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Benn 1934 - Der Judaskuss


 
 
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag11.01.2014 16:21
Benn 1934 - Der Judaskuss
von Ralf Langer
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Benn 1934 - Der Judaskuss

Deine Welt war immer klein:
Vier Zimmer, halbgeschossig
im steten Dämmerschein,
schabtest du an Worten
und an der Syphilis der Zeit.

Die Welt – Berlin,
halb Höhle, halb Gethsemane:
du schreibst: du denkst an Flucht
ist nicht zu denken,
weil andere geflohen.

Die Welt – Barbarentum;
du denkst: du schreibst – nur
dientest du mit deinen Worten
dich den Schlächtern an.

Es gab kein neues Sparta,
nirgends keimte - nichtmals sacht
dein dorischer Traum.
Die Säulen, die du dachtest,
die gab es nie – sie stürzten nicht;
was fußte, stand im Grau`n.

Die Welt - die Dämmerung,
der Mensch, das Schwein.
Das Wort fiel spät;
du, irrender Prophet,
riefst für ein Jahr: ich kann, ich muß
und gabst dich wortgewaltig hin -
der Nacht, dem Judaskuss.

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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag11.01.2014 19:34

von Aranka
Antworten mit Zitat

Ralf, erst mal eine ganz spontane Rückmeldung: du wirfst hier einmal einen ganz eigenen Blick auf die Zeit zwischen 1933 - 34 in Benns Leben, das Jahr, in dem er die Partei (für ihn wohl eher die Idee einer neuen Staatsform) mit seinen Schriften und einer Rede unterstützt. Streifst auch ein wenig den Konflikt im religiösen Eltern- oder besser Vaterhaus.
Was mir gefällt, sind die Querverbindungen, die du ziehst:

Zitat:
Es gab kein neues Sparta,
nirgends keimte - nichtmals sacht
dein dorischer Traum.
Die Säulen, die du dachtest,
die gab es nie – sie stürzten nicht;
was fußte, stand im Grau`n.


Auch sprachlich oder in der Umsetzung bin ich erst mal nirgends gestolpert. Ein fester Ton wird angeschlagen und konsequent durchgehalten.

Gefällt mir. Werde ich sicherlich noch einige Male lesen.

Liebe Grüße Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag12.01.2014 13:52

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo aranka,
herzlichen dank für deinen kommentar, der deinen ersten eindruck ausdrückt.
ich habe lange gezaudert, dieses stück zu denken. aber benn ist ein stetiger begleiter in meinem leben, und so ist dieses stück, auch eine intime auseinandersetzung mit seinem- wie soll ich es nennen- irrtum?

ich hoffe, daß es mir gelang - vor allem sprachlich, und durch meine zitate,
die welt von benn ein wenig aufzuspannen.

Denn einerseits geht es hier konkret um eine lebenssituation von benn, aber zum anderen auch um den großen irrglauben der intelllektuellen, die geglaubt haben, sich durch ein andienen an den toatlitären staat, die geschicke in die richtige richtung zu lenken.

um so größer leuchtet das licht von klaus mann, der hellseherisch schon 1933
sah welch horden da auzogen und der trotzdem bis zu seinem freitod, benn als dichter verehrte.

lg
ralf
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silentsilvy
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 112



Beitrag12.01.2014 16:25

von silentsilvy
Antworten mit Zitat

Hallo Ralf,

wenn ich an Benn denke, fällt mir als Erstes das Gedicht "Mann und Frau in der Krebsbaracke" ein und dass er Mediziner war.  In der ersten Strophe spielst du darauf an, denke ich. War es das, was ihn an der NS-Ideologie reizte, dieses Leid am Körper zu überwinden?

Die zweite und dritte Strophe mit den Wendungen "Du schreibst: du denkst" und der Umkehrung bringen mich einer Erklärung näher, wie es dazu kam, dass Menschen zusahen, obwohl es gegen ihre Überzeugung ging, was die Nazis taten.
Das sind meine ersten Gedanken.

lg sisi
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag12.01.2014 16:36

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo silentsilvy,

auf gewisser weise ist dieses stück sehr hermetisch. ohne besserwisserisch zu wirken: es setzt einiges an wissen voraus.

die unheilvolle zeit benns dauerte kaum ein jahr. wie einige intellektuelle seiner ära dachte auch benn, man könnte dem staat intellektuell "helfen".

da sprach die hybris und der irrtum.

benn selbst war nie nazi, seine gedanken, wo sie sich mit der "ideologie" zu überschneiden schienen, waren fehlinterpretationen seinerseits.

benns welt war sicherlich aufgespannt von nietzsche uns spengler:

er forderte nicht emhr und nicht weniger als einen neuen menschen, und er sah die kunst immer als in sich frei an.

ich gerate ins philosophieren.

erst einmal herzlichen dank für die gedanken, die du hier gelassen hast.

ralf
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag13.01.2014 01:57
Re: Benn 1934 - Der Judaskuss
von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

Benn 1934 - Der Judaskuss

Deine Welt war immer klein:
Vier Zimmer, halbgeschossig
im steten Dämmerschein,
schabtest du an Worten
und an der Syphilis der Zeit.

Die Welt – Berlin,
halb Höhle, halb Gethsemane:
du schreibst: du denkst an Flucht
ist nicht zu denken,
weil andere geflohen.

Die Welt – Barbarentum;
du denkst: du schreibst – nur
dientest du mit deinen Worten
dich den Schlächtern an.

Es gab kein neues Sparta,
nirgends keimte - nichtmals sacht
dein dorischer Traum.
Die Säulen, die du dachtest,
die gab es nie – sie stürzten nicht;
was fußte, stand im Grau`n.

Die Welt - die Dämmerung,
der Mensch, das Schwein.
Das Wort fiel spät;
du, irrender Prophet,
riefst für ein Jahr: ich kann, ich muß
und gabst dich wortgewaltig hin -
der Nacht, dem Judaskuss.


----------------------------------------------------------------

Hallo Ralf,


erlaube mir (zunächst) nur zwei Verständnis-Fragen,


die sich Titel-kontextal auf

Benn 1934

und

- Der Judaskuss

beziehen.


Meine Fragen:

Was war 1934 so Entscheidendes, bezogen auf den inneren Benn ???

und:

was verstehst Du hier unter Judaskuss (1934) ???


Beides ist mir absolut unklar Embarassed


Zu Benn fällt mir dezidiert, bzgl des Nationalsozialismus (in den 30igern, vor allem 1933) sein sehr lautes und intensives Pro-Anbiedern - mindestens ein Teilen des 'geistig orientiert Neuen Menschen' in der Nazi-Denke ein,
inklusive seiner lauten PRO -Schriften und Reden und Aktionen, ebenso in 1933.


In 1933 hielt er u.a. die Akademie-Rede (im Gefolgschaftssinne zu Hitler),
und unterschrieb auch in 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler ... wie auch seine Rundfunk-Reden,

in denen er pro-begeistert von:
„ ... einem neuen Jahrhundert, dem sich etablierenden totalen Staat und einem neuen menschlichen Typ sprach und gleichsinnig den Hörer aufrief.


Nachdem er gemäß seiner Wahn-Vorstellungen (big Intellektueller eines neuen Menschentyps) nicht als kultureller Mit-Gestalter von der Nazi-Führung aufgenommen, anerkannt wurde, zog er sich dann kleckerweise aus seiner Ego Pro-Andienung langsam zurück
- und Schwupp di Wupps war er plötzlich der Anti-National(sozial)ist wink


Die Da Nach _Denker


[ Ach
IHR ZitterNarren: handelt es sich hier kundig um ein Missverständnis. Benn['s ]
war einzig Künstler. Ging es ihm [ Himmel ], [ nur ] um reine Literatur, Kultur –
Verstehen,
die err [ das err ]
string genial
fleißig vorantreiben Wille; gleich jenem Swing einer wellenden Strickwolle. Ach
Gelegenheit und [ un]wissende Zeit. Deine Strickfinger verschlossen vertaten
[ diese ] eine Chance auf einen neuen Pullover ... friert nun: .lost its poetry ]


fr©yes/ch 2014


---------------------------------------------------------------------


Ralf, zurück zu meinen textbezogenen Fragen Wink


... wieder ein sehr Tschüss, Frank ...



-


_________________
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag13.01.2014 12:40

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo stimmgabel,
1934 veröffentlichte benn ein schlimmes essay in dem er die "ausgewanderten" intellektuellen verunglimpfte.
es war eine öffentliche antwort auf ein schreiben von thomas mann.

der judaskuss: gethsemane : hier ein bild des verrats, an das was er glaubte

hier offenbart sich die hybris und der irrtum vieler intellektueller, die dachten die wortführerschaft in einem totalitären staat innehaben zu können.

ich weiß nicht wie ich benn selbst beurteilen soll: er ist eine hybride persönlichkeit, sein werk schätze ich sehr.

der text ist ein versuch einer persönlichen annäherung
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag15.01.2014 19:45

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-


Hallo Ralf,


einerseits danke ich Dir für Deine Antwort Smile,

zugleich hilft sie mir teilweise kaum Wink

Ralf Langer hat Folgendes geschrieben:


1934 veröffentlichte benn ein schlimmes essay in dem er die "ausgewanderten" intellektuellen verunglimpfte.
es war eine öffentliche antwort auf ein schreiben von thomas mann.
.


Für diese Info danke ich dir (... nein, kannte ich nicht; hatte nur im Groben diesen Inhalt Benn'eske im Hinterkopf ...). Habe dann im Net versucht, wenigstens teilweise in diesen Gedankenwechsel (Essay) reinlesen zu können; leider habe ich dbzgl (außer paar allg. Randbemerkungen in einem anderen Kontext) hierzu nichts gefunden. Kennst Du einen dbzglen Link, wenigstens für einen Ausschnitt?

Ralf Langer hat Folgendes geschrieben:

der judaskuss: gethsemane : hier ein bild des verrats, an das was er glaubte

hier offenbart sich die hybris und der irrtum vieler intellektueller, die dachten die wortführerschaft in einem totalitären staat innehaben zu können.

der text ist ein versuch einer persönlichen annäherung
.


Genau zu dieser Aussage: hier ein bild des verrats, an das was er glaubte
war ja meine ursprüngliche Frage letztlich bedeutet - eben, was ist im Gedicht Benns Denke, und hieraus: worauf bezieht sich der Verrat? Ich sehe hier gemäß Gedicht genau zwei (konträre) Denkweisen, worauf sich Benns Verrat (Judakus) beziehen kann Wink

Soll heißen: was behauptet das Gedicht, worin sich letztlich Benn zu sich untreu geworden ist ???
Ebenso: wie soll ich hier Gethsemane auf Benns Verrat zu sich selbst unterbringen ???



Ralf Langer hat Folgendes geschrieben:

ich weiß nicht wie ich benn selbst beurteilen soll: er ist eine hybride persönlichkeit, sein werk schätze ich sehr.
.


Sehe ich genauso - für mich ebenso eine zwiegespaltene Persönlichkeit; einerseits seine teilweise sehr herben Pro-Thesen zum sog. "Neuen Menschtypus" und "Neuen Staatssysten";
andererseits seine Lyrik (die ja kaum diese obige Thematik ansprach), die mir ebenso sehr gefällt.


Ralf, wieder ein Tschüss, Frank ...


-


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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag16.01.2014 00:09

von Ralf Langer
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo frank,
leider habe ich keinen link. ich habe zuhause eine werksausgabe von benn
mit allen gedichten prosatexten und eben auch allen essays. ich werde mal schauen ob ich etwas konkretes im nertz finde.
interessant sind auch seine privaten briefe an seine "freund" oelze vor allem.

hm ich schau mal

melde mich wieder

gethsemane - ein garten nichts natürliches - ewas gemachtes, da natur imitiert,
der garten - der neue mensch(der über(wundene)mensch))
der garten der verrat, a was benn glaubte:
an den frühen heinrich mann, und an nietzsche, und eben an spengler.
die beiden und h. mann, denke ich spannten sein weltbild...

besser ein ander mal
muß schlafen

ralf
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