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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Leseprobe von Tinlizzy


 
 
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Hardy-Kern
Kopfloser

Alter: 74
Beiträge: 4841
Wohnort: Deutschland


Beitrag22.02.2014 21:50

von Hardy-Kern
Antworten mit Zitat

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:


... aber ich zeige dir mal kurz, was du an deinem Dialog verbesern könntest:

Zitat:
„ Für Frauen in einer so einer einsamen Gegend ist ratsamer erst zu schießen  und später zu fragen, Mister O'Harrow“, verteidigte Elizabeth ihr Verhalten ungeniert.
„ Da ich nicht die Absicht habe, Ihnen irgendein Leid zuzufügen, möchte ich Sie bitten, auf den weiteren Einsatz von Schusswaffen gegen meine Person zu verzichten. Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand auf mich zielt“.
„ Was will der Kerl hier?“, knurrte Mel ungehalten, als sei Thomas O'Harrow taub oder nicht existent.
„ Darüber würde ich gern mit ihm bei einem Kaffee reden“.
„ Soll ich diesem Brandstifter etwa Kaffee kochen?“, beschwerte Mel sich.
„ Ich kann das auch gern machen“, schlug Elizabeth vor.


Das ist jetzt nur ein kleines Beispiel, aber in den blau markierten Beisätzen wiederholst du eigentlich nur Informationen, die aus dem Verlauf des Dialogs schon ersichtlich sind - das nimmt Tempo raus, was gerade in diesem Fall, wo ja ein mehr dynamisches, humoriges Hin und Her angestrebt wird, schade ist.


Genauso sehe ich das auch und hatte es schon bemerkt.
Wenn ich aus dem vorher geschriebenen Text die Protas kenne, weiß ich als Leser, wer die Worte im Dialog spricht und kann mir den Wurmfortsatz ersparen. Das wird tatsächlich ermüdend und kann die Spannung und den Fluss hemmen. Kann, muss aber nicht, weil es immer auf den Zusammenhang und die Notwendigkeit in der Geschichte ankommt.

Klemens, ohne Dialoge, läuft in einer längeren Geschichte (Roman) kaum was. Dann kegelst Du dich selbst raus, wie Du sinngemäß bemerkst. Für Kurzgeschichten könnte es auch ohne Dialoge klappen.
Es wird dann schwer die Charaktere entsprechend zu positionieren, weil man sie dann nur in der Erzählform platzieren kann.
Wird schwierig.

Hardy
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2934
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag22.02.2014 22:19

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hardy-Kern hat Folgendes geschrieben:
Kann, muss aber nicht, weil es immer auf den Zusammenhang und die Notwendigkeit in der Geschichte ankommt.


Ja. Und auf den Zweck, den der Dialog an der jeweiligen Stelle hat, auf das Tempo, das er erzeugen oder abbremsen soll. Wie gesagt, ein allgemeingültiges "Beisätze streichen" wollte ich damit nicht ausdrücken. Aber das kam, glaube ich, auch nicht so an.

Zitat:
Klemens, ohne Dialoge, läuft in einer längeren Geschichte (Roman) kaum was. Dann kegelst Du dich selbst raus, wie Du sinngemäß bemerkst.


Naja, erstens war mein Kommentar nicht so ganz ernst gemeint, zweitens könnte ich jetzt auf einige meiner Lieblingsbücher verweisen, die allesamt ohne Dialog auskommen - dann könntest du erwidern, dazu brauche es aber einen ausnehmend guten Autor, und dass ich davon noch weit entfernt sei - und dann könnte ich sagen, tja, dann sei mir eben nicht zu helfen. Ist eine müßige Diskussion, die wir Tinlizzy und ihrem Thread ersparen sollten.
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Tinlizzy
Geschlecht:weiblichLeseratte

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Beiträge: 144
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Beitrag04.03.2014 12:17
Neuer Anfang Buch 3
von Tinlizzy
Antworten mit Zitat

Ich habe eure diversen Ratschläge für die Überarbeitung zusammen gefasst und  hoffe, dass der Text dadurch etwas besser geworden ist.
          

                  1.Kapitel 'Das Ende naht'

Gibt es eine unzerstörbare Liebe? Eine Liebe, die alle Hindernisse überwindet oder Katastrophen übersteht? Oder gibt es Ereignisse, die jede Liebe letztendlich zerstören?

Solche Fragen stellte sich Elizabeth Palmer niemals. Als ihr Vater vor zwei Jahren unerwartet starb, hinterließ er ihr sein Vollblutgestüt 'Palmer Farm' im Sacramento Valley im Norden Kaliforniens. Lizzy leitete die Rennpferdezucht mit Herz und Verstand in Jeans und Cowboystiefeln, aber ohne finanzielles Glück. Und seitdem sie keine Bereiter und Pfleger mehr bezahlen konnte, standen Liebesfragen bei der jungen, hübschen Frau ganz tief unten auf der To-Do-Liste. Sie schuftete von fünf Uhr morgens bis tief in die Nacht. Täglich führte ihre letzte Runde sie in die drei Pferdeställe, um nach dem Rechten zu sehen. Heute ließ sie die Taschenlampe zurück, weil ein heller Dreiviertelmond den Hof gut genug erhellte. Lizzy begann in Stall III, in dem zurzeit nur ihre drei Deckhengste standen. Die Jährlinge grasten weitab hinten auf einer Koppel, damit sie weniger Arbeit hatte. Sie schritt auf einen prachtvollen Rapphengst zu, der sie schnaubend begrüßte. Auf einem eindrucksvollen Schild mit goldener Schrift stand 'Titanium'. Zahlreiche blaue Schleifenbänder und eine Rote-Rosen-Plakette für einen Kentucky Derby Sieger prangten an der Boxentür. „ Titan, du bist mein Bester“. Sie gab ihm zwei Möhren, streichelte ihn liebevoll und ging weiter. Als Elizabeth aus Stall II trat, stoppt sie plötzlich. Im Stutenstall flackerte ein grelles Licht auf, buckelte wild wie ein Mustang beim Rodeo und erlosch. Da war jemand! Lizzy erschrak bei dem Gedanken an Diebe, Brandstifter oder Mörder. Außer Mel, ihrer haitianischen Haushälterin und Ersatzmutter, und ihr lebte niemand auf der Farm. Verzweifelt schluckte sie ihre Furcht herunter und spürte stattdessen lodernde Wut im Bauchnabel. Niemand betrat unerlaubt ihrem Stutenstall!
„ Ihr Verbrecher seid an die Falsche geraten!“. Elizabeth stampfte derart wütend zum Haupthaus, dass selbst ein Yosemite Büffel ängstlich das Weite suchte.
Sie eilte ins Haupthaus. Ihre Winchester hing griffbereit neben der Haustür und Lizzy lud sie gleich durch. Mel schaute verwundert vom Fernseher auf, in dem gerade die Serie 'King-of-Queens' lief.
„ Die Bakers schicken Brandstifter, um uns die Ställe abzufackeln“. Sie hätte jetzt zu Mel sagen können 'Ruf den Sheriff', aber Sheriff Simmer war ein Freund vom alten Baker. Nach Batman zu rufen, war ähnlich hilfreich.    

Indianergleich schlich Lizzy in den Stutenstall und schaute sich im Dämmerlicht um. Die Stallgasse war leer und es roch weder nach Benzin noch Rauch, was sie sofort beruhigte. Erst jetzt schaltete sie das Neonlicht ein. Die geladene Winchester verwandelte ihre Nervosität in Nervenstärke. Der Umgang mit einer Flinte gehörte zum Landleben wie Barbecue und Teufelskuchen am Sonntag.
 „ Kommt raus, ihr Mistkerle! Ich mache aus eurem Hintern einen 18-Loch-Golfplatz, damit der Doc bei der nächsten Pokerrunde was Lustiges zu erzählen hat“. Keiner antwortete. Schritt für Schritt ging sie den Gang entlang und schaute abwechselnd in die Boxen und die Gasse. Wahrscheinlich versteckten sie sich in den leeren Boxen am Ende der Stallgasse.
 „ Letzte Chance!“. Es raschelte und ein unbekannter Mann mittleren Alters trat mit erhobenen Händen raus. Lizzy zielte auf den nach Bier und Stallduft müffelnden Fremden, der schmuddelige Designer-Jeans und ein Marken-Poloshirt unter seiner Wildlederjacke trug. Überall hing Stroh an ihm, als wollte er in der Box schlafen.
„ Nehmen Sie bitte die Flinte runter, Miss!“.
„ Vergiss es! Ich brenn' dir Feuerteufel damit eins auf den Pelz. Bedank' dich beim alten Baker dafür und sag' ihm, wenn er meine Ställe abfackeln will, muss er früher aufstehen“.
„ Stall abfackeln? Wer ist der alte Baker? Ich suche Elizabeth Palmer, die Tochter des Vollblutzüchters Frank Palmer. Sind Sie das, Miss?“.
„ Allerdings“. Lizzy schätzte auf ihn sechs Fuß oder mehr, viel zu groß und kräftig für einen Bereiter. „ Wer sind Sie?“.  
„ Hoffentlich kennen Sie den Name Thomas O'Harrow“.
„ Sollte ich?“, log Lizzy absichtlich. Der Name O'Harrow ließ  einem Turffreund das Herz ähnlich höher hüpfen wie bei einem Weinkenner eine Flasche Mouton-Rothschild.
„ Schade, mein Name schindet sonst immer Eindruck. Wir O'Harrows sind ein Trainer-Clan aus Irland. Zwei meiner Brüder sind Spitzenjockeys“.  
„ Sagt mir nichts! Was wollen Sie hier?“. Sie log misstrauisch, um ihn abzuwimmeln.
„ Ich möchte für Sie arbeiten, Miss Palmer. Vor vier Tagen hörte ich zufällig, dass Sie am Rand einer Pleite stehen. Zucht und Training ist einfach zu viel für eine Person. Ich kann Sie wieder auf die Gewinnerspur bringen“.
„ Hassen Sie Geld oder warum wollen Sie auf einer angeblich bankrotten Zuchtfarm anfangen?“.
„ Können wir das besprechen, ohne dass Sie mit Ihrer Flinte auf mich zielen? Mir schlafen allmählich die Arme ein“.
'Das ist kein Handlanger der Bakers, zu gut erzogen und sein Akzent klingt irisch'.
„ Ist ein Gin-Tonic alles, was Sie trinken, oder tut's auch ein Becher Kaffee?“.
„ Ich bin kein Säufer, Miss Palmer! Ich mag im Moment ramponiert aussehen, aber meinen Pferdeverstand habe ich noch, falls Sie das meinen“. Sie nickte ihm auffordernd zu und Thomas O'Harrow holte einen Seesack aus der Box, den er schulterte. Während beide die Stallgasse entlang gingen, sah er aufmerksam in jede Pferdebox nach dem Rechten.

Lizzy schritt über den Hof und machte sich ihre Gedanken. Offenbar wusste die ganze Rennsportszene von ihrer Finanzkrise. 'War klar, dass die Kleine es nicht packt!', lautete bestimmt das hämische Gelächter der anderen Züchter. Aber es war nicht ihre Schuld, jedenfalls nicht allein. Die Bakers trugen eine gehörige Portion zu ihrer Misere bei. Seit der alte Baker beschloss, ihre Farm zu übernehmen, trieb er Lizzy systematisch in den Ruin. Zuerst sollte sie seinen widerlichen Sohn Carlton heiraten. Doch Carlton deutete ihr ' Eher jage ich mir eine Kugel durch den Schädel' anscheinend als Ablehnung. Seit jenem Tag zahlte Lizzy dafür. Sie zahlte den doppelten Hypotheken Zinssatz auf der Bank und den zweifachen Preis fürs Pferdefutter. Jede Autoreparatur kostete sie den dreifachen Betrag, den ein Baker Freund zahlte. Der alte Baker war eben der ungekrönte König von Mystle County, denn ihm gehörte das Sägewerk, dem größten Arbeitgeber im Bezirk. Wer, wie die Palmers es immer getan hatten, nicht nach seiner Pfeife tanzte, zahlte dafür auf die eine oder andere Art.
 
Tom O'Harrow ließ Elizabeth zuerst eintreten. Lizzy trug ihr rot-blondes Haar in einem losem Bauernzopf, aus dem Strähnchen herausfielen. Beim Eintritt riss er entsetzt seine Arme zum zweiten Mal hoch, weil eine andere Frau mit einer Pumpgun vor ihm stand.
„ Ist das der Brandstifter?“. 'Das nenne ich bizarr!', rief Thomas innerlich aus. Eine rund fünfzigjährige Latina in einem farbenfrohen Morgenmantel und rosafarbenen Flausch-Hausschuhen zielte mit einer mächtigen Pumpgun auf seine Brust.
„ Nein, Mel! Mister O'Harrow hat weder Streichhölzer noch Benzin bei sich“. Elizabeth sicherte die Winchester und hing sie wieder neben die Tür. Jetzt nahm Mel ebenfalls ihre Flinte runter. Skeptisch senkte Thomas O'Harrow seine Hände.
„ Gibt es hier noch mehr Frauen, die auf mich schießen wollen?“.
„ Auf dem Land ist es für Frauen ratsamer, erst zu schießen und die Fragen während der Reanimation zu stellen, Mister O'Harrow“.
„ Da ich niemand berauben, erschlagen oder vergewaltigen will, möchte ich Sie bitten, auf eine weitere Bedrohung gegen meine Person durch Schusswaffen jeglicher Art zu verzichten. Es macht mich nervös, wenn dauernd jemand auf mich zielt“.
„ Was will der irische Rotschopf hier?“.
„ Das besprechen wir bei einer Tasse Kaffee“.
„ Muss ich diesem Baker-Komplizen Kaffee kochen?“.
„ Ich mach schon, Mel“.
„ Bloß nicht! Am Ende kommst du noch ins Gefängnis, wenn du diesen irischen Obergangster mit deinem Kaffee vergiftest“. Thomas sah Mel irritiert hinterher, als sie in ihren rosa Flausch-Hausschuhen in die Küche huschte, und folgte beiden Frauen. Die Möbel im Haus waren altmodisch und nichts Besonderes, sahen aber bequem aus. Mel hielt alles liebevoll sauber und schaffte eine gemütliche Atmosphäre.  Elizabeth wies auf einen Stuhl am Tisch, während Mel Kaffee aufbrühte.
„ Ich höre, Mister O'Harrow!“.
„ Thomas oder Tom genügt, Miss Palmer. Ihr Gestüt ist nur Insidern bekannt und trotzdem brachte ihr Vater jedes Jahr Spitzenpferde auf die Bahn. Sie verstehen ebenso viel von der Vollblutzucht und ich bin ein guter Trainer. Zusammen erreichen wir einiges“.
„ Dummerweise haben Sie recht, Mister O'Harrow. Die Farm liegt in den letzten Atemzügen. Eine Handvoll Jungen und Mädchen aus der Stadt helfen beim Training und Misten der Ställe, wenn ich sie bar bezahle. Mir fehlt eine Menge Geld, um hier weiter zu machen. Ein O'Harrow als Trainer ist nicht mal in zehn Jahren drin, selbst wenn jetzt ein Wunder geschieht“.
„ Ich wusste, Sie kennen meinen Namen. Es sei drum, bei Ihnen kommt es mir nicht auf das Geld an“.
„ Auf was dann?“. Mel gab Thomas einen Becher Kaffee, den er dankbar nahm.
„ Ich suche ich keinen üblichen Job, Miss Palmer, sondern mehr ein Zuhause. Als Trainer habe ich in Frankreich, Hongkong und den USA gearbeitet und es war eine schöne Zeit. Doch jetzt möchte ich mich irgendwo niederlassen“.
„ Sie wollen auf meiner bankrotten Farm neu anfangen? Sind Sie in letzter Zeit hart auf den Kopf gefallen?“.   
„ Frank Palmer baute eine hervorragende Pferdezucht auf  und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit Ihrem Pferdeverstand sie in zwei Jahren wirklich ruiniert. Da muss es andere Gründe geben. Sind die Bakers ein Grund für Ihre geschäftliche Schieflage?“.
„ Ja, ich will Ihnen nichts vormachen, Thomas. Ich stecke bis zur Unterlippe in Schwierigkeiten, wobei ich nicht behaupten will, eine gute Geschäftsfrau zu sein. Für Vater und mich zählten das Herz immer mehr als die Brieftasche. Darum war die 'Palmer Farm' nie ein Vorzeigegestüt wie andere Rennställe im Land. Die Bakers lassen mir kaum Luft zum Atmen und wenn Sie sich auf meine Seite stellen, werden Sie es hier schwer haben“.
„ Was wollen die Bakers von Ihnen?“.
„ Die Farm natürlich. Aber meine Zucht interessiert sie nicht und meine Pferde verscherbeln sie innerhalb von 24 Stunden pfundweise. Zur Farm gehört ein Waldgebiet mit einem alten und sehr wertvollen Holzbestand. Die Bakers haben ein großes Sägewerk und wollen unbedingt an mein Holz. Aber der Wald ist mein Wasserspeicher. Fällt der Wald, vertrocknen meine Weiden“.
„ Langsam verstehe ich, warum ihr Fremde bewaffnet begrüßt. Sie haben mich wirklich für einen Brandstifter gehalten!“.
„ Carlton Baker hat mir damit mehrfach gedroht“.
„ Sag' ihm, dass dieser Schweinehund dich vor sechs Monaten vergewaltigen wollte“, forderte Mel aufgebracht. Sie stellte wütend eine Pfanne auf den Herd. Tom starrte beide Frauen fassungslos an.
„ Wie bitte?“.
„ Ich habe auf ihn geschossen, da ist er abgehauen“, fuhr Mel fort. „ Aber er lässt sie nicht in Ruhe“.
„ Was ist mit dem Sheriff?“.
„ Er ist ein Freund der Bakers“, erklärte Lizzy knapp. Ihr Blick wanderte kurz zur Tür. „ Seien Sie schlau, Thomas O'Harrow, und gehen Sie! Ich habe Ihnen nichts außer jede Menge Arbeit und Ärger zu bieten“.  
„ Leider sind wir Iren nicht für unsere Cleverness, sondern nur für unser Trunksucht berühmt. Außerdem gehen wir einem guten Streit niemals aus dem Weg“. Er blickte sie erstmals konzentriert an. Der erste Eindruck erinnerte an einen Engel. Ihr ovales Gesicht zeigte eine gerade, etwas stupsige Nase und schmale Lippen. Ihre Augen leuchteten meerschaumgrün.
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Bananenfischin
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Moderatorin

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Wohnort: NRW
Goldene Feder Prosa Pokapro IV & Lezepo II
Silberne Harfe



Beitrag05.03.2014 02:10

von Bananenfischin
Antworten mit Zitat

Neue Version zur besseren Nachvollziehbarkeit in Absprache mit der Autorin aus der Werkstatt verschoben und mit dem Ursprungsthread zusammengeführt.

_________________
Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft

I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf)
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Merlinor
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Beiträge: 8676
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DSFo-Sponsor


Beitrag08.03.2014 12:37

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo Tinlizzy

Diese neue Fassung zeigt einmal mehr, dass Du gut mit Sprache umgehen und auch sehr lebendig erzählen kannst.
Wenn ich sehe, mit welcher Geschwindigkeit Du Verbesserungen in Deine Texte einbringst, mache ich mir um den langfristigen Erfolg Deiner Bemühungen nicht die geringsten Sorgen.
Wenn Du es ernsthaft willst, kannst Du Dich zu einer guten Autorin von Unterhaltungsliteratur entwickeln und Erfolg am Markt haben, da bin ich sicher.
Soviel vorweg.

Deine Neufassung hat jetzt einen Stand erreicht, wo vieles im Auge des Betrachters liegt und für eine Rezension persönliche Geschmacksfragen in weiten Teilen bereits eine höhere Bedeutung erlangen, als grundsätzliche handwerkliche Erwägungen.

Dennoch möchte ich da auf einen gewichtigen Komplex zurückkommen, bei dem ich glaube, dass er Deine Erzählstrategie immer noch ungünstig beeinflusst.
Du hast in meinen Augen nach wie vor die „Erklärereritis“, meinst, es sei unbedingt nötig, den Leser möglichst schon zu Beginn der Geschichte über den Handlungsrahmen und das Setting zu informieren.
Natürlich kann man das so machen, aber nötig ist es meiner Meinung nach nicht.
Wenn man es macht, sollte es gut in die Charakteristik des gesamten Textes passen.
Ich glaube aber, bei Dir passt es eigentlich nicht, denn Du bist von der grundsätzlichen Art her eine eher handlungsorientierte Erzählerin.
Das glaube ich zumindest aus Deinen bisherigen Textproben herausgelesen zu haben.

Stell Dir einfach die Frage, ob der Leser wirklich von den ersten Zeilen an wissen muss, dass Deine Protagonistin Erbin einer Pferdezucht ist, in wirtschaftliche Schwierigkeiten steckt, mit nur einer Haushälterin allein auf der Farm lebt und so weiter und so fort.

Muss er all das wirklich jetzt schon wissen? Nein muss er nicht … Gar nix muss er wissen.
Also erzähle es ihm nicht gleich, sondern mache ihn auf diese und jede andere Information erst einmal neugierig, bevor Du sie ihm auf den Teller legst.

Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:
Gibt es eine unzerstörbare Liebe? Eine Liebe, die alle Hindernisse überwindet oder Katastrophen übersteht? Oder gibt es Ereignisse, die jede Liebe letztendlich zerstören?
Solche Fragen stellte sich Elizabeth Palmer niemals


Das ist in meinen Augen ein guter Anfang.
Er legt das Genre fest, zeigt in die grundsätzliche Richtung und weckt entsprechende Erwartungen und Vorfreude im Leser.
Er begründet also den ersten, das Genre bestimmenden Spannungsbogen des Romans.
Dann der kurze Satz: Solche Fragen stellte sich Elizabeth Palmer niemals.
So mag ich das: Mit einem Schlag sind wir mitten im Geschehen.

Aber jetzt bitte auch wirklich direkt rein in die Handlung!
Zumindest schreit mein Geschmack hier nach Aktion, nicht nach Erklärungen.
Es interessiert mich an dieser Stelle nämlich nicht die Bohne, wessen Kind die gute Elizabeth Palmer ist.
Ich will sie jetzt möglichst bald mit dem Gewehr in der Hand in den Stall marschieren sehen.

Vergiss also die ganzen Erklärungen zum Leben der Protagonistin, die Du hier eingefügt hast, anstatt die Handlung kompromisslos voranzutreiben. An dieser Stelle haben sie meiner Meinung nach nichts verloren, den dieser Satz leitet doch direkt die Handlung ein.

Und vergiss bitte auch all die Umwege, die Du sie - nach Abschluss all der Erklärungen - auch noch machen lässt, bevor es wirklich losgeht: Sie muss wirklich nicht erst in Stall Nr.1 ihren Zuchthengst streicheln (den kannst Du dem Leser auch später vorstellen, sie ist ja nur deswegen dort, weil Du, die Autorin, uns den Burschen gerne präsentieren willst, um uns einen Teil des Settings zu zeigen), dann Licht in Stall Nr. 2 entdecken, danach mühselig zurück ins Haupthaus marschieren, um das Gewehr zu holen und dann – endlich – den Ort des Geschehens erreichen … Das ist umständlich; unnötig umständlich, wie ich finde.
Dass Du es sprachlich schön erzählst, macht diese komplizierte Dramaturgie leider nicht schneller.

Zurück zur Erzähleritis: Du musst den Leser nicht über das Setting informieren, musst nicht von Beginn an mit der Tür ins Haus fallen, wer, was, wann, wo, warum und wieso tut.

Also: Sie steht auf der Veranda des Haupthauses, will einen letzten Rundgang durch die Stallungen machen und sieht dort Licht.
Gewehr gepackt, kurze Mitteilung an Mel, dass da jemand im Stall ist – vielleicht Brandstifter, aber lass es sie nur vermuten, nicht affirmativ deklamieren, denn das führt den Leser womöglich auf falsche Fährten – und dann marschiert sie los.
Und Action!
Der Leser muss hier auch noch gar nicht wissen, wer Mel ist und dass Elitzabeth die Besitzerin der Farm ist und was auch immer.
Das zu zeigen ist später noch genug Gelegenheit. Die Szene führt doch ohnehin dorthin zurück.

Wozu auch all diese Information und Beschreibung von Orten und Personen?
Der Leser soll doch in erster Linie neugierig der sich entwickelnden Handlung folgen und die kann nach und nach die jeweils nötigen Informationen entwickeln.
Vieles davon wird doch schon in der Konfrontation mit dem Eindringling deutlich.
Da wiederholst Du in Deiner augenblicklichen Fassung eine Menge Information, die Du dem Leser überflüssigerweise bereits am Anfang unters Auge gerieben hattest, denn jetzt erklärst Du sie im Frage und Antwortspiel des Dialogs noch einmal, getreu der Devise: Doppelt gemoppelt ...
Doppelt gemoppelt macht hier aber vor allen Dingen einmal den Plot langsam.
Dadurch entwertest Du den Dialog mit dem Mann überdies ganz erheblich, denn der deckt ja jetzt nur mehr wenig Neues auf, was die Protagonistin selbst betrifft.
Du schneidest Dich so also erzählerisch ins eigene Fleisch.

So, aber jetzt mache ich allmählich Schluss.
Mir ging es hier vor allen Dingen darum, Dich auf die Problematik eines in meiner Sicht unnötige Infodumps hinzuweisen.
Schau Dir die Sache daraufhin einfach in ruhe selbst noch einmal an und überlege Dir, wo du Überflüssiges wegschneiden kannst.

Noch eine kurze Anmerkung zum Schluss: Schau Dir bitte genau an, wie du mit Perspektive umgehst.
Du wechselst in dem Abschnitt aus der Sicht der Protagonistin recht unvermittelt in die Sicht des Eindringlings, um durch dessen Augen die Protagonistin zu betrachten.
Das ist zumindest problematisch.
Man kann über den Gebrauch von Perspektive trefflich streiten, aber ich mag solche Wechsel nicht gerne. Doch das ist nur meine persönliche Auffassung.

Was übrigens für meinen ganzen Sermon gilt.
Wie gesagt: Sprachlich bist Du auf der Höhe, vieles ist da reine Geschmackssache und deshalb ist meine Kritik nur ein Vorschlag zum Nachdenken.
Ich persönlich mag zum Beispiel Worte wie „Indianergleich“ nicht besonders, aber andere werden Dich dafür lieben.
Genauso ist es mit der Info am Anfang: Das ist ja alles sehr glatt und kompakt geschrieben und man kann es, wie bereits gesagt, durchaus so machen.
Deshalb beschreiben meine Anmerkungen auch nur meinen persönlichen Stil im Umgang mit Dramaturgie und dem Aufbau von Spannung.
So würde halt ich selbst vorgehen. Verbindlich ist das sicher nicht ...

Nimm dir also nur das aus meinen Anmerkungen, das wirklich zu Dir und dem passt, wie Du gerne erzählen möchtest.
Du bist jedenfalls auf einem guten Weg.


LG Merlinor


_________________
„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942
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LeoModest
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Beitrag08.03.2014 13:10

von LeoModest
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Hallo TinLizzy,

ich habe die Ursprungsversion nicht gelesen, aber eben deine überarbeitete entdeckt und möchte ein paar Dinge anmerken, wenn ich darf. Ob mein Geschmack mit dem Genre oder der Intention überein stimmt, musst du jedoch entscheiden:

Grundsätzlich hat das erste Kapitel eine gewisse Neugierde geweckt: gerade der Ire, der den Amis zeigt, wo's mit den Pferden lang geht, gefällt mir. Smile  Im Gegensatz zu meinem Vorredner finde ich auch nicht, dass du zuviel erklärst. Folglich kann ich dir eine andere Perspektive bieten, die eben auf meinem Geschmack gründet: ich mag es nicht, wenn künstlich Spannung erzeugt wird, indem Informationen vorenthalten werden: das Geschriebene soll nicht dadurch reizvoll sein, dass man wissen will, was folgt, sondern der Reiz soll in der Qualität des Geschriebenen sein. So meine Meinung, sodass ich nicht unbedingt sagen würde, du erklärest zu viel.
Allerdings sehe ich es ähnlich, dass ein paar Darstellungen anfangs etwas überflüssig wirken: nicht die Erklärungen, aber die Beschreibungen könnte man da etwas entschlacken.
Wie dem auch sei, ich meine, dass du eine anständige Einführung in die Thematik bringst, die Grundkonflikte aufdeckst und zeigst, wohin es geht.

Den Anfangssatz finde ich ehrlich gesagt zu pathetisch - und wenn als allererstes behauptet wird, dass die junge Dame nie an eine Beziehung denkt und dann zufällig einen Mann kennen lernt: dann weiß man, dass da wohl etwas im Busche ist. Ob das Genre das verlangt, weiß ich nicht: meinem Geschmack entspricht es nicht.

Schließlich eine winzige Kleinigkeit: als jemand, der sowohl in Irland (toll!) als auch in Amerika (grässlich!) gelebt hat, möchte ich eins bemerken: ein Ami erkennt sofort (und zwar sofort!), wenn ein Ire etwas sagt, dass er kein Amerikaner ist. Wenn Tom also ein Ire ist, so würde das der Lizzy ziemlich gleich auffallen: würde das den Verdacht verändern? "Oh, Baker heuert jetzt Iren an..." oder "Hm, ich kenne keine Iren, die für Baker arbeiten..."? Na ja, ist nun nicht so wichtig, aber wenn man pedantisch ist, kann man darauf hinweisen. Wink
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Tinlizzy
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Beitrag08.03.2014 17:21
Ich danke euch fürs Lesen!!!
von Tinlizzy
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Lieber LeoModest!!!
Das du eine gegensätzliche Meinung zu Merlinor vertrittst, ist für mich sehr aufschlussreich. Sie schildert genau den Zwiespalt, den ich bei der Gestaltung des Anfangs hege...
Deine Position ist richtig, ich mag es auch, wenn ich vor ab die Fakten kenne.
Und Merlinor hat genauso recht, weil es im Prinzip doppelt erzählt wird.

Das schlimme ist, ich finde im Moment beide Wege richtig, was mir eine Entscheidung gerade sehr schwer macht.

Mit dem Entschlacken habt ihr beide recht. Ich finde es faszinierend, was ich von meinem Geschreibsel alles wegwerfen kann, um die Qualität zu erhöhen Rolling Eyes Rolling Eyes Rolling Eyes

Über den Anfangssatz kann man wirklich trefflich streiten. Aber es entspricht wirklich ihrem Charakter, da sie ein sehr besessener Typ ist. Da ein Roman eigentlich immer die Wandlung eines Menschen aufzeigen soll, liegt er in ihrem Fall darin, sie von dieser Besessenheit zu kurieren. Ich behaupte auch nicht, dass dieser Anfang perfekt ist. Ich fand ihn eine gute Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass ich keine Geschichte schreibe wie Mädchen trifft Junge, beide verlieben sich... Happy End...

Den absolut interessantestes Punkt deiner Ausführung finde ich jedoch, das mit dem irischen Akzent ... Klar, ich hohle Nuss schreibe jetzt schon so lange daran und mir ist trotzdem nicht aufgefallen, dass er ja nur den Mund aufmachen muss, um sich als Ire zu outen.

Wenn du in Irland gelebt hast, hast du vielleicht einen Tipp für mich, wodurch ihn durch seine Wortwahl vielleicht eher als Iren kennzeichnen kann?  Mein männlicher Protagonist ist Brite und ihn lasse ich in der Regel
die Worte sehr gewählt setzen. Ich bin zwar drauf gekommen, die Sprache von Tom etwas europäischer zu machen, aber typisch irisch wäre eindeutig besser...
Die Protagonistin darf übrigens auch nicht zu amerikanisch sein, da sie als Kind in die USA eingewandert ist und eigentlich Deutsche ist ( Ich bin kein wirklicher Amerika Fan, Irland ja!!!! Aber ich brauche die Amis für den Plot) Wenn du mir da ein wenig weiterhelfen könntest, wäre ich echt dankbar.

Lieber Merlinor,

wie immer liegt mir sehr viel an deiner Kritik und ich bin überaus glücklich, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Ich hatte es
gehofft, weil ich bei der Überarbeitung des ersten Kapitels eine erheblich
Reduktion durch geführt habe. Als ich damit anfing, hatte der Text rund 170 Seiten. Davon habe ich allein für den neuen Anfang 12 weggeworfen.
Als ich eure diversen Ratschläge beherzigt habe, habe ich noch einmal 30 Seiten gekillt und das Ergebnis ist erheblich leserlicher, knackiger und meiner Meinung nach würziger.

Ich habe unglaublich viel dazu gelernt und dafür bin ich dir und allen anderen sehr dankbar.  Ich denke, dass ihr mit den Dopplungen recht habt und das sie noch raus müssen. Aber ich gestehe auch, dass ich davor bisher zurückgeschreckt bin. Für mich ist das ungefähr so, als würde ich den Leser, der gerade neugierig am Poolrand steht, mit einem Tritt ins Wasser befördern.

Allerdings habe ich bei euch auch gelernt, dass ich dem Leser auf diese Art in den Hintern treten sollte, da es meine Texte besser macht. Ich bin auch etwas kompromissloser beim Schreiben geworden und traue mich mehr als früher.

Ich werde auf jeden Fall meine 'Erkläreritis' behandeln Laughing Laughing Laughing

Was die Wortwahl betrifft...  da gestehe ich gern, ich bin niemand, der an einem einzelnen Wort hängt oder so etwas  'Indianergleich' ist eine grenzwertige Konstruktion, die auf jeden Fall gehasst und geliebt wird...
Ich habe keine Hemmungen, es wieder aus dem Text zu nehmen ...
Mir ist die Geschichte selbst viel wichtiger als ein Wort... vermutlich, weil ich genauso male ich wie ich schreibe... mir ist das gesamte Bild wichtiger als jeder einzelne Pinselstrich.  

Allerdings stellt sich mir gerade noch eine andere Frage und wenn du Zeit und Lust hast, kannst du sie mir vielleicht beantworten ( wobei ich in diesem Rahmen auch für jede andere Ansicht dankbar bin )
Ich frage mich, wie die humorigen Momente im Text rüber kommen...
etwas lustiges zu schreiben ist wahnsinnig schwer und geht so leicht daneben... Mir liegt aber sehr viel daran, dass ich den Leser zum Lachen bringe... Spannung und Spaß sind für mich tragende Elemente meiner Geschichte... Ich bin mir eigentlich sicher, dass ich eine gewisse Spannung erzeugen kann... aber Humor? ... das ist eine überaus schwierige Übung...

Ich wäre für Rückmeldungen auf diesen Themenbereich sehr dankbar, wobei ich natürlich alle Kommentare interessant finde.

lg
Tinlizzy
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LeoModest
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Alter: 37
Beiträge: 142
Wohnort: Travemünde


Beitrag08.03.2014 20:26
Re: Ich danke euch fürs Lesen!!!
von LeoModest
Antworten mit Zitat

Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:

Und Merlinor hat genauso recht, weil es im Prinzip doppelt erzählt wird.


Ohne jetzt gegen Merlinor zu gehen: ich sehe es nicht als doppelt erzählt an, wenn du anfangs sagst, dass die Protagonistin die Erbin des Gestüts ist. Damit ist es gesagt, wir wissen mehr und es kann weiter gehen. Kein Problem!

Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:

Das schlimme ist, ich finde im Moment beide Wege richtig, was mir eine Entscheidung gerade sehr schwer macht.


Da kann ich dir natürlich nicht die wahre Lösung aufzeigen. Es ist eben das dir bekannte Abwägen: Spannung durch Unklarheit aufbauen - einen geschlossenen, klaren Rahmen bieten, der die Basis für den Rest ist.

Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:

Mit dem Entschlacken habt ihr beide recht. Ich finde es faszinierend, was ich von meinem Geschreibsel alles wegwerfen kann, um die Qualität zu erhöhen Rolling Eyes Rolling Eyes Rolling Eyes


Was glaubst du, wieviel Stein der arme Michelangelo weghauen musste bis er seinen David hatte? Wink

Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:

Über den Anfangssatz kann man wirklich trefflich streiten. Aber es entspricht wirklich ihrem Charakter, da sie ein sehr besessener Typ ist. Da ein Roman eigentlich immer die Wandlung eines Menschen aufzeigen soll, liegt er in ihrem Fall darin, sie von dieser Besessenheit zu kurieren. Ich behaupte auch nicht, dass dieser Anfang perfekt ist. Ich fand ihn eine gute Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass ich keine Geschichte schreibe wie Mädchen trifft Junge, beide verlieben sich... Happy End...


Hm, ich verstehe schon. Ohne pedantisch nachhaken zu wollen möchte ich aber doch unterstreichen: wenn ich anfangs betone, wie klar sie eigentlich gar keinen Mann will, so impliziere ich doch, dass sie irgendwann einen Mann hat, ich bereite also den Weg für ihre Wandlung. Da würde es mir subtiler besser gefallen: nicht sagen, dass sie keinen Mann will, sondern ihre Handlung, ihr Verhalten so gestalten, dass der Leser den Eindruck bekommt, dass sie gar keinen Mann will. Weißt du, was ich meine, Tinlizzy: zu sagen, ein 'Oblomow' ist faul ist viel weniger kunstvoll, als ihn so zu präsentieren, dass es jeder für sich selber sieht.

Tinlizzy hat Folgendes geschrieben:

Wenn du in Irland gelebt hast, hast du vielleicht einen Tipp für mich, wodurch ihn durch seine Wortwahl vielleicht eher als Iren kennzeichnen kann?  Mein männlicher Protagonist ist Brite und ihn lasse ich in der Regel
die Worte sehr gewählt setzen. Ich bin zwar drauf gekommen, die Sprache von Tom etwas europäischer zu machen, aber typisch irisch wäre eindeutig besser...


Danke, Tinlizzy, das ist eine spannende und unlösbare Aufgabe: wie spricht ein Ire anders Deutsch als ein Amerikaner? Das ist so eine Sache, die mich die englischen Originalversionen vorziehen lässt, weil diese Nuancen gehen in der Übersetzung verloren; dito ist es unendlich schwer, solche Nuancen im Deutschen für das Englische zu setzen.
Na ja, du siehst das Problem. Irische Idiosynkrasien gibt's halt im Englischen - aber das lässt sich schwer übersetzen!

Ich gebe dir mal ein paar Gedanken, woran man tendenziell einen Engländer von einem Iren unterscheiden kann; ob du das verdeutschen kannst, weiß ich jedoch nicht:

- ständig wird geflucht, fucking this and fucking that, ohne dass es ansatzweise vulgär intendiert wäre, die liebsten Großväter sagen 'Fuck off!', wo unsere Älteren 'I wo!' sagen
- 'your man' und 'your one' für 'er' oder 'sie'
- 'locked' für 'betrunken' (plus zig Synonyme); vielleicht ihn 'betrunken' fälschlicherweise als 'abgeschlossen' bezeichnen lassen? Hm, eher sehr mittel
- 'ah sure, you'll be grand' - klar, alles wird gut
(Das hat vielleicht echt Potenzial. Es gibt so die irische Anekdote, dass die Iren eben immer 'You'll be grand' sagen; der eine Kerl beschreibt, wie er seinen Job verlor, seine Frau ihn verlassen hat, er Krebs diagnostiziert bekam und das Land bald bankrott ist - und der Kumpel am Thresen sagt nur: "Ah, you'll be grand!" Vielleicht ist dein Tom ja auch so?!
In Ergänzung fällt mir eben ein, dass du ihn eventuell hin und wieder Englisch reden lassen kannst. Deutsche Texte sind voll von furchtbaren Anglizismen, also darf auch gerne ein Ire mal was Englisches sagen. Ihn mit so einigen Eigenheiten zu zeichnen wäre vielleicht ganz nett?! Was meinst du?
- 'What a ledge', 'What a legend'; kam mir tendenziell eher in Irland, aber eben auch in England, dagegen nie in Amerika unter. Heißt "Das ist geil, er ist geil!" Ich selber habe es mir angewohnt, bisweilen in grässlichen Deutsch zu sagen, "Was eine Legende!", was so was von falsch ist - aber zeigt, dass ich eben in Irland war. Vielleicht macht Tom das auch? (Vorsicht: dies wäre sehr subtil und von vielen gewiss anders gesehen und von kaum einem als irische Anspielung verstanden...)
- 'Bollocks, what a load of bollocks' - habe ich auch gnadenlos aus Dublin mit heimgenommen und in Amerika haben sie alle über mein ständiges 'Bollocks!' gelästert; in Deutsch sage ich 'Bockmist', wobei das nur in meinem Dorf hier verbreitet ist, also keine adäquate Übersetzung ist. Aber ich würde behaupten, dass der Tom auch gerne mal mit 'Bollocks!' fluchen könnte, woraufhin die Amis ihn verwundert anschauen
- Auf mein 'that's brilliant' haben mich auch ein paar Amis angesprochen, wird dort wohl auch wenig gebraucht; ob das irisch oder auch englisch ist, weiß ich aber nicht
- Amis sagen im Übrigen oft 'I could care less', was offenkundiger Unfug ist. Iren und Briten sagen dagegen korrekterweise 'I couldn't care less'; du könntest Tom (wie auch den Briten) also die Amis darauf hinweisen lassen, dass 'Es könnte mir egaler/wurschter sein' sagen, albern ist; 'egaler' ist aber auch furchtbar, hm.

Nun, das so ein paar Gedanken hierzu. Vielleicht ist ja etwas dabei, was dich weiter bringt. Es ist natürlich gut möglich, dass ich was Falsches geschrieben habe und andere, die sich mit Irland auskennen, es anders sehen. Aber dies wäre meine Version..
Und, Tinlizzy, frage gerne weiter nach, wenn du etwas wissen willst - hat Spaß gemacht, darüber nachzudenken...

Grüße

Leo
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Beitrag08.03.2014 23:05
Fuck off - that's brillant!!!
von Tinlizzy
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Hallo leoModest!!!

du brauchst dir gar nicht einzubilden, dass du mich nach der Antwort so
leicht los wirst!!! Laughing Laughing Laughing
Nein, im Ernst, ich kann das hervorragend verwenden, wenn ich mir auch noch nicht ganz sicher bin, wie ich das am besten umsetze. Aber es rattert schon, da kommt noch was bei raus... Idea Idea Idea

Auf jeden Fall finde ich es klasse, jemand zu haben, der beide Länder kennt. Irland ist ein absoluter Traum von mir und ich habe mir fest vorgenommen, dass ich von meinem ersten anständigen Geld für meiner Bücher mir eine ausgiebige Irlandreise gönne ... vorher geht nicht, ich will es ja als Autorin schaffen ( bin verrückt, weiß ich... Rolling Eyes Rolling Eyes Rolling Eyes )

Aber du hast recht, den irischen Slang im Deutschen irgendwie vernünftig dazustellen ist verflixt schwierig... Mit den Übersetzung habe ich auch oft Probleme, weil sie nicht immer den Kern treffen... Aber es gibt einen vernünftigen Weg, den gibt es immer...

Ich melde mich, sobald ich etwas greifbares habe

lg
Tinlizzy
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Beitrag23.03.2014 21:16

von Tinlizzy
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Hallo,

da LeoModest mir geraten hat, meinen Iren etwas irischer zu gestalten, habe ich es einmal versucht. Außerdem habe ich die Personenbeschreibungen etwas abgeändert, weil sie mir so nicht gefallen haben. Ich hoffe, die Personen kommen jetzt besser heraus.

Auf ein neues:                  1.Kapitel 'Das Ende naht'

Gibt es eine unzerstörbare Liebe? Eine Liebe, die alle Hindernisse überwindet oder Katastrophen übersteht? Oder gibt es Ereignisse, die jede Liebe letztendlich zerstören?
Solche Fragen stellte sich Elizabeth Palmer niemals. Lizzy leitete die Rennpferdezucht im Scaramento Valley in Nordkalifornien mit Herz und Verstand in Jeans und Cowboystiefeln, aber ohne finanzielles Glück. Liebesfragen standen bei der jungen, hübschen Frau tief unten auf der To-Do-Liste. Sie schuftete von fünf Uhr morgens bis tief in die Nacht. Täglich führte ihre letzte Runde sie in die drei Pferdeställe, um nach dem Rechten zu sehen. Heute ließ sie die Taschenlampe zurück, weil ein heller Dreiviertelmond den Hof gut genug erhellte. Lizzy begann in Stall III, in dem zurzeit nur ihre drei Deckhengste standen. Die Jährlinge grasten weitab hinten auf einer Koppel, damit sie weniger Arbeit hatte. Als Elizabeth aus Stall II trat, stoppt sie plötzlich. Im Stutenstall flackerte ein grelles Licht auf, buckelte wild wie ein Mustang beim Rodeo und erlosch. Da war jemand! Lizzy erschrak bei dem Gedanken an Diebe, Brandstifter oder Mörder. Außer Mel, ihrer haitianischen Haushälterin und Ersatzmutter, und ihr lebte niemand auf der Farm. Verzweifelt schluckte sie ihre Furcht herunter und spürte stattdessen lodernde Wut im Bauchnabel. Niemand betrat unerlaubt ihrem Stutenstall!
„Ihr Verbrecher seid an die Falsche geraten!“. Elizabeth stampfte derart wütend zum Haupthaus, dass selbst ein Yosemite Büffel ängstlich das Weite suchte. Ihre Winchester hing griffbereit neben der Haustür und Lizzy lud sie durch. Mel schaute verwundert vom Fernseher auf, in dem gerade die Serie 'Big Bang Theory' lief.
„Die Bakers schicken Brandstifter, um uns die Ställe abzufackeln“. Sie hätte jetzt zu Mel sagen können 'Ruf den Sheriff', aber Sheriff Simmer war ein Freund vom alten Baker. Nach Batman zu rufen, war ähnlich hilfreich.    

Indianer gleich schlich Lizzy in den Stutenstall und schaute sich im Dämmerlicht um. Die Stallgasse war leer und es roch weder nach Benzin noch Rauch, was sie sofort beruhigte. Erst jetzt schaltete sie das Neonlicht ein. Die geladene Winchester verwandelte ihre Nervosität in Nervenstärke. Der Umgang mit einer Flinte gehörte zum Landleben wie Barbecue und Teufelskuchen am Sonntag.
„Kommt raus, ihr Mistkerle! Ich mache aus eurem Hintern einen 18-Loch-Golfplatz, damit der Doc bei der nächsten Pokerrunde was Lustiges zu erzählen hat“. Keiner antwortete. Schritt für Schritt ging sie den Gang entlang und schaute abwechselnd in die Boxen und die Gasse. Wahrscheinlich versteckten sie sich in den leeren Boxen am Ende der Stallgasse.
„Letzte Chance!“. Es raschelte und ein unbekannter Mann Mitte dreißig trat mit erhobenen Händen raus. Lizzy zielte auf den nach Bier und Stallduft müffelnden Fremden, der schmuddelige Designer-Jeans und ein Marken-Poloshirt unter seiner Wildlederjacke trug. Überall hing Stroh an ihm, als wollte er in der Box schlafen.
„Bullocks! Nehmen Sie bitte die Flinte runter, Miss!“.
„Vergiss es! Ich brenn' dir Feuerteufel damit eins auf den Pelz. Bedank' dich beim alten Baker dafür und sag' ihm, wenn er meine Ställe abfackeln will, muss er früher aufstehen“.
„Stall abfackeln? Wer ist der alte Baker? Bullocks, ich suche Elizabeth Palmer, die Tochter des Vollblutzüchters Frank Palmer. Sind Sie das, Miss?“.'Ach, Herr je, wenn das kein Ire ist …“, dachte sie für sich.
„Allerdings“. Lizzy schätzte auf ihn sechs Fuß oder mehr, viel zu groß und kräftig für einen Bereiter. „Wer sind Sie?“.  
„Hoffentlich kennen Sie den Name Thomas O'Harrow“.
„Sollte ich?“, log Lizzy absichtlich. Der Name O'Harrow ließ einem Turffreund das Herz ähnlich höher hüpfen wie bei einem Weinkenner eine Flasche Mouton-Rothschild.
„Fuck, mein Name schindet sonst immer Eindruck. Wir O'Harrows sind ein Trainer-Clan aus Irland. Zwei meiner Brüder sind Spitzenjockeys“.  
„Sagt mir nichts! Was wollen Sie hier?“. Sie log misstrauisch, um ihn abzuwimmeln.
„Ich möchte für Sie arbeiten, Miss Palmer. Vor vier Tagen hörte ich zufällig, dass Sie am Rand einer Pleite stehen. Zucht und Training ist einfach zu viel für eine Person. Ich kann Sie wieder auf die Gewinnerspur bringen“.
„Hassen Sie Geld oder warum wollen Sie auf einer angeblich bankrotten Zuchtfarm anfangen?“.
„Können wir das besprechen, ohne dass Sie mit Ihrer Flinte auf mich zielen? Mir schlafen allmählich die Arme ein“.
'Will dieser sechs Fuß große Ire wirklich von dir?', fragte sie sich innerlich. Irischer konnte eigentlich kein Ire aussehen als Thomas O'Harrow. Bei seiner Größe erinnerte sein roter, modisch geschnittener Haarschopf an das Kupferdach eines Leuchtturms. Seine rosige Haut erinnerte eine gesunde Lebensweise mit guter Butter und viel Lammfleisch wie auch seine kräftige Statur davon sprach. Und seine Augenfarbe beschwor ein Bild der tiefblauen irischen See an einem Sonnentag herauf.
„Ist ein Gin-Tonic alles, was Sie trinken, oder tut's auch ein Becher Kaffee?“.
„Bullocks, ich bin kein Säufer, Miss Palmer! Ich mag im Moment ramponiert aussehen, aber meinen Pferdeverstand habe ich noch, falls Sie das meinen“. Sie nickte ihm auffordernd zu und Thomas O'Harrow holte einen Seesack aus der Box, den er schulterte. Während beide die Stallgasse entlang gingen, sah er aufmerksam in jede Pferdebox nach dem Rechten.

Lizzy schritt über den Hof. Hätte jemand sie um eine Selbstbeschreibung gebeten, hätte sie ihm lapidar mit 'nix halbes und nix ganzes' geantwortet. Sie fand sich mit fünf Fuß, acht Inch zu klein, um beeindruckend zu sein. Ihr Haar  war weder rot noch blond, ihre Farbe lag dazwischen und das  Haar kräuselte sich leicht. Meist trug sie es in einem verwilderten Bauernzopf, aus dem sich Strähnen selbständig machten. Ihr Vater hatte ihre Augenfarbe als meerschaumgrün bezeichnet, was für sie eine liebevolle Umschreibung für halb blau, halb grün war. Ihr hübsches, fast engelsgleiches Gesicht war auch nur ihm und nicht ihr aufgefallen. Sie fand dagegen ihre Lippen zu schmal. Ihr Arzt fand seit Monaten, dass sie noch ausgezehrter wirkte als sonst. Aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Offenbar wusste die ganze Rennsportszene von ihrer akuten Finanzkrise. 'War klar, dass die Kleine es nicht packt!', lautete bestimmt das hämische Gelächter der anderen Züchter. Aber es war nicht ihre Schuld, jedenfalls nicht allein. Die Bakers trugen eine gehörige Portion zu ihrer Misere bei. Seit der alte Baker beschloss, ihre Farm zu übernehmen, trieb er Lizzy systematisch in den Ruin. Zuerst sollte sie seinen widerlichen Sohn Carlton heiraten. Doch Carlton deutete ihr 'Eher jage ich mir eine Kugel durch den Schädel' anscheinend als Ablehnung. Seit jenem Tag zahlte Lizzy dafür. Sie zahlte den doppelten Hypotheken Zinssatz auf der Bank und den zweifachen Preis fürs Pferdefutter. Jede Autoreparatur kostete sie den dreifachen Betrag, den ein Baker Freund zahlte. Der alte Baker war eben der ungekrönte König von Mystle County, denn ihm gehörte das Sägewerk, dem größten Arbeitgeber im Bezirk. Wer, wie die Palmers es immer getan hatten, nicht nach seiner Pfeife tanzte, zahlte dafür auf die eine oder andere Art.
 
Tom O'Harrow ließ Elizabeth zuerst eintreten. Lizzy trug ihr rot-blondes Haar in einem losem Bauernzopf, aus dem Strähnchen herausfielen. Beim Eintritt riss er entsetzt seine Arme zum zweiten Mal hoch, weil eine andere Frau mit einer Pumpgun vor ihm stand.
„Ist das der Brandstifter?“. 'Fuck, ist das bizarr!', rief Thomas innerlich aus. Eine rund fünfzigjährige Latina in einem farbenfrohen Morgenmantel und rosafarbenen Flausch-Hausschuhen zielte mit einer mächtigen Pumpgun auf seine Brust.
„Nein, Mel! Mister O'Harrow hat weder Streichhölzer noch Benzin bei sich“. Elizabeth sicherte die Winchester und hing sie wieder neben die Tür. Jetzt nahm Mel ebenfalls ihre Flinte runter. Skeptisch senkte Thomas O'Harrow seine Hände.
„Bullocks! Gibt es hier noch mehr Frauen, die auf mich schießen wollen?“.
„Auf dem Land ist es für Frauen ratsamer, erst zu schießen und die Fragen während der Reanimation zu stellen, Mister O'Harrow“.
„Da ich niemand berauben, erschlagen oder vergewaltigen will, möchte ich Sie bitten, auf eine weitere Bedrohung gegen meine Person durch Schusswaffen jeglicher Art zu verzichten. Fuck, es macht mich nervös, wenn dauernd jemand auf mich zielt“.
„Was will der irische Rotschopf hier?“.
„Das besprechen wir bei einer Tasse Kaffee“.
„Muss ich diesem Baker-Komplizen Kaffee kochen?“.
„Ich mach schon, Mel“.
„Bloß nicht! Am Ende kommst du noch ins Gefängnis, wenn du diesen irischen Obergangster mit deinem Kaffee vergiftest“. Thomas sah Mel irritiert hinterher, als sie in ihren rosa Flausch-Hausschuhen in die Küche huschte, und folgte beiden Frauen. Die Möbel im Haus waren altmodisch und nichts Besonderes, sahen aber bequem aus. Mel hielt alles liebevoll sauber und schaffte eine gemütliche Atmosphäre.  Elizabeth wies auf einen Stuhl am Tisch, während Mel Kaffee aufbrühte.
„Ich höre, Mister O'Harrow!“.
„Thomas oder Tom genügt, Miss Palmer. Ihr Gestüt ist nur Insidern bekannt und trotzdem brachte ihr Vater jedes Jahr Spitzenpferde auf die Bahn. Sie verstehen ebenso viel von der Vollblutzucht und ich bin ein guter Trainer. Fuck, zusammen erreichen wir einiges“.
„Dummerweise haben Sie recht, Mister O'Harrow. Die Farm liegt in den letzten Atemzügen. Eine Handvoll Jungen und Mädchen aus der Stadt helfen beim Training und Misten der Ställe, wenn ich sie bar bezahle. Mir fehlt eine Menge Geld, um hier weiter zu machen. Ein O'Harrow als Trainer ist nicht mal in zehn Jahren drin, selbst wenn jetzt ein Wunder geschieht“.
„Bullocks, ich wusste, Sie kennen meinen Namen. Es sei drum, bei Ihnen kommt es mir nicht auf das Geld an“.
„Auf was dann?“. Mel gab Thomas einen Becher Kaffee, den er dankbar nahm.
„Ich suche ich keinen üblichen Job, Miss Palmer, sondern mehr ein Zuhause. Als Trainer habe ich in Frankreich, Hongkong und den USA gearbeitet und es war eine schöne Zeit. Doch jetzt möchte ich mich irgendwo niederlassen“.
„Sie wollen auf meiner bankrotten Farm neu anfangen? Sind Sie in letzter Zeit hart auf den Kopf gefallen?“.   
„Fuck! Frank Palmer baute eine hervorragende Pferdezucht auf und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit Ihrem Pferdeverstand sie in zwei Jahren wirklich ruiniert. Da muss es andere Gründe geben. Sind die Bakers ein Grund für Ihre geschäftliche Schieflage?“.
„Ja, ich will Ihnen nichts vormachen, Thomas. Ich stecke bis zur Unterlippe in Schwierigkeiten, wobei ich nicht behaupten will, eine gute Geschäftsfrau zu sein. Für Vater und mich zählten das Herz immer mehr als die Brieftasche. Darum war die 'Palmer Farm' nie ein Vorzeigegestüt wie andere Rennställe im Land. Die Bakers lassen mir kaum Luft zum Atmen und wenn Sie sich auf meine Seite stellen, werden Sie es hier schwer haben“.
„Was wollen die Bakers von Ihnen?“.
„Die Farm natürlich. Aber meine Zucht interessiert sie nicht und meine Pferde verscherbeln sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden pfundweise. Zur Farm gehört ein Waldgebiet mit einem alten und sehr wertvollen Holzbestand. Die Bakers haben ein großes Sägewerk und wollen unbedingt an mein Holz. Aber der Wald ist mein Wasserspeicher. Fällt der Wald, vertrocknen meine Weiden“.
„Bullocks! Langsam verstehe ich, warum ihr Fremde bewaffnet begrüßt. Sie haben mich wirklich für einen Brandstifter gehalten!“.
„Carlton Baker hat mir damit mehrfach gedroht“.
„Sag' ihm, dass dieser Schweinehund dich vor sechs Monaten vergewaltigen wollte“, forderte Mel aufgebracht. Sie stellte wütend eine Pfanne auf den Herd. Tom starrte beide Frauen fassungslos an.
„Wie bitte?“.
„Ich habe auf ihn geschossen, da ist er abgehauen“, fuhr Mel fort. „Aber er lässt sie nicht in Ruhe“.
„Was ist mit dem Sheriff?“.
„Er ist ein Freund der Bakers“, erklärte Lizzy knapp. Ihr Blick wanderte kurz zur Tür. „Seien Sie schlau, Thomas O'Harrow, und gehen Sie! Ich habe Ihnen nichts außer jede Menge Arbeit und Ärger zu bieten“.  
„Fuck, leider sind wir Iren nicht für unsere Cleverness, sondern nur für unser Trunksucht berühmt. Außerdem gehen wir einem guten Streit niemals aus dem Weg“. Er blickte sie erstmals konzentriert an. Der erste Eindruck erinnerte an einen Engel. Ihr ovales Gesicht zeigte eine gerade, etwas stupsige Nase und schmale Lippen. Ihre Augen waren meerschaumgrün.
„Trotzdem muss ich ablehnen, Mister O'Harrow, weil ich nicht mit einem Trinker zusammen arbeite. Es ist nichts Persönliches oder weil ich Sie nicht mag. Aber Trinker neigen dazu, ihre schlechte Laune an den Pferden auszulassen. Das dulde ich nicht!“.
„Miss Palmer, ich bin definitiv kein Trinker! Vielleicht sehe ich Moment nicht so aus, aber ich trinke normalerweise nicht“.
„Und was ist der jetzige Grund für Ihr Eau de Whiskey?“.
„Bullocks! Mit Pferden habe ich niemals Probleme! Leider falle ich bei Frauen immer auf den gleichen Typ herein. Zuerst ist es die große Liebe, worauf sie mir das Herz bricht und ich Volltrottel auf dem Boden einer Single Malt Flasche lande“.
„Also hat Ihnen gerade Barbie das Herz gebrochen?“.
„Fuck the devil! Ich Idiot habe Stein und Bein geschworen, dass es diesmal anders läuft. Sie war die Frau vom Boss und angeblich so einsam, dass ich sie unbedingt trösten musste. Ihr Mann hätte sie nur aus Statusgründen geheiratet und sie würde ihre Ehe bereuen. Bullocks! Sie bereute nur, dass ihr Mann noch nicht verstorben war und sie nicht an sein Erbe konnte. Ich begriff erst, wem ich aufgesessen war, als sie mit einem argentinischen Pferdepfleger in den Federn lag“. Er hielt mit ärgerlicher Mine inne. “ Ich habe dieses Spiel abgrundtief satt und mir geschworen, ich fange ganz neu an. Keine reichen Frauen mehr, nur Arbeit und meinen Frieden“.  
„Oh, dann sind Sie hier genau richtig, Thomas O'Harrow. Ich habe nicht genug Geld, um die nächste Futterrechnung zu bezahlen. Wenn Ihnen das arm genug ist, kommen wir ins Geschäft“. Thomas streckte sofort die Hand über den Tisch und meinte: “Angenommen!“.
„Hey, das war nur ein Spaß!“.
„Für mich nicht, Miss Palmer!“.
„Sie kennen weder mich noch meine Farm und … “.
„Ich kenne Ihre Pferde sehr wohl und ich weiß darum, dass hier etwas zu machen ist“.
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Tinlizzy
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Beitrag13.04.2014 10:41

von Tinlizzy
Antworten mit Zitat

Hallo,

ich habe gerade durch Zufall gesehen, wie viele Leute bereits meinen Buchanfang gelesen haben.

Dafür möchte ich mich bei euch bedanken. Eigentlich wollte ich nicht so viel Text daraus einstellen. Aber offenbar scheint es doch Menschen zu geben, die es interessiert. Ich stelle darum ein weiteres Textstück ein.
Ich hoffe, ihr findet gefallen daran.

„Ich kenne Ihre Pferde sehr wohl und ich weiß darum, dass hier etwas zu machen ist“.
„Woher kennen Sie meine Pferde?“. Er hörte ihr Misstrauen in ihrer Stimme.
„Ich bin ein guter Trainer und verstehe mein Handwerk. Wir O'Harrows sind seit drei Generationen im Renngeschäft und wissen, wo gute Pferde grasen. Ihr Trumpf ist ihr Deckhengst Titanium, der vor sechs Jahren das Kentucky Derby mit drei Längen Vorsprung gewann. Vierzehn klare Siege in vierzehn Rennen“.
„Das steht in jedem Rennbahnführer“.
„Aber nicht, dass Titan ein Flaschenfohlen war, weil seine Mutter 'Treasure Island' bei der Geburt starb. Ihr Vater zog ihn von Hand auf. Claude McFoy ritt Titan im Derby. Titan ist berühmt, weil er lieber tot umfällt, bevor er einen Gegner eine Nasenbreite vorbei lässt. Sie managen seine Nachzucht falsch, weshalb er sein Wert lediglich bei einer Million liegt. Trotzdem ist er für sie unverkäuflich.
„Einen Derbysiegers vermarkten kostet ein Vermögen, das ich nicht habe. Außerdem würde ich es lieber in meine Stuten stecken“.
„Darum sitze ich hier, Miss Palmer. Für Sie kommen die Pferde zuerst und zuletzt. Fuckin'hell, das ist mir wichtig“. Lizzy lehnte sich nachdenklich zurück.
„Wie wollen Sie mir helfen, wenn Sie selber pleite sind?“.  Als Thomas antworten wollte, stellte Mel Thomas einen Teller mit gebratenen Eiern und Speck hin. Tom aß wie ausgehungert. Lizzy ließ ihm Zeit aufzuessen, um in Ruhe zu überlegen.
„Also, im Moment bin ich selber blank. Aber ich verfüge über gute Kontakte in der Rennsportszene. Damit halten wir uns über Wasser, bis wir wieder auf einem grünen Zweig sitzen“.
„Was verlangen Sie für Ihre Hilfe, Thomas?“.
„Fuck the devil, ich arbeite zunächst auf Probe für Sie, wobei ich mit  Kost und Logie zufrieden bin. Kommen wir beide miteinander aus, findet sich für alles ein Weg. Wie gesagt, es geht mir nicht um das Geld. Ich kann jetzt eine Telefonnummer wählen und habe Morgen früh um acht Uhr einen gut bezahlten Trainerjob. Aber dann geht das gleiche Spiel wieder los. Damit ist jetzt Schluss!“.
„Mein Arzt behauptet, ich bin eine Frau!“.
„Eine Pferdefrau, keine Barbie, die aus Geldgier einen alten Mann heiratet und mit der halben Belegschaft vögelt“. Lizzy lächelte bezaubernd und hielt ihre Hand hoch.
„Kein Ring am Finger! Dafür fange ich morgens um fünf Uhr mit füttern und misten an, um anschließend den ersten Schwung Rennpferde zu trainieren. Danach steht noch mehr Training auf dem Plan und wieder füttern und misten. Stallhilfen und Trainingspartner kann ich mir nur sporadisch leisten. Zwischendurch hole ich noch Fohlen auf die Welt oder halte mir die Geldeintreiber der Futterlieferanten vom Leib. Außerdem fehlt mir ein guter Jockey, der für mich die Rennen gewinnt, damit ich Geld verdiene. Wenn hier kein Wunder geschieht, verliere ich die Farm an die Bank“.
“Harte Arbeit schreckt mich nicht, Miss Palmer. Wissen Sie, was ich mir von diesem Job verspreche? Ich will abends todmüde in mein Bett fallen und allenfalls einen Trainingsplan für den nächsten Tag im Kopf haben“.
„Was passiert, wenn wir tatsächlich zusammen den Karren aus dem Dreck ziehen?“.
„Bollocks, lassen Sie uns morgen mit dem Schieben anfangen, Miss Palmer. Wir verhandeln später“.
„Wir probieren es zusammen, Thomas! Aber erwische ich dich einmal mit einer Fahne, bist du raus! Keine Kompromisse, keine Gnade!“. ' Mut hat die Kleine auch ohne Winchester' dachte er für sich. Tom wusste mehr über Elizabeth Palmer, als ihr lieb war. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, ledig und hatte eine eigene Jockeylizenz. Als Jockey war sie Durchschnitt und ritt ausschließlich ihre eigenen Pferde. Er wusste sogar, dass sie eine angehende Tierärztin war. Ein Gehirnschlag ihres Vaters verhinderte ihren Abschluss und plötzlich stand Lizzy mit der gesamten Verantwortung allein da. Der Vollblut-Züchterverband und die Rennsport-Funktionäre mochten sie nicht, da die Palmers sich nie um den Verband scherten und trotzdem schnelle Pferde züchteten. Thomas hatte ihren Vater gemocht und Lizzy gefiel ihm ebenso. Er reichte ihr die Hand, worauf Lizzy einschlug. Lizzy zeigte Thomas das Gästezimmer im Obergeschoss, damit er sich noch einige Stunden hinlegen konnte.

Als Lizzy jedoch aufstand, war von Thomas O'Harrow weit und breit nichts zu sehen. Sie ging zum Gästezimmer, klopfte leise an die Tür und trat ein. Er schlief tief und fest, jedenfalls ließen seine grunzenden Schnarchgeräusche darauf schließen. Lizzy betrachtete einen Moment sein freundliches Gesicht mit der hohen Stirn und großen Ohren. Gestern waren ihr seine blitzblauen Augen aufgefallen, in denen ein gewisser Schalk Zuhause war. In seinem länglich geschnittenen Gesicht saß eine ehemals geraden Nase, die  nach einem Bruch schlecht zusammen gewachsen war. Er trug einen Drei-Tage-Bart um die schmalen Lippen. Statt ihn zu wecken, ging sie wortlos. Lizzy begann ihr Arbeit allein.

Am Nachmittag trat Lizzy erneut ins Gästezimmer. Thomas erwachte und richtete sich verschlafen auf.  
„Ist es vier Uhr früh? Die Sonne steht am Himmel“.
„Vier Uhr nachmittags, Thomas“. Tom starrte schockiert auf seine Uhr mit Rolex-Logo. Kein Mann mit diesem Edelchronometer war arm. Sie fand es aufschlussreich, dass er diese kostspielige Uhr behielt. Tom schimpfte unverständlich auf gälisch und sprang aus dem Bett. Lizzy schmunzelte, als sie ihn in Boxershorts sah, was ihm peinlich war.
“Keine Panik! Ich habe dich absichtlich ausschlafen lassen. Geh' duschen! Danach zeig’ ich dir die Farm“. Thomas schnappte sich seinen Seesack und folgte Lizzy zum Bad.

Eine halbe Stunde später saß er in sauberen Jeans, einem frischen Shirt und in Cowboystiefeln am Tisch. Lizzy hatte Mel beim Frühstück erklärt, was ein erstklassiger Trainer wie Thomas O'Harrow sonst verdiente, und war beeindruckt. Es erklärte zudem seine Vorliebe für Designer-Kleidung. Mel selbst lebte auf der Farm, seit Frank Palmer sie vor zwanzig Jahren als Haushälterin und Kindermädchen für Lizzy einstellt. Für Lizzy war sie mehr Mutter als alles andere. Dank ihrer fröhlichen, unkomplizierten Art bewahrte Mel sich ihre jugendliche Ausstrahlung. Ihre Hautfarbe erinnerte an starken Assam-Tee und sie trug ihr kräftiges Haar glatt. Noch zeigte sich kein Silber in der schwarzen Pracht. Ihr Gesicht war rund wie ein Vollmond und ihre Figur ähnlich üppig.

Mel stellte ihm einen Teller mit Sandwichs und heißem Kaffee hin, die er eilig verputzte. Anschließend schlenderte Tom mit Elizabeth über den Hof in die Stallungen und zu den Pferden auf den Koppeln. Eine Meile lang war die Auffahrt der Palmer Farm, die zwischen riesigen Pferdekoppeln durchführte. Der Hof bestand aus einem renovierungsbedürftigem Haupthaus und einem baufälligen Verwalterhaus etwas abseits. Die drei Ställe lagen nahe der Sandbahn, die ebenfalls eine Meile lang war. Die Scheunen für Futter und Geräte standen abseits. Tom kannte viele prächtigere Rennställe als die desolat aussehende Palmer Farm. Lizzy sah deutlich, dass er sich mehr erhofft hatte. Ihr gefiel seine Geduld mit den Pferden. So ging nur ein echter Fachmann an fremde Pferde heran.

Am nächsten Morgen kochte Tom bereits Kaffee, als Lizzy und Mel aufstanden. Sie plauderten freundlich und gingen gemeinsam an die Arbeit. Tom fütterte, tränkte, brachte die Stuten mit Fohlen auf die Weide und mistete eine ganze Wagenladung vor die Tür. Sie hörte ihn bei der Arbeit pfeifen und lächeln. Thomas wusste natürlich, dass in modernen Ställen Maschinen das Ausmisten und andere körperliche Arbeiten vereinfachten. Aber hier gab es so etwas nicht und somit packte er überall, wo schiere Muskelkraft gefragt war. Nach dem Frühstück gingen sie zusammen auf die Rennbahn, wo er akribisch alle Zeiten notierte. Seine Rolex diente Tom als Zeitnehmer und je mehr er aufschrieb, desto finsterer wurde seine Mine.

Mel zauberte als Abendessen eine Lammkeule nach Cajun-Art, die sie sich schmecken ließen, obgleich Toms ‚Zahlen’ wie ein Damokles-Schwert über Elizabeths Haupt schwebten. Beim Kaffee hielt Lizzy es nicht länger aus.
„Du hast dir von meiner Farm mehr versprochen, nicht wahr?“.
„Es gibt modernere Methoden in der Vollblutzucht und hier fehlt eindeutig zu viel Geld, um ganz nach oben zu kommen“.
„Ich verstehe, dass du nicht mehr einsteigen willst“.
„Fuck off! Das habe ich nicht gesagt! Ich denke konservativ in der Pferdezucht und halte nichts von dem Schnickschnack wie einem Solarium oder Schwimmbad. Ein Pferd kommt entweder mit oder ohne Speed auf die Welt. Vielleicht hilft das Zeug, ein mittelmäßiges Pferd schneller zu machen. Aber Siegertypen setzen sich meiner Meinung nach immer durch“. Er sah kurz in seinen Notizblock und fuhr dann fort. „Du hast gutes Pferdematerial, Lizzy. Da beißt die Maus keinen Faden ab! Früher oder später hast du einen echten Crack darunter. Zunächst sollten wir uns mit kleineren Rennen über Wasser halten, weil wir zu wenig Geld für ernsthafte Trainingsarbeit haben. So kriegen wir aber die Futterkosten zusammen“.
„Für Siege mit anständigen Preisgeld brauchen wir unbedingt einen besseren Jockey als mich“.
„Für die Hauptrennen frage ich Seamus oder Billy. Sie verzichten auf ihr Startgeld, wenn ich sie drum bitte. Notfalls erpresse ich sie, immerhin bin ich ihr älterer Bruder. Einer von uns muss auf der Farm bleiben, solange wir keine Pfleger beschäftigen. In den nächsten Jahren stehen zwei größere Investitionen an, wenn du dich verbessern willst. Der große Stutenstall und die Rennbahn müssen saniert werden“.
„Wem sagst du das! Die ganze Farm ist ein Fass ohne Boden“.
„Das Beste ist der Stutenstamm, aus dem wir nur langfristig Kapital ziehen“.  
„Was schlägst du vor?“.
„Wir verkaufen fünf oder sechs Zwei- oder Dreijährige“.
„Nein! Wir wären zwar im Moment flüssig, aber später fehlt uns ihr Preisgeld, Tom!“.
„For fuck's sake, wir schaffen es nicht, sie alle zu trainieren, Lizzy. Konzentrieren wir uns lieber auf die Besten. Die anderen Vollblüter bekommen so die Chance, ihre wahren Fähigkeiten zu zeigen“. Funken wie von einer Silvesterrakete sprühten vor Wut aus Lizzys Augen. Dann meldete sich ein 'Er hat Recht!' bescheiden, aber nachhaltig zu Wort.
„Eigentlich … kam mir der Gedanken auch schon. Aber wer kauft kurzfristig eine Handvoll Rennpferde?“.
„Das ist das kleinste Problem! Ich kenne ein Dutzend seriöse Investoren, die kaufen auf meinen Ratschlag hin. Ich stelle Morgen früh fest, wer Interesse hat“.
„An welche Pferde dachtest du denn?“.
„Letztendlich entscheidest du, wen du weggibst. Aber ich habe acht Vorschläge“. Neugierig blickte Lizzy auf seine auf dem Kopf stehende Liste und sie diskutierten die halbe Nacht mit Tom.

Tom telefonierte nach dem Frühstück eine Weile herum und Lizzys Magenwände hüpften aufgeregt wie ein Rodeoclown.  Kurz darauf trat er freudestrahlend in die Küche.  
„Fuck the devil, in den drei Tagen kommen sechs Interessen für die Blüter“. Lizzy jubelte lautstark und tanzte Po wackelnd durch die Küche. Mel blickte Tom skeptisch an.
„Versteh’ mich nicht falsch, Tom! Aber … zahlen deine Kontakte genug? Wir reden doch nicht von abgehalfterten Rennbahnmafiosis, oder?“, hakte Mel nach.
„Es kommt beispielsweise ein englischer Oberst, der sich immer vier Rennpferde zu seinem Vergnügen hält. Zwei sind Banker. Ein Uni-Professor und ein Galeriebesitzer kaufen sicher und einem Investor gehört eine Supermarktkette. Sie haben genügend Geld, kennen sich aber nicht mit Vollblütern aus. Sie behandeln deine Lieblinge entsprechend gut und stellen sie in bekannte Trainingsställe“. Elizabeth nickte anerkennend.
„Woher kennst du solche Leute mit Geld, Thomas?“, wunderte Lizzy sich.
„Meist ergibt es sich nebenbei oder durch meine Familie. Wir O'Harrows achten auf unseren Ruf, ehrlich zu sein und eine Nase für Qualität zu haben. So entsteht nützliches Vertrauen, wie mein Vater es nennt“.
„Kennst du richtig stinkreiche Snobs?“, lachte Mel.
„Fuckin' hell, den einen oder anderen stinkreichen Snob sogar gut. Es gibt Millionäre mit einem gewissen Pferdeverstand“. Plötzlich hielt er inne. „Aber die Stinkreichen hebe ich mir für den Fall auf, dass uns das Wasser bis zum Hals steht. Haie haben verdammt große Zähne, wenn du im Becken mit ihnen schwimmst“. Elizabeth verstand es als Warnung.
Drei Tage später fuhren die potentiellen Käufer pünktlich auf den Hof. Tom nicht zu viel versprochen hatte. Die Männer verstanden genug von der Vollblutzucht, um sich der Qualität ihrer Pferde bewusst zu sein, und machten einen vertrauenswürdigen Eindruck. Während Lizzy die Pferde vor ritt, verhandelte Thomas mit einem irischen Lächeln auf seinen Lippen und erzielte Preise, die Lizzy erstaunten. Zur Feier des Tages briet Mel ein riesiges Stück Roastbeef mit Yorkshire Pudding wie Tom es liebt. Auch nach dem Verkauf blieb Tom bienenfleißig und schuftete ungefragt bis tief in die Nacht. Er stand vor Lizzy auf und ging nach ihr zu Bett. Toms gute Laune wirkte ansteckend und mit Charme und Witz fielen die Pflichten leichter. Abends tranken sie manchmal ein Bier zusammen. Doch Tom roch weder nach Alkohol noch Pfefferminz. Mel schloss ihn ebenfalls ins Herz. Auf ihren Vorschlag hin, renovierten sie das Verwalterhaus, damit sein eigenes Reich bekam. So verstrichen arbeitsreiche, aber finanziell abgesicherte zwei Monate.

Eines Abends fuhr Tom mit ihrem uralten, rostigen Pick-up in die Stadt, obgleich der Wagen eigentlich nur für seine Startschwierigkeiten bekannt war. Tom kehrte im Morgengrauen zurück und lächelte vergnügt vor sich hin. Obgleich er nüchtern war, schmollte Mel mit ihm. Die nächste Nacht verbrachte er auch nicht auf der Farm, sondern kehrte erneut zum Füttern zurück. Nachdem Thomas seinen Morgenkaffee ausgetrunken hatte, hielt Mel Lizzy mit bedrückter Mine auf.
„Kindchen, ich muss mit dir reden“.
„Was ist denn, Mel?“.
„Wie soll ich dir das nur schonend beibringen? … Ich weiß, warum erst zur Morgenarbeit nach Hause kommt“. Lizzy sah sie auffordernd an. „Tom hat eine Freundin! Es ist Kylie! Kylie Bannion, die Kleine, die in Jacks Diner kellnert“.
„Ach, Kylie“. Seit ihrer Schulzeit waren beide lose Freunde.  
„Bist du nicht entsetzt?“.
„Warum?“.
„Ich dachte, du magst Thomas“.
„An Tom gibt es nichts auszusetzen. Er ist fleißig, geht gut mit den Pferden um und wir lachen oft während der Arbeit“.
„Lizzy, Tom ist der perfekte Mann für dich! Er versteht genauso viel von Pferden wie du und er hat eine Schwäche für dich. Er sollte mit dir statt Kylie ausgehen“.
„Was soll ich dagegen machen?“.
„Kämpfe um Tom, damit du endlich glücklich wirst, Lizzy!“.
„Mel, Tom und ich verstehen uns hervorragend, weil wir über Pferde einer Meinung. Über mehr reden wir nicht“.  
„Lizzy, es muss doch auf dieser Welt einen Kerl geben, der Schmetterlinge in deinem Bauch tanzen lässt“.
„Wer soll mich schon wollen? Bei Gott, der Mann müsste ja verrückter sein als ich und einen Verrückten will ich auch nicht. Außerdem will ich nicht heiraten. Es ist altmodisch und überflüssig“. Mel verdrehte verzweifelt ihre schwarzen Augen gegen die Decke. Lizzy schmunzelte, nahm einen letzten Schluck Kaffee und ging zum Training.
 
Mystle County gehörte zu den unzähligen Kleinstädten wie es sie überall in Amerika gab. Entlang der Mainstreet öffnete jeden Morgen ein Zeitungsladen, mehrere Boutiquen wie auch Jacks Diner und Alzies Coffeeshop, der Muffins und Eiskrem  servierte. Lizzy kaufte öfter in den Läden mit landwirtschaftlichem Bedarf als in die Boutiquen. Jetzt suchte sie einen Parkplatz nahe der einzigen Bank und viel zu nahe am Sheriffbüro. Obgleich sie mit Tom während der Fahrt viel herumgealbert hatte, überfiel sie dieses flaue Gefühl im Magen wie vor jedem Bankbesuch. Sie parkte den Pick-up vor dem Eingang und ließ den Motor laufen, was Tom irritierte.
„Fuck off! Willst du mit dem Gewehr in der Hand dein Geld abheben, während ich mit dem Fluchtwagen auf dich warte?“.
„Einfacher wäre es“. Lizzy sprang aus dem Wagen und Tom stieg ebenfalls aus. Sie sah sich nervös um, doch weder Wilbur Baker noch Sheriff Simmer ließen sich blicken. Also betrat sie das schmucklose Bankgebäude Die beiden Kassierer waren Freunde von Carlton Baker, dem Filialleiter. Er war ein Cousin von Wilbur und führte sich auf, als wären alle Guthaben und Einlagen der Bank sein Privatbesitz. Aber Lizzy brauchte Geld, also ging sie an einen Bankschalter.
„Was wollen Sie hier?“, sprach der Kassierer sie höhnisch an. „Ich hole den Chef“. Lizzy hatte nichts anderes erwartet.
„Ach, die Palmer will schon wieder mein Geld verschwenden“, rief er ihr zu, als Carlton Baker aus dem Hinterzimmer eintrat. Er sah so unangenehm aus wie er vom Charakter her war, fand Lizzy. Carlton Baker stellte sich hinter den Bankschalter und fragte lässig:“ Wollen wir endlich unsere Schulden zurückzahlen?“.
„Meine Hypothekenrate zahle ich pünktlich jeden Monat. Ich  will achthundert Dollar von meinem Guthabenkonto abheben“. Er grinste und schüttelte den Kopf.
„Die Summe ist mir zu hoch. Ich weiß bei einer Palmer nicht, ob ich nächsten Monat die Hypothekenrate bekomme. Daher werde ich das Geld auf dem Konto behalten“.
„Es sind mehrere tausend Dollar auf meinem Konto und ich nehme achthundert Dollar mit“.
„Mein Vetter will die Farm haben! Solange du sie nicht überschreibst, wirst du hier keinen müden Cent sehen, klar Palmer?“.
„Das sehe ich anders. Diese Bankfiliale gehört Ihnen nicht, Mister Baker. Sie ist Teil einer großen Bankengesellschaft und bekomme ich nicht auf der Stelle mein Geld, unterhalte ich mich mit Ihrem Chef“. Carlton Baker lachte sie aus.
„Mein Chef will seine Hypothek ebenfalls zurückhaben. Niemand mag unzuverlässige Kunden wie dich“.
„Ich bin sehr zuverlässig und zahle alle Rechnungen pünktlich!“.
„Das steht aber ganz anders in deiner Akte, die ich persönlich verwalte“.
„Ich will mein Geld, Baker!“. Lizzys Augen funkelten gefährlich und plötzlich öffnete sich die Kasse. ' Ob alle Bankkunden ihrem Geld hinterher betteln oder habe ich allein dieses Vergnügen?', fragte sie sich gedanklich. Elizabeth griff sich die Summe und eilte hinaus. Im Gehen zählte sie eilig zweihundert Dollar ab, die sie draußen Tom zu steckte. Er sah sie dankbar an und fragte: „Kommst du einen Moment mit rein zu Kylie in Jacks Diner? Sie hat arbeitet gerade und ein Tasse Kaffee tut dir gut“.
„Sei mir nicht böse, aber ich erledige lieber meine Einkäufe so schnell wie möglich. Ich fürchte, Wilbur taucht hier gleich auf“.
„Wir treffen uns in einer halben Stunde am Supermarkt, Süße“, rief er ihr zu, während sie einstieg. Lizzy beeilte sich mit ihren Einkäufen, denn sie ahnte, dass Wilbur inzwischen von ihrem Bankbesuch erfahren hatte. Er würde ihr irgendwo auflauern, um sie fertig zu machen, wie immer! Lizzy erinnerte sich dumpf an ihre Schulzeit. Damals war Wilbur ein Schulhof-Tyrann mit schlechten Noten gewesen, die sich auf wundersame Weise in den Zeugnissen zu Bestnoten wandelten.

Als sie mit ihren Einkaufstüten aus dem Markt kam, entdeckte sie als erstes den offenbar betrunkenen Wilbur Baker. Durch seinen kleinen Wuchs und die kugelige Mitte, erinnerte Wilbur sie an ein Erdferkel. Dass er heute einen braunen Cowboyanzug mit einem rosafarbenen Seidenhemd trug, unterstrich diesen Eindruck. Lizzy hielt die Tüten höher und eilte Richtung Pick-up. Doch Wilbur entdeckte sie und machte eine obszöne Geste. Lizzy warf ihre Einkaufstüten auf die Ladefläche des betagten Pick-ups und sprang in den Wagen.
„Spring' bitte, bitte an!“, flehte sie verzweifelt, indessen rannte Wilbur auf sie zu. Sie drehte den Schlüssel um und der Pick-up knurrte mürrisch wie ein rheumatischer Jagdhund, der aus dem Schlaf hoch fuhr Elizabeth schimpfte herzhaft und entdeckte Wilbur Baker im rechten Seitenspiegel.
„Palmer, wo hast du deinen neuen Mistschaufler gelassen? Hat er im Bett nichts getaugt? Ich besorg's dir auf der Stelle! Dann sieht die Stadt wenigstens, dass du was mit einem richtigen Kerl hast“. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken und sie riss am Türgriff, um zu flüchten. Doch die Tür klemmte wie so oft und rütteln nützte nichts. Wilbur riss die Beifahrertür auf und wuchtete sich auf den Sitz.
„Fass mich an und ich knall dir eine!“. Dafür schlug Wilbur Baker ihr ohne Vorwarnung mitten ins Gesicht. Lizzy fühlte einen Schmerz, als würde ihr der Kopf weg fliegen. Seine Hände grapschten nach ihrem Busen und Lizzy schrie angsterfüllt auf.
„Ich besorg's dir jetzt, du kleine Schlampe!“. Doch in diesen Moment zerrten zwei kräftige Hände Wilbur vom Beifahrersitz. Lizzy sprang sofort raus. Sie zitterte am ganzen Körper und Tränen schossen ihr in die Augen.
„Der Mistschaufler! Dich prügele ich auch noch windelweich!“. Wilbur Baker schlug nach Tom, der blitzschnell mit einem rechten Schwinger reagierte. Baker Junior landete auf seinem Hintern. „Du hast mich geschlagen!“.
„Du Schwein hast Lizzy ins Gesicht geschlagen! Sei dankbar, dass du noch deine Vorderzähne hast“. Wilbur Baker kam unerwartet hoch und traf Tom am Kinn. Thomas steckte den Schlag einfach und revanchierte sich mit einer gestreckten Geraden, die Wilbur die Nase brach. Heulend brach Wilbur Baker in die Knie. „Du hast mir die Nase gebrochen! Dafür wirst du büßen! Das sage ich alles dem Sheriff und du fährst für fünfundzwanzig Jahre in den Knast ein“. Thomas schmunzelte verächtlich und steckte Lizzy in den Wagen.
„Ich bring' dich nach Hause!“. Tom nahm ihr die Autoschlüssel ab und setzte Lizzy, die wie ferngesteuert funktionierte, auf den Beifahrersitz. Er wollte gerade starten, als Sheriff Simmer ihren Pick-up frontal blockierte. Elizabeth zuckte beim Klang der Sirene zusammen. Thomas seufzte, als ahne er, was ihn nun erwartete. Sheriff Simmer stieg mit seinem Gehilfen aus und wandte sich zuerst an Wilbur Baker. Der junge Baker hielt sich die blutende Nase zu und ließ eine wilde Schimpftirade vom Stapel. Thomas zog sein iPhone aus der Tasche und drückte es Lizzy in die Hand.
„Rufe über Kurzwahltaste vier meinen Anwalt Gideon Brewster an. Erzähl' ihm alles!“. Im gleichen Moment zerrte der Hilfssheriff Thomas vom Sitz. Wilbur Baker, Thomas und der Sheriff wie auch seinem Gehilfen stritten heftig. Schließlich stopfte der Sheriff Tom auf die Rückbank des Polizeiwagens und davon fuhr. Für Lizzy interessierte sich keiner, wofür sie dankbar war. Ihre Hände zitterten erbärmlich und sie atmete stoßweise. Ihr Blick fiel auf Toms iPhone. Sie wählte die Nummer, obgleich sie nicht wusste, was Tom sich davon versprach. Einen fremden Anwalt ließ Richter Homer Baker, der Bruder des alten Baker, vermutlich nicht mal vor Gericht zu. Er würde für Tom einen unfähigen Anwalt bestellen und ihn zu fünfundzwanzig Jahren Haft verdonnern. 'Er hat sich für dich geopfert', schoss es ihr durch den Sinn und augenblicklich traten erneut Tränen in ihre Augen. Trotzdem sprach Elizabeth mit Gideon Brewster.

Elizabeth saß seit einer geschlagenen Stunde in Jacks Diner, das in der Nähe Sheriffbüros und der Bank lag. Sie schaute von ihrem Platz zum Sheriffbüro hinüber. Eine weitere Stunde hatte sie gebraucht, um dem Pick-up ein Lebenszeichen zu entlocken. Inzwischen verursachte auf dem Parkplatz vor dem Diner Ölflecken. Der Anwalt kannte Tom offenbar gut, denn er hatte ihn Tom und nicht Mr. O'Harrow genannt. Mister Brewster riet ihr, in der Stadt zu warten, bis er die Angelegenheit klären konnte. Das klang teuer! Anwälte, die so sprachen, waren derart teuer, dass Lizzy sich nicht mal einen Blick auf die Außenfassade ihrer Kanzlei leisten konnte. Aber sie war fest entschlossen, das Geld für Toms Verteidigung aufzutreiben. Plötzlich hielt eine dunkle Limousine mit Chauffeur vor dem Sheriffbüro. ES war keine protzige Stretchlimousine wie der alte Baker sie fuhr, sondern sie war unaufdringlich extravagant. Ein Mann mittleren Alters in einem eleganten Maßanzug stieg aus und blickte sich verächtlich um. Er hatte einen frechen Zug um seinen Mundwinkel. Elizabeth hätte tausend Eide geschworen, dass dieser Mann selbst Justitia mit seinen Paragraphen austrickste. Er schlenderte in das Sheriffbüro. Lizzy zahlte zwei Kaffee bei der aufgebrachten Kylie und eilte nach draußen. Sie war neugierig, woher Tom einen derart kostspieligen Anwalt kannte. Nervös lehnte sie sich an den Pick-up und sah auf die Uhr. In einigen Stunden musste sie die Pferde füttern, obgleich sie Thomas ungern allein ließ. Sie blickte verzweifelt auf die andere Seite, als sich dort die Tür des Sheriffbüros öffnete. Der Nobelanwalt trat heraus und ihm folgte Thomas, der ihm grinsend die Hand schüttelte. Sie plauderten einen Moment und lachten herzhaft, worauf sein Anwalt einstieg und davon brauste. Thomas entdeckte Lizzy im Pick-up und ging zu ihr.
„Hast du auf mich gewartet? For fuck's sake, wie lieb von dir!“. Er küsste sie auf die Wange und nahm ihr die Schlüssel ab, was er sonst nie machte.
„Mister Brewster wollte alles regeln“.
„Yeah, Fuck off! Das hat er! Wilbur verzichtet auf eine Anklage. Laut dem Sheriff ist er betrunken hingefallen“. Lizzy starrte ihn an, als hätte Tom sich gerade als Alien geoutet.
„Wie kommt das?“.
„Fuck the devil, er hat dem Sheriff erklärt, was passiert, wenn er wieder in dieses Kuhkaff fahren muss. Der Sheriff verzichtet auf weitere Besuche von Gideon Brewster“. Tom grinste selten hämisch, aber dieses Grinsen strotzte vor Gemeinheit. Der Pick-up sprang sofort an und Tom tuckerte Richtung Farm.
 
Nach einer Weile hatte Lizzy sich soweit gefangen, dass sie wieder klar denken konnte.
„Tom, ich zahle die Anwaltskosten“.
„Bollocks, das ist schon geregelt, Lizzy“.
„Das verstehe ich nicht, Tom! Vertritt er dich 'pro bono?“.
„Nein, mein bester Freund ist sein Mandant und Gideon schreibt mich auf seine Rechnung“.
„Warum?“.
„Keine Ahnung, Lizzy! Einmal wollte ich meine Rechnung selber bezahlen. Eine Woche später rief mich ein den Tränen naher Buchhalter an, ich möchte das bitte nie wieder machen. Er meinte, er sei auch nur ein Mensch und hätte Frau und Kinder. Seitdem frage ich nicht mehr und im Moment bin ich aber dankbar dafür“. Sie lächelte verwirrt. „Kommen wir mal zum Wichtigsten! Wie geht es dir?“.
„Mir fehlt nichts, Tom!“.
„Fuck off! Ich kenne dich besser als du denkst. Heute ist für dich Feierabend! Leg dich aufs Sofa und lass dich von uns verwöhnen. Ich füttere nachher und für heute ist Schluss“.
„Das geht doch nicht!“.
„Genauso wird’s gemacht!“. Thomas schaute sie streng an und Lizzy traute sich nicht, ihm zu widersprechen. Zuhause legte sie sich brav auf die Couch und trank heißen Tee. Als Mel davon erfuhr, griff sie nach dem Küchenmesser und hackte einen Weißkohl in winzig kleine Stücke.
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