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Der Schicksalsfluss - Arbeitstitel


 
 
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NeuerKu
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 71
Beiträge: 43



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Beitrag03.07.2014 14:11
Der Schicksalsfluss - Arbeitstitel
von NeuerKu
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Kalt! Es war sehr kühl in dieser Nacht. Sie zog die schmutzige Decke enger um ihre Schultern. Das dünne Sommerkleid wärmte sie nicht. Der Fluss lag still vor ihr. Wenn die Wolken den Halbmond freigaben und sein Licht das Wasser traf, dann sah der Fluss aus wie ein in Silber gegossenes Band. Wie eingeflochtene Perlen im Indio-Schmuck ragten die Sandbänke aus dem silbernen Wasser heraus. Es war sicher einfach von einer der kleinen Inseln zur anderen zu waten. Im Sommer war nie viel Wasser im Fluss. Die Farmer auf beiden Seiten zweigten das lebenswichtige Nass ab um ihre Felder zu bewässern. Der Fluss führte Niedrigwasser.
 
Das Mädchen kannte den Fluss als Rio Bravo. Rio Bravo del Norte. Der wilde Fluss des Nordens. Sie wusste, dass die Menschen auf der anderen Seite ihn als Rio Grande bezeichneten. Sie waren der Meinung der Fluss gehöre ihnen. Jeder der auch nur am anderen Ufer weilte war verdächtig. Es gab sogar schon Übergriffe vom Norden weil die Federales glaubten eine Gruppe wolle den Fluss überqueren. Sie beschossen sie und warfen Rauchpatronen die in die Augen bissen. Dabei hatten die Frauen nur die Wäsche gewaschen. Das Mädchen verstand nicht warum die Federales so streng waren und niemanden auf die andere Seite ließen. Waren Sie nicht alle die Kinder desselben Gottes? War sie ein schlechterer Mensch weil sie 150 Km weiter südlich das Licht der Welt erblickte? Sie wollten doch nur hart arbeiten und ein paar Dollar verdienen. Die Federales beschimpften sie und bespuckten sie. Sie wurde auch schon verprügelt und Schlimmeres. Wie oft hatte sie es schon versucht? Es mussten wohl sieben oder acht Versuche gewesen sein. Vor einem Jahr hatte sie es nahe der Grenze zu New Mexico versucht. Es gab dort weniger Federales. Sie hatte es sogar auf die andere Seite geschafft. Sie lief eine ganze Weile entlang der Landstraße. Immer wenn ein Fahrzeug kam versteckte sie sich. Als sie fast zwei Tage gelaufen war und sie nichts mehr zu essen und das Wasser aufgebraucht hatte riskierte sie es als Anhalterin weiterzureisen. Zwei Farmhelfer sammelten sie mit ihrem Pickup auf. Auf offener Strecke sagten sie ihr unmissverständlich, dass sie nun „lieb“ zu ihnen sein müsse, sonst würde sie zur Polizei gebracht werden. Sie wollte nicht glauben, dass ihr Versuch zwei Tage und 50 Meilen vom Fluss entfernt nun doch noch scheitern würde. Sie bettelte und wehrte sich so gut sie konnte, aber es half nichts.

Sie kämpfte gegen den Würgereiz. Auch jetzt noch nach einem Jahr. Das Gemeinste war, dass die Gringos sie trotzdem den Federales übergeben hatten. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es den beiden wohl egal gewesen wäre ob sie einverstanden war. Sie war froh, dass sie Glück im Unglück hatte und die Männer sie nicht schwängerten. Damals hatte sie sich geschworen, dass sie lieber sterben würde als so etwas noch einmal zu erleben.

Warum hatten die auf der anderen Seite solche Angst vor ihnen? Die Federales mit ihren Jeeps, den Hubschraubern, den Ferngläsern mit denen man auch im Dunkeln sehen kann und den Bluthunden. Das Mädchen wusste, dass die USA einmal ihr Heimatland Mexico angegriffen hatten. Aber war denn immer noch Krieg? Die Gringos kamen doch auch in ihre Heimatstadt Ciudad Juarez um sich mit den Frauen zu amüsieren die mehr Wert auf den Yankee-Dollar legten als auf ihren Ruf. Sie betranken sich oft und dann wurden sie schon auch einmal von den Frauen oder anderen Menschen ausgeraubt. Waren sie daran nicht selbst schuld? „Wer Wind säht…“, sagte ihre Mutter immer.

Ihre Mutter versuchte alles um die Familie durchzubringen. Ihren Vater kannte sie nicht. Er hatte sie verlassen als sie sechs Jahre alt war. Die wenigen Erinnerungen die sie hatte waren keine Schönen. Jetzt war sie 17 und hatte mehr erlebt als es für ein junges Mädchen gut war. Ihre Kindheit war geprägt vom Kampf ums Überleben, harter Arbeit und Schule, dann, wenn es die Gelegenheit dazu gab. Sie hatte wie besessen Englisch gelernt. Nur dort im Norden hatte sie eine Chance. Sie musste es einfach schaffen. Das Wohlsein ihrer Mutter und der beiden kleinen Schwestern hing davon ab. Die ältere der beiden war 15 und war schon jetzt mutlos. Wenn sie der Familie nicht helfen konnte, würde sich ihre Schwester schon bald in die erniedrigte Riege der Frauen einreihen die für den Dollar ihre Ehre hergaben. Ihre Mutter hatte sie immer christlich erzogen. Prostitution war für sie eine Todsünde. Und doch; es war doch so einfach.

Sie schüttelte den Gedanken ab. Sie würde es auf die andere Seite schaffen. Sie würde irgendwo bei einer gütigen Familie den Haushalt führen, oder auf einer Farm hart arbeiten. Und vielleicht, vielleicht würde sie einen lieben Mann finden und vom Wetback zum Staatsbürger werden. Wetbacks, so nannten sie die Federales abfällig weil beim Überqueren des Rio Bravo ihr Rücken nass wurde.
Ihr Bruder war drei Jahre älter als sie. Als er 18 war überquerte er den Rio Bravo das erste Mal. Nach dem dritten Versuch hörten sie nichts mehr von ihm. Vielleicht hatte er es geschafft. Aber warum schickte er dann kein Geld nach Hause? Warum meldete er sich nicht? Sie glaubten nicht mehr daran jemals etwas von ihm zu hören. Aber auch das war ein Grund warum sie hinüber wollte. Sie wollte ihren Bruder suchen. Aber in Juarez sagten die Leute, „der Fluss frisst Menschen“.

Das Mädchen schreckte aus ihren Gedanken auf. Die Wolken hatten sich verzogen und gaben den Blick auf den Fluss frei. Es war ihr als habe sie auf der anderen Seite eine Bewegung gesehen. Hörte sie da ein Geräusch? Sie spähte angestrengt auf die andere Seite. Dort fuhr ein Auto am Ufer des Flusses. Mitten im Gelände. Sie sah die schwach flimmernde Tarnbeleuchtung. Langsam bewegte sich der Jeep flussaufwärts. Sie folgte der Fahrtrichtung mit den Blicken. Dann sah sie die Gruppe. Es waren vielleicht zwanzig Menschen. Fünf oder sechs waren schon bis zur Mitte des Flusses vorgedrungen. Die Federales waren noch etwa 2 Kilometer entfernt. Sie würden die Gruppe erwischen. Das Mädchen dachte traurig an die Schicksale der 20. Was würden sie mit ihnen machen. Würden sie sie einfach zurückschicken, sie verprügeln oder Schlimmeres?

Dann überkam sie der Gedanke. Vielleicht war das ihre Chance. Was wenn sie wartete bis die Federales am anderen Ufer beschäftigt waren und dann einfach loslaufen würde? Sie hatte furchtbare Angst, doch ihr Adrenalin Spiegel stieg. Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu dem 14 jährigen Sergio Adrian Hernandez. Er wurde erschossen als er unter der Brücke von Juarez nach El Paso gehen wollte. Sie hatte ihn gekannt. Er war mit ihrer Schwester in der gleichen Schule. Die Federales hatten gesagt, dass die Gruppe mit Steinen nach ihnen geworfen hatte. Das Mädchen glaubte das nicht. Die Menschen die versuchten in den USA ein neues Leben anzufangen hatten alle schon viele Versuche hinter sich. Sie kämpften nicht. Sie gaben auf und versuchten es ein anderes Mal. Plötzlich fror sie nicht mehr. Sie war hellwach. So musste es gehen. Sie streifte die Decke ab und packte ihr Bündel fester. Vorsichtig rückte sie vor bis zum Ufer des Flusses. Ihre jungen Augen fokussierten den Blick auf die andere Seite. Das Ufer des Flusses bildete eine kleine Bucht. Sie musste vor der Gegenströmung und den Verwirbelungen auf der Hut sein. Schon einmal wäre sie beinahe in seichtem Wasser ertrunken. Von der Bucht stieg das Gelände etwa fünf Meter an. Es war ein steiler sandiger Anstieg von einem Geländeabbruch. Oben begann dann die Steppe. Dort gab es Busch und Baumvegetation in der sie sich verstecken konnte. Etwa dreihundert Meter weiter rechts standen ein alter Silo und eine Scheune. Sonst gab es keine Gebäude. Sie zitterte vor Aufregung.

Weiter oben am Fluss begann die Jagd. Sie hörte Lautsprecher quäken. Kommandos auf Englisch und Spanisch wurden gerufen. Schreie hallten durch die Nacht. Jetzt schob sich eine große Wolke vor den Mond. Sie bekreuzigte sich und rannte los.

Das Wasser des Flusses ging ihr sehr schnell bis zur Hüfte. Sie watete mit aller Kraft und stemmte sich gegen die Strömung. Der weite Rock des Kleides schwamm an der Oberfläche. Ihre Mutter sagte, dass Hosen nichts für Mädchen seien. Wie viel praktischer wären sie doch. Sie verdrängte die unnützen Gedanken und überquerte die erste Sandbank. Nun war sie in der Mitte des Flusses. Sie hörte einen Knall und schaute zu der Gruppe von Flüchtlingen. Mitten über dem Fluss bildete sich ein weißer Feuerball, der an einem Fallschirm herabschwebte. Es wurde taghell. Reflexartig tauchte sie unter und hielt die Luft an. Erst als der helle Schein verschwunden war und sie die Luft nicht mehr anhalten konnte tauchte sie auf. Sie erreichte die nächste Sandbank. Das andere Ufer war noch zehn Meter entfernt. Jetzt! Sie war an Land. Sie rannte auf den Abbruch zu und kletterte hinauf. An der Kante spähte sie vorsichtig in die karge Landschaft. Alles schien ruhig. Sie sprang auf und rannte zwischen den Büschen in Richtung der Scheune.
Dann hörte sie den Hufschlag des Pferdes. Ihre Hochstimmung schwang um in tiefe Enttäuschung. Die Federales würden sie erwischen. Sie versteckte sich in einem Busch, aber der Beamte hielt sein Pferd direkt vor dem Busch an.
„Raus da“, brüllte er auf Spanisch. Sie gab auf. Mit gesenktem Blick und hängenden Schultern trat sie vor den Busch. Ihr langes blauschwarzes Haar hing nass um ihren Kopf und die Schultern. Das Kleid klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper. Sie trug außer einem Slip nichts unter dem Kleid. Alles was man nicht unbedingt brauchte konnte man sich nicht leisten. Sie spürte die Blicke des Mannes und verschränkte die Arme vor der Brust. Er stieg vom Pferd. Der Mann war etwa 50 Jahre alt und trug eine beeindruckende Uniform. Er war groß und schwer. Angsteinflößend. Wortlos nahm er ihre Hände und zog sie nach unten. Handschellen klickten. Er band ein fingerdickes Seil um die Handschellen und saß auf. Langsam ging das Pferd los. Sie hatte keine Wahl und rannte hinter dem Reiter her.
Als sie die Scheune erreichten band der Mann das Pferd an und schob sie hinein. Am Eingang einer leeren Pferdebox stand sie ihm gegenüber und bettelte er solle sie doch gehen lassen, sie würde nie wieder zurückkommen. Jedes Mal wenn sie erwischt wurde nahm sie sich das vor. Und immer versuchte sie es erneut. Die Kiefer des Mannes mahlten auf dem Kautabak. Er spuckte braune Brühe auf den Boden und umfasste mit seiner rechten Hand ihre Brust. Sie begann zu schreien. Laut, panisch. Sie dachte an den Pickup Truck. Der Schlag der linken Hand traf sie hart im Gesicht. Ihre Lippe platzte auf. Sie taumelte mit dem Rücken gegen die Trennwand der Pferdebox. Der Mann setzte nach und riss ihre Arme nach oben. Er hängte die Handschellen in einen großen Nagel am Balken der Pferdebox ein. Sie musste auf den Zehenspitzen stehen. Dann riss er mit beiden Händen das Oberteil des Kleides auseinander. Mit einem Bein drängte er ihre Beine auseinander und zog mit einem Ruck den Slip nach unten.

Nicht noch einmal. Lieber würde sie sterben. In letzter Verzweiflung hängte sie sich mit ihnen 45 Kg in die Handschellen. Dadurch befreite sie ihre Beine vom Gewicht. Sie rammte das rechte Bein hart in den Schritt des Mannes. Dieser schrie wütend auf und beugte den Oberkörper nach vorne. Mit beiden Beinen traf das Mädchen den Mann am Oberkörper und mitten im Gesicht. Der Mann taumelte brüllend wie ein Bulle rückwärts. Sie wusste, er würde sie töten und begann zu beten.

An der Trennwand der anderen Seite hing eine Sense mit der scharfen Seite nach oben. Normalerweise lag sie eng an der Wand an und bedeutete keine Gefahr. Allerdings hatte jemand einen Sattel daneben gehängt und dieser hatte die Sense mit der Spitze nach vorne gelenkt.

Das Mädchen sah wie der Mann rückwärts gegen die Spitze der Sense taumelte. Mit vor Schmerzen geweiteten Augen stöhnte der Mann auf. Ein letzter Atemzug, und der Mann hing still an der Sense.

Das Mädchen schrie hysterisch und weinte und betete zur gleichen Zeit. Sie bemerkte nicht wie ein weiteres Pferd vor der Scheune festgemacht wurde. Sie bemerkte nicht wie sich das Scheunentor öffnete und sie sah nicht die Silhouette eines weiteren Beamten gegen das Mondlicht.

Sie spürte einen weiteren Schlag in das Gesicht. Aber seltsamerweise holte sie dieser Schlag aus ihrer Hysterie. Auch die neu hinzugekommene Person trug die Uniform der Federales, aber es war eine Frau. Die Frau sah zu dem Kollegen. Es war offensichtlich, dass er tot war. Die Sense hatte seine linke Brusthälfte fast 20 cm bis zum Herzen durchschnitten. Sie blickte zu dem Mädchen. Gefesselt, auf den Zehenspitzen stehend, mit baren Brüsten und blutendem Gesicht. Ihr zerrissener Slip um die Fußknöchel.

Sie schloss die Handschellen auf und sagte mit eindringlicher Stimme: "Lauf um Dein Leben, Mädchen. Und wenn Du weißt was gut für Dich ist, dann kommst Du nie wieder.“

Sie schob sie am Arm nach draußen und in Richtung des Flusses. Das Mädchen konnte es nicht glauben. Zögernd setzte sie sich in Trab. Sie wusste was passieren würde. Die Frau würde sie erschießen. Einfach so von hinten. Auf der Flucht!

Egal! Zumindest hatte das Schwein sie nicht geschändet. Stolz warf sie den Kopf in den Nacken und ging gemessenen Schrittes in Richtung des Flusses. Es dauerte lange Minuten bis sie den Abbruch erreichte, und nichts war geschehen. Als sie zurückblickte sah sie die beiden Pferde vor der Scheune aber kein Zeichen von der Frau. Die Tränen strömten über ihr Gesicht als sie in den wilden Fluss eintauchte. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal froh sein würde ihr eigenes Ufer zu erreichen. Sie war zuhause.
Nie wieder würde sie den Fluss überqueren. Sie dachte an ihre Mutter und ihre Schwestern. Nie mehr hier so nah bei El Paso. Vielleicht weiter unten. Vielleicht. In einer anderen Nacht an einer anderen Stelle zu einer anderen Zeit.



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und schreib' mit dicken Tintenflüssen.
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Rainer Prem
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Alter: 66
Beiträge: 1271
Wohnort: Wiesbaden


R
Beitrag03.07.2014 16:51
Re: Der Schicksalsfluss - Arbeitstitel
von Rainer Prem
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Hallo,

gefällt mir. Der Anfang ist toll, und es geht gut zur Sache. Die ganze Geschichte ist auch rund.

Eine ganz wichtige Sache: Alle Ziffern raus aus dem Text, die hemmen den Lesefluss. Auch die Abk (kg km). Du benutzt verschiedene Maßsysteme (Kilometer und Meilen), da solltest du auch nachdenken, wie genau deine Hauptfigur diese ganzen Maße kennt, bzw. während der Geschichte sehen kann.

Wenn jemand "20 cm" schreibt, dann kommt bei mir immer das Bild des Nachmessens mit dem Lineal. "Eine Handbreit" oder so ist besser.

Die "50 Jahre" sind ganz schlimm für den Lesefluss. Woher soll das Mädchen das wissen? Kennt sie seinen Personalausweis? Beschreibe ihn, so dass der Leser sich ein Bild macht.

Auch die Maße die du in Worten angegeben hast, sind viel zu genau. (dreihundert Meter)

säht => Schreibfehler.
zuhause => Da schwanke ich auch oft, aber hier glaube ich "zu Hause"

Grüße
Rainer
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Rainer Zufall
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Alter: 70
Beiträge: 801

Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag03.07.2014 16:51

von Rainer Zufall
Antworten mit Zitat

Hallo, NeuerKu,
mir hat deine Geschichte ausgezeichnet gefallen. Endlich mal was am Stück und nicht nur ein Prolog oder ein Anfang zu etwas Größerem. Sondern eine ordentliche, spannende Kurzgeschichte.

Mir gefiel der Konflikt, den du für das Mädchen im Text aufgebaut hast, du löst ihn so, dass Handlung, Motive, Entscheidungen alle klar und glaubwürdig sind.
Auch die Charakterisierung des Mädchens mochte ich, ihr Drang, doch immer wieder zurückkehren zu wollen, wird gut deutlich.
Hätte mir vorstellen können, du hättest noch ein bisschen mehr darüber geschrieben, woher der Drang kommt, also die Armut in Mexiko, Müsste gar nicht viel sein, aber ich denke, das würde die Charakterisierung abrunden.

Was den Stil betrifft, liest sich das flüssig, es gibt noch Wiederholungen und Füllwörter, die du rausschmeißen könntest. Vielleicht auch ein paar holprige Stellen.
Auch bei der Zeichensetzung könntest du mal schauen.


Sehr gut gefielen mir die Naturstimmung, die Beschreibung des Flusses.
Zitat:
Wenn die Wolken den Halbmond freigaben und sein Licht das Wasser traf, dann sah der Fluss aus wie ein in Silber gegossenes Band. Wie eingeflochtene Perlen im Indio-Schmuck ragten die Sandbänke aus dem silbernen Wasser heraus.


Ein spannendes Debut.
Bin gespannt, was du sonst noch so machst.
Viele Grüße von Zufall

Nachträgliches Edit: Lieber anderer Rainer, man darf zuhause schreiben. Genauso wie zu Hause. Weiß ich ganz echt, kannst mir 100% glauben.
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NeuerKu
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Beiträge: 43



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Beitrag03.07.2014 19:07

von NeuerKu
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Vielen Dank Ihr beiden Rainer. Für das Lob und auch für die wertvollen Tipps. Lesson learned! Ich werde an meine Schlampigkeit arbeiten.

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Rheinsberg
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Bronzenes Messer


Beitrag03.07.2014 21:02

von Rheinsberg
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Nach der Vorstellung war ich auch neugierig geworden.
Thema: interessant, mal etwas anderes.
Stil: gut lesbar. Ich frage mich aber, ob die teilweise gleichförmigen kurzen Sätze Absicht sind (könnte man als Stilmittel durchaus machen, denke ich), oder doch noch veränderbar wären.

An ein paar Stellen könnte etwas weniger mehr sein - gut, Geschmackssache. Den Dreher am Ende, nie wieder - nie wieder hier - finde ich ausgesprochen gelungen.  

Was mich aber wirklich raushaute und meinen Lesefluss empfindlich störte: die Zeichensetzung. Es fehlen Dutzende von Kommas. Das wäre sicher das erste, woran du arbeiten solltest.


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NeuerKu
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Beiträge: 43



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Beitrag03.07.2014 21:08

von NeuerKu
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Hi Rheinsberg. Danke für die Tipps. Wie schon gesagt, werde an meiner Schlampigkeit arbeiten. Die Sprache auf meiner Arbeit ist Englisch. Ich bin mit einer Latina verheiratet und spreche zuhause fast nur Spanisch. Das haut Dir Rechtschreibung und Interpunktion durcheinander. Aber ich werde mich bessern - versprochen.

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tronde
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


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Beitrag03.07.2014 22:44

von tronde
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Inhaltlich gefällt mir die Geschichte gut, ich bin wie meine Vorschreiber über die fehlenden Kommata gestolpert. Auch an der Monotonie des Satzbaues Subjekt, Prädikat, Objekt hatte ich zu kauen, wobei das zur Erzählstimme des Mädchens mit nur unregelmäßigem Schulbesuch wiederum passt.
Gut gelungen finde ich auch die körperliche Reaktion auf die Erinnerung an die Vergewaltigung.

Weiter so!
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bibiro
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Beiträge: 716



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Beitrag04.07.2014 08:01

von bibiro
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Hallo,

mich hat die Erzählung gefangen genommen, wobei ich zwiegespalten war, einerseits voll Empathie für das Mädchen, andererseits seltsam von ihr abgerückt, nicht IN ihrem Kopf drin.

Wobei das deine stilistische Entscheidung ist, wie tief du den Leser in ihre Haut hineinschlüpfen lassen möchtest.

Zur Zeichensetzung: Nun ja, mein Sohn berichtete aus seinem gymnasialen (Südland-)Deutschunterricht, dass eine Klassenkameradin die teils falsch gesetzten, teils fehlenden Kommata im Tafelanschrieb des Lehrers bemängelt habe - woraufhin der zur Kreide griff und nach _jedem_ Wort ein Komma setzte und mit einem Grinsen meinte, dass sich jetzt jeder die passenden Kommata raussuchen könne.

Da ich traditionell mit der Kommasetzung auf Kriegsfuß stand und mich die neue Rechtschreibung dann komplett durcheinander gebracht hat, prüfe ich nun all meine _wichtigen_ Texte, bevor ich sie rausgebe, hiermit:
http://www.duden.de/rechtschreibpruefung-online

Ich habe festgestellt, wenn man erst mal 50 Normseiten abschnittsweise durch dieses Tool geschoben hat, schreibt man die nächsten 50 Normseiten mit halbierter Fehleranzahl!

Ich würde mich freuen, mehr von dir zu lesen.

Grüßle Bibi
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NeuerKu
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Beitrag04.07.2014 08:29

von NeuerKu
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Guten Morgen Ihr lieben Kommentatoren,
ich wollte mal ein paar Gedanken mit Euch teilen. Zum Thema "Kurze Sätze": Zum Einen schreibe ich einfach so. Auch als Leser mag ich keine lange verschachtelte Sätze. Ich mag das Prizip KISS: keep it short and simple. Aber warum schreibe ich so? Nun, da mir mal endlich jemand den Spiegel meiner Interpunktionsschwäche vorgehalten hat, frage ich mich, ob das vielleicht instinktiv passiert, damit ich eben keine Kommata setzen muss Smile
Ihr seht also, ich mache mir Gedanken. Und nochmal; danke für die Denkanstösse.
Euer Lob und Eure Frage nach mehr spornt an. Ich werde dann mal ein paar satirische Geschichten über meine Kinder einstellen. Die habe ich eigentlich nur aus Spass geschrieben. Gebt mir ein bischen Zeit, die müssen erst noch durch den Duden Smile
Dann habe ich noch einen Roman geschrieben. Aber ich schätze 223 Normseiten würde hier den Rahmen sprengen. Und wenn Ihr erst mal anfangt werdet Ihr auch den Rest lesen wollen (ich bin ja soo bescheiden). Okay, nochmal danke und haltet Ausscheu nach dem Text "Tu das nie wieder - wie Kinder ihre Eltern erziehen". Viel Spass beim Lesen.


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NeuerKu
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Beitrag04.07.2014 08:31

von NeuerKu
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"Ausscheu"- na klar. Wie gesagt: schlampig. Ich schreib mir jetzt mal ne Abmahnung.

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bibiro
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Beitrag04.07.2014 08:40

von bibiro
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NeuerKu hat Folgendes geschrieben:
Ich werde dann mal ein paar satirische Geschichten über meine Kinder einstellen. Die habe ich eigentlich nur aus Spass geschrieben. Gebt mir ein bischen Zeit, die müssen erst noch durch den Duden Smile
Dann habe ich noch einen Roman geschrieben. Aber ich schätze 223 Normseiten würde hier den Rahmen sprengen. Und wenn Ihr erst mal anfangt werdet Ihr auch den Rest lesen wollen (ich bin ja soo bescheiden). Okay, nochmal danke und haltet Ausscheu nach dem Text "Tu das nie wieder - wie Kinder ihre Eltern erziehen". Viel Spass beim Lesen.


Kann man deine Beiträge irgendwie abonnieren? Damit mir das nicht durch die Finger flutscht, wenn du deinen Erziehungsratgeber von der anderen Seite postest?

Gell, ich weiß jetzt gar nicht, weil ich auf meinem PC dauerangemeldet bin, postest du deine Texte öffentlich oder nur für angemeldete Nutzer einsehbar?
Wähle bitte die Option der eingeschränkten Einsehbarkeit unbedingt für deine weiteren Werke, nicht dass du sie verbrennst!

Da ich selbst drei Kinder und festgestellt habe, dass man das als Elternteil nur mit ganz viel Humor überlebt, fiebere ich deinen Ausführungen entgegen!

Grüßle Bibi

P. S. Mach mal halblang mit deinen Abmahnungen. Oder hast du schon einen Ordner "Personalakte" für dich angelegt Wink
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NeuerKu
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Beitrag04.07.2014 09:33

von NeuerKu
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Liebe Bibi,
bin ja noch ein Frischling hier und habe keine Ahnung wie man nur für Mitglieder einstellt. Ja, ich habe so eine Akte. Auf meiner Arbeit lebe ich "Total Quality Management" und dann mache ich hier solche Flüchtigkeitsfehler. *ärger*


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bibiro
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Beitrag04.07.2014 09:39

von bibiro
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Hallo,

ich bin zwar kaum weniger frisch als du, aber ich hab jetzt mal so getan als ob ich hier einen Beitrag einstellen wollte, und siehe da, ganz unten steht in dem Formular folgendes:

Zitat:
Dieser Beitrag ist mir besonders wichtig!
Um das zu unterstreichen, kannst Du in diesem Board alle 7 Tage genau einen Joker setzen.
Beitrag nur für registrierte Benutzer sichtbar
Optionen HTML ist an BBCode ist an Smilies sind an
Dateien an den Beitrag anhängen Dateien an den Beitrag anhängen


Du musst einfach die Checkbox vor dem grün hinterlegten "Beitrag nur für registrierte Benutzer sichtbar" setzen.

Und du bist echt unglaublich. Ich fiebere schon deinem Blick in die innerfamiliäre Mottenkiste entgegen.

Geschichten, die das Leben schrieb finde ich immer unglaublich spannend - vor allem wenn sie von jemandem mit solch trockenem Humor wie die erzählt werden.

Grüßle Bibi
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NeuerKu
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Alter: 71
Beiträge: 43



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Beitrag04.07.2014 11:46

von NeuerKu
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Information
  
Hallo NeuerKu, wir empfehlen Geduld!

In 6 Tagen, 2 Stunden und 26 Minuten kannst Du schon Dein nächstes Werk offenbaren.
 
Muss leider noch warten *traurigschau*


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Merlinor
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Beiträge: 8676
Wohnort: Bayern
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Beitrag04.07.2014 17:27

von Merlinor
Antworten mit Zitat

NeuerKu hat Folgendes geschrieben:
Übrigens, Merlinor, habe etwas bei Prosa eingestellt. "Der Schicksalsfluss". Beurteile doch mal ob ich noch viel an mir arbeiten muss


Hallo NeuerKu

Das ist die falsche Frage: Offenbar sind wir beide ja schon fortgeschrittenen Alters und wissen daher natürlich, dass wir Zeit unseres Lebens an uns arbeiten müssen.
Andernfalls wäre unsere Existenz schließlich grottenlangweilig … smile

Ob Dein Text bereits Verlagsreife besitzt?
Wenn das allerdings die Frage ist, dann muss ich sie leider mit einem glatten Nein beantworten.

Dass Du mit Sprache umgehen kannst, bleibt dabei unbestritten.
Du kannst flüssig und gut lesbar schreiben, kannst dabei auch Geschichten einigermaßen fesselnd erzählen, die Voraussetzungen sind also gut.
Es fehlt aber trotzdem meiner Meinung nach noch einiges, was das schriftstellerische Handwerk betrifft.

Darüber, dass bei einem Text, der an eine Agentur oder an einen Verlag geht, die Rechtschreibung sitzen muss, brauchen wir nicht weiter zu sprechen.
Meine Vorredner haben dazu schon einiges gesagt, haben zum Beispiel die Kommasetzung bemängelt, oder haben darauf hingewiesen, dass in literarischen Erzählungen Altersangaben und andere Zahlworte besser ausgeschrieben werden.
Darauf solltest Du beim nächsten Mal unbedigt stärker achten.

Zum Inhalt: Kurze Sätze sind als Stilform legitim.
Du möchtest Deine Geschichte in kurzen, dichten Sätzen erzählen, das ist gut so.
Eine Geschichte, die in kurzen, manchmal fast schon stakkatoartig aufeinanderfolgenden Sätzen geschrieben ist, vermittelt normalerweise Geschwindigkeit.
Eine solche stilistische Entscheidung ist also auch Programm, das Du dann aber nicht befolgst, denn diese Geschwindigkeit geht Deiner Geschichte ab.

Du erzählst statt dessen in diesen kurzen Sätzen nur langsam und bedächtig, wiederholst Dich oft und fällst von einer Rückblende in die nächste.
Der Text wimmelt von „hatte“ und „war“, beschäftigt sich fast mehr mit der Vergangenheit der Protagonistin, als mit dem aktuellen Setting.
Ein gezielter dramaturgischer Aufbau, eine aufeinander aufbauende Steigerung von Spannung und Geschwindigkeit, findet hingegen nicht statt.

Aber auch das allgemeine Setting scheint mir nicht ausreichend ausgearbeitet zu sein.
Man merkt diese Konzeptlosigkeit schon am Aufbau der Figur der Protagonistin: Ich glaube Dir diese junge Frau nicht, denn sie bleibt trotz aller Rückblenden bis zum Ende seltsam inkonsistent, klischeehaft, geschichtslos.
Eine junge Frau aus Mexiko, die zum wiederholten Mal versucht, die Barriere des Rio Grande zu überwinden um in USA zu gelangen, weiß was sie tut und wenn sie bei einem dieser Versuche schon einmal vergewaltigt wurde, dann hat sie ihre Vorkehrungen getroffen.
Das kann man deutlicher zeichnen, als Du es tust.

Generell wirkt die Geschichte konstruiert, nicht erlebt oder authentisch recherchiert.
Die „Federales“ zum Beispiel sind Polizisten der mexikanischen Bundespolizei, nicht der Nordamerikaner.
Dort sitzen offiziell die Jungs von der „United States Border Patrol“ sowie der Nationalgarde und inoffiziell der eine oder andere private „Grenzschützer“.

Was ist die Botschaft der Geschichte und wie bringst Du sie an den Mann?
Eindeutig klar scheinst Du Dir darüber selbst nicht zu sein, also gibt es dazu auch kein klares Setting und Du verpasst die Gelegenheiten, einen sauberen Spannungsaufbau zu betreiben.
Der Text kann sich nicht entscheiden, ob er belehren oder spannend unterhalten will, also tut er keines von beidem.

Spannung und gute, auch belehrende Unterhaltung gäbe der Stoff durchaus her.
Dann müsstest Du aber auf die ständigen Rückblenden verzichten, müsstest diesbezüglich straffen, straffen und noch einmal straffen und den Rest dann im Rahmen einer lebendigen Handlung abarbeiten, die den Leser sensorisch einfängt.
Hier fehlt eindeutig jede Menge „show, don't tell“.
Du schreibst noch immer distanziert und beschreibend über das Mädchen und ihre Erlebnisse, wenn dem Leser eigentlich vor Spannung längst der Atem gefrieren müsste.
Die Erkenntnis käme dann aus dem „Erleben“, aus dem vollständig aktivierten Kopfkino des Lesers, und nicht aus trockenen Beschreibungen, die den Lesefluss ständig unterbrechen.

Erzählerisches Handwerk, das ist der Kernpunkt dessen, was dieser Geschichte leider fehlt.
Wie baut man eine Geschichte auf, wie erzeugt man Spannung, wie zieht man den Leser tief in die Handlung hinein.
Darüber solltest Du Dich kundig machen, denn eine ordentliche Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen, macht noch keinen wirklich guten Geschichtenerzähler.
Wenn Du bei Agenturen und Verlagen Erfolg haben willst, solltest Du Dich damit also noch ein wenig beschäftigen.
So unfertig jedenfalls würde ich Dir keine Geschichte abkaufen.

Ich weiß, dass dies harte Kritik ist und ich weiß auch, warum ich nur noch ungern Rezensionen schreibe: Wer mag schon dauernd so herumkritteln …
Aber wenn ich etwas sagen soll, dann kann ich halt nur das sagen, was mir zu einem Text auffällt.

Ich hoffe aber, dass Du mir deswegen jetzt nicht böse bist.
Wie gesagt: Du kannst vom Prinzip her recht gut schreiben und eigentlich auch erzählen.
Wenn Du die nötige Theorie noch dranhängst und Deine Texte in Zukunft auch formal noch gründlicher überarbeitest, bevor Du sie vorstellst, sollte es kein Problem für Dich sein, in absehbarer Zeit verlagsreif zu schreiben.

LG Merlinor


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Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
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NeuerKu
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Beitrag07.07.2014 10:55

von NeuerKu
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Hallo Merlinor,
Du hast es bemerkt, ich habe Dich ein bisschen provoziert. Natürlich habe ich in den Beiträgen geschnüffelt und gesehen, dass Du oft ziemlich schonungslos bewertest. Ich wollte Deine Meinung hören. Freunde und Verwandte loben immer. Lob ist auch wichtig, denn nur mit Kritik verliert man den Mut. Aber ohne Kritik kein Fortschritt. Deshalb erst mal danke und natürlich bin ich nicht böse.

Nein, meine Texte sind nicht druckreif! Ich schreibe seit sechs Monaten. Wenn das jetzt schon verlagsreif wäre, dann müsste ich ein neuer Hemingway sein. Obwohl mir bei “Fiesta” und dem “Alten Mann …” auch nicht gerade vor Spannung und Tempo schwindelig wurde. Aus “Krieg und Frieden” hätte man eine schöne Kurzgeschichte machen können und Schiwago habe ich eh nur bis Seite 78 geschafft.

Mehr noch. Ich glaube meine Texte werden auch nie verlagsreif sein, weil mir hauptsächlich einfach die Zeit und ein bisschen auch die Lust fehlt, immer wieder nachzuarbeiten.

Ich bitte Dich aber doch noch um etwas mehr Zeit und um Klarstellung.

Du sprichst, wie Deine Vorredner auch, von Widerholungen. Da jeder der schreibt, denkt, dass das, was er schreibt gut ist, würde mir da ein oder zwei Beispiele helfen.

Zum Thema dramaturgischer Aufbau und “hatte’ und “war”:

Natürlich könnte ich mit der Erzählung in der Wellblechbehausung der Protagonistin anfangen und dann in chronologischer Reihenfolge darauf hin erzählen, wie es dazu kam, dass sie am Fluss saß. Das wäre dann aber wirklich zum “Schnarchen”. Also springe ich in die Action, baue Erwartung auf, und erzähle dann, wie es dazu kam, wenn der Leser wissen will, wie es weiter geht. Spannung!

Aber ganz sicher geht das auch besser. Nur, wie beschreibt man Erinnerungen, Ängste, Erfahrungen und Reflexionen ohne “hatte” und “war”?

Lieber Merlinor, was die Protagonistin angeht, so siehst Du das zu europäisch. Das ist keine junge Frau. Diese 17-Jährige ist in nichts mit einer Jugendlichen, wie wir sie kennen zu vergleichen. Ich habe mich jahrelang in Mittelamerika herumgetrieben; und nicht in 4 Sterne Hotels. Dort gibt es wohl schon durchtriebene junge Frauen. Das “normale” Mädchen mit 17 ist, wie die Protagonistin, naiv, gottesfürchtig, bescheiden bis hin zur Unterwürfigkeit. Sie glaubt an “eine gütige Familie”, bei der sie den Haushalt führen kann. Sie glaubt an einen “lieben Mann” (in einer Machismo-Gesellschaft). Sie trägt nur Kleider, weil Mama sagt, dass Mädchen kokett sein sollten. Sie lebt in Umständen, in denen sie nicht weis wo morgen der Reis und die Bohnen herkommen soll. Bitte sage mir an welche Art “Vorkehrungen” Du gedacht hast, die ein solches Mädchen treffen könnte?

Die Überorganisation zum Schutz der Grenze in den USA ist Homeland Protection. U.S. Customs and Border Protection (CBP) bewachen den Rio Grande. Alle diese Beamte sind “Federal Agents” ebenso wie z.B. das FBI. Bei manchen steht das sogar auf der Dienstmarke. “Federal Agents”. In Spanisch “Agentes Federales”. Das ist nun wirklich erlebt: Die Menschen am Fluss nennen beide Seiten gleich. Und im Übrigen hassen sie auch beide Seiten gleich. Aber das kann schon zu Irrtümern führen. Also suche ich eine andere Bezeichnung.

Bitte gib mir ein Beispiel oder eine Definition von “show – don’t tell”.

Ja, Du hast recht. Am Handwerkszeug fehlt es mir tatsächlich.

So, und nun werde ich überarbeiten.


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NeuerKu
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Beitrag07.07.2014 13:30
Schicksalsfluss 2.0.
von NeuerKu
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Kalt! Es war sehr kühl in dieser Nacht. Sie zog die schmutzige Decke enger um ihre Schultern. Das dünne Sommerkleid wärmte sie nicht. Der Fluss lag still vor ihr. Wenn die Wolken den Halbmond freigaben und sein Licht das Wasser traf, dann sah der Fluss aus wie ein in Silber gegossenes Band. Wie eingeflochtene Perlen im Indio-Schmuck ragten die Sandbänke aus dem silbernen Wasser heraus. Es war sicher einfach von einer der kleinen Inseln zur anderen zu waten. Im Sommer war nie viel Wasser im Fluss. Die Farmer auf beiden Seiten zweigten das lebenswichtige Nass ab um ihre Felder zu bewässern. Der Fluss führte Niedrigwasser.
 
Das Mädchen kannte den Fluss als Rio Bravo. Rio Bravo del Norte. Der wilde Fluss des Nordens. Sie wusste, dass die Menschen auf der anderen Seite ihn als Rio Grande bezeichneten. Sie waren der Meinung der Fluss gehöre ihnen. Jeder der auch nur am anderen Ufer weilte war verdächtig. Es gab sogar schon Übergriffe vom Norden weil die Border Guards glaubten eine Gruppe wolle den Fluss überqueren. Sie beschossen sie und warfen Rauchpatronen die in die Augen bissen. Dabei hatten die Frauen nur die Wäsche gewaschen. Das Mädchen verstand nicht warum die Border Guards so streng waren und niemanden auf die andere Seite ließen. Waren Sie nicht alle die Kinder desselben Gottes? War sie ein schlechterer Mensch weil sie weiter südlich das Licht der Welt erblickte? Die Border Guards beschimpften sie und bespuckten sie. Sie wurde auch schon verprügelt und Schlimmeres. Wie oft hatte sie es schon versucht? Es mussten wohl sieben oder acht Versuche gewesen sein. Vor einem Jahr hatte sie es nahe der Grenze zu New Mexico versucht. Es gab dort weniger Border Guards. Sie hatte es sogar auf die andere Seite geschafft. Sie lief eine ganze Weile entlang der Landstraße. Immer wenn ein Fahrzeug kam versteckte sie sich. Als sie fast zwei Tage gelaufen war und sie nichts mehr zu essen und das Wasser aufgebraucht hatte riskierte sie es als Anhalterin weiterzureisen. Zwei Farmhelfer sammelten sie mit ihrem Pickup auf. Auf offener Strecke sagten sie ihr unmissverständlich, dass sie nun „lieb“ zu ihnen sein müsse, sonst würde sie zur Polizei gebracht werden. Sie wollte nicht glauben, dass ihr Versuch zwei Tage und viele Meilen vom Fluss entfernt nun doch noch scheitern würde. Sie bettelte und wehrte sich so gut sie konnte, aber es half nichts.

Sie kämpfte gegen den Würgereiz. Auch jetzt noch nach einem Jahr. Das Gemeinste war, dass die Gringos sie trotzdem den Border Guards übergeben hatten. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es den beiden wohl egal gewesen wäre ob sie einverstanden war. Sie war froh, dass sie Glück im Unglück hatte und die Männer sie nicht schwängerten. Damals hatte sie sich geschworen, dass sie lieber sterben würde als so etwas noch einmal zu erleben.

Warum hatten die auf der anderen Seite solche Angst vor ihnen? Die Border Guards mit ihren Jeeps, den Hubschraubern, den Ferngläsern mit denen man auch im Dunkeln sehen kann und den Bluthunden. Das Mädchen wusste, dass die USA einmal ihr Heimatland Mexico angegriffen hatten. Aber war denn immer noch Krieg? Die Gringos kamen doch auch in ihre Heimatstadt Ciudad Juarez um sich mit den Frauen zu amüsieren die mehr Wert auf den Yankee-Dollar legten als auf ihren Ruf. Sie betranken sich oft und dann wurden sie schon auch einmal von den Frauen oder anderen Menschen ausgeraubt. Waren sie daran nicht selbst schuld? „Wer Wind sät…“, sagte ihre Mutter immer.

Ihre Mutter versuchte alles um die Familie durchzubringen. Ihren Vater kannte sie nicht. Er hatte sie verlassen als sie noch sehr jung war. Die wenigen Erinnerungen die sie hatte waren keine Schönen. Jetzt war sie siebzehn und hatte mehr erlebt als es für ein junges Mädchen gut war. Ihre Kindheit war geprägt vom Kampf ums Überleben, harter Arbeit und Schule, dann, wenn es die Gelegenheit dazu gab. Sie hatte wie besessen Englisch gelernt. Nur dort im Norden hatte sie eine Chance. Sie musste es einfach schaffen. Das Wohlsein ihrer Mutter und der beiden kleinen Schwestern hing davon ab. Die ältere der beiden war zwei Jahre jünger und war schon jetzt mutlos. Wenn sie der Familie nicht helfen konnte, würde sich ihre Schwester schon bald in die erniedrigte Riege der Frauen einreihen die für den Dollar ihre Ehre hergaben. Ihre Mutter hatte sie immer christlich erzogen. Prostitution war für sie eine Todsünde. Und doch; es war doch so einfach.

Sie schüttelte den Gedanken ab. Sie würde es auf die andere Seite schaffen. Sie würde irgendwo bei einer gütigen Familie den Haushalt führen, oder auf einer Farm hart arbeiten. Und vielleicht, vielleicht würde sie einen lieben Mann finden und vom Wetback zum Staatsbürger werden. Wetbacks, so nannten sie die Border Guards abfällig weil beim Überqueren des Rio Bravo ihr Rücken nass wurde.
Ihr Bruder war drei Jahre älter als sie. Als er achtzehn war überquerte er den Rio Bravo das erste Mal. Nach dem dritten Versuch hörten sie nichts mehr von ihm. Vielleicht hatte er es geschafft. Aber warum schickte er dann kein Geld nach Hause? Warum meldete er sich nicht? Sie glaubten nicht mehr daran jemals etwas von ihm zu hören. Aber auch das war ein Grund warum sie hinüber wollte. Sie wollte ihren Bruder suchen. Aber in Juarez sagten die Leute, „der Fluss frisst Menschen“.

Das Mädchen schreckte aus ihren Gedanken auf. Die Wolken hatten sich verzogen und gaben den Blick auf den Fluss frei. Es war ihr als habe sie auf der anderen Seite eine Bewegung gesehen. Hörte sie da ein Geräusch? Sie spähte angestrengt auf die andere Seite. Dort fuhr ein Auto am Ufer des Flusses. Mitten im Gelände. Sie sah die schwach flimmernde Tarnbeleuchtung. Langsam bewegte sich der Jeep flussaufwärts. Sie folgte der Fahrtrichtung mit den Blicken. Dann sah sie die Gruppe. Es waren vielleicht zwei Dutzend Menschen. Fünf oder sechs waren schon bis zur Mitte des Flusses vorgedrungen. Die Border Guards waren noch etwa eine Meile entfernt.

Dann überkam sie der Gedanke. Vielleicht war das ihre Chance. Was wenn sie wartete bis die Border Guards am anderen Ufer beschäftigt waren und dann einfach loslaufen würde? Sie hatte furchtbare Angst, doch ihr Adrenalin Spiegel stieg. Plötzlich fror sie nicht mehr. Sie war hellwach. So musste es gehen. Sie streifte die Decke ab und packte ihr Bündel fester. Vorsichtig rückte sie vor bis zum Ufer des Flusses. Ihre jungen Augen fokussierten den Blick auf die andere Seite. Das Ufer des Flusses bildete eine kleine Bucht. Sie musste vor der Gegenströmung und den Verwirbelungen auf der Hut sein. Schon einmal wäre sie beinahe in seichtem Wasser ertrunken. Von der Bucht stieg das Gelände etwa fünf Meter an. Es war ein steiler sandiger Anstieg von einem Geländeabbruch. Oben begann dann die Steppe. Dort gab es Busch und Baumvegetation in der sie sich verstecken konnte. Etwa dreihundert Meter weiter rechts standen ein alter Silo und eine Scheune. Sonst gab es keine Gebäude. Sie zitterte vor Aufregung.
Weiter oben am Fluss begann die Jagd. Sie hörte Lautsprecher quäken. Kommandos auf Englisch und Spanisch wurden gerufen. Schreie hallten durch die Nacht. Jetzt schob sich eine große Wolke vor den Mond. Sie bekreuzigte sich und rannte los.

Das Wasser des Flusses ging ihr sehr schnell bis zur Hüfte. Sie watete mit aller Kraft und stemmte sich gegen die Strömung. Der weite Rock des Kleides schwamm an der Oberfläche. Ihre Mutter sagte, dass Hosen nichts für Mädchen seien. Wie viel praktischer wären sie doch. Sie verdrängte die unnützen Gedanken und überquerte die erste Sandbank. Nun war sie in der Mitte des Flusses. Sie hörte einen Knall und schaute zu der Gruppe von Flüchtlingen. Mitten über dem Fluss bildete sich ein weißer Feuerball, der an einem Fallschirm herabschwebte. Es wurde taghell. Reflexartig tauchte sie unter und hielt die Luft an. Erst als der helle Schein verschwunden war und sie die Luft nicht mehr anhalten konnte tauchte sie auf. Sie erreichte die nächste Sandbank. Das andere Ufer war noch zehn Meter entfernt. Jetzt! Sie war an Land. Sie rannte auf den Abbruch zu und kletterte hinauf. An der Kante spähte sie vorsichtig in die karge Landschaft. Alles schien ruhig. Sie sprang auf und rannte zwischen den Büschen in Richtung der Scheune.
Dann hörte sie den Hufschlag des Pferdes. Ihre Hochstimmung schwang um in tiefe Enttäuschung. Die Border Guards würden sie erwischen. Sie versteckte sich in einem Busch, aber der Beamte hielt sein Pferd direkt vor dem Busch an.
„Raus da“, brüllte er auf Spanisch. Sie gab auf. Mit gesenktem Blick und hängenden Schultern trat sie vor den Busch. Ihr langes blauschwarzes Haar hing nass um ihren Kopf und die Schultern. Das Kleid klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper. Sie trug außer einem Slip nichts unter dem Kleid. Alles was man nicht unbedingt brauchte konnte man sich nicht leisten. Sie spürte die Blicke des Mannes und verschränkte die Arme vor der Brust. Er stieg vom Pferd. Der Mann war alt, sehr alt aus ihrem Blickwinkel, und trug eine beeindruckende Uniform. Er war groß und schwer. Angsteinflößend. Wortlos nahm er ihre Hände und zog sie nach unten. Handschellen klickten. Er band ein fingerdickes Seil um die Handschellen und saß auf. Langsam ging das Pferd los. Sie hatte keine Wahl und rannte hinter dem Reiter her.
Als sie die Scheune erreichten band der Mann das Pferd an und schob sie hinein. Am Eingang einer leeren Pferdebox stand sie ihm gegenüber und bettelte er solle sie doch gehen lassen, sie würde nie wieder zurückkommen. Jedes Mal wenn sie erwischt wurde nahm sie sich das vor. Und immer versuchte sie es erneut. Die Kiefer des Mannes mahlten auf dem Kautabak. Er spie braune Brühe auf den Boden und umfasste mit seiner rechten Hand ihre Brust. Sie begann zu schreien. Laut, panisch. Sie dachte an den Pickup Truck. Der Schlag der linken Hand traf sie hart im Gesicht. Ihre Lippe platzte auf. Sie taumelte mit dem Rücken gegen die Trennwand der Pferdebox. Der Mann setzte nach und riss ihre Arme nach oben. Er hängte die Handschellen in einen großen Nagel am Balken der Pferdebox ein. Sie musste auf den Zehenspitzen stehen. Dann riss er mit beiden Händen das Oberteil des Kleides auseinander. Mit einem Bein drängte er ihre Beine auseinander und zog mit einem Ruck den Slip nach unten.

Nicht noch einmal. Lieber würde sie sterben. In letzter Verzweiflung hängte sie ihren leichten Körper in die Handschellen. Ihre Handgelenke verbogen sich und schmerzten. Aber dadurch befreite sie ihre Beine vom Gewicht. Sie rammte das rechte Bein hart in den Schritt des Mannes. Dieser schrie wütend auf und beugte den Oberkörper nach vorne. Mit beiden Beinen traf das Mädchen den Mann am Oberkörper und mitten im Gesicht. Der Mann taumelte brüllend wie ein Bulle rückwärts. Sie wusste, er würde sie töten und begann zu beten.

An der Trennwand der anderen Seite hing eine Sense mit der scharfen Seite nach oben. Normalerweise lag sie eng an der Wand an und bedeutete keine Gefahr. Allerdings hatte jemand einen Sattel daneben gehängt und dieser hatte die Sense mit der Spitze nach vorne gelenkt.

Das Mädchen sah wie der Mann rückwärts gegen die Spitze der Sense taumelte. Mit vor Schmerzen geweiteten Augen stöhnte der Mann auf. Ein letzter Atemzug, und der Mann hing still an der Sense.

Das Mädchen schrie hysterisch und weinte und betete zur gleichen Zeit. Sie bemerkte nicht wie ein weiteres Pferd vor der Scheune festgemacht wurde. Sie bemerkte nicht wie sich das Scheunentor öffnete, und sie sah nicht die Silhouette eines weiteren Beamten gegen das Mondlicht.

Sie spürte einen weiteren Schlag in das Gesicht. Aber seltsamerweise holte sie dieser Schlag aus ihrer Hysterie. Auch die neu hinzugekommene Person trug die Uniform der Border Guards, aber es war eine Frau. Die Frau sah zu dem Kollegen. Es war offensichtlich, dass er tot war. Die Sense hatte seine linke Brusthälfte eine Handbreit bis zum Herzen durchschnitten. Sie blickte zu dem Mädchen. Gefesselt, auf den Zehenspitzen stehend, mit baren Brüsten und blutendem Gesicht. Ihr zerrissener Slip um die Fußknöchel.

Sie schloss die Handschellen auf und sagte mit eindringlicher Stimme: "Lauf um Dein Leben, Mädchen. Und wenn Du weißt was gut für Dich ist, dann kommst Du nie wieder.“
Sie schob sie am Arm nach draußen und in Richtung des Flusses. Das Mädchen konnte es nicht glauben. Zögernd setzte sie sich in Trab. Sie wusste was passieren würde. Die Frau würde sie erschießen. Einfach so von hinten. Auf der Flucht!

Egal! Zumindest hatte das Schwein sie nicht geschändet. Stolz warf sie den Kopf in den Nacken und ging gemessenen Schrittes in Richtung des Flusses. Es dauerte lange Minuten bis sie den Abbruch erreichte, und nichts war geschehen. Als sie zurückblickte sah sie die beiden Pferde vor der Scheune aber kein Zeichen von der Frau. Die Tränen strömten über ihr Gesicht als sie in den wilden Fluss eintauchte. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal froh sein würde ihr eigenes Ufer zu erreichen. Sie war zuhause.
Nie wieder würde sie den Fluss überqueren. Sie dachte an ihre Mutter und ihre Schwestern. Nie mehr hier so nah bei El Paso. Vielleicht weiter unten. Vielleicht. In einer anderen Nacht an einer anderen Stelle zu einer anderen Zeit.


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Rainer Prem
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Beitrag07.07.2014 15:32

von Rainer Prem
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Hallo,

NeuerKu hat Folgendes geschrieben:
Hallo Merlinor,

...

Bitte gib mir ein Beispiel oder eine Definition von “show – don’t tell”.



Du hast das eigentlich ganz gut drauf. Ereignisse zu erzählen, statt von weit oben darüber zu berichten. Du beginnst allerdings häufig einen Abschnitt mit einem solchen Satz

NeuerKu hat Folgendes geschrieben:

Sie schüttelte den Gedanken ab.  ...

Das Mädchen schreckte aus ihren Gedanken auf. ...

Dann überkam sie der Gedanke. ...



Da sagst du als Autor dem Leser, wie er den Abschnitt interpretieren soll. Oder hier:

NeuerKu hat Folgendes geschrieben:

Sie hatte furchtbare Angst, doch ihr Adrenalin Spiegel stieg.


statt z.B. Sie zuckte zusammen. Hitze wallte in ihr auf.

NeuerKu hat Folgendes geschrieben:

Am Eingang einer leeren Pferdebox stand sie ihm gegenüber und bettelte er solle sie doch gehen lassen, sie würde nie wieder zurückkommen.


Indirekte Rede, auch noch im Konjunktiv.

Klarer?

Grüße
Rainer
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NeuerKu
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Beitrag07.07.2014 15:50

von NeuerKu
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Meinst Du mehr Luft lassen für Kopfkino?

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Merlinor
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Beitrag09.07.2014 11:32

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo NeuerKu

Bitte entschuldige, dass ich Dich mit meiner Antwort habe warten lassen.
Ich bin nicht sehr gesund und muss mir meine Kraft einteilen.
Manchmal gelingt es mir deshalb nicht, alles das zeitnah zu erledigen, was wünschenswert wäre.

Zum Topic: Leider bin ich auch mit der neuen Fassung Deines Textes noch nicht glücklich.
Damit, dass auch jetzt immer noch eine Reihe Kommafehler den Lesegenuss trüben, will ich mich nicht aufhalten. Allerdings solltest Du Dich mit den *Regeln zur Kommasetzung* vielleicht ein wenig ausführlicher befassen.
So habe ich den Eindruck, dass es Dir bezüglich der Kommasetzung ganz grundsätzlich an Gefühl mangelt. Auch der *Duden Sprachratgeber* hält dazu einige lesenswerte Artikel vor.

Du hast nach der Bedeutung von „Show don't Tell“ gefragt.
*Show, don't tell* oder *Zeigen, nicht beschreiben* ist ein recht grundlegender Terminus aus dem Bereich des kreativen Schreibens.
Er wird in manchen Schreibratgebern leider derart exzessiv gepredigt, dass er bei gestandenen Autoren manchmal fast schon allergische Reaktionen auslöst.
Dennoch kommt man – besonders als Anfänger – nicht an ihm vorbei.
Wenn man unterhaltend und spannend schreiben will, muss man sich also wenigstens einen Begriff davon machen und sollte die Technik an gegebenem Platz dann auch gezielt einsetzen.
Wenn Du danach googelst, wirst Du noch eine Reihe weiterer Webseiten und Artikel zu diesem Thema finden.

Zurück zu Deinem Text: Nach wie vor bin ich der Meinung, dass die Erzählung weder Fisch noch Fleisch ist.
Was ist das Ziel, das Du mit ihr verfolgst? Willst Du den Leser spannend unterhalten, oder willst Du ihn sachlich über die Gegebenheiten an der Grenze zwischen Mexiko und den USA aufklären?
Beides gleichzeitig geht schwer, aber es geht: Es gibt eine gewisse Art des journalistischen Schreibens, das sich durchaus spannend mit Sachthemen auseinandersetzt.
Wenn Du das willst, dann hast Du alles Recht, den Leser genau über die Vorgeschichte des Mädchens und die Hintergründe ihres Drangs, die Grenze zu überwinden zu informieren.

Wenn Du aber anstatt eines journalistischen Beitrags eine spannende Geschichte über einen missglückten Grenzübertritt schreiben willst, dann ist der größte Teil dieser Informationsflut überflüssig und kann der Rest bei Bedarf sauber in den Lauf der Handlung eingeflochten werden.
Das Seltsame daran: Trotz geringerer Informationsdichte kann die spannende Erzählung im Leser ebenfalls ein sehr treffendes Bild dessen erzeugen, was an dieser Grenze vorgeht.

Langer Rede kurzer Sinn: Entscheide Dich!
Ich gehe jetzt einfach einmal davon aus, dass Du Dich dafür entscheidest, eine spannende Geschichte zu erzählen, die von der Handlung lebt, und werde Deinen Text daraufhin betrachten.
Die journalistische Variante lasse ich außen vor.

Und das heißt: Weg mit dieser ganzen geballten Ladung an Rückblenden.
Die braucht kein Mensch! Die bringen die Geschichte nicht voran und sie erzeugen ganz bestimmt keine Spannung.
Diese Rückblenden nehmen fast die Hälfte des Textes ein.
Das bedeutet, dass während fünfzig Prozent des Textes NICHTS passiert. Was für ein Abenteuer!

Es ist leider so, dass viele angehende Autoren den Drang verspüren, den Leser erst einmal mit „Information“ zu füttern, bevor sie ihn in die eigentliche Handlung senden.
Sie glauben, der Leser bräuchte diese Information, um dem Setting folgen zu können.
Das ist falsch! Der Leser ist kein Dummkopf.
In einer spannenden, handlungsgetriebenen Geschichte erwartet er Information erst dann, wenn sie dem Lauf der Geschehnisse dient.
Und meist ist es möglich, diese Information so in die Handlung einzufügen, dass keine Rückblenden erforderlich sind.

Oft reichen einfache Andeutungen: Wenn dem Mädchen im Augenblick der Gefahr das Bild ihrer Mutter und ihrer Geschwister kurz durch den Kopf schießt, genügt das völlig, um etwas über ihre familiären Verhältnisse und ihre Motivation auszusagen.
Wenn Du den Grenzer beispielsweise das Mädchen wegen ihres nassen Kleides verhöhnen lässt, sie von ihm dafür verächtlich zum "dummen" mexikanischen Landmädchen stempeln lässt, baust Du ganz ohne Rückblende die entsprechende Information über das Tragen von Kleidern in die Geschichte ein und machst daraus ein lebendiges und plausibles Handlungselement zur Vertiefung der szenischen Gestaltung.

Der Leser muss auch nicht im Vorfeld wissen, dass sie bereits vergewaltigt worden war.
Auch das kann im Verlauf der Handlung gezeigt werden, wenn sie – nur als Beispiel – zuerst erleichtert reagiert, dass ein „Offizieller“ sie gefangen nimmt, weil sie glaubt, dass der – anders als die drei jungen Landarbeiter früher – sie korrekt behandeln würde.
Zeige uns ihr wachsendes Entsetzen, ihre Wut, ihren Willen, bis zur Selbstaufgabe zu kämpfen, weil sie DAS nicht wieder mit sich geschehen lassen würde.
Information also immer erst dann, wenn sie die Handlung voranbringt, und möglichst so eingeflochten, dass sie als Element zur Steigerung der Spannung dient.
Überhaupt Information: Du füllst den Leser ab mit diesem Informationsblock, aber gibst dem Mädchen nicht einmal einen Namen?
Kein guter Trick!

Diese Geschichte hat Potenzial. Es ist alles an Elementen vorhanden, um gezielt und in mehreren Wellen mit Spannung zu spielen.
Das beginnt vor der Überquerung mit dem Lauern am Fluss, da kann Stimmung aufgebaut werden.
Es folgt die Gelegenheit, als die Grenzer sich der anderen Gruppe zuwenden, aber der Fluss ist tückisch, sie muss kämpfen, um die Strömung zu überwinden.
Dann der Versuch der Entdeckung zu entgehen. Schon das kann man ausbauen, kann man mit Spannung pur füllen.
Dann die Entdeckung, die vorläufige Erleichterung, weil es „nur“ ein Offizieller ist, dann die Ernüchterung, das Entsetzen und der Kampf in der Scheune.
Und am Ende die scheinbare Gewissheit, von der Beamtin im Fluss erschossen zu werden.

Das sind viele Spannungselemente, die man wunderbar in sich ergänzenden und gegenseitig steigernden Spannungsbögen ineinandergreifen lassen kann.
Das nennt man Dramaturgie.
Auch damit solltest Du Dich befassen.

Gib dem Mädchen bitte einen Namen, und zeichne ihren Charakter im Laufe der Handlung genauer: Eine junge Frau von 17 Jahren aus ländlichen, armen Verhältnissen in Mexiko, ist möglicherweise ungebildet und kulturell geprägt, bis hin zum Tragen von Kleidern und der Überzeugung, es gäbe eine gütige Welt und Demut sei eine Tugend.
Aber wenn sie bereits sieben Mal vergeblich ihre Chance im Grenzübertritt gesucht hat, wenn sie sich so als beharrliche Kämpferin um eine bessere Zukunft erwiesen hat und dabei sogar schon vergewaltigt wurde: Nein, so ein Mädchen ist ganz sicher nicht mehr naiv und sie weiß auch, dass ihr Bruder sehr wahrscheinlich tot ist.
Das muss der Leser sehen.

Wie sie sich auf eine erneute Vergewaltigung vorbereitet hat?
Nicht mit Waffen. Nicht mit dem Ziel, zu gewinnen. Daran kann sie vermutlich nicht glauben.
Aber sie ist bereit zu kämpfen und nötigenfalls zu sterben. Sie will nicht noch einmal mit sich machen lassen.
So hast Du die Geschichte angelegt. Mach es deutlicher sichtbar, mach vielleicht daraus ein Element der Botschaft der Geschichte.
Kurz: Gib der Geschichte überhaupt eine Richtung, eine Botschaft.
Bislang ist die zu wenig sichtbar.

Hallo @NeuerKu: Ich weiß jetzt nicht, ob meine Anmerkungen auch wirklich hilfreich für Dich sind.
Ich hoffe jedenfalls, dass Du damit etwas anfangen kannst.
Wie gesagt: Noch ist in meinen Augen Dein Text weder Fisch noch Fleisch und auch ist nicht recht klar, was er uns sagen will.
Straffen, weg mit den meisten Rückblenden und statt dessen eine spannungsgeladene, lebendige, „gezeigte“ Handlung, die ihre Information an geeigneter Stelle selbst mitbringt.
Das wäre mein Rezept.

LG Merlinor


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Beitrag09.07.2014 13:06

von NeuerKu
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Danke, Merlinor. Nur kein Stress. Wir sind ja nicht auf der Flucht. Mir ist einiges klarer geworden. Werde daran arbeiten. Das bedeutet aber eine erhebliche Veränderung der Geschichte. Und um einiges kürzer wird sie wohl auch werden. Mal sehen was daraus wird. Bin jetzt selbst gespannt.
Gruss
Kurt


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Beitrag09.07.2014 16:35

von NeuerKu
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Ich glaube, ich habe da ein Aha-Erlebnis gehabt. Wenn es offensichtlich ist, dass der Mann tot war, dann muss man es auch nicht schreiben. Habe die Geschichte komplett umgestellt. Nun fehlt jede Menge Info, ist aber viel Platz für Fantasie des Lesers. Viel kürzer ist sie auch nicht geworden. Scheinbar braucht SHOW mehr Platz als TELL. Geschichte lief durch den Duden. Also etwaige Kommafehler gehen zulasten des Herrn Duden.
Auf ein Neues:

Kalt! Es war sehr kühl in dieser Nacht. Sie zog die schmutzige Decke enger um ihre Schultern. Das dünne Sommerkleid wärmte sie nicht. Der Fluss lag still vor ihr. Wenn die Wolken den Halbmond freigaben und sein Licht das Wasser traf, dann sah der Fluss aus wie ein in Silber gegossenes Band. Wie eingeflochtene Perlen im Indio-Schmuck ragten die Sandbänke aus dem silbernen Wasser heraus. Es war sicher einfach von einer der kleinen Inseln zur anderen zu waten. Im Sommer war nie viel Wasser im Fluss. Die Farmer auf beiden Seiten zweigten das lebenswichtige Nass ab um ihre Felder zu bewässern. Der Fluss führte Niedrigwasser.
 
Dora kannte den Fluss als Rio Bravo. Rio Bravo del Norte. Der wilde Fluss des Nordens. Sie wusste, dass die Menschen auf der anderen Seite ihn als Rio Grande bezeichneten. Sie waren der Meinung der Fluss gehöre ihnen. Jeder der auch nur am anderen Ufer weilte war verdächtig. Es gab sogar schon Übergriffe vom Norden weil die Border Guards glaubten eine Gruppe wolle den Fluss überqueren. Sie beschossen sie und warfen Rauchpatronen, die in die Augen bissen. Dabei hatten die Frauen nur die Wäsche gewaschen.

Warum hatten die auf der anderen Seite solche Angst vor ihnen? Die Border Guards mit ihren Jeeps, den Hubschraubern, den Ferngläsern, mit denen man auch im Dunkeln sehen kann und den Bluthunden.

Dieses Mal würde sie es auf die andere Seite schaffen. Sie würde irgendwo bei einer gütigen Familie den Haushalt führen, oder auf einer Farm hart arbeiten. Und vielleicht, vielleicht würde sie einen lieben Mann finden und vom Wetback zum Staatsbürger werden. Wetbacks, so nannten sie die Border Guards abfällig weil beim Überqueren des Rio Bravo ihr Rücken nass wurde.

Ihr Bruder war drei Jahre älter als sie. Als er achtzehn war überquerte er den Rio Bravo das erste Mal. Nach dem dritten Versuch hörten sie nichts mehr von ihm. Vielleicht hatte er es geschafft. Aber warum schickte er dann kein Geld nach Hause? Warum meldete er sich nicht? Sie glaubten nicht mehr daran, jemals etwas von ihm zu hören. Aber auch das war ein Grund, warum sie hinüber wollte. Sie wollte ihren Bruder suchen. Aber in Juarez sagten die Leute, „der Fluss frisst Menschen“.

Die Wolken hatten sich verzogen und gaben den Blick auf den Fluss frei. Es war ihr, als habe sie auf der anderen Seite eine Bewegung gesehen. Hörte sie da das tiefe Brummen eines schweren Wagens? Sie spähte angestrengt auf die andere Seite. Dort fuhr ein Auto am Ufer des Flusses. Mitten im Gelände. Sie sah die schwach flimmernde Tarnbeleuchtung. Langsam bewegte sich der Jeep flussaufwärts. Sie folgte der Fahrtrichtung mit den Blicken. Dann sah sie die Gruppe. Es waren vielleicht zwei Dutzend Menschen. Fünf oder sechs waren schon bis zur Mitte des Flusses vorgedrungen. Die Border Guards waren nicht mehr weit entfernt.

Das war ihre Chance. Ihr Adrenalin Spiegel stieg. Plötzlich fror sie nicht mehr. Sie war hellwach. So musste es gehen. Sie streifte die Decke ab und packte ihr Bündel fester. Vorsichtig rückte sie vor bis zum Ufer des Flusses. Ihre jungen Augen fokussierten den Blick auf die andere Seite. Das Ufer des Flusses bildete eine kleine Bucht. Sie musste vor der Gegenströmung und den Verwirbelungen auf der Hut sein. Sie zitterte vor Aufregung. Sie nahm den brackigen Geruch des seichten Wassers wahr.

Weiter oben am Fluss begann die Jagd. Sie hörte Lautsprecher quäken. Kommandos auf Englisch und Spanisch wurden gerufen. Schreie hallten durch die Nacht. Jetzt schob sich eine große Wolke vor den Mond. Sie bekreuzigte sich und rannte los.

Das Wasser des Flusses ging ihr sehr schnell bis zur Hüfte. Sie watete mit aller Kraft und stemmte sich gegen die Strömung. Der weite Rock des Kleides schwamm an der Oberfläche. Ihre Mutter sagte, dass Hosen nichts für Mädchen seien. Wie viel praktischer wären sie doch. Sie verdrängte die unnützen Gedanken und überquerte die erste Sandbank. Nun war sie in der Mitte des Flusses. Das Wasser reichte bis über den Bauch. Sie hörte einen Knall und schaute zu der Gruppe von Flüchtlingen. Mitten über dem Fluss bildete sich ein weißer Feuerball, der an einem Fallschirm herabschwebte. Es wurde taghell. Reflexartig tauchte sie unter und hielt die Luft an.
Die Strömung des Flusses erfasste nun ihren ganzen Körper. Strampelnd stemmte sie sich gegen den Strom. Mit hektischen Bewegungen der Hände versuchte sie in aufrechter Position zu bleiben. Über ihr sah sie den Wasserspiegel und den weißen Widerschein der Leuchtkugel der langsam, viel zu langsam, verblasste. Sie hatte keine Luft mehr in den Lungen und kämpfte gegen den Reflex einzuatmen. Erst als der helle Schein verschwunden war, tauchte sie auf. Schwer atmend erreichte sie die nächste Sandbank. Das andere Ufer war noch zehn Meter entfernt. Jetzt! Sie war an Land. Sie rannte auf den Abbruch zu und kletterte hinauf. An der Kante spähte sie vorsichtig in die karge Landschaft. Alles schien ruhig. Sie sprang auf und rannte, die Büsche und Sträucher als Deckung nutzend, in Richtung einer Scheune.

Dora hörte den Hufschlag des Pferdes ohne den Reiter zu sehen. Sie duckte sich in ein dichtes dorniges Gebüsch. Ihr Herz hämmerte so laut, dass es jeder hören musste. Ungewollt begann sie zu beten.
„Bitte, lieber Gott, wenn sie mich schon erwischen sollen, dann lass es einen Border Guard sein, der mich einfach nur zurückschickt. Lass nicht zu, dass sie mir wieder das antun wie in New Mexico. Lieber sterbe ich“.

Sie kroch tiefer in das Unterholz und zog einzelne Äste über sich.

Der Hufschlag kam näher und verstummte direkt vor dem Busch. Ihre Hochstimmung schwang um in tiefe Enttäuschung. Die Border Guards hatten sie erwischt.

Der Beamte hielt sein Pferd direkt vor dem Busch an.

„Raus da“, brüllte er auf Spanisch.

Sie gab auf. Mit gesenktem Blick und hängenden Schultern trat sie vor den Busch. Ihr langes blauschwarzes Haar hing nass um ihren Kopf und die Schultern. Das Kleid klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper. Sie trug außer einem Slip nichts unter dem Kleid. Alles, was man nicht unbedingt brauchte, konnte man sich nicht leisten. Sie spürte die Blicke des Mannes und verschränkte die Arme vor der Brust. Schwer atmend wuchtete der Border Guard seinen massigen Körper vom Pferd. Wortlos nahm er ihre Hände und zog sie nach unten. Handschellen klickten. Er band ein fingerdickes Seil um die Handschellen und saß auf. Langsam ging das Pferd los. Sie hatte keine Wahl und rannte hinter dem Reiter her.

Sie glaubte den Mann zu kennen. Sie hatte ihn schon in seiner beeindruckenden Uniform gesehen. Er war einer von den Gringos die in ihre Heimatstadt Ciudad Juarez kamen um sich mit den Frauen zu amüsieren, die mehr Wert auf den Yankee-Dollar legten als auf ihren Ruf.

Als sie die Scheune erreichten, band der Mann das Pferd an und zog sie zum Tor.
„Rein da“, befahl er barsch. Er schob sie zum Eingang einer leeren Pferdebox.

„Bitte, Señor“, bettelte sie, „bitte lassen sie mich gehen. Ich wollte doch nur ein paar Dollar verdienen, um für meine Familie Essen zu kaufen. Ich werde nie wieder über den Fluss gehen“.

Jedes Mal wenn sie erwischt wurde, nahm sie sich das vor. Und immer versuchte sie es erneut. Die Kiefer des Mannes mahlten auf dem Kautabak. Er spie braune Brühe auf den Boden.

Aufdringlich stieg ihr der Tabakatem in die Nase. Der Mann leckte sich über die Lippen und umfasste mit seiner rechten Hand ihre Brust. Sie begann zu schreien. Laut, panisch. Sie dachte an New Mexico. Der Schlag der linken Hand traf sie hart im Gesicht. Ihre Lippe platzte auf. Sie taumelte mit dem Rücken gegen die Trennwand der Pferdebox. Der Mann setzte nach und riss ihre Arme nach oben. Er hängte die Handschellen in einen großen Nagel am Balken der Pferdebox ein. Sie musste auf den Zehenspitzen stehen. Dann riss er mit beiden Händen das Oberteil des Kleides auseinander. Mit einem Bein drängte er ihre Beine auseinander und zog mit einem Ruck den Slip nach unten.

Sie kämpfte gegen den Würgereiz. Auch jetzt noch nach fast einem Jahr. Nicht noch einmal. Lieber würde sie sterben. In letzter Verzweiflung hängte sie ihren leichten Körper in die Handschellen. Ihre Handgelenke verbogen sich und schmerzten. Aber dadurch befreite sie ihre Beine vom Gewicht. Sie rammte das rechte Bein hart in den Schritt des Mannes. Dieser schrie wütend auf und beugte den Oberkörper nach vorne. Mit beiden Beinen traf das Mädchen den Mann am Oberkörper und mitten im Gesicht. Der Mann taumelte brüllend wie ein Bulle rückwärts. Sie wusste, er würde sie töten und begann zu beten.

An der Trennwand der anderen Seite hing eine Sense mit der scharfen Seite nach oben. Normalerweise lag sie eng an der Wand an und bedeutete keine Gefahr. Allerdings hatte jemand einen Sattel daneben gehängt und dieser hatte die Sense mit der Spitze nach vorne gelenkt.

Das Mädchen sah, wie der Mann rückwärts gegen die Spitze der Sense taumelte. Mit vor Schmerzen geweiteten Augen stöhnte der Mann auf. Ein letzter Atemzug, und der Mann hing still an der Sense.

Das Mädchen schrie hysterisch und weinte und betete zur gleichen Zeit. Sie bemerkte nicht, wie ein weiteres Pferd vor der Scheune festgemacht wurde. Sie bemerkte nicht, wie sich das Scheunentor öffnete, und sie sah nicht die Silhouette eines weiteren Beamten gegen das Mondlicht.

Sie spürte einen weiteren Schlag in das Gesicht. Aber seltsamerweise holte sie dieser Schlag aus ihrer Hysterie. Auch die neu hinzugekommene Person trug die Uniform der Border Guards, aber es war eine Frau. Die Frau sah zu dem Kollegen. Die Sense hatte seine linke Brusthälfte eine Handbreit bis zum Herzen durchschnitten. Sie blickte zu dem Mädchen. Gefesselt, auf den Zehenspitzen stehend, mit baren Brüsten und blutendem Gesicht. Ihr zerrissener Slip um die Fußknöchel.

Sie schloss die Handschellen auf und sagte mit eindringlicher Stimme:

"Lauf um Dein Leben, Mädchen. Und wenn Du weißt, was gut für Dich ist, dann kommst Du nie wieder.“

Sie schob sie am Arm nach draußen und in Richtung des Flusses.

Zögernd setzte sich Dora in Trab. Gedanken an ihre beiden kleinen Schwestern und ihre Mutter rasten durch ihren Kopf. Sie wusste was passieren würde. Die Frau würde sie erschießen. Einfach so von hinten. Auf der Flucht!

Zumindest hatte das Schwein sie nicht geschändet. Stolz warf sie den Kopf in den Nacken und ging gemessenen Schrittes in Richtung des Flusses. Ihre Nackenhaare stellten sich auf als die die Detonation des Schusses erwartete. So endete es also. Sie würde nicht älter als siebzehn Jahre werden.

Es dauerte lange Minuten bis sie den Abbruch erreichte, und nichts war geschehen. Als sie zurückblickte sah sie die beiden Pferde vor der Scheune aber kein Zeichen von der Frau. Die Tränen strömten über ihr Gesicht als sie in den wilden Fluss eintauchte. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal froh sein würde ihr eigenes Ufer zu erreichen. Sie war zuhause.
Nie wieder würde sie den Fluss überqueren. Sie dachte an ihre Mutter und ihre Schwestern. Nie mehr hier so nah bei El Paso. Vielleicht weiter unten. Vielleicht. In einer anderen Nacht an einer anderen Stelle zu einer anderen Zeit.


_________________
Die Feder kritzelt: Hölle das!
Bin ich verdammt zum Kritzeln-Müssen? -
So greif' ich kühn zum Tintenfaß
und schreib' mit dicken Tintenflüssen.
Wie läuft das hin, so voll, so breit!
Wie glückt mir alles, wie ich's treibe!
Zwar fehlt der Schrift die Deutlichkeit -
Was tut's? Wer liest denn, was ich schreibe?
Friedrich Wilhelm Nietzsche
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