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Antonymus Schneckenpost
Beiträge: 14 Wohnort: Bodrum
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09.01.2014 22:08 Abenteuerland von Antonymus
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Der schwere Tau klebt an meinen Schuhen und durchnässt meine Socken, wenn ich morgens aus dem Haus gehe, um das Tor zu öffnen. Mavis freut sich, wedelt heftig mit dem Schwanz. Schlaftrunken beobachte ich den Propeller, merke aber gleichzeitig, dass es keine gute Idee ist, mit offenen Schuhen durch knöchelhohe Grünzeug zu schlurfen. Ich werde dies ändern. Es muss sein. Morgen ist auch noch ein Tag.
Das dümmste, was ein Mensch machen kann, ist, den Hund zu fragen, ob er raus will. Wenn man schon am Tor steht, die Nachbarskatzen bereits signalisieren "fang mich" und der Hund durch das eigene Wedeln in die Erschöpfung getrieben wird. Trotzdem: Mavis, magst Du raus?
Das dümmste, was ein Mensch machen kann, ist zu behaupten, man wisse, was das Dümmste ist. Denke ich mir, während Mavis bereits das dritte Tier jagt und mein Wasser beginnt zu perlen. Zwei Löffel Mocca - die beste Sorte - traumhaft weich gemahlen, wie Kohleflusen, nur eben hellbraun. Istanbuler Röstung by Mehmet Efendi.
Ein Schuss Milch in den Kaffee (gut, dass Mehmet das nicht sah!) und der Tag darf beginnen. Im Hof öffne ich den zweiten Flügel des Tores, damit die Katzen nicht umständlich das Grundstück stürmen, schließlich haben auch Katzen ein Tagwerk zu bewerkstelligen und je mehr sie schuften, desto üppiger fällt der Diebstahl aus, auf meine Kosten.
Miezi hat Bleiberecht, sechs weitere "ach, sind die süß" leben im Hof illegal und die anderen dreißig jagen wir aus Passion. Nur auf dem eigenen Grundstück, wohl bemerkt, denn vor dem Tor herrscht Waffenstillstand, wobei Mavis sich nicht immer dran hält und notfalls stehe ich ihr bei. Was zur Folge hat, dass der Hund keinen regulären Auslauf benötigt. Wenn wir dennoch auf die Piste gehen, kann Mavis sich erholen. Sie hat ein blaues Auge, weswegen sie Mavis heißt. Dies nur am Rande, falls sie ihr einmal begegnen. Mavis ist türkisch für blau.
Unser Nachbar ist bereits auf See. Er stammt vom Schwarzen Meer, ist sehr wortkarg und mag Katzen. Wobei sie ihm eigentlich egal sind, aber irgendwer muss die vielen Fischreste und den Kleinkram fressen. Insgesamt sind es 30-50 Stück, oder gefühlte 1000 schnurrend-süße Raubkatzen.
Mavis hat es nicht leicht, und dem Zweibeiner geht es nicht besser. Aber, wir sind tapfere Gesellen, die das Schicksal mit Würde tragen und die täglichen Herausforderungen annehmen. Mittlerweile ergänzen wir uns sogar, feilen zusammen an neuen Abwehrmechanismen und am Abend lecken wir uns gegenseitig die Wunden, während die süßen Kätzchen am Stamm des Birnbaumes ihre Krallen schärfen und vermutlich über unser stümperhaftes Vorgehen lachen. Die zwei Deppen!
Sie liegt neben dem Kamin auf dem Rücken, räkelt sich, gähnt und gelegentlich streckt sie ihren Rüssel in Richtung Ofen. Auf dem Speiseplan steht Leber, und Mavis mag das. Streckt sich gleich nochmal und nun versucht sie es in Seitenlage.
Das Kaminholz knistert, draußen weht mittlerweile ein rauher Wind, das einzige Geräusch, neben dem Feuer und ein gesunder Furz geht in dieser Idylle fast lautlos unter.
Die dicken roten Wollsocken abgestreift, spiele ich mit den Zehen gefährlich nah am Ofen. Der Tag war anstrengend. Nicht so schlimm wie gestern, als ich eine Rede vor dem deutschen Schriftstellerforum hielt, aber dennoch anstrengend. Mavis gähnt auch. Ja, sichtbar anstrengend.
Plötzlich ploppt eine Nachricht. Es müsse dringend gehandelt werden, heißt es. Am besten sofort. Ein lieber Mensch, dieser Sven, wenn er nur nicht immer die Welt retten müsste, frage ich Mavis. Doch sie schläft bereits. Oder täuscht es vielmehr vor, denn ein Hund vergisst nicht. Selbst schwere Amnesie oder Alzheimer würde einen Hund nicht hindern sich alle Weile wieder die Leber auf dem Ofen in Erinnerung zu rufen.
Bei Sven sehe ich Parallelen. Als Veganer hat er jedoch keinen Sinn für tierische Innereien, sondern eher für menschliches Versagen. Er ist sehr gebildet, was er auch raus hängt, indem er sein Wissen kaschiert. Auch er ist wach, bei verschlossenen Augen, und sollte wieder einmal ein Atomkraftwerk bersten, er wird der erste sein, der es wusste, bevor es geschah. So ist er halt der Sven. Ganz akkurat und zielstrebig, als suche er den direkten Weg zum Himmel; was für einen Atheisten ein schwieriges Unterfangen ist. Aber das Kleingedruckte stört ihn nicht.
Es ist nicht ganz fair, aber ich gab seiner Botschaft ein LIKE. Bei soviel Enthusiasmus findet er vielleicht sogar eine Lösung für des Nachbars Katzen. In der Zwischenzeit hat sie ihre Pfötchen gefaltet. Wie stilvoll. Dabei fällt mir ein, ich schaue gleich mal nach den Katzen, vielleicht haben sie auch Interesse an einer Runde Leber?
Weitere Werke von Antonymus:
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KeTam Ungeduld
Alter: 49 Beiträge: 4952
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14.01.2014 17:32 Re: Abenteuerland von KeTam
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Hallo Antonymus,
mir gefällt dein Text. Da kommt so eine Ruhe rüber, so ein Dahinplätschern. Das eingespielte Team, Mavis und "Ich".
Auch entstehen Bilder, die eine beschauliche Entspanntheit ausstrahlen.
Ein unaufdringlicher Text, gerne gelesen.
Das mit dem Kaffee, da musste ich schmunzeln. Ich hatte stets Mühe, den verwirrten istanbuler Kellnern klar zu machen, dass ich wirklich türkischen Kaffee mit Milch trinken will.
Antonymus hat Folgendes geschrieben: | Der schwere ich würd das streichen, ich finde es passt nicht zu Tau. Tau klebt benetzte meine? an meinen Schuhen und durchnässt meine Socken, wenn ich morgens aus dem Haus gehe, um das Tor zu öffnen. Mavis freut sich, wedelt heftig mit dem Schwanz. Schlaftrunken beobachte ich den Propeller, merke aber gleichzeitig, dass es keine gute Idee ist, mit offenen Schuhen durch knöchelhohe Grünzeug zu schlurfen. Ich werde dies ändern. Es muss sein. Morgen ist auch noch ein Tag.
Das dümmste, was ein Mensch machen kann, ist, den Hund zu fragen, ob er raus will. Wenn man schon am Tor steht, die Nachbarskatzen bereits signalisieren "fang mich" und der Hund durch das eigene Wedeln in die Erschöpfung getrieben wird. Trotzdem: Mavis, magst Du raus?
Das dümmste, was ein Mensch machen kann, ist zu behaupten, man wisse, was das Dümmste ist. Denke ich mir, während Mavis bereits das dritte Tier jagt und mein Wasser beginnt zu perlen. Zwei Löffel Mocca - die beste Sorte - traumhaft weich gemahlen, wie Kohleflusen, nur eben hellbraun. Istanbuler Röstung by Mehmet Efendi.
Ein Schuss Milch in den Kaffee (gut, dass Mehmet das nicht sah sieht!) und der Tag darf beginnen. Im Hof öffne ich den zweiten Flügel des Tores, damit die Katzen nicht umständlich das Grundstück stürmen, schließlich haben auch Katzen ein Tagwerk zu bewerkstelligen und je mehr sie schuften, desto üppiger fällt der Diebstahl aus, auf meine Kosten.
Miezi hat Bleiberecht, sechs weitere "ach, sind die süß" leben im Hof illegal und die anderen dreißig jagen wir aus Passion. Nur auf dem eigenen Grundstück, wohl bemerkt, denn vor dem Tor herrscht Waffenstillstand, wobei Mavis sich nicht immer dran hält und notfalls stehe ich ihr bei. Was zur Folge hat, dass der Hund keinen regulären Auslauf benötigt. Wenn wir dennoch auf die Piste gehen, kann Mavis sich erholen. Sie hat ein blaues Auge, weswegen sie Mavis heißt. Dies nur am Rande, falls sie ihr einmal begegnen. Mavis ist türkisch für blau.
Unser Nachbar ist bereits auf See. Er stammt vom Schwarzen Meer, ist sehr wortkarg und mag Katzen. Wobei sie ihm eigentlich egal sind, aber irgendwer muss die vielen Fischreste und den Kleinkram fressen. Insgesamt sind es 30-50 Stück, oder gefühlte 1000 schnurrend-süße Raubkatzen.
Mavis hat es nicht leicht, und dem Zweibeiner geht es nicht besser. Aber, wir sind tapfere Gesellen, die das Schicksal mit Würde tragen und die täglichen Herausforderungen annehmen. Mittlerweile ergänzen wir uns sogar, feilen zusammen an neuen Abwehrmechanismen und am Abend lecken wir uns gegenseitig die Wunden, während die süßen Kätzchen am Stamm des Birnbaumes ihre Krallen schärfen und vermutlich über unser stümperhaftes Vorgehen lachen. Die zwei Deppen!
Sie Mavis liegt neben dem Kamin auf dem Rücken, räkelt sich, gähnt und gelegentlich streckt sie ihren Rüssel in Richtung Ofen. Auf dem Speiseplan steht Leber, und Mavis sie mag das. Streckt sich gleich nochmal und nun versucht sie es in Seitenlage.
Das Kaminholz knistert, draußen weht mittlerweile ein rauher Wind, das einzige Geräusch, neben dem Feuer und ein gesunder Furz geht in dieser Idylle fast lautlos unter.
Die dicken roten Wollsocken abgestreift, spiele ich mit den Zehen gefährlich nah am Ofen. Der Tag war anstrengend. Nicht so schlimm wie gestern, als ich eine Rede vor dem deutschen Schriftstellerforum hielt, aber dennoch anstrengend. Mavis gähnt auch. Ja, sichtbar anstrengend.
Plötzlich ploppt eine Nachricht. Es müsse dringend gehandelt werden, heißt es. Am besten sofort. Ein lieber Mensch, dieser Sven, wenn er nur nicht immer die Welt retten müsste, frage ich Mavis. Doch sie schläft bereits. Oder täuscht es vielmehr vor, denn ein Hund vergisst nicht. Selbst schwere Amnesie oder Alzheimer würde einen Hund nicht hindern sich alle Weile wieder die Leber auf dem Ofen in Erinnerung zu rufen.
Bei Sven sehe ich Parallelen. Als Veganer hat er jedoch keinen Sinn für tierische Innereien, sondern eher für menschliches Versagen. Er ist sehr gebildet, was er auch raus hängt, indem er sein Wissen kaschiert. Auch er ist wach, bei verschlossenen Augen, und sollte wieder einmal ein Atomkraftwerk bersten, er wird der erste sein, der es wusste, bevor es geschah. So ist er halt der Sven. Ganz akkurat und zielstrebig, als suche er den direkten Weg zum Himmel; was für einen Atheisten ein schwieriges Unterfangen ist. Aber das Kleingedruckte stört ihn nicht.
Es ist nicht ganz fair, aber ich gab seiner Botschaft ein LIKE. Bei soviel Enthusiasmus findet er vielleicht sogar eine Lösung für des Nachbars Katzen. In der Zwischenzeit hat sie ihre Pfötchen gefaltet. Wie stilvoll. Dabei fällt mir ein, ich schaue gleich mal nach den Katzen, vielleicht haben sie auch Interesse an einer Runde Leber?
Das ist jetzt echt sehr subjektiv, aber für mich braucht es diesen ganzen Abschnitt nicht. Dein Text würde so schön ausklingen, mit diesem Gähnen.
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Lg, KeTam.
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Antonymus Schneckenpost
Beiträge: 14 Wohnort: Bodrum
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14.01.2014 20:18 NOGO von Antonymus
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Danke für das tolle Feedback. Sie haben absolut recht. Die letzte Passage war überflüssig. Kaffee mit Milch - Es bedarf einer ausgefeilten Strategie, um das zu bekommen. Bei Gelegenheit, verrate ich es Ihnen. Aber Vorsicht: meine Nachbarn sind bereits umgestiegen. Sie gehen nicht so weit und bestellen im Cafe "so etwas", aber "mir auch mit Milch" gehört in die Kategorie - Bukowski lebt vegan und es ist ein Fest sie dabei zu beobachten
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G. Kritzel Gänsefüßchen
G
Beiträge: 17
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G 14.01.2014 20:20
von G. Kritzel
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von mir also auch ein LIKE. ich finde, du schreibst in einem sehr besonderen stil. find ich gut. man erkennt eine ruhige, gelassene und geistreiche person dahinter. grüße.
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Antonymus Schneckenpost
Beiträge: 14 Wohnort: Bodrum
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14.01.2014 22:00
von Antonymus
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@G. Kritzel
Vielen Dank von der "geistreichen person"
(aber wieso klappt es dann nicht mit den Aufreissfäden bei Kekspackungen?)
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5976 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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15.01.2014 12:43
von nebenfluss
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Hallo Antonymus,
ach, das mit den Aufreißfäden bei Kekspackungen kenne ich, das hat wenig mit dem Reichtum des Geistes zu tun (hoffe ich). Man kann nicht auf allen Gebieten potent sein.
Zum Text: Finde ich als bewusst actionarme Geschichte unterhaltsam, was mir bei mir nicht so oft vorkommt. Ja, das Ende wirkt etwas willkürlich; der Punkt, den KeTam benannt hat, eignet sich besser.
Was die Rede vor dem dsfo angeht, habe ich nicht verstanden, warum du sie als Beispiel für eine Anstrengung gewählt hast - soll das ein Kommentar zum Forum sein?
Vielleicht bezieht es sich auf etwas, was ich nicht mitbekommen habe.
Übrigens duzen wir uns hier ausnahmslos - du kannst natürlich siezen, wen du möchtest, aber ich bleibe beim gewohnten du, wenn du nichts dagegen hast.
LG
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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Antonymus Schneckenpost
Beiträge: 14 Wohnort: Bodrum
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15.01.2014 19:42
von Antonymus
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@nebenfluss
Hallo und besten Dank für die Antwort.
Es war ein Kommentar zum Forum, in der Hinsicht, dass ich das erste mal etwas schrieb, um Feedback zu erhalten. War ein komisches Gefühl, denn eigentlich bin ich nicht hier, um eigene Texte vorzustellen.
Insofern entstand der Text aus einer kurzweiligen Laune, en passent.
VG/A.
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Maph Gänsefüßchen
M
Beiträge: 16
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M 24.01.2014 11:36
von Maph
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Hallo,
Ich schließe mich meinen Vorrednern an. Eine Nordseeinsel-artige Ruhe kommt hier rüber und macht Deine nette kleine Geschichte zu einer angenehmen Unterhaltung.
keep up the good work,
maph
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Kruemel3000 Gänsefüßchen
K
Beiträge: 20
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K 12.02.2014 18:52
von Kruemel3000
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Hallo Antonymus,
als "Neuer" tingelte ich mal die Einstands-Liste runter und bin dann bei dir hängen geblieben, aus ganz ähnlichen, bereits von meinen Vorrednern genannten Gründen - beschauliche Langsamkeit, altersweise Ruhe (wie Hesses Streifzug durch den Garten, herrlich belanglos und erholsam). Du könntest vermutlich auch vier Bände über einen Gartenstuhl schreiben, ohne dass es langweilig wird.
Aber - für en passent geschrieben, klang das für mich fast nach Alter Hase, und dein Profil verrät's ja auch - Internet-Publizist?! Und dann noch n Roman zur Empfehlung, den man, wenn überhaupt, nur noch im Tausch gegen ne Doppelhaushälfte bekommt...
Darf ich mal fragen, was du als Internet-Publizist so publizierst?
Neugierig wie ne umherstreunende Katze,
Kruemel
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Antonymus Schneckenpost
Beiträge: 14 Wohnort: Bodrum
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28.02.2014 08:47 @Kruemel3000 von Antonymus
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Vielen, vielen Dank für dieses tolle Feedback. Aber ich muss enttäuschen, es ist genau so, wie ich es schilderte. Beruflich geht es um die Texte anderer. Musste über die "Doppelhaushälfte" lachen. Den Gartenstuhl bringe ich gerade in Position, weiß nur nicht, ob unter dem Jasmin, neben dem Eucalytus oder unter dem Traubendach. Vielen Dank für den Tipp, dass er vielleicht die besten Perspektiven oder Aussichten bringt
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