Mein Freund, der Mops

[Berni]

Abend, dunkel. Bettler (B1) sitzt auf einer Parkbank, gegenüber ist ein Restaurant noch erleuchtet. Vor den Füßen des Bettlers liegt eine Decke. Es sieht aus, als solle sie seine Füße wärmen. B1 hat Gesicht in seinen Händen vergraben.
Weiterer Bettler (B2) kommt dazu, bleibt stehen.
Am Ende der Szene treten  weitere Bettler auf.


B1
Tot.
B2
Wer?
B1
Mein Freund, der Mops!
B2
Dein Freund?
B1
Tot.
B2
Tot? Schrecklich. (Pause) Was sagst du,  wer ist dieser Mops?
B1
Du weißt doch. Er hat immer hier gelegen. (zeigt auf die Decke vor ihm)
B2
Ach, der kleine Hund?
B1
Hungrig war er.
B2
Hungrig! Aha. (Pause) War das deiner?
B1
Meiner? Nicht meiner? Was ändert das.
B2
Nichts. Nichts ändert das. (Pause) Was ist denn passiert?
B1
Da drüben war's. (deutet auf ein Restaurant auf der anderen Straßenseite). Wie es geduftet hat von da. Immer duftet es so. Jeden Tag.  Auch jetzt, riechst du das? Sag mal, wer kann das ertragen.
B2
Hm, riecht wirklich gut.
B1
Solchen Hunger, sag ich dir. Sitz!, habe ich noch gesagt. Aber er hört nicht.
B2
Natürlich nicht.
B1
Und dann läuft er über die Straße. Ganz vorsichtig. Wie immer. Wenn ein Auto kommt, bleibt er stehen. Ich hab's ihm beigebracht. Aber da kommt kein Auto. Und schon ist er im Hinterhof verschwunden.
B2
Im Hinterhof?
B1
Durch den Kücheneingang. Wohin sollte er sonst. Mit seinem Hunger?
B2
Einfach verschwunden?
B1
Verstehst du?
B2
Der Hunger.
B1
Und dann dieses Gejaule. Schrecklich. Ein Schwein, denke ich, so quiekt es da. Und dann ruft einer:  Du verdammte Töle. Dich schlag dich tot. Mein letztes Ei! Und wieder dieses Quieken.
B2
Wer war denn -
B1
Der Koch! Der rennt hinter ihm her und schlägt drauf. Immer wieder und schreit und schlägt. Ich zucke zusammen, halte es nicht aus. Dann wirft er das Knäuel auf die Straße. Wischt sich die Hände an der Schürze ab und spuckt aus.
B2
Auf die Straße? Deinen Mops? Und spuckt dann aus!
B1
So sind die Menschen.
B2
Die Menschen!
B1
Hier liegt er, mein Mops. (zieht Decke fort, darunter liegt der tote Mops) Tot. Was ist das für ein Leben? Immer hungrig, dass man kaum schlafen kann. Immer diese herrlichen, unerreichbaren Düfte um die Nase. Und wenn man es nicht mehr aushält und selbst ein wenig was abhaben will vom Leben, dann wird man erschlagen.  Ein Hundeleben ist das. Das sag ich dir.
B2
Was?
B1
Arme Hunde sind wir doch alle hier auf der Erde.

(knien sich beide hin, graben dem Mops ein Grab und beginnen dabei den Rundgesang, nach und nach kommen weitere Bettler dazu und singen mit)

Ein Mops kam in die Küche,
und stahl dem Koch ein Ei …

[firstoffertio]

Hallo Berti,

Die Idee finde ich gut. Aber mir spielt das doch zu oberflächlich mit dem Lied. Irgendwie fehlt mir doch  der Ernst der Situation..

[Berni]

Hallo,

danke erst einmal für deinen Kommentar. Wie ich ja an anderer Stelle schon einmal schrieb, studiere ich zur Zeit "Stücke schreiben/Szenisches Schreiben". Und dieser Text hier ist wieder ein solches Übungsstück, bei dem ich gern wüsste, wie es fernab der "Wissenschaft" ankommt. In der Tat war die Aufgabe hier, einen Text um das Lied herum zu schreiben, wobei man durchaus recht eng am Sujet bleiben musste. Es existiert ein weiterer Text zum selben Thema, jedoch wesentlich freier und an Beckett angelehnt. Vielleicht stelle ich den auch noch mal ein.

Das wollte ich nur als Erklärung zufügen. Danke noch einmal für deine ehrlichen Worte.

LG
BeBa

[BlueNote]

C1: Ist B2 ein Papagei?

[Berni]

Und BlueNote ein Komiker?

BlueNote,
von dir habe ich auch schon Geistreicheres gelesen.

LG
Berni

[BlueNote]

Hi Berni,

und warum plappert B2 immer alles nach? Oder stellt nicht sonderlich geistreiche Fragen?

Berni, ich bin (oder war?) auch ein großer Anhänger von Ionesco und Beckett (absurdes Theater). Aber in den 50-er Jahren war das vielleicht noch originell, schlecht übersetzte Sätze wie aus einem Anfänger-Englischlehrbuch für ein Theaterstück zu verwenden (wie Ionesco das getan hat).

Aber bei deinem Text ist mir das einfach zu simpel - zumal die Idee ja nicht neu und außerdem auch keine erkennbare Aussage mit dieser seltsamen (künstlichen) Sprache verbunden ist.

BN

[Berni]

Hi BlueNote,

mit dieser Kritik kann ich nun etwas anfangen. Ich stelle die Texte ja dafür ein, dass mir andere die Meinung sagen. Und dieses Genre ist für mich noch Neuland, da muss ich noch viel lernen. Das weiß ich und da helfen solche Kommentare wie dein letzter sehr. Danke dafür.


LG
Berni

[Gast]

Hm. Drama ist ein eigenes Fach, weit mehr als ein Dialog. Das gesprochene Wort des Dramas ist mehr als wörtliche Rede. Da kenne ich mich bei weitem nicht gut genug aus, um wirklich hilfreich zu sein.

Dennoch mal das, was mir beim Lesen in den Sinn kam.

Der Mops-Song ist in seinem Wesen absurd. Entweder man bleibt in dieser Absurdität - oder man verlässt sie. Und zwar ganz.

Du bist gerade noch nicht Fisch und nicht Fleisch.

Mit dem Setting der beiden Bettler bringst du eine Realität und Ernsthaftigkeit rein, die dem eigentlichen Song entgegen steht - aber diesen Schritt gehst du dann wiederum nicht tief genug. "Willst du ein Ei, dann bist du Brei" wird der Armutsfrage nicht gerecht, das bleibt dann 'Blabla-jammer-bla' und zugleich fehlt der Schmerz um den Mops, weil dann wird es ja doch wieder beinahe absurd.

Absurd wäre, wirklich 50 Möpse auftreten zu lassen, die einen Grabstein vorbei tragen.

Ernsthaft wäre, dem Gefühl des Hungers Worte zu verleihen.

Kannst du folgen?

[Berni]

Lb. debruma,

ich hoffe doch, dass ich folgen kann.

Interessante Kritik, die du da äußerst. Damit dürftest du wohl auch richtig liegen. Übrigens hatte ich mir die Sache mit den "50" Möpsen auch überlegt, es dann aber für zu übertrieben gehalten. Im Nachhinein und wenn ich deinen Kommentar lese, denke ich noch mal darüber nach.

Danke dir und eine schöne Woche wünscht
Berni

[Föterich]

Hi Berni,
mir gefällt das Stück unglaublich gut.
Die Referenz an das Lied, das ich früher schon grausam fand, ist sehr gelungen.

LG
Deine Föte

[Berni]

Danke, liebe Flöte. Freut mich, dass dir das kurze Stück gefällt.