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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Lesezeichenpoesie 03/2014
Durch G. kreuzt [Lyrik]

 
 
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Oliver.Twist
Leseratte

Alter: 38
Beiträge: 123
Wohnort: Hamburg


Beitrag30.03.2014 19:00
Durch G. kreuzt [Lyrik]
von Oliver.Twist
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Durch G. kreuzt

Geduldig
warten, Archivar, hundertweise
geleszeichnet trockene Wortstapel.

Draußen aber
geht kühn der Geist: umfängt Sonnenbahnen,
drahtspannend im Luftwiderstand. Entkleidet

unsichtbares Wort; wie aber raunt hinan
die sorgsam gesammelte Liebe
von vielhundert Jahren
wider den Todtrockenen:
bergan hebt ein zorniges Kyrie
im Schall der Kristallschalen.

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Lupo
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 364
Wohnort: Pegnesien


Beitrag31.03.2014 00:06
Verblüffend
von Lupo
Antworten mit Zitat

umfasst dieser Text Jahrhunderte, astronomische Räume und Verknüpfungen scheinbar unzusammenhängender Begriffe. Eine ideale Nachtlektüre zum Müdewerden.
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Eredor
Geschlecht:männlichDichter und dichter

Moderator
Alter: 32
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Das silberne Stundenglas DSFx
Goldene Harfe Pokapro III & Lezepo I


Traumtagebuch
Beitrag31.03.2014 23:32

von Eredor
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hallo du schlingel,

von mir gibt's in der regel nur lesezeichenrezensionen. gern detaillierter auf anfrage per pn!

***

an der sprache stört mich irgendwas. du hast da einerseits deine wortneuschöpfungen, andererseits eine sehr altbacken klingende sprachmelodie. das lässt die ganze atmosphäre zittern, wie das rauschen eines (fast) richtig eingesteckten antennenkabels.
schade, weil mir der text gefällt.  
6 federn.

***

einen gängigen chiasmus kann ich deinem gedicht leider nicht entnehmen. aber das ist schon in ordnung, wir sind da großherzig gewesen. Wink


lg dennis Rolling Eyes


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"vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel
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firstoffertio
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Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
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Beitrag02.04.2014 00:18

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Der Titel erinnert mich an Gott und das Kreuz.

Das Buch in den ersten drei Zeilen konnte ich daher als die Bibel sehen.

Man könnte G. aber auch als Goethe lesen, und dann die Wortstapel als eine Latte von Gedichten seither. Oder G als Gedicht? Oder als Geist?

Das Kyrie am Ende bringt mich zurück zur Bibel.

Auf jeden Fall wird ein Gegensatz zwischen Buch und gelebter Welt irgendwie thematisiert. Liebe vs todtrockenen Text?

Mit den Kristallschalen kann ich aber gar nichts anfangen.

Ich komme nicht recht dahinter.
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Rübenach
Geschlecht:männlichExposéadler
R


Beiträge: 2836



R
Beitrag02.04.2014 21:49
Re: Durch G. kreuzt [Lyrik]
von Rübenach
Antworten mit Zitat

formal o.k.

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"Vielleicht sollten mehr Leute Schreibblockaden haben." Joy Williams
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crim
Geschlecht:männlichsex, crim & rock'n'roll


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Die lange Johanne in Gold Lezepo 2015
Pokapro und Lezepo 2014 Pokapro VII & Lezepo V



Beitrag03.04.2014 09:49

von crim
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Hi.
Ich mag die Kernaussage, die ich in den ersten beiden Strophen zu erkennen glaube. Weg von verstaubten Texten, hin zu neuem Denken, das einem die Welt doch viel schöner auffächert als die Religion es könnte. Die dritte Strophe bleibt mir inhaltlich verborgener, obwohl mir da der Klang mehr zusagt. Die letzten beiden Zeilen wiederum ein schöner Abschluss. 6 Federn
LG Crim
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Rosanna
Richter und Henker

Alter: 30
Beiträge: 1055

Pokapro V & Lezepo III Silberne Harfe


Beitrag04.04.2014 18:01
Re: Durch G. kreuzt [Lyrik]
von Rosanna
Antworten mit Zitat

Moin,

Jetzt hat mein Ipad mal eben die fast fertige Rezension gelöscht. Ich glaubs nicht. Ich könnte heulen Evil or Very Mad .
in Ultrakurzfassung: Ich hatte meine unumstößliche Bewunderung parallel zu meinem nahezu vollständigen Nichtverstehen zum Ausdruck gebracht. Ich habe von deiner Sprache geschwärmt, die mich auf vielen Ebenen anspricht. Dann habe ich unqualifizierte Mutmaßungen zum Inhalt angestellt ( Unendliche Geschichte, Metatext zum Wettbewerb, Metatext zur Unzulänglichkeit von Naturbeschreibungen in der Literatur, Kritik an der christlichen Religion und Manifest der Naturreligion), die meinem Endgerät ( das seinem vorzeitigen Ende gerade außerordentlich nahegekommen ist Evil or Very Mad ) offenbar so peinlich waren, dass es sie umgehend ins Nirwana verschoben hat... nach Luft schnapp
 ... als ich eben in einem neuen Tab nachschauen war, wer nochmal die Verschleierten als Marienfiguren bezeichnet hatte, um eventuell deine Identität zu klären. Das war übrigens Ithanea, die nur Prosa schreibt, also hat es nicht mal was genützt, verd...dr...Kuh - Sch... Evil or Very Mad!
Jedenfalls will ich unbedingt wissen, wer du bist, ich will alles, was du noch geschrieben hast, lesen und ein Kind eine inhaltliche Erklärung zu deinem Gedicht von dir. Achja - und wenn du mir die Wortstapel kurz ausleihen würdest? Ich muss ein Tablet erschlagen Twisted Evil.

Acht Federn,

Rose

PS: Bezieht sich dein Titel u.a auch auf das Kreuzen der Blickachsen den Brückenüberquerenden und der Verschleierten ?


_________________
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nadelihremendepunkt
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s.buetow
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
S

Alter: 52
Beiträge: 24
Wohnort: Mecklenburg


S
Beitrag05.04.2014 21:09

von s.buetow
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Persönlich finde ich den Text etwas zu uneinheitlich. Er springt im Rhythmus und mit einigen Bildern kann ich trotz mehrfachen Lesens nicht recht etwas anfangen. Aber vermutlich wird der Text recht kontrovers diskutiert werden.
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zitronenkuchen
Eselsohr


Beiträge: 310



Beitrag06.04.2014 09:32

von zitronenkuchen
Antworten mit Zitat

es erinnert mich an eine düstere bibliothek, in der lesend hundert wahrheiten über leben und liebe entdeckt werden. dann hebt der leser den kopf, blinzelt in die sonne und merkt, dass er vor lauter lesen den sommertrag draußen vergessen hat...
schöne worte, weckt viele bilder.
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag06.04.2014 15:22

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Inko!

Ich brüte über dem Titel. Wird es ein G. geben, das mir im Text begegnet? Ist es eine Spielerei mit dem Wort „durchgekreuzt“? Mal sehen:

Thema: Anrufung
Die Anrufung wird nicht als solche im Text umgesetzt, der Text erzählt sie jedoch: im Kyrie, das bergan hebt. / Auch das Raunen der sorgsam gesammelten Liebe kann ich als erzählte Anrufung annehmen.

Bildumsetzung: kann ich nicht direkt finden, kann jedoch das „drahtumspannend“ als einen Brückenschlag deuten. Hier werden im Text jedenfalls „Zeiträume“ überspannt.

Ich gehe einmal strophenweise vor und benenne meine Lesegedanken.

Zitat:
Geduldig
warten, Archivar, hundertweise
geleszeichnet trockene Wortstapel.


Eine sperrige erste Strophe. Sperrige Wortung: „geleszeichnet“.
Ich lese hier inhaltlich: Geduldig warten hier „Worte“ in Büchern/ Briefen/ Dokumenten. Den Archivar kann ich noch nicht ganz einordnen, aber es gibt ihn, den Worteverwalter. Sie sind trocken, die Wortestapel.

Nun als Gegensatz (zu trockene Wortestapel) die zweite Strophe:

Zitat:
Draußen aber
geht kühn der Geist: umfängt Sonnenbahnen,
drahtspannend im Luftwiderstand. Entkleidet


Diese Strophe hat einen guten Rhythmus, setzt eine Bewegung in Gang, ich als Leser spüre hier den freien sich bewegenden Geist. Er besiegt den Luftwiderstand, umspannt Sonnenstrahlen, er tritt hier frei und weitreichend auf. Schon das „Draußen“ weist auf eine Weite.

Der Textrhythmus ist für mich bis zum Schluss spürbar und trägt der transportierten Inhalt gut.

Zitat:
unsichtbares Wort; wie aber raunt hinan
die sorgsam gesammelte Liebe
von vielhundert Jahren
wider den Todtrockenen:
bergan hebt ein zorniges Kyrie
im Schall der Kristallschalen.


Ich sehe hier diesen freien Geist, der nun die Worte entkleidet, die unsichtbaren, die zwischen den Zeilen. Bis hierher kann ich dem Text folgen.

Nun spüre ich ein neues Anheben im Textton: „wie aber raunt“!
Ich denke der Text will mit dieser Wendung auf den Anruf aufmerksam machen, die „Gewaltigkeit des Kyries“ vorbereiten. Dennoch scheint mir das „aber“ nicht ganz logisch. Wo ist der Gegensatz, der hier signalisiert wird.

Ich lese mal: „wie raunt hinan die sorgsam....“ und denke, dass diese Liebe sich nun in den entkleideten Worten hinaufschwingt zu dem Todtrockenen. Ist damit der „in toten texten geborgene Gott“ gemeint, Das Buch vielleicht die Bibel? (Ich vermute einfach mal. Steht das G. für diesen Gott? Oder für Geist?) Habe ich bisher eher ohne religiösen Hintergrund gelesen, führt mich das Kyrie in diese Richtung.

Wer ist es, der dieses zornige Kyrie ausruft? Sind es die freien Geister?  Den „Schall der Kristallschalen“ bekomme ich für mich in kein Bild, finde auch keinen Realbezug. Konnte ich das Gegenspiel der ersten beiden Strophen nachvollziehen, hängt die Schlusssequenz für mich in der Luft und die Textaussage des Gesamttextes bleibt mir verborgen.

Liebe Grüße Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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Dienstwerk
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Alter: 55
Beiträge: 1254
Wohnort: Gera/Markkleeberg
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Beitrag06.04.2014 18:38

von Dienstwerk
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Befederungskommentar.
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Jocelyn
Bernsteinzimmer

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Beitrag06.04.2014 19:03

von Jocelyn
Antworten mit Zitat

Scheinbar geht es hier um Sprache im Gegensatz zum Unaussprechbaren, dem unsichtbaren Wort. Die Achivare warten und lesen, suchen nach dem Besonderen. Das Besondere ist nicht besonders oder sogar unsichtbar? So ähnlich verstehe ich dieses Gedicht, es ist nicht so leicht, es zu lesen... Wink

Sind die Archivare die Todtrockenen? Wahrscheilich, denn sie horten trockene Wortstapel = Bücher.
Eines bleibt mir wirklich unklar: Das letzte Wort. Warum tauchen plötzlich Kristallschalen auf?

Der Titel ist auch interessant. G ist ein Buchstabe. Soll der Titel bedeuten, dass hier Buchstaben durchkreuzt werden, an das Kreuz geschlagen werden sollten? Das Kreuz und das zornige Kyrie, da wäre eine Verbindung. Wenn G für etwas Spezielles steht, dann komme ich nicht drauf.

Die Sprache bleibt ein unzureichendes Mittel, um zu verstehen. In diesem Gedicht geht es mir auch ein bisschen so.

Aber: Dieses Gedicht gefällt mir bislang - von oben nach unten gelesen - von den fremden Beiträgen am besten. Es engt mich nicht ein, es regt zum Nachdenken an.

Eine bessere Wertung von mir.


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If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)

Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)

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(Voltaire)
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hypnobader
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Beitrag07.04.2014 14:44

von hypnobader
Antworten mit Zitat

? Geht’s um Wortfindungprobleme des Dichters ?
Ne, ich checks nicht. Liebe gegen den Todtrockenen und ein zorniges Kyrie ???
Und ich finde keinen Bezug zum Bild.


_________________
Es gilt das gebrochene Wort
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Einar Inperson
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Beitrag07.04.2014 20:31

von Einar Inperson
Antworten mit Zitat

Hallo Lyrik,

nur ein ganz kurzer Besuch der Prosa.

Soll ich Kyrie als Anrufung anerkennen? Zumal es mir zornig in diesem Text zum Klang der Kristalls besonders gut gefällt.

Lieblingsstelle:
Zitat:
wie aber raunt hinan
die sorgsam gesammelte Liebe
von vielhundert Jahren


von mir 6 Federn


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Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
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Zinna
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Beitrag07.04.2014 22:43

von Zinna
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

beim Blick auf jeden einzelnen Wettbewerbsbeitrag finde ich es spannend zu sehen, wie sich so jeder Autor eingerichtet hat in den Vorgaben, wie er das Bild, die Anrufung auslegt und umsetzt, wie die 50 Wörter und 12 Verse anordnet, ob diszipliniert, effektiv gestapelt oder eher freier auseinander gestreutlegt.
Ich taste nun deinen Text nach den Vorgaben ab, ob die Anrufung zu erkennen ist, ob ich das Bild umgesetzt finde. Edit: Und ich zähle nun auch die Verslein, checke die Wortanzahl…
 Außerdem schaue ich, ob und wie das Gedicht mich erreicht, wie ich seine Gestalt, Gestaltung, Wortwahl und Inhalt empfinde, ob es schlüssig ist. Einen weiteren Blick werfe ich auf den Titel.

Wortzahllimit: eingehalten
Verse: 12
Anrufung: vorhanden
Bild umgesetzt/erahnbar: die Brücke…

Hier ist mir der Titel schon ein Brocken.
Durch G. kreuzt Er ist sehr vieldeutbar.
durchgekreuzt (wer, was? Pläne? Wahlzettel?)
Durch G. (Gera) kreuzt…
durch G. (Grabesstille) kreuzt ein Ruf…
durch G. (Gefahr, Geduld, Gicht, Gedicht…) kreuzt

Inko, du siehst, ich habe keinen Plan. Selbst der erste Vers, Geduldig öffnet mir keine Tür.

Geduldig
warten, Archivar, hundertweise
geleszeichnet trockene Wortstapel.


Eine Ahnung: Stimmzettel oder andere (markierte) Dokumente liegen im Archiv, stauben vor sich hin. Warten dort, vielleicht doch noch etwas bewegen/ändern zu können.

Draußen geht eine Weiterentwicklung vor sich, Gedankenfreiheit…

Soweit taste ich mich durchs Dunkle. Die dritte Strophe jedoch ist so pathetisch und zu verschlüsselt.
Das Kyrie- Anrufung Gottes Herr, erbarme dich! im Schall der Kristallschalen.
Nein, ich komme nicht durch.

Erbitte hier erläuternde Worte nach dem Wettbewerb, es interessiert mich.

LG
Zinna


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(c) Zinna
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Stimmgabel
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Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag08.04.2014 23:47
Re: Durch G. kreuzt [Lyrik]
von Stimmgabel
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-

Durch G. kreuzt

Geduldig
warten, Archivar, hundertweise
geleszeichnet trockene Wortstapel.

Draußen aber
geht kühn der Geist: umfängt Sonnenbahnen,
drahtspannend im Luftwiderstand. Entkleidet

unsichtbares Wort; wie aber raunt hinan
die sorgsam gesammelte Liebe
von vielhundert Jahren
wider den Todtrockenen:
bergan hebt ein zorniges Kyrie
im Schall der Kristallschalen.

---------------------------------------------------


Hallo Inko,

dieses Gedicht ist geprägt von plakativen, gedröhnten Sequenz-Konstruktionen, die sich mir unklar bis gar nicht erschließen. U.a.:

Durch G. kreuzt ............... <-- G??? was??? Gott?

Archivar, hundertweise geleszeichnet trockene Wortstapel. ... <-- wer ist der wartende Archivar?

wider den Todtrockenen ..... <--- mann o mann ??? Wink

drahtspannend im Luftwiderstand. ................ <-- ein Drahtgestell gegen einen Widerstand??? ... irgendein Halt?

bergan hebt ein zorniges Kyrie im Schall der Kristallschalen. ..... <-- ein zorniges Kyrie??? ... was ist das?

Da sind gesammelte Liebesworte in den Büchern zu Gott – da ist der kühne Geist draußen, der was macht? ... er entkleidet das unsichtbare Wort – und welches ist das nun? ... folgt er den Liebesworten, oder erzürnt er sich gegen diese, oder gegen was?
Und dann diese Todtrockenen ???

Und wo ist die Anrufung(fehlt doch hier alles Konkrete dazu), und die Bild-Adaption??? –
sieht mir eher nach einem Schubladengedicht aus ...

... ehrlich, das ist mir hermetisch und verschwurbelt zu sehr hin –und herspringend; sicher für keinen Leser geschrieben – wohl eher fürs introvertierte Zorn-Tagebuch Wink


Gruß, Stimmgabel


-


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MrPink
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Der Bronzene Wegweiser


Beitrag10.04.2014 22:00

von MrPink
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Der erste Eindruck war: das mag ich! Die Wortschöpfungen, die Bilder, absolut interessant und neugierig machend. Leider konnte diese Neugier auch nach mehrmaligem Lesen nicht befriedigt werden. Mir fehlt hier was eindeutiges, was erklärbares. Schade.

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„Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
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Oliver.Twist
Leseratte

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Wohnort: Hamburg


Beitrag13.04.2014 05:10

von Oliver.Twist
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Also... normalerweise mag ich es nicht, mich lange zu erklären. Ich mags nicht, irgendetwas, das ich geschrieben habe, analytisch zu zerreden. Ich mach das gern mit euren Gedichten, und mags auch, wenn das jemand gut mit meinen macht. Wahrscheinlich macht es auch sehr den Eindruck, als ob ich liebend gern alles auf konkrete Worte bringe, alles aufdröseln und en détail abschmecken will. Aber eigentlich ist mein Kunstverständnis gar nicht so ein rationalistisches. Eigentlich lasse ich auch Papierflieger viel lieber fliegen, als seitenlange Bau- und Auseinanderbauanleitungen zu verfassen... Warum ich das trotzdem immer wieder mache? Gute Frage! :-)
Rosanna, du hast mich inspiriert, das jetzt trotzdem mal zu tun, mein Gedicht etwas mit Erläuterungen auszustopfen... Erstens fragst du danach, zweitens hast dus selbst gemacht. Drittens hast du ziemlich gute Erläuterungen zu den anderen Beiträgen geschrieben, finde ich.
Also, bitte schön. (Das heißt nicht, dass ich das öfter mache! :-P )

Wie wohl viele von uns Schreibern Themen eingebracht haben, die sie momentan beschäftigen, so auch ich: Es ist die Lektüre von Brechts "Leben des Galilei", die sich bei mir mit der Bildvorlage verknüpft. Des Weiteren spielt auch eine Metaebene (Reflexion von "Ein Gedicht als "Lesezeichenposesie" verfassen") hinein.

Das "Lesezeichen" findet sich im dritten Vers. Der erste, "Geduldig", illustriert die Geduld mit einer nicht um Eile bemühten Plazierung des Begriffes "Geduld": seien es 100, seien es nur 12 Zeilen, Geduld kann es ertragen, dass nur ein Wort in einer Zeile Platz findet. Wenn man Geduld hat, muss nicht viel auf engem Raum geschehen. Die Entschleunigung findet ihre Fortführung im zweiten Vers: mit einem "warten" geht es gelassen weiter; durch Kommata getrennt, reihen sich die Worte bedächtig aneinander. Auch die Figur des "Archivars" bedeutet Akribie, sorgsame Gelassenheit, auch im Angesicht hunderter auf Vorrat gestapelter Worte. Ein geduldiger, vernünftiger Geist sortiert die Masse der Informationen und Ideen, katalogisiert sie mit Lesezeichen. Trockenheit kennzeichnet  sowohl das sorgfältig gesammelte Material als auch die unaufgeregte Herangehensweise des Archivars.

Gleichzeitig jedoch ist sein Geist, aber auf der Basis eben dieser zurückhaltenden, ernsten Akribie, Unternehmer eines kühnen Unterfangens. Ganze Sonnenbahnen, also die Kurse der Gestirne im All, also das Größte und Weiteste, das ein menschlicher Geist an physischen Vorgängen umfassen kann, umfasst sein Geist. Er versucht sich darin, sie zu ordnen, die tatsächlichen Vorgänge korrekt zu erfassen. Die Bewegungen der Gestirne, also das Kontinuum, worin nach seiner Überzeugung die ganze Menschheit ihren Ort als ein kleines, dezentral Gelegenes findet, sind sein Anliegen. Der Luftwiderstand, also eine physikalische Größe bei der Berechnung der Bewegung von Objekten, eine "trockene", mathematische Größe, stellt sich der Bewegung von Objekten entgegen; der umfassende denkende Geist erkennt sie und kalkuliert sie ein. Der Luftwiderstand mag dem gesellschaftlichen Widerstand gegen die noch nicht akzeptierten Theorien entsprechen - der aufklärerische, analytisch scharf denkende Mensch aber lässt sich von keiner Art von Widerständen verunsichern, sondern vertraut nur seiner zielgerichteten Vernunft.

Diese Vernunft "entkleidet" die in mythischen Verhüllungen und Mystifikationen befangenen beobachtbaren Dinge: sie bringt "nackte" Wahrheiten ans Licht. Übertragen auf die personalen Repräsentanten der mythischen/religiösen Konstrukte lässt sie auch diese "nackt" dastehen. Die kirchlichen Würdenträger sehen sich der Grundfesten ihres Weltbildes beraubt. Ihr "Wort" jedoch scheint, wenn es derart entkleidet ist, keine konkrete Wahrheit mehr zu präsentieren. Wenn man es kritisch bedenkt, bleibt es leer: es wird unsichtbar.

Die Verunsicherung der Proklamatoren der überkommenen Weltordnung, die sich auf das pythagoreische Weltbild berufen, äußert sich in einer restaurativ re-mystifizierenden Tendenz: kein schlüssiges Argumentieren auf dem Stand der erwachten Vernunft, sondern ein tendenziöses "Raunen" geht von ihnen aus. Jahrhunderte (in der Tat waren es zu Galileis Zeit 2000 Jahre, die sich das pythagoreische Weltbild gehalten hatte!) des Glaubens stemmen sich zäh gegen den jungen Versuch, dem Glauben ein ihn entkräftendes Wissen gegenüberzustellen. Als Liebe geriert sich diese Tendenz: schon im alten Testament, das ja verschiedentlich anklang, ist es ja ein von blinder Liebe und naiv-blindem Vertrauen geprägtes Verhältnis zu Gott, dass Adam und Eva in "selbstverschuldeter Unmündigkeit" (Kant) verharren lässt. Der Apfel vom Baum des Wissens aber ist das Signum der Fähigkeit, Gut von Böse zu scheiden ("Kritik": kommt von "trennen"!), also selbst ein Urteil zu fällen.

In der religiösen Lehre aber ist auch die Verbindung zum Leben außerhalb des erfahrbaren Lebens aufgehoben: ein Leben nach dem Tode, in einer den Lebenden ungekannten, anderen Welt. Der Glaube an diese Welt tröstet über die schmerzliche Erkenntnis des Todes und der Sterblichkeit hinweg. "wider den Todtrockenen" mag sich zunächst lesen lassen als: "wider den Tod". Die Religion birgt ihre Anhänger in Trost: im Glauben, das sich im Raunen äußert, scheint das Leben als ein tröstliches ins Unendliche verlängert. Dies lindert die Schmerzlichkeit des Daseins auf der Erde (!); und unbarmherzig erscheint daher die Idee, dass der Himmel als Ort dieser tröstlichen Transzendenz in einem neuen, wissenschaftlichen Weltbild nicht mehr vorgesehen ist. Statt eines bergenden Himmels gibt es nur gähnende Weite, in der haltlose Gestirne sich allein nach den trockenen Gesetzen der Physik fortbewegen. Deshalb ist das Raunen gegen Galilei eines gegen "den Todtrockenen", gegen einen, der unerschrocken voranschreitet in eine entmystifizierte, "nackt" gemachte Wirklichkeit. Diese "Nacktheit" wird, wie körperliche Nacktheit, von den naiv-gläubigen als Obszönität wahrgenommen, als anmaßende Ketzerei. Die Welle der Empörung, der "Backlash" verselbständigt sich: sie entwickelt eine selbst "bergan" strebende Dynamik. Das "Kyrie" ist in der musikalischen Umsetzung der katholischen Messliturgie ein Gesang, in dem das "kyrie eleison", Herr erbarme dich unser, seinen überzeugten und überzeugenden Ausdruck findet.

Pythagoras, auf dessen spekulatives Weltbild sich die Anhänger der Kirche seit dem frühen Mittelalter beriefen, war davon ausgegangen, dass die Erde im Mittelpunkt des allgemein vorhandenen Raumes stünde. Um sie herum kreisen nun die Gestirne, also der Mond, die Planeten und die Sonne sowie die Sterne, an sphärische "Kristallschalen" geheftet. Die scheinbar unerklärlichen Bewegungen der unbefestigen Gestirne im freien Raum werden mit diesem Hilfskonstrukt erklärbar gemacht. Unsichtbares Glas springt als Behelf dort ein, wo das Verständnis versagt. Ferner verursachen die Gestirne im Raum nach Pythagoras durch ihre Bewegungen Klänge. Diese Klänge formen das divine Konstrukt der Sphärenharmonie, sie sind ein großartiger, göttlicher Klang, der Vor- und Urbild aller irdischen Musik ist. Nur weil dieser Schall so weltumspannend allgegenwärtig ist, wird er vom menschlichen Ohr nicht wahrgenommen - so wie das Auge nicht in der Lage ist, dem blendenden Licht der Sonne standzuhalten.

Zur Form: Lesezeichen stecken wir zwischen die Seiten unserer ("Wortstapel"-)Bücher, um wichtige Inhalte darin wiederzufinden. Im Mittelalter waren gebundene Bücher noch keine derartige Selbstverständlichkeit. Bei wichtigen Verkündigungen an die Bevölkerung verwendeten Herolde Schriftrollen, die um zwei Holzwalzen gerollt waren. Zum Verlesen wurden die Rollen auseinandergezogen (bei Monty Python gibt es so einen Herold, der das eindrücklich vorführt...). Die Rollen nennen sich "Stollen"; eine Liedform, die sich in Anlehnung an die Form dieser Schriftrollen entwickelte, ist die sogenannte "Bar-Form". Sie beinhaltet zwei melodisch gleiche A-Teile ("Stollen" oder "Aufgesang", in denen der Vortragende allgemeine Einlassungen zum besten gibt - "Hört, hört!" etc. - die "Lesezeichen" in den Ohren ihrer dörflichen Hörer) und den B-Teil, "Abgesang", in dem der entscheidende Inhalt ausgebreitet wird. Meine Zeilen sind lose daran angelehnt.

Durchgekreuzt sind vielleicht Galileis Anliegen. Vielleicht sind diese Anliegen auch "gekreuzigt". Oder man kreuzt durch G(alilei), oder es wird durch (=von) G(ott) gekreuzt...

Danke- und bitteschön MrPink, Zinna und Rosanna;
Danke Zitronenkuchen (auch fürs Federbett), Jocelyn, Einar, crim, firstoffertio, Eredor!

Altbacken,
Oliver Twist
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Beitrag13.04.2014 06:53

von Zinna
Antworten mit Zitat

Stell die Milch auf den Tisch, aber klapp kein Buch zu [1]

Schade, Oliver Twist.
Das hätte ich gern allein aus dem Gedicht erlesen können.
Vielen Dank für deine Ausführungen, unter diesen Gedanken ist der Blick aufs Gedicht erhellter.
Aber sorry, es war zu verschlüsselt.
Danke!  smile

Lieber Gruß
Zinna



[1] B.B. D.L.d.G.


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Beitrag13.04.2014 23:22

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Danke, Oliver, für deine Erklärung. Schön, dass du es einmal gemacht hast. Das muss ich mir noch öfters durchlesen.

Aber wenn ich sehe, wie viel du in ein Gedicht packst, verstehe ich, dass du auch gut im Auspacken von anderen bist.
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Rosanna
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Beitrag16.04.2014 23:28

von Rosanna
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Moin,

Bei deiner Erklärung (und es freut mich wahnsinnig, dass ich sie dir entlocken konnte) bin ich nicht nur fast froh, dass meine Rezension der heiligen I'quisition zum Opfer gefallen ist. Auf Galilei wäre ich nämlich, obwohl ich Brecht fast vollständig in meinem Schrank stehen habe, nicht gekommen. Dabei hast du mit den Kristallschalen einen recht eindeutigen Anhaltspunkt geliefert (ich bin nämlich nicht davon ausgegangen, dass das LI plötzlich über Geschirr referiert). Ärgerlich. Meine Stirnfalte formt gerade ein verächtliches "Watson".

Das Schöne ist dennoch, dass mir dein Gedicht dank deiner Erklärung nicht mehr oder weniger gefällt, sondern einfach nur- anders. Es gewinnt oder verliert durch mein Verständnis nicht an Breite(nwirkung), dafür aber an Tiefe.

Zum Gedicht nach Starthilfe:
Die formale Umsetzung des "Lesezeichens" in Bezug gesetzt zu der von dir beschriebenen Zeit finde ich ganz wunderbar. Allerdings bin ich der Meinung, dass Galilei in genug Folianten oder losen Schriftsammlungen geblättert haben dürften, um diese und ihren Inhalt für bedeutender als Proklamationen zu halten. Insofern stellst du dich formal mit deinem Gedicht auf die Seite ebenjener "Proklamatoren der überkommenen Weltordnung".

Mir  gefällt das (Tod)Trockene, das auch ohne die Erklärung erkennbar eine positive Bedeutung innehat. Und im Gegensatz dazu - und dank der Erklärung beginne ich es jetzt zu begreifen - die "Liebe", die ich allerdings nicht nur als blind und naiv, sondern grausam und hilflos machend, verblendend (verhüllend?) und gekennzeichnet durch Abhängigkeitsverhältnisse/Machtgefälle beschrieben hätte. Mir gefällt, vereinfacht gesagt, wie in deinem Gedicht die "unaufgeregte" Ratio über das "Gefühl" gestellt wird.

Der "Archivar" als Bewahrer von Wissen und Organisator ist mir jetzt auch schlüssiger, vor allem, wenn man bedenkt, dass Galilei das heliozentrische Weltbild eigentlich nur "wiederentdeckt" hat.

Die metaphorische Verwendung von Luftwiderstand finde ich auch ganz...ok, denk dir den Rest Wink .


Eins noch: Weil ich ohnehin beunruhigenderweise fast alles 'ganz wunderbar' finde, was aus deiner Feder kommt, möchte ich noch einmal kurz meine Lieblingsstelle aus deiner Erklärung zitieren:

Zitat:
Gleichzeitig jedoch ist sein Geist, aber auf der Basis eben dieser zurückhaltenden, ernsten Akribie, Unternehmer eines kühnen Unterfangens.


Ein schöneres Bild von der Wissenschaft kann man eigentlich nicht haben.

Newton-Apfelkuchen,
Rose


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Oliver.Twist
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Beitrag18.04.2014 00:14

von Oliver.Twist
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Jup, Erklärungen schreiben alles, was an Offenheit in Gedichten sonst Platz findet, auf eine einzige todtrockene Bedeutungsebene fest (oder lassen den leserorientierten Architekten sprechen, der mit seiner Powerpoint ausleuchtet, wo er meinte, originelle Ambivalenzen einbauen zu müssen). Deswegen geben sie nicht nur, sondern nehmen auch etwas weg -- die Tiefe, wie Du auch sagst. (Der Rest an Un-erklärbarem, Un-zerredbarem, der dann manchmal trotzdem übrigbleibt, könnte das sein, das einen Zauber ausmacht...)
Ich hab mich auch schon gefragt, ob man die Kristallschalen nicht als großbürgerliche Tafel-Accessoires missversteht, wenn man nicht durch besondere Affinität zum Thema auf Pythagoras' Kristallschalen kommt. (Falls Du Dich an Galilei so eingehend wie an Newton erinnerst: Lorraine, wo auch immer sie jetzt ist, hatte übrigens in ihrem letzten Gedicht auf dieser Seite auch einen der Jupitermonde auf dem Zettel!)
Die Proklamation also als populäre, aber schlechte Antithese zum fortschrittlichen, inhaltlich tieferen todtrockenen Wissen? Ich weiß nicht... Gerade z.B. der verlesene Widerruf (bzw. sein möglich gewesenes Ausbleiben) hatte doch große historische Bedeutung für die Aufklärung der vielen. (Übrigens hat sich der dezente Anflug von Barform auch zufällig ergeben, der stand nicht auf meiner To-do-Liste.)
Ja, diese "Liebe" kann man zu recht mit allen Deinen obenstehenden Attributen dissen. Aber ist es nicht auch so, dass da (und in Religion allgemein, selbst in ihrer durchorganisierten Form) auch etwas sehr nach Schönheit Sehnsuchtsvolles aufgehoben ist? Es ist da bestimmt nicht gut aufgehoben, aber irgendwo will das Sehnen nach Erfüllung doch auch bleiben; und was, wenn nun in der Welt kein Platz mehr ist? Brechts Galilei hätte sicher angeraten, sie zu ändern (sie braucht es). Und ich gebe ihm Recht. Ich will nur diese Liebe nicht pauschal verteufelt wissen, weil sie doch ein guter Impuls ist, nur korrumpiert, pervertiert, gebrochen und gegen sich selbst gewendet...?

***

GALILEI nimmt einen Apfel vom Tisch: Also das ist die Erde.
ANDREA: Nehmen Sie nicht lauter solche Beispiele, Herr Galilei. Damit schaffen Sie's immer.

***
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