter, die in einer gesunden Beziehung gemeinsam darüber wachen würden, doch er „schläft“ und nur sie „wacht“, aus Angst ihn zu verlieren, und zerstört damit ihre Liebe und fast auch sich selbst.

Mein Text beinhaltet sechs Augenblicke der nächtlichen (eigentlich frühmorgendlichen) Wacht über den Atem des Geliebten, die in der Wahrnehmung der „Wächterin“ (und des Lesers?) zu einem einzigen Augenblick verschmelzen. Die sechs Augenblicke (sechs Absätze im Text) sollen sechs Phasen in ihrer Beziehung versinnbildlichen. In diesen Phasen verändert sich die Art, wie sie seinen Atem ergo seine Anwesenheit in ihrem Leben wahrnimmt, wobei sie jedoch bis fast zuletzt versucht, sich ihre Wahrnehmung schönzureden.

I) Verlieben, Leidenschaft, Körperlichkeit: Der euphorische Augenblick nach der ersten gemeinsamen Nacht; seinen Atem zu hören bedeutet ihr, nicht allein zu sein, und beinhaltet die Hoffnung auf zukünftige gemeinsame Augenblicke. Sie hat bereits Angst diese Hoffnung zu verlieren, bevor daraus Wirklichkeit geworden ist. Er ist ihr Feuervogel: ein Wesen aus der slawischen Mythologie, das seinem Fänger sowohl Glück als auch Unheil bringt. Misstrauisch beginnt sie über ihr Glück zu wachen und bringt damit langfristig selbst das Unheil über sich. Gleichzeitig ist es der Beginn der immerwährenden Nacht dieser Beziehung, der wiederholten Augenblicke, ihrer selbst gewählten Blindheit und selbst erschaffenen „endlichen“ Dunkelheit.

II) Liebe, Geborgenheit: Er ist geblieben, sie hat keine Angst mehr, sagt sie, doch sie passt ihren Atem ungesunderweise seinem an, damit es so bleibt, damit sie in die gleiche Richtung leben, denn sie hat immer noch Angst. Der Vogel „auf dem Granatbaum dort“ ist übrigens bei Shakespeare die Lerche, ach nein, die Nachtigall, wenn denn der Morgen noch fern ist und die Geliebten somit sicher im Schutz der Dunkelheit.

III) Zukunftsplanung, Familie, Ernst des Lebens: Die Vogelhochzeit, Zeit der Fröhlichkeit, Unbesonnenheit ist vorbei. Der nächtliche Augenblick ist ein unfreiwillig wacher, einer von vielen, denn kleine Kinder bedeuten wenig Schlaf; doch seine beständigen Atemzüge zeugen davon, dass ihn das weniger kümmert - oder aber sie nicht zulässt, dass es ihn kümmert, könnte sie ihn doch verlieren, wenn sie die schwierigen Momente nicht von ihm fernhält, über seinen „Schlaf“ wacht. Ungerechterweise kreidet sie ihm das an, er ist nicht mehr „du“, sie bricht die Kommunikation auf dieser Ebene ab.

IV) Alltagsprobleme und Entfremdung: Ein Augenblick sorgenvoller Schlaflosigkeit, gewälzter Probleme, während sein Atem nach „Zuversicht“ klingt, was an dieser Stelle schon ein Euphemismus für Unbekümmertheit oder gar Gleichgültigkeit ist. Denn für ihn hat sie ja auf alles verzichtet im Leben, auf ihre Karriere, wie kann er da ruhig schlafen?
Na, deshalb: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch.“ (Mätthaus 6.26) wink

V) Resignation: In diesem Augenblick versteht zumindest meine Protagonistin, was für ein fieses Spiel ich mit ihr treibe. Sie erkennt die vergangenen und zukünftigen Momente, die in diesem einen stecken, sie zweifelt, sie sieht das Glück und das Unheil darin, bereut aber nicht, geliebt zu haben. Und sie bereut auch nicht das, was kommen wird, wie auch immer sie sich entscheidet. Sein Atem: er schnarcht. Was ist aus dem (Feuer)Vogel geworden ... Edith Piaf hat ja auch immer nichts bereut. (Ach nee, Moment, ich erkläre ja gerade, ganz unkryptisch also: Ich beziehe mich auf das Lied „Je ne regrette rien“ von Edith Piaf, die als „Spatz von Paris“ bezeichnet wurde.)

VI) Ende oder Neubeginn: Denn die Entscheidung ist noch nicht getroffen, jedenfalls ist sie in meinem Text (für mich) nicht determiniert. „Wacht“ sie weiter, bleibt er. „Erwacht“ sie (und ja, hier spiele ich mit der Doppelbedeutung von „wachen“, ohne jedoch missverstanden zu haben, was in der Aufgabenstellung gemeint war), hat sie aufgehört zu wachen und ist das Risiko eingegangen, er könnte verschwinden – was nicht heißt, dass er das auch tut. Fest steht nur: Meine Protagonistin hat sich aus ihrer Situation befreit, die Nacht ist vorbei, sie atmet wieder selbst statt dem Atem eines anderen zu lauschen, sie tritt aus dem Schatten: aus ihrer Beziehung oder in eine selbstbewusstere Phase in ihrer Beziehung. Aus dem Schatten ihres Feuervogels, der längst kein Feuervogel mehr ist. Denn nimmermehr aus dem Schatten des Raben zu treten (erklär: ich beziehe mich auf das Ende von E.A. Poes „Der Rabe“), würde den Tod bedeuten.


Gute Nacht. smile
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sleepless_lives
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Beitrag12.04.2014 14:20

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Manchmal ist is es doch besser, wenn die Autoren ihre Texte nicht erklären. Oder wäre es gewesen. Verstecken

Nun, ein Text ist das, was er ist, wie er von den Lesern verstanden wird. Ich würde gerne trotzdem ein paar Federn abziehen. Laughing


Manchmal scheinst du es bewusst dem Leser schwer machen zu wollen:
Zitat:
Die sechs Augenblicke (sechs Absätze im Text)

Aber da sind nur vier deutliche Absätze. Einmal ist der Augenblick nur durch einen Gedankenstrich markiert, das andere Mal nur durch einen Zeilenumbruch ohne Leerzeile. Die visuelle Struktur sagt nicht sechs, sondern viereinhalb.


Jenni hat Folgendes geschrieben:
Denn nimmermehr aus dem Schatten des Raben zu treten

Wo ist denn der Rabe in der Geschichte?


Wenn ich das als sechs verschiedene Augenblicke auffasse, dann fließen sich nicht in einander. Da ist m. E. nichts in der Geschichte, das das andeutet. Und du kannst ja nicht erwarten, dass die Leser schon vor Beginn des Textes die gleiche Perspektive wie du haben. Als Leser stürtzt man sich in einen Text wie in einen kalten Wildbach und hofft, dass man am Ende wieder sicher und unversehrt herauskommt. Nicht immer ist das der Fall (gerade bei sehr guten Texten). Die mit viel Leseerfahrung haben sich eine Schwimmweste angelesen und manche, die sich nicht auf Texte einlassen wollen, benutzen ein Schlauchboot. Aber man kann nicht schon mal davor das Wasser testen und es gibt keine Karte vom Flussverlauf, die man voher studieren könnte. Wenn man wissen will, wo es hingeht, muss man mitschwimmen. Und deswegen muss das Verschmelzen der Augenblicke im Text selbst zu finden sein.

Was ich überhaupt nicht (mehr) auf die Reihe kriege, ist:

Zitat:
noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen, dessen ausstehende Raten unser Glück ehern zusammenhalten. Ich lausche seiner gehauchten Zuversicht, störe nicht seinen Schlaf. Doch er stört meinen: Vorstandssitzungen hält man nicht nach durchwachten Nächten, und die wievielte Chance ist die letzte?

Ich hatte angenommen, dass er die (realen) Vorstandssitzungen im Berufsleben hält. Jetzt passt das aber nicht mehr zu den Sorgen, die ja mit den austehenden Raten zu tun zu haben scheinen. Geldmangel sollte aber nicht gerade ein Problem sein, im Gegenteil. Es sei denn die Firma ist dabei, Bankrott zu gehen, in welchem Fall er sicher auch nicht ruhig schlafen würde.


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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag12.04.2014 15:09

von Jenni
Antworten mit Zitat

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Manchmal ist is es doch besser, wenn die Autoren ihre Texte nicht erklären. Oder wäre es gewesen. Verstecken

Nun, ein Text ist das, was er ist, wie er von den Lesern verstanden wird. Ich würde gerne trotzdem ein paar Federn abziehen. Laughing

Ich weiß. Jeder hier, der seinen Text erklärt, sagt das dazu, und mir selbst ist das auch völlig klar: Durch Erklären macht man keinen Text besser (weil der Text selbst transportieren sollte) und in diesem speziellen Fall schon dreimal nicht, weil mein Vorhaben von vornherein ... ich hätte das ja jetzt einfach totschweigen können, der Vorsatz war da.
Aber, jedenfalls gibt es immer ein Aber: Wir sind ja zum Lernen hier. Also ich jedenfalls. Und ich will wenigstens was daraus lernen. Schwierig, wenn die meisten Kommentare sich darauf beschränken, ob ich deutlich genug die Vorgaben umgesetzt habe (was ich nicht getan habe). Deshalb Striptease ...

(Das mit den Federn habe ich mir ehrlich gesagt schon gedacht. Mach ruhig. Allerdings ist das strenggenommen auch nicht richtig, nach deiner Logik: Denn du hast ja den Text bewertet, und der ist, als was er verstanden wird, egal was ich versucht habe ihm anzutun. Razz)

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Manchmal scheinst du es bewusst dem Leser schwer machen zu wollen:
Äh, kann nicht sein. Welchen Grund sollte ich denn dafür wohl haben? Wink

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Die sechs Augenblicke (sechs Absätze im Text)

Aber da sind nur vier deutliche Absätze. Einmal ist der Augenblick nur durch einen Gedankenstrich markiert, das andere Mal nur durch einen Zeilenumbruch ohne Leerzeile. Die visuelle Struktur sagt nicht sechs, sondern viereinhalb.

Weil ... Ok, ganz ehrlich, weil ich dachte, dass es sonst zu zerrissen aussieht - ach war mir ganz lang unklar, wie ich das formatieren soll. Hätte das allerdings irgendwas geändert, ich meine nicht.


sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Jenni hat Folgendes geschrieben:
Denn nimmermehr aus dem Schatten des Raben zu treten

Wo ist denn der Rabe in der Geschichte?

Welcher Rabe. (Ich weiß nur vielleicht, wie du die Frage meinst, und könnte jetzt herumerklären, wie ich das gemeint habe - cool, dann erkläre ich die bereits überflüssige Erklärung zu meinem Text! Aber das führt nirgends hin.)


Das da:
sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich das als sechs verschiedene Augenblicke auffasse, dann fließen sich nicht in einander. Da ist m. E. nichts in der Geschichte, das das andeutet. Und du kannst ja nicht erwarten, dass die Leser schon vor Beginn des Textes die gleiche Perspektive wie du haben. Als Leser stürtzt man sich in einen Text wie in einen kalten Wildbach und hofft, dass man am Ende wieder sicher und unversehrt herauskommt. Nicht immer ist das der Fall (gerade bei sehr guten Texten). Die mit viel Leseerfahrung haben sich eine Schwimmweste angelesen und manche, die sich nicht auf Texte einlassen wollen, benutzen ein Schlauchboot. Aber man kann nicht schon mal davor das Wasser testen und es gibt keine Karte vom Flussverlauf, die man voher studieren könnte. Wenn man wissen will, wo es hingeht, muss man mitschwimmen. Und deswegen muss das Verschmelzen der Augenblicke im Text selbst zu finden sein.

Das meinte ich, das wollte ich jetzt gerne hören. smile Also, natürlich nicht als Herzenswunsch so vernichtend, aber das ist doch jetzt mal das Erste, womit ich etwas anfangen kann, wenn ich daraus lernen möchte. Wie also mache ich, dass sie verschmelzen? Wie hättest du das (beispielhaft) gelöst?
Glaub's mir oder nicht, aber das habe ich wirklich versucht.

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Was ich überhaupt nicht (mehr) auf die Reihe kriege, ist:

Zitat:
noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen, dessen ausstehende Raten unser Glück ehern zusammenhalten. Ich lausche seiner gehauchten Zuversicht, störe nicht seinen Schlaf. Doch er stört meinen: Vorstandssitzungen hält man nicht nach durchwachten Nächten, und die wievielte Chance ist die letzte?

Ich hatte angenommen, dass er die (realen) Vorstandssitzungen im Berufsleben hält. Jetzt passt das aber nicht mehr zu den Sorgen, die ja mit den austehenden Raten zu tun zu haben scheinen. Geldmangel sollte aber nicht gerade ein Problem sein, im Gegenteil. Es sei denn die Firma ist dabei, Bankrott zu gehen, in welchem Fall er sicher auch nicht ruhig schlafen würde.

Ich habe das so gemeint: Er stört ihren Schlaf dadurch, dass sie ihre eigenen Belange zurückstellen zu müssen glaubt, um ihn nicht zu stören. Die Sorgen um das Haus sind keine finanziellen Sorgen, jedenfalls nicht direkt: Genau wie gemeinsame Kinder können gemeinsam eingegangene finanzielle Verpflichtungen eine Beziehung zusammenhalten, und die Frage nach deren substanziellem Bestand in den Hintergrund rücken. Die Vorstandssitzungen würde sie halten, wenn sie Karriere gemacht hätte, statt ihm und der Familie zugunsten zurückzutreten. Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät dafür, vielleicht auch schon.

Danke jedenfalls für deine Rückmeldung, du.


Ok. Eventuell will ich auch noch ein oder zwei andere Kommentare beantworten. Ich verdaue das hier, dann komme ich (vielleicht) noch mal drauf zurück.
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sleepless_lives
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Beitrag12.04.2014 18:08

von sleepless_lives
Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:

(Das mit den Federn habe ich mir ehrlich gesagt schon gedacht. Mach ruhig. Allerdings ist das strenggenommen auch nicht richtig, nach deiner Logik: Denn du hast ja den Text bewertet, und der ist, als was er verstanden wird, egal was ich versucht habe ihm anzutun. Razz)

Das war ja nur ein Witz. Eine Text hat immer viele Facetten, nicht nur die bewusste Intention der Autorin.


Jenni hat Folgendes geschrieben:
sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Jenni hat Folgendes geschrieben:
Denn nimmermehr aus dem Schatten des Raben zu treten

Wo ist denn der Rabe in der Geschichte?

Welcher Rabe.

Mir wäre eine Motivationskette der Art
Poes "Der Rabe" --> Schatten des Raben mit besonderer Bedeutung --> Schatten in der Geschichte, aus der die Seele treten wird
zu viel. Das ist m. E. keine Intertextualität mehr, sondern die Anrufung von Telepathie.


Jenni hat Folgendes geschrieben:
Wie also mache ich, dass sie verschmelzen? Wie hättest du das (beispielhaft) gelöst?
Glaub's mir oder nicht, aber das habe ich wirklich versucht.

Glaub ich dir sofort und ich habe keine Lösung. Das ist wirklich schwer, schon ohne die Wortbegrenzung - das musst du bei den besten Autoren der Weltliteratur studieren. Wobei mir jetzt spontan keine Stelle einfällt. Du hast dich da an kolossale Schwierigkeiten herangewagt.


Jenni hat Folgendes geschrieben:
Ich habe das so gemeint: Er stört ihren Schlaf dadurch, dass sie ihre eigenen Belange zurückstellen zu müssen glaubt, um ihn nicht zu stören. Die Sorgen um das Haus sind keine finanziellen Sorgen, jedenfalls nicht direkt: Genau wie gemeinsame Kinder können gemeinsam eingegangene finanzielle Verpflichtungen eine Beziehung zusammenhalten, und die Frage nach deren substanziellem Bestand in den Hintergrund rücken. Die Vorstandssitzungen würde sie halten, wenn sie Karriere gemacht hätte, statt ihm und der Familie zugunsten zurückzutreten. Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät dafür, vielleicht auch schon.

 Idea  Blink Idea
Klar jetzt.
Hättest du nicht vielleicht einen kleinen, kleinen, kleinen Hinweis geben können? Falls die Vorstellung der Protagonistin nicht völlig realitätsfern ist. Sie kommt nämlich nicht so herüber, als hätte sie das Zeug fürs Management. In der gesamten Geschichte ist sie passiv, auch in Gefühlsdingen. Sie erfüllt ein stereotypes Frauenbild, die Frau, die sich dem Mann anpasst und keinerlei andere Ambitionen hat, als über sein Wohlergehen (und das der Kinder zu wachen). In jedem Moment (außer am Schluss) abhängig von seinen Entschlüssen.
Witzig, ich komme automatisch zu meiner Auffassung des Textes zurück.
Ich bin mir nicht sicher, ob das deine Absicht war ... und ob dass andere genauso sehen.


_________________
Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)

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Vogel
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Goldene Neonzeit


Beitrag12.04.2014 20:44

von Vogel
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Also, ich hatte es auch so verstanden, dass sie über den Schlaf des Mannes wacht, damit er auf seine Vorstandssitzung gehen kann, weil davon ja die Raten fürs Haus abhängen.

_________________
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag12.04.2014 20:54

von Jenni
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sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Witzig, ich komme automatisch zu meiner Auffassung des Textes zurück.
Ich bin mir nicht sicher, ob das deine Absicht war ...

Ja, genau das war meine Absicht, dass du wieder zu deiner Auffassung zurückkommst!

Puh, Stille. smile


Das war Spaß.
Deine Auffassung meines Textes fand ich überhaupt nicht falsch. Also, für mich widersprach die nicht meiner eigenen Auffassung.

Ich verabscheue meine Protagonistin vielleicht nicht ganz so arg wie du. Wobei inzwischen fast schon, aber ich habe sie beim Schreiben nicht verabscheut. Zum Glück, denn sonst hätte das ganze auch noch eine sarkastische Note bekommen.
Ist sie so passiv? Sie hat Angst vor dem Alleinsein, das lediglich war mein Plan, der Rest hat sich eben so ergeben. Ja, vielleicht ist sie passiv und stereotyp. Über ihre Entwicklung habe ich mir offenbar zu wenig Gedanken gemacht. Oder aber ich dachte, das reicht als Figurenentwicklung in einem 350-Wörter-Text (eigentlich sind es womöglich nur 320 oder so), dass sie sich selbst in ihrer Angst vergisst und sich das aber am Ende bewusst macht.

Dass es um ihre Karriere ging bei der Vorstandssitzung (klar ist das plakativ, aber ich dachte, ich brauche etwas plakatives), das hat irgendjemand verstanden, ich glaube Pony? Also war das offenbar möglich zu verstehen.

Toll, jetzt ist mir zwischendurch Vogel in den Rücken gefallen. Vogel, wie passend ...

sleepless_lives hat Folgendes geschrieben:
Mir wäre eine Motivationskette der Art
Poes "Der Rabe" --> Schatten des Raben mit besonderer Bedeutung --> Schatten in der Geschichte, aus der die Seele treten wird
zu viel. Das ist m. E. keine Intertextualität mehr, sondern die Anrufung von Telepathie.

Nein, das könnte ich jetzt wirklich besser begründen. Ganz ehrlich, ich würde dich bestimmt auch irgendwie überzeugen. Nur ... komme ich mir dann langsam lächerlich dabei vor. Ursprünglich war das mit den Vögeln nämlich nur Spaß. Weil Maria im SmallTalk geschrieben hatte, das Thema habe mit Vögeln zu tun: Als ich dann so versuchte, diese ganzen (wie ich immer noch finde sehr komplexen) Vorgaben gedanklich unter einen Hut zu bekommen, da dachte ich in meiner zwischenzeitlichen Verzweiflung "hey, überhaupt kein Problem, und mit Vögeln hat das ganze Schlamassel am Ende auch noch zu tun". Embarassed
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Vogel
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Goldene Neonzeit


Beitrag13.04.2014 12:33
Re: Feuervogel [Prosa]
von Vogel
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Hallo Jenni,

dass Du Deinen Text erläuterst und noch so viel dazu sagst, finde ich sehr sympathisch. Wie in meinem kurzen Kommentar erwähnt, ging er mir durchaus nahe und ich fand den darin beschriebenen Konflikt sehr nachvollziehbar und mit schönen sprachlichen Bildern erzählt. Ich gebe aber andererseits zu, dass ich anfangs den Verdacht hatte, dass hier jemand bewusst kryptisch und "verschwurbelt" schreibt, um Bedeutungsschwere und literarische Tiefe vorzutäuschen. Dass Du aber so viel noch erläuterst und so offen mit der Kritik umgehst, beweist für mich das Gegenteil, denn so jemand hätte sich sicher in vorgeblich überlegenes Schweigen gehüllt.
Daher will ich gerne, wenn du magst, versuchen zu ergründen, was den Text für mich so schwer lesbar und z.T. auch verstehbar gemacht hat, denn ich finde, er ist das wert.


Zitat:
Schaue nicht länger dein Lächeln, das sich wie Feuerüberschlag auf meine Lippen ausweitet

"Ich schaue etwas" ist m.E. kein richtiges oder zumindest kein zeitgemäßes Deutsch, wenn auch es in Gedichten vorkommt, aber gerade deshalb klingt es für mich nach gewollt "lyrischer" Sprache. Das Wort "Feuerüberschlag" kannte ich persönlich nicht, was mir das Verständnis erschwert hat. Ich habe aber gerade gegoogelt und gesehen, dass das tatsächlich ein Fachausdruck ist. Das Bild ist eigentlich sehr schön. Ich denke, das ist das Risiko wert, das vielleicht noch mehr Leser den Begriff nicht kennen.

Zitat:
, spüre nicht deine Hände meinen entflammten Körper erkundend und fordernd deine Küsse.

Tut mir leid, aber das ist wirklich total schräg formuliert. Ich beneide die Engländer darum, wie leger sie mit Partizipien komplexe Sachverhalte ausdrücken können. Auf Deutsch klingen die aber fast immer hölzern. Ich persönlich benutze so was nur in absoluten Ausnahmefällen. Ich meine aber, dass es hier nicht nur hölzern ist, sondern falsch. Der erste Teil wäre ja auch so richtig: "ich spüre nicht (wie) deine Hände meinen Körper erkunden". Das "wie" kann man ggfs. aussparen, wenn man will. "Erkundend" wäre doch nur richtig, wenn die Hände erkundend noch was anderes machen, z.B. "wie deine Hände meinen Körper erkundend über ihn tasten" oder so. Der zweite Teil passt dann noch weniger. "... und deine fordernden Küsse" würde Sinn ergeben. So müsste sich das "fordernd" doch auf "ich" beziehen. "Ich spüre fordernd deine Küsse" wie in "Ich winke fordernd den Kellner heran."


Zitat:
Höre deinen Atem im Dunkel flüstern von künftigen Verzückungen.

Grundsätzlich sind solche Umstellungen im Deutschen erlaubt und vor allem in Gedichten brauchbar. Ich weiß wie das ist, weil ich selbst dazu neige, Halbsätze nachzustellen. Es klingt dann oft etwas verwunschener, bedeutungsschwerer. Für andere klingt es dann aber oft einfach schräg und schwer verständlich. Ich will nicht sagen, dass das so definitiv falsch ist. Aber die normale Variante wäre: "Höre deinen Atem im Dunkel von künftigen Verzückungen flüstern."


Zitat:
Unsere Herzen schlagen in ewigem Gleichklang; solange es mir nur gelingt meinen Atem dem deinen anzupassen. Leben wir in die gleiche Richtung –
nicht mehr zu zweit. Die Vogelhochzeit ist vorbei.

Das Semikolon finde ich in Orndung. Aber wieso der Punkt vor "Leben"? Das ergibt doch nur Sinn, wenn es heißt: "solange es mir gelingt, meinen Atem anzupassen, leben wir in die gleiche Richtung." Oder, wenn das ein neuer Satz ist: "Wir leben in die gleiche Richtung." Vor die Vogelhochzeit gehört ein Absatz, finde ich.



Zitat:
Kleine nackte Füße trippeln nächtens durch unser Nest, du hörst sie nicht, hörst nicht ihr Zwitschern, nicht ihr Weinen.

Das gefällt mir außerordentlich gut, wenn auch vielleicht Pedanten bemängeln würden, dass in einem Nest kein Platz zum Laufen ist und Füße auf Nestboden (weich) nicht Trippeln.


 
Zitat:
Ich widerstehe der Erschöpfung, die im Schutz der Dunkelheit ihre verführerischen Krallen nach mir ausstreckt.

Finde ich nicht ganz präzise, die Erschöpfung ist ja nicht Verführerisches, sondern der Schlaf, wenn man erschöpft ist.

 
Zitat:
Nichts und niemand stört seinen Schlaf, seine beständigen, vollkommenen Atemzüge geben mir Kraft für die Widrigkeiten des Lebens.

Das ist der Punkt, den ich in meinem Kurzkommentar schon angesprochen habe: hier ändert es sich vom "Du" zum "Er." Das ist ein bedeutender Schritt, wenn es denn Absicht ist. Aber es ist auch schwer zu verstehen und verwirrend (ich überlege immer noch, ob ich vielleicht den Text doch falsch verstehe und von zwei Männern die Rede ist?). Auch weil es mitten im Absatz passiert, weil es so beiläufig passiert.



Zitat:
- noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen, dessen ausstehende Raten unser Glück ehern zusammenhalten.

Auch dieses Bild gefällt mir sehr gut und der ganze Gedanke hat so etwas traurig-nüchternes. Aber warum beginnt der Absatz mit einem Gedankenstrich und einen kleingeschriebenen Wort? Ergibt für mich keinen Sinn, macht es nur unleserlich.

Zitat:
Ich lausche seiner gehauchten Zuversicht, störe nicht seinen Schlaf.

Verstehe ich nicht ganz. Ist seine gehauchte Zuversicht sein ruhiger weil sorgloser Atem im Schlaf?


Zitat:
Doch er stört meinen: Vorstandssitzungen hält man nicht nach durchwachten Nächten, und die wievielte Chance ist die letzte?

Gut, das hatten wir schon, für mich passt das mit den Vorstandssitzungen auf den Mann, wobei ich dann das mit den Chancen nicht verstanden habe. Das ergibt mehr Sinn nach der Erläuterung, aber ich finde man kommt nicht von selbst drauf. Vielleicht wäre so was "... nach wie viel Jahren Elternzeit hat man noch eine Chance" oder so eindeutiger.


Zitat:
Ich ruhe nicht, ich zweifle, ich bereue nicht.

Soll das heißen, sie ruht und bereut nicht, zweifelt aber? Aus dem Zusammenhang vermute ich, sie tut alles drei nicht, aber dann müsste es entweder heißen: "Ich ruhe nicht, ich zweifle nicht, ich bereue nicht" oder "ich ruhe, zweifle und bereue nicht". Oder wahrscheinlich noch richtiger: "weder ruhe ich, noch zweifle oder bereue ich".

Zitat:
Auf meine Lust und meinen Verdruss kann ich gleichermaßen verzichten, doch ich bereue weder noch, nicht die Vergangenheit und nicht die Zukunft.

Auch das verstehe ich nicht ganz und der Satz ist sehr lang. Ich würde denken, sie verzichtet vermutlich schon auf ihre Lust, klingt jedenfalls nicht sehr lustvoll, das alles. "Auf meine Lust kann ich verzichten" ergäbe dann Sinn. Verdruss hingegen scheint sie ja zu haben. Da würde dann ein "Auf den Verdruss könnte ich auch gut verzichten" einen Sinn ergeben, im Sinne eines Wunsches. Aber beides in einem Satz finde ich unlogisch. Dann kommt, durch Komma getrennt: "ich bereue weder noch". Das beziehe ich jetzt erst mal auf Lust und Verdruss. Dann werden aber Vergangenheit und Zukunft nachgestellt. Da müsste also mindestens ein Punkt dazwischen. Ich würde dann auch einen Doppelpunkt setzen: "Ich bereue weder noch: nicht die Vergangenheit und nicht die Zukunft."


 
Zitat:
Bald wird das Morgenlicht ausreichen, mich meiner Erinnerung zu versichern.

Heißt das, das Tageslicht bringt den Alltag, die Routine und vertreibt die Zweifel? Ich verstehe das nicht ganz, weil sie ja im Dunkeln da liegt und sich offenkundig an alles erinnert, da sie ja darüber sinniert.


Zitat:
Erwache ich im ersten Licht des Tages, so wird er weg sein und die Erinnerung bereits verblasst.

Das verstehe ich nun gar nicht mehr. Ich denke das Morgenlicht hilft bei der Erinnerung? Und sie ist doch wach, er schläft, es dämmert schon fast. Dann müsste sie jetzt innerhalb kürzester Zeit einschlafen, in der dann sein Wecker klingelt, er steht schnell auf und geht zur Arbeit, noch im Dunkeln, und dann wacht sie schon wieder im ersten Tageslicht auf und er ist weg, alles innerhalb von einer halben Stunde?

Zitat:
Laubgefiltert schickt die Sonne ihre Strahlen durchs Fenster

Das ist meine absolute Lieblingsstelle.

Zitat:
und fühle der vergangenen Enge nach

Nämlich der zurückliegenden Nacht mit ihren Zweifeln? Aber so eine Hausfrauenmorgen mit kleinen Kindern setzt doch die Enge und das Dilemma fort, tausend Pflichten werden sie an die Zweifel erinnern und noch dazu ist sie übermüdet.


 
Zitat:
Ich wünsche nicht zu vergessen, doch meine Seele wird aus dem Schatten treten.

Hat sie sich also entschieden, etwas zu verändern? Okay, das kann dann auch die vergangene Enge erklären.

Ich finde übrigens durchaus, dass man Deine Geschichte als vorübergehenden Augenblick auffassen kann. Eigentlich ist es dieser Augenblick des nächtlichen Wachens und Nachdenkens und in so einem Moment können einem eben auch ziemlich komplexe Gedanken zu einer längeren Vergangenheit durch den Kopf gehen.

Ich hoffe, dass meine Gedanken Dir helfen können und Du sie nicht als herumkritteln empfindest.

Gruß
Vogel


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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag13.04.2014 17:31

von Jenni
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Hallo Vogel,

Ich danke dir, dass du dich noch mal so auführlich damit auseinandergesetzt hast. Das ist natürlich deluxe, so detaillierte Rückmeldung, wie bestimmte Bilder und Formulierungen beim Lesen wirkten. smile
Ich glaube, ich mag da in den nächsten Tagen noch ausführlicher darauf antworten, verdient hast du es. Wobei es wohl nichts bringt, dir jetzt zu erklären, was ich mir bei jeder Formulierung dachte (sei gewiss, ich dachte mir einen Haufen Zeug dazu). Ach, weißt du was, ich werde auf Strittiges schon eingehen, wenn ich wieder mehr in Diskutierlaune bin: Das macht Spaß und wir lernen beide draus. smile

Auf jeden Fall danke.

LG Jenni
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Goldene Neonzeit


Beitrag13.04.2014 19:06

von Vogel
Antworten mit Zitat

Ich freu mich drauf.

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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag14.04.2014 22:16
Re: Feuervogel [Prosa]
von Jenni
Antworten mit Zitat

So, auf ein Neues. Vogel. Und der Zwinkeraffe auch! (Ich versuch das auch noch mit dem Raben klarzustellen*.) Und überhaupt.

(Ich wollte zum Beispiel auch dringend noch sagen, dass ich sauenttäuscht von BlueNote bin, dass ich nur fast eine Feder bekommen habe und nicht richtig. Verweichlichtes Pack. wink)

Vorweg noch mal: Tatsächlich habe ich meinen Text übermäßig kryptisch aufgebaut, aber wirklich nicht zu dem Zweck, nicht verstanden zu werden. Sondern einfach, weil ich dachte, in dem Rahmen und in dieser Kürze des Textes darf ich mich da mal völlig ausprobieren. Ich wusste zwar, dass man das nicht bewusst verstehen kann, was ich alles versucht habe hineinzupacken, aber ich hoffte, dass es vom Gefühl trotzdem irgendwie verständlich ist, oder noch besser interpretationsfähig. Und irgendwo muss es das ja gewesen sein, denn bei ein paar Leuten (gar nicht mal so wenigen, wenn ich mir jetzt die Einzelbewertungen so anschaue) kam doch zumindest etwas davon an - und das hat mir echt viel bedeutet.
(Ich hoffe, die wollen jetzt nicht alle im Nachhinein Federn abziehen. Laughing)

Vorweg zwei: Noch mal zu diesen verschiedenen Augenblicken, die zugleich ein einziger Augenblick sein sollen und ein ganzes Leben. Meine Vorstellung war, ich könnte diese Momente zuerst mal assoziativ miteinander verbinden: Indem sie möglichst ähnlich sind, immer frühmorgendliche Momente, immer sie wach, er schläft, immer lauscht sie als einzige Handlung seinem Atem. Es sollten sozusagen thematische Variationen eines einzigen Augenblicks sein. Dann habe ich auch versucht, sie assoziativ und durch Mehrdeutigkeiten in den Formulierungen ineinanderfließen zu lassen, weil ich fand, dass das zu diesem schlaftrunkenen traumähnlichen Zustand passt. Und wenn das letztlich so wirkte, als sei es eine einzige Nacht, in der sie über verschiedene Phasen ihrer Beziehung reflektiert, dann hat auch das seine Richtigkeit, denn diese Wahrnehmung durch meine Protagonistin/Erzählerin und dadurch auch den Leser wollte ich ja damit erzeugen: Und so haben es wohl die meisten aufgefasst. (Wobei interessanterweise eine Person, nämlich Lapidar, es als mehrere Augenblicke gelesen hat.)


Und nun zu dir, du komischer Vogel. Wink
Wie gesagt, ich gehe nicht auf jede Formulierung ein. Zum Teil ist dir ja selbst noch im Zusammenhang klargeworden, wie etwas gemeint war.
Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Schaue nicht länger dein Lächeln, das sich wie Feuerüberschlag auf meine Lippen ausweitet

"Ich schaue etwas" ist m.E. kein richtiges oder zumindest kein zeitgemäßes Deutsch, wenn auch es in Gedichten vorkommt, aber gerade deshalb klingt es für mich nach gewollt "lyrischer" Sprache. Das Wort "Feuerüberschlag" kannte ich persönlich nicht, was mir das Verständnis erschwert hat. Ich habe aber gerade gegoogelt und gesehen, dass das tatsächlich ein Fachausdruck ist. Das Bild ist eigentlich sehr schön. Ich denke, das ist das Risiko wert, das vielleicht noch mehr Leser den Begriff nicht kennen.

In diesem ersten Absatz, da wollte ich tatsächlich, dass das ... ich weiß nicht, natürlich nicht "gewollt lyrisch" klingt, aber eben diese übertrieben euphorische Kitsch-Romantik frischer Verliebtheit transportiert. Womöglich hab ich's damit übertrieben. Aber Feuerüberschlag ist super, oder? Ich kannte das Wort vorher auch nicht, ich habe eine Metapher gesucht, die mit Feuer zu tun hat, und beschreibt es nicht perfekt die Infektiösität verliebten Lächelns? (Für diejenigen, die dieses schöne Wort ebenfalls nicht kannten: Feuerüberschlag heißt, wenn das Feuer von einem Gebäude auf ein nicht direkt anschließendes überspringt.) Ich mag dieses Bild immer noch, jawohl.

Ich "schaue" ist halt aktiver als ich "sehe", und ich stellte mir so vor, dass sie ihn ewig angeschaut hat, bevor sie "endlich" das Licht löscht - womit ich aber zugleich sagen wollte, dass die Dunkelheit nur "endlich" ist, der nächtliche Augenblick, der die ganze Beziehung repräsentiert. Aber ich verstehe dein Problem damit durchaus.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
, spüre nicht deine Hände meinen entflammten Körper erkundend und fordernd deine Küsse.

Tut mir leid, aber das ist wirklich total schräg formuliert. (...) Auf Deutsch klingen die aber fast immer hölzern. (...)
Zitat:
Höre deinen Atem im Dunkel flüstern von künftigen Verzückungen.

Grundsätzlich sind solche Umstellungen im Deutschen erlaubt und vor allem in Gedichten brauchbar. (...) Ich will nicht sagen, dass das so definitiv falsch ist. Aber die normale Variante wäre: "Höre deinen Atem im Dunkel von künftigen Verzückungen flüstern."

Ich stimme dir nicht zu, dass das grammatikalisch falsch ist. "Hölzern", das mag sein, und mein Ziel war, dass die Sätze langsam sind, und leise, verstohlen und auch irgendwie sperrig, weil das meinen Überlegungen zur Wahrnehmung dieses Momentes entsprach. Ich kann das nicht besser erklären, es ist, wie sich meine Gedanken zu etwas anfühlen, das wundervoll aber auch nicht richtig in Gedanken/Worte fassbar ist.
Aber das kann schon auch deutlich misslungen sein, da möchte ich nicht widersprechen, das jetzt nur, was meine Vorstellung währenddessen war ...
Damn, wobei ich immer noch finde: Den zweiten Satz, wenn du ihn jetzt laut liest, wie ich ihn geschrieben habe und wie du ihn umformuliert hast - sagt das für dich das Gleiche? Ist dein Satz dann geflüstert?
(Oh, ich komme langsam wieder in Kampflaune - ich hätte dir vorher sagen müssen, dass ich noch ziemlich grippekrank war, als ich Sleepless' Kritikpunkte alle so widerstandslos geschluckt habe. Laughing)

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Unsere Herzen schlagen in ewigem Gleichklang; solange es mir nur gelingt meinen Atem dem deinen anzupassen. Leben wir in die gleiche Richtung –
nicht mehr zu zweit. Die Vogelhochzeit ist vorbei.

Das Semikolon finde ich in Orndung. Aber wieso der Punkt vor "Leben"? Das ergibt doch nur Sinn, wenn es heißt: "solange es mir gelingt, meinen Atem anzupassen, leben wir in die gleiche Richtung." Oder, wenn das ein neuer Satz ist: "Wir leben in die gleiche Richtung." Vor die Vogelhochzeit gehört ein Absatz, finde ich.

Weil sich das Anpassen des Atems sowohl (direkt) auf den Herzschlag beziehen soll, als auch (in übertragenem Sinne) auf das gemeinsame Leben. Zudem gefiel mir, dass das "Leben wir in die gleiche Richtung" sich zunächst wie eine Frage liest - in Frage gestellt wird, denn ist das denn in die gleiche Richtung, wenn einer von beiden sich dabei dem Anderen ständig anpasst? Der Absatz ist vor dem "nicht mehr zu zweit", weil: im einen Moment haben sie begonnen in die gleiche Richtung zu leben, ein gemeinsames Leben zu beginnen - und im nächsten Moment, vielleicht Jahre später, sind eben auch Kinder dabei.
Ja, hab's verstanden, da habe ich mir zuviel vorgenommen. (Wobei, kann man sich zu hohe Ziele setzen? Ich glaube ja nicht ... worum geht es denn hier?)

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich widerstehe der Erschöpfung, die im Schutz der Dunkelheit ihre verführerischen Krallen nach mir ausstreckt.

Finde ich nicht ganz präzise, die Erschöpfung ist ja nicht Verführerisches, sondern der Schlaf, wenn man erschöpft ist.

Da hast du wohl recht, so gesehen.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Nichts und niemand stört seinen Schlaf, seine beständigen, vollkommenen Atemzüge geben mir Kraft für die Widrigkeiten des Lebens.

Das ist der Punkt, den ich in meinem Kurzkommentar schon angesprochen habe: hier ändert es sich vom "Du" zum "Er." Das ist ein bedeutender Schritt, wenn es denn Absicht ist. Aber es ist auch schwer zu verstehen und verwirrend (ich überlege immer noch, ob ich vielleicht den Text doch falsch verstehe und von zwei Männern die Rede ist?). Auch weil es mitten im Absatz passiert, weil es so beiläufig passiert.

Ich fand diesen Übergang eine gute Darstellung dessen, wie die Liebe sich aus einer Beziehung schleichen kann: Das passiert ja nicht plötzlich, sondern beiläufig. Man wird sich nur plötzlich darüber bewusst. Deshalb wollte ich, dass man sich dessen beim Lesen auch erst im Nachhinein bewusst wird.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
- noch hört er meine Sorgen um das Haus schleichen, dessen ausstehende Raten unser Glück ehern zusammenhalten.

Auch dieses Bild gefällt mir sehr gut und der ganze Gedanke hat so etwas traurig-nüchternes. Aber warum beginnt der Absatz mit einem Gedankenstrich und einen kleingeschriebenen Wort? Ergibt für mich keinen Sinn, macht es nur unleserlich.

Weil ich mich darauf beziehe, dass er zuvor die Geräusche der Kinder nicht gehört hat. Dann kommt der Teil mit der Erschöpfung, und dann setzt sie gedanklich (in einer anderen Nacht) an der Stelle wieder ein. So meine Idee.

Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich lausche seiner gehauchten Zuversicht, störe nicht seinen Schlaf.

Verstehe ich nicht ganz. Ist seine gehauchte Zuversicht sein ruhiger weil sorgloser Atem im Schlaf?

Ja.


Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Doch er stört meinen: Vorstandssitzungen hält man nicht nach durchwachten Nächten, und die wievielte Chance ist die letzte?

Gut, das hatten wir schon, für mich passt das mit den Vorstandssitzungen auf den Mann, wobei ich dann das mit den Chancen nicht verstanden habe. Das ergibt mehr Sinn nach der Erläuterung, aber ich finde man kommt nicht von selbst drauf. Vielleicht wäre so was "... nach wie viel Jahren Elternzeit hat man noch eine Chance" oder so eindeutiger.

Ja vielleicht, aber ich mochte, dass man die "letzte Chance" auch auf die Beziehung beziehen könnte.


Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich ruhe nicht, ich zweifle, ich bereue nicht.

Soll das heißen, sie ruht und bereut nicht, zweifelt aber? Aus dem Zusammenhang vermute ich, sie tut alles drei nicht, aber dann müsste es entweder heißen: "Ich ruhe nicht, ich zweifle nicht, ich bereue nicht" oder "ich ruhe, zweifle und bereue nicht". Oder wahrscheinlich noch richtiger: "weder ruhe ich, noch zweifle oder bereue ich".

Zweifelst du? Wink
Sie zweifelt, aber nein, sie zweifelt nicht, sie bereut auch nicht, aber ... nein sie bereut nicht, sie zweifelt.


Vogel hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Auf meine Lust und meinen Verdruss kann ich gleichermaßen verzichten, doch ich bereue weder noch, nicht die Vergangenheit und nicht die Zukunft.

Auch das verstehe ich nicht ganz und der Satz ist sehr lang. (...)

Es gab aber Momente der Lust und Momente des Verdrusses in der Vergangenheit und wird solche in der Zukunft geben, die hier alle zusammenfließen sollen. Und wenn sie die Situation als Ganzes in Zweifel zieht, beinhaltet auch das sowohl die guten als auch die schlechten Seiten(/Zeiten).

...

Ich will das übrigens hiermit nicht alles verteidigen, mit meinen Erläuterungen, was ich damit erreichen wollte. Denn das hat ja in einiger Hinsicht nicht geklappt, das zu erreichen. Ich finde deine Kritikpunkte sehr interessant, und in vieler Hinsicht hast du Recht, dass ich es verständlicher formulieren könnte.
Vorerst will ich das nicht tun, weil mich der Text im Moment nur ärgert, aber vielleicht irgendwann doch. Oder zumindest etwas davon noch mal aufgreifen.
Danke, du Vogel, für deine Zeit und Mühe, hast mir sehr geholfen.



*So, der verfluchte Rabe. @Sleepless: der Rabe. In dem Gedicht bedeutet doch, dass das LI am Ende nicht mehr aus dem Schatten des Raben tritt, seinen Tod, oder? Meine Assoziation war so: Der Feuervogel hat sich für die Protagonistin verändert über die Dauer der Beziehung hinweg, und er ist zuletzt ein Totenvogel geworden, der ihr die Luft zum Atmen und die Kraft zur Selbstverwirklichung nimmt. Am Ende tritt sie aber bewusst aus seinem Schatten, indem sie sich über diesen Umstand klarwird und sich aus der Situation befreit - entweder aus der Beziehung oder indem sich die Beziehung verändert. So oder so ist es aber nicht ihr Ende. Verstehst du zufällig jetzt, wie ich das meine?


Mist, jetzt bin ich wieder zu müde für die anderen Kommentare, aber ich glaube, falls es offene Fragen gab, haben die sich wohl sowieso inzwischen geklärt. Noch mal danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, den Text zu lesen und zu kommentieren, besonders danke dort, wo der Kommentar über die Frage der Themenerfüllung hinausging.

Ich finde das übrigens schön, dass sich doch immer noch jemand findet, der mit mir hinterher über meine Wettbewerbsbeiträge "streitet". Das ist für mich schon eine Tradition geworden, die ich nicht missen möchte, und daraus nehme ich jedes Mal sehr viel mit.
Danke also ganz besonders an Sleepless und Vogel. smile

LG Jenni
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