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Das Russentum


 
 
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Kleiner51
Erklärbär

Alter: 73
Beiträge: 1
Wohnort: Schelklingen


Beitrag07.12.2013 21:28
Das Russentum
von Kleiner51
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ein Mann im vorgerückten Alter kam unsicher in die  Zahnarztpraxis und hielt der Krankenschwester hinter der Theke gegenüber. Die noch ganz junge Frau im hellgrünen Arbeitsanzug deckte den Telefonhörer mit der schmalen Hand zu, lächelte nett und entschuldigte sich dafür, dass sie den Herr sofort bedienen nicht kann.
  Der Mann mit grauen Haaren namens Iwan öffnete leicht darauf den Mund aber sagte kein Wort, nur winkte mit der Hand ab: halt lass dir Zeit, Tochter, ich warte.  
  Allerdings hatte er keine Kraft zu warten aber was kann man tun, die Krankenschwester kann doch nicht seinetwegen den Hörer auflegen.
  – Zahnschmerz tauchte gestern plötzlich auf, verdammt. Ich dachte er wird nachlassen aber ich habe die ganze Nacht daran gelitten. Am Morgen wollte ich auch nicht zum Arzt gehen, fürchtete wie der Teufel das Weihwasser, aber ich hab es verstanden: es gibt kein Wunder, der Schmerz wird sich nicht verziehen, will man oder nicht aber muss zum Arzt gehen. Also jetzt bin ich ohne Termin da. Die Sprache kann ich nicht, wie kann ich ihr erklären was ich brauche? - machte  sich Sorgen der große Mann, er beobachtete aus dem Augenwinkel wie die junge Frau flott per Telefon plauderte.
  –Was kann ich für Sie tun? - fragte die hellhaarige Krankenschwester, sie legte den Telefonhörer auf und es gewann den Anschein, als ob sie mit allen ihren zweiunddreißig blendendweißen Zähnen lächelte.
  – Hier Schmerzen, morgen, bitte –quetschte sich der Mann die verderbten Worten ab, er zeigte dabei auf die Backe und eiligst legte die Versicherungskarte vor, er hoffte, dass die junge Frau hinter der Theke alles verstanden hatte und keine Fragen stellt. Er konnte kein Deutsch und es war ihm immer peinlich wenn er sich irgendwo verständigen sollte. So wollte er sagen, dass gestern der Schmerz auftrat aber es war wie immer undeutlich.
  Die Frau dachte der Rede des Patienten nach, klopfte mit ihren schlanken Fingern an die Tastaturtasten, lächelte wieder und sagte:
  - Wir werden Sie heute annehmen sobald der Arzt frei ist, gehen Sie jetzt zum Wartezimmer und nehmen sich da Platz.
  Der Mann nickte verstehend, noch mal lächelte und blieb stehen.
  Die Krankenschwester hat eine Minute abgewartet und begriff, dass der Patient sie nicht verstanden hat, sie atmete leise auf und ging aus der Theke hinaus:
  - Kommen Sie mit mir!
  Sie gestikulierte mit der Hand zur Klarheit und ging über den Korridor  in die Klinik hinein. Iwan folge sie. Um die weitere Quälerei mit dem schwer begreifenden Mann zu vermeiden, entschied die Krankenschwester ihn ihrer Kollegin zu übergeben damit die ihn im Behandlungszimmer, das vor der Arbeitspause leer war, setzt.
  - Hätte ich früher hierher gekommen, sollte ich mich die ganze Nacht nicht abquälen, - wie immer zu spät schimpfte sich Iwan, er setzte sich mühsam auf den Behandlungsstuhl hin – der Bauch, den er während der Zeit vom Nichtstun in der Fremde angegessen hat, erschwerte es.
  Die dunkelhaarige Frau, die den Iwan von der Krankenschwester, die den Dienst an der Theke hatte, übernahm, hängte ihm den Tuch auf Brust, lächelte ihm ermunternd, schloss vorsichtig die Tür zu und schwand lautlos aus dem Zimmer.
  Der Mann beruhigte sich ein wenig und fing das Behandlungszimmer zu betrachten an: den Tisch mit dem Instrument, die Leuchte oben, das Bild auf der Wand und die Uhr, die auf fünf Minuten vor Mittagszeit zeigte.
  – Hoho! – freute sich Iwan. – Vor der Mittagspause geschafft, sonst hätte ich bis vier Uhr warten sollen. Die Praxis war von sieben Uhr vormittags bis zwölf geöffnet, die Pause war bis sechzehn Uhr und dann wurden die Patienten bis sieben Uhr abends angenommen.
  Es gab nichts mehr zu betrachten, der Mann schloss die Augen und rutschte hin und her auf dem Stuhl, er suchte sich die bequeme Sitzstellung. Zahnschmerz verzog sich  und  der Zahn schien nicht mehr weh zu tun, es war warm und ruhig, der Schlaff übermannte ihn.     
  Nach einer halben Stunde bewegte sich der Mann auf dem Stuhl und horchte. Es war unglaublich ruhig, so, dass man sogar den Strom, der der Lampe am Bildschirm vom Röntgengerät  zugeführt wurde, hören konnte.
  –Wohl, trinken sie irgendwo Kaffee und kommen bald, man soll warten, was kann man noch tun? – dachte er gutmütig. – Schade, dass die Fenster die Mattscheiben haben, so sieht man nicht was da draußen los ist. Egal, ich glaube in halber Stunde bin ich damit fertig, dann gehen zu einem Laden Kartoffeln kaufen.  
  Iwan war in irdischen Gedanken versunken aber die Zeit lief und zählte die Sekunden, die Minuten aus, die Zeit fortkam.
  Um zwei Uhr nachmittags der Körper des Mannes schmerzte schon vom langen  Sitzen ohne Bewegung auf dem harten Stuhl. Zum hundertsten mal wechselte er Körperlage mit der Hoffnung, dass im nächsten Augenblick die Tür aufgemacht wird, der Arzt und dann die Krankenschwester kommt und Zahnbehandlung geht los. Iwan wartete geduldig noch halbe Stunde und verfiel in Panik.
 – Sie konnten doch nicht mich hier alleine lassen?! Das ist nämlich die Praxis, es gibt hier die Wertsachen, das ganze Zeug ist hier und ich bin ganz allein. Soll ich aufstehen und zu anderen Zimmern gehen?
  Aber er entschloss sich nicht dazu, er fürchtete, dass die Überwachungskamera, die bestimmt irgendwo im Raum aufgestellt war, funktioniert und die Polizei darüber informieren wurde. Sie kommt und findet ihn in der Praxis, dann soll er sich erklären obwohl er kaum ein paar Worten auf ihrer Sprache konnte. Lärm, Skandal!
  - Nein! Ich bleibe hier selbst bis Morgen, morgen kommen sie und klären alles! – entschied der Mann und plötzlich erinnerte er sich an seine Verwandte, die sich Sorgen um ihn machen und ihn überall suchen werden.
  - Verdammt! Die blondköpfige Krankenschwester vor der Theke rächt sich an mir. Bei meinem Name ist sie darauf gekommen, dass ich der Russe bin! – ärgerte sich Iwan.
  - Die Verwandten von ihrem Vater oder ihrer Mutter waren vielleicht  im Kriege  von russischen Kämpfern gefallen. Deswegen hasst sie die Aussiedler aus Russland. Na eben hat mir ihre Physionomie direkt nicht gefallen, arischer Spargel! Sie schaute mich so verächtlich an, also befiel sie dem dunkelhaarigen Mädchen mich hier zu sperren  und morgen stellt sie sich unschuldig, halt ich weiß es nicht wie der  hierher gekommen ist. Vielleicht wollte er etwas wegstehlen und wir haben ihn erwischt!
  Na ja, richtig verfeuerte meine Mutter euch im direkten Schuss aus „Katjuschas“ während des Krieges. Sie hat mir erzählt, dass die SS-Leute sich einmal im Kloster zusperrten und es gab keine Möglichkeit sie da hinauszujagen. Dann rollten unsere Leute die Maschinen mit Anlagen „Katjuscha“ hinaus und feuerten die Salve ab – meine Mutter war die Ladende. Alles wurde zertrümmert, das Kloster ging mit faschistischem Abfall in Scherben.
  Der Vater gab der Mutter auch nicht nach, er schlug sie ordentlich aus Langstreckenkanonen nieder. Während des Krieges war er im Hohen Norden, er kämpfte das Norwegen frei.
  Die Deutsche begann selbst den Krieg, sind selbst  daran schuld, dass ihre Soldaten fielen! Dann warum ärgern  sie sich jetzt und rächen sich an uns?!
  Der Mann war so in Aufregung geraten, dass sein Herz in Brust  schneller schlug, dann stockte kurz und schlug wieder, so, dass es in den Schläfen hämmerte und weh tat.
   – So kann man einen Herzinfarkt kriegen! – Iwan drückte die Hand an die Brust und versuchte sich zu beruhigen und an etwas anderen zu denken, aber es hat ihm nicht gelungen.
  – Wofür bin ich hierher gekommen? Wartete, dass mir die gebratene Tauben in den Mund fliegen? Nein, fliegen sie nicht, man muss arbeiten, aber den fünfzigjährigen ist es nicht so leicht eine Stelle zu finden. Von der Wohlfahrt kann man auch leben, aber wenn alle hierherum ein schönes Leben haben, ist es bitter das nackte Leben zu fristen.
  Der Mann verlor die Realzeitempfindung, ging so tief in seine Gedanken, dass er sich sogar erstaunte als er Stimmen und leichte Schritte hinter der Tür gehört hatte.
  Die Tür wurde aufgemacht  und „arischer Spargel“ kam vorbei. Sie schaute Iwan so an, dass er das Gefühl hatte, dass ihre Augen aus den Augengrüben vom Wunder ausfallen und auf dem Boden in Stücke fliegen werden. Dann schloss die Frau die Tür und man konnte lebhaftes Gespräch auf dem Flur hören. Der Patient warf den Blick auf die Uhr und schüttelte den Kopf, es war viertel vor vier, er hat fast vier Stunden auf dem Stuhl verbracht.
  Bald kam flott die dunkelhaarige Frau und blaffte fließend auf Russisch:
  - Entschuldigen Sie mich bitte. Elsa, die Sie angenommen hat, hat mir gesagt ich soll Sie im Behandlungszimmer setzen und dem Arzt Bescheid geben, ich dachte Sie wird ihm über den letzten Patient sagen. Ich war mir sicher, dass der Arzt Sie schon behandelt hatte und es keinen Patient in der Praxis gab und deswegen verabschiedete mich in die Halbzeitpause. Jetzt, wenn der Chef darüber erfährt, kündigt er mich und Elsa. Ich habe so lange diese Stelle gesucht um als Zahnarztassistentin ausgebildet zu werden.
  Der Mann bemitleidete die Landsmännin, die ihn wie ein begossener Hund in Hoffnung anschaute, und fragte:
  - Was soll man jetzt machen?
  - Seien Sie bitte nicht beleidigt und kommen morgen früh, wir lassen Sie jetzt durch Notausgang heraus, damit Sie dem Chef nicht begegnen! – Die junge Frau überschlug sich mit der Stimme und hörte zu, ob der Arzt in die Praxis gekommen war, sie drückte Iwan das Zettel mit der  Angabe des Termindatums am nächsten Morgen um sieben Uhr, in die Hand.

  - Ich komme morgen, Tochter! Du sollst keine Angst haben, alles kann passieren! – der Mann stand entscheidend vom Stuhl auf, warf das Tuch und folgte die Landsmännin zum Ausgang. Da wartete die blondhaarige Krankenschwester, sie flüsterte dankbar:
  - Danke! Danke!
  - Und sie ist keine Spargel aber ein nettes Mädchen! Schade, dass ich so schlecht über sie gedacht habe! – Iwan atmete tief ein und wandte seine Schritte dem Hause zu. Er freute sich, dass er sich geirrt hatte und die blonde Frau sich an ihm rächen nicht wollte. Die Landsmännin war daran schuld, sie versteht Deutsch noch nicht so gut. Er hat richtig getan, dass dem Mädchen aus Russland geholfen hat, sonst wurde sie seinetwegen gekündigt und er wurde dann sich damit abmartern. Die beiden Mädchen waren nett. Und das Leben ist eingerichtet, ruhig und satt hier, deshalb soll er nicht den Gott in Zorn bringen und jammern, dass es schwer ist. Bald ist alles vorbei.
  Aber am meisten freute sich Iwan, dass er unerwartet eine Ruhepause bekam und erst morgen behandelt wurde, heute denkt man nicht daran.

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Mark_Brandis
Geschlecht:männlichWortedrechsler
M

Alter: 52
Beiträge: 86
Wohnort: München


M
Beitrag08.12.2013 01:17

von Mark_Brandis
Antworten mit Zitat

Meister,

Du bist vermutlich Russe, oder? Wäre es da nicht besser, auf russisch zu schreiben als auf Deutsch, was Du imho noch nicht so ganz perfekt beherrschst?

Edit: Ich habe mir den Text jetzt mal komplett durchgelesen. Die Geschichte ist eigentlich ganz gut, und das nicht so gute Deutsch passt zum Thema (Russe mit Sprachproblemen beim Zahnarzt).

Vielleicht wäre es besser, den ganzen Text in der Ich-Perspektive aus Sicht der Hauptfigur zu schreiben? Dann würde das holperige Deutsch wie ein Stilmittel wirken, weil es authentisch die Gedanken des Russen wiedergibt.

Viele Grüße
M.B.
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Klappstul
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 76
Beiträge: 17
Wohnort: Leipzig


Beitrag16.12.2013 11:52
Zwei Möglichkeiten
von Klappstul
Antworten mit Zitat

Ich finde den Plot und das Thema gut.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Der Verfasser will das Russische nicht benutzen, weil er in D. leben will, und weil er sich integrieren will, und weil er ein "richtiger" Deutscher sein will. Ich frage mich aber, ob das Schreiben von Prosa der richtige Weg ist.
2. Der Verfasser will nur den Eindruck erwecken, ein Russe zu sein, der des Deutschen unzureichend mächtig ist.
Zum Punkt eins: Ich verweise auf den allbekannten, von mir aber gar nicht so sehr geschätzten, Wladimir Kaminer. Weiter kein Kommentar.
Zum Punkt zwei: Das könnte ein interessantes Stilmittel sein. Nicht schlecht, die Überlegung. Gar nicht übel, aber ...
Mit gefällt die verwendete Methode nicht. Statt bewußt eingesetzter falscher Grammatik hätte ich - nur zum Beispiel - gelegentlich und beiläufig russsiche Vokabeln eingestreut.
Trotzdem: Alle Achtung. Und immer ein paar Milliliter Tinte im Füller. Ahoi!
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