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Der Protagonist und der dicke Unhold


 
 
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Phaze
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Alter: 33
Beiträge: 10
Wohnort: Frankfurt


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Beitrag13.03.2014 20:20
Der Protagonist und der dicke Unhold
von Phaze
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hier mein erster Eintrag in diesem Forum! Ich starte mit einer kleinen Kurzgeschichte, die durchaus versucht rätselhaft zu bleiben! Ich bin gespannt auf Reaktionen jeglicher Art smile



Der Protagonist und der dicke Unhold

Draußen klirrt und schwirrt es… oder doch nur in ihm? Er hat nie gelernt Nein zu sagen und genau deshalb rennt er nun durch eine verlassene Welt. Ist sie tatsächlich verlassen? Nicht ganz, denn es gibt sie ja schon, all die anderen Menschen auf dem Planeten. Sie sind bloß anders, als man es sich vorstellt.

Dieser Eine dort zum Beispiel: Er ist nur noch ein verfressener, dickbäuchiger Unhold. Kein Hemd bedeckt seinen schmierigen Oberkörper – nur in einer viel zu engen, kurzen Shorts hockt und fläzt er da… genau vor ihm, vor unserem Protagonisten. Glatzköpfig, wie der Unhold ist, lächelt er den Protagonisten bezirzend an. Er lockt und ordert ihm durch Blicke, doch einmal vorzutreten, näherzukommen, da zu sein. Schnell schüttet der Unhold noch einen Kelch voll Wein in sich hinein, bevor er, der nie Nein sagen konnte, wahrhaftig nähertritt. Er kann dem befehlenden Lächeln des Dickbäuchigen nicht widerstehen, konnte es nie und so ist er jetzt wirklich nahe, dicht dran, schon da. Der versoffene, fette, sich aalende, widerliche, grinsende Unhold scheint zufrieden. Aber es ist eine Zufriedenheit, mit der spekuliert, die erwartet wurde.

Und unser Protagonist schmiegt sich mit seinem Kopf nun ganz langsam an den schweißigen, überdimensionalen Wanst des Fetten. Der Unhold gluckst und sabbert glückselig, während der ewig andere mit seinem Schädel den überdimensionalen Dickbauch krault. Die Sabber des Unholds tropft und tropft. Langsam vermengt sie sich mit Schweiß und Schleim, Dreck und Wein und alles fließt gemächlich in den Rachen unseres Protagonisten. Das Gesicht vergraben im Bauch des Unholds und sein Saft wird aufgesogen, geschmatzt, geschmeckt und zelebriert. Endlich lebt er nun im Unhold und alles, was er noch sieht, ist die maßlose Weite des Fettes. Es gibt nur noch den ekeligen, schweißigen Bauch, der liebkost wird – denn was wird der Protagonist bloß erkennen?

Die Abartigkeit und Widerwärtigkeit der Venus sind es, was er sieht. Er erblickt den Abgrund der illusorischen Idee, selbst noch menschlich zu sein. Immerhin ist der fette Wanst, in dem unser Protagonist nun lebt, ja schon lange nicht mehr menschlich… Aber warum fühlt der Protagonist dann noch so? Warum? Ist die Welt denn tatsächlich verlassen? Dies ist doch alles nur, weil er meint irgendwelche Abgründe im schweißigen Dickbauch erkennen zu können. Darin hört er es klirren und schwirren, aber was ist mit der Menschlichkeit, die in ihm selbst schwirrt und klingt? Nein, er lebt am Bauch des Unholds und hofft schon bald, demnächst, irgendwann, wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde die Abgründe des Menschlichen zu erfassen… Also komm her, du fetter, stinkender, nasser, ekelhafter Fettwanst!

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scopie
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 152



Beitrag14.03.2014 04:14

von scopie
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Hallo Phaze,

etwas, das man gemeinhin als "ekelhaft" bezeichnen würde, kann durchaus faszinieren. Die Grundidee der Begegnung des Jünglings mit dem fetten Ekel schafft das bei mir soweit ganz gut.

Was mich stört: Ich kann in die Geschichte nicht voll und ganz eintauchen.
Der namenlose "Protagonist" und manche Fragen und Erläuterungen (insbesondere im letzten Absatz) wirken, als hätte man sie einer eigentlich für sich stehenden Interpretation entnommen und reingemischt. Dass während der Geschichte selbige schon zwischendurch gedeutet und erläutert wird, reißt mich als Leserin raus. Insgesamt kann ich das wegen der offensichtlichen interpretatorischen Einschübe nur schwer als Kurzgeschichte sehen.

Das ist aber schade, denn, wie gesagt, das Ganze hat seinen Reiz.
Also frage ich nach: Was hast du dir dabei gedacht?

Grüße
scopie
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Phaze
Geschlecht:männlichSchneckenpost
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Alter: 33
Beiträge: 10
Wohnort: Frankfurt


P
Beitrag18.03.2014 17:56

von Phaze
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Scopie,

vielen Dank für deine Antwort!

Ja, wenn man es so sieht, ist die Überschrift "Kurzgeschichte" vielleicht etwas irreführend. Ziel war es nicht unbedingt, nur eine spannende Handlung zum Eintauchen zu kreieren, sondern den Leser zum Nachdenken anzuregen. Deswegen der manchmal etwas aphoristische Stil.

Diese Anregung kann durch zu viele Erzählererklärungen (oder wie du sie nanntest: interpretatorische Einschübe) natürlich aber auch gehemmt werden. Ich bin dir sehr dankbar für diesen Hinweis und versuche dies in Zukunft besser zu machen... Wahrscheinlich spielst du auf Sätze wie:

"Die Abartigkeit und Widerwärtigkeit der Venus sind es, was er sieht. Er erblickt den Abgrund der illusorischen Idee, selbst noch menschlich zu sein."

an, oder? Dies scheint mir im Nachhinein auch too much zu sein.

Ansonsten ist als kleiner Hinweis das Bild des dicken Unholds von Dionysos bzw. Bachhus geprägt. Grundsätzlich wollte ich mit der Erzählung die Frage aufwerfen, warum man sich von Abartigkeiten, Ekel oder Exzessen angezogen fühlt. Was erwartet man von ihnen oder was sucht man in ihnen?
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scopie
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 152



Beitrag22.03.2014 04:18

von scopie
Antworten mit Zitat

Hallo Phaze,

okay, ich hatte in meinem letzten Beitrag die "Ich lese eine Kurzgeschichte"-Brille auf. Das hat natürlich meinen Blick eingefärbt.
Nach wie vor würde ich "unser Protagonist" ersetzen. Wenigstens zum Test kannst du ja mal einen Namen verwenden. Oder, was ich auch interessant fände, ihm gar keinen Namen geben (auch nicht im Lektüreschlüssel-Tonfall "der Protagonist"), sondern ihn umschreiben (dazu weiter unten etwas).

Als störend empfinde ich die Fragen, zum Beispiel: "Ist sie tatsächlich verlassen?" - Ich hätte mir diese Frage gar nicht gestellt, sie ist gekünstelt und wird dem Leser aufgezwungen. Irgendwie ergibt sie für mich so auch keinen Sinn. Die Antwort lautet "Nein", aber es folgt keine Erklärung, warum sie dennoch als "verlassen" bezeichnet wird. Dass die anderen Menschen anders sind, als man es sich vorstellt, macht eine Welt ja nicht "verlassen".

Den Leser subtil zum Nachdenken anzuregen ist eine Sache, ihm aber häufig zu diktieren, was er sich gerade fragen soll, schränkt zu sehr ein und offenbart zudem, wie krampfhaft der Autor darum bemüht ist, dass der Text auch ja seine Wirkung erzielt. Dabei ist es doch auch möglich, dass beim Leser Fragen aufkommen, wenn man ihn sozusagen vor vollendete Tatsachen stellt. Wenn etwas rätselhaft ist, muss man nicht immer wieder daran erinnern, dass es rätselhaft sein soll.
Ohne diese Fragen hätten Sätze wie die von dir genannten vielleicht auch nicht mehr diese erklärende Wirkung, sondern eben eine erzählende - möglicherweise auch eine anregende? Wink

Zur Sprache. Ich bin deinem Stil hier insgesamt nicht abgeneigt. Man kann noch eine Menge Feintuning betreiben, aber hier mal ein paar Formulierungen, die mir gefallen:
    ● "vorzutreten, näherzukommen, da zu sein" / "nahe, dicht dran, schon da" - Nahe genug beieinander, um den Bezug zu erkennen, aber nicht zu nah. Gut.
    ● Den Protagonisten der Einführung entsprechend im weiteren Verlauf als "er, der nie Nein sagen konnte" zu beschreiben, halte ich für gelungen.
    ● "der ewig andere" gefällt mir auch als treffende Umschreibung. Und genau das meinte ich auch am Anfang: Ihn nur "Er" zu nennen bzw. ihn mit solchen Beschreibungen nur als Persönlichkeit in den Raum zu stellen, finde ich interessant.
Manches halte ich für ausbaufähig oder auch verwirrend:
    ● Das "Klirren und Schwirren" kann ich persönlich überhaupt nicht einordnen oder auf irgendetwas beziehen. Das sind Geräusche, die gar nicht zur Geschichte passen und mir daher etwas zu rätselhaft sind.
    ● "versoffene, fette, sich aalende, widerliche, grinsende Unhold" - Fünf aneinandergereihte Adjektive sind mir zu viel. Durch die Masse verlieren sie an Stärke.
    ● "denn was wird der Protagonist bloß erkennen?" - Abgesehen davon, dass das "denn" hier keinen Sinn macht, ist das eine der störenden Fragen.

Grüße
scopie
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Phaze
Geschlecht:männlichSchneckenpost
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Alter: 33
Beiträge: 10
Wohnort: Frankfurt


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Beitrag25.03.2014 12:54

von Phaze
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Scopie,

ich bedanke mich ganz herzlich, dass Du dich so intensiv mit meinem kleinen Text auseinandergesetzt hast! Deine Kritik ist sehr gut und trifft wahrscheinlich genau den Kern, an dem ich arbeiten möchte. Wie kann man den Leser subtil und dennoch 'intensiv' zum Nachdenken anregen?

Die Kritik bzgl. der diktierenden Fragen vollziehe ich mit einem zweiten Blick auf den Text sehr gut nach! Wahrscheinlich werde ich bald versuchen, den Text umzuschreiben. (Wie in einem anderen Thread bereits erwähnt, wird mein nächster Beitrag auch erstmal in der Werkstatt landen)

Das "Denn" ist mit Sicherheit ein unnötiges Füllsel - Danke für den Hinweis smile

Kurz zur Namensgebung: Ich wählte bewusst den Namen 'Protagonist', da ein Protagonist eigentlich immer derjenige ist, der handelt bzw. die Handlung vorantreibt. Hier kann sich der Protagonist aber nur treiben lassen, was meint, dass er nicht selbstbestimmt handeln kann. Deswegen ist er derjenige, der nie Nein sagen konnte. Der Name 'Protagonist' soll somit zur Paradoxie werden.
Genau darauf sollte auch die Verlassenheit anspielen. Die verlassene Welt ist in ihm selbst - er ist verlassen und leer, während es draußen 'klirrt und schwirrt'. Diese Lautmalerei könnte daher auf das 'richtige und belebte Leben' außerhalb von ihm anspielen.

Soweit zumindest meine Gedanken, wobei es natürlich auch defizitär  ist, seinen eigenen Text derart zu erklären... Das ist ja nicht Sinn der Sache smile Aber vielleicht verstehst Du, dass ich wegen dieser gewünschten Programmatik nur ungern auf den Namen 'Protagonist' und das 'Klirren und Schwirren' verzichten möchte.
Dieses Programm müsste ich vielleicht an anderer Stelle deutlicher (aber dennoch subtil) herausstellen.

Wie gesagt, ich werde mich sicherlich nochmal an den Text zu schaffen machen und bin sehr froh, dass Du mir durch Deine guten Anmerkungen einen neuen Blick auf meinen Text geben konntest!

Liebe Grüße
Phaze
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