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Ein Abend Leben


 
 
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Kemal
Erklärbär
K


Beiträge: 3



K
Beitrag07.11.2013 01:10
Ein Abend Leben
von Kemal
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Hallo zusammen,

hier ist eine Kurzgeschichte, die ich in den letzten Wochen verfasst habe. Ich hoffe sehr, dass sie nicht zu lang ist und dass einige Leser bis zum Schluss durchhalten. Ich habe zwar versucht, die Geschichte so gut es ging herunterzukürzen, konnte aber leider nicht so viel rausnehmen, ohne dass die Geschichte nicht mehr in sich stimmig gewesen wäre. Falls diese Geschichte für den Einstand doch zu lang sein sollte, werde ich bei der nächsten darauf achten, dass sie kompakter ist. Nichtsdestotrotz würde ich mich über Feedback jeder Art sehr freuen. Gruß Kemal


Ein Abend Leben.

Er war müde und hatte Kopfschmerzen, wieder einmal. Als er heimkam, ging er direkt in sein Zimmer, ohne seine Mutter zu begrüßen, die ihm in der Küche gerade sein Mittagessen zubereitete, und legte sich hin. Ohne sich umzuziehen, ohne sich zu waschen. Er lag bäuchlings auf dem Bett, den Kopf seitlich auf das Kissen gelegt, und wartete. Das Einzige, das ihn im Moment erleichterte, war die Gewissheit, dass der Schlaf bald einsetzen und der quälenden inneren Unruhe ein vorübergehendes Ende setzen würde.
 
Als er Stunden später aufwachte, hatte die inzwischen einsetzende Herbstnacht sein Zimmer verdunkelt. Er richtete sich im Bett auf und blieb eine Weile reglos sitzen, während seine Gedanken wieder losrasten. Acht Stunden hatte er in der Frühschicht im Presswerk gestanden, wie jeden Tag. Acht Stunden, die niemandem etwas wert sein würden und an die sich nie wieder irgendjemand erinnern sollte. Acht leere Stunden, in denen er Tag für Tag Zeit dazu hat, nachzudenken, wie unzufrieden er ist, mit allem. Ein Blechteil nach dem anderen, er sah sie nachts in seinen Träumen, weißgrau, glatt, messerscharfe Kanten, man musste aufpassen mit ihnen. Einen Finger hatte er sich kurz vor Feierabend fast abgehackt, als ihm eines aus der Hand gerutscht war. Zum Teufel mit dem Finger, dachte er, es würden nicht viele Menschen mitbekommen, wenn ihm solch ein Unfall passieren würde. Noch immer bewegte er sich nicht, während das Presswerk weiterlief und ihn erwartete, das Presswerk stand nie still. Wann immer er nicht dort war, bildete er sich ein, ein leises Ticken im Kopf zu hören, das erst dann aufhörte, wenn er wieder an der Maschine stand. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr kannte er es nicht anders, und er sah das Leben an sich vorbeifließen wie einen wilden, in das er sich nicht zu springen getraute. Er war inzwischen dreiundreißig Jahre alt.

Seine Mutter schaute durch die Tür herein. "Na mein Sohn, endlich aufgewacht?" Sie lächelte ihn liebevoll an. Er sah keinen Grund, ihr nicht genauso nett zu antworten. "Ja, Mutter", sagte er sanft. Sie lief zu ihm hin, tätschelte ihm über den Kopf, ließ die Rollladen herunter und schaltete dann das Licht in seinem Zimmer ein. "Ich habe dir Lasagne gemacht, mit dem Käse, den du magst. Steht in der Küche und ist noch warm. Helene ist zu Besuch, wir schauen im Wohnzimmer gemeinsam fern. Du kannst ja kurz Hallo sagen."
"Danke Mutter, aber ich hab keinen Hunger."
"Oh, na dann."  
"Ja."

Als seine Mutter draußen war, stand er kurz auf, um die Fernbedienung zu holen, schaltete den Fernseher ein und setzte sich wieder auf sein Bett, wo die Decke und das Kissen noch wild herumgestreut lagen. Das Durchzappen brachte die selben Ergebnisse wie immer: Dokusoaps, Nachrichten, ein Klatschmagazin, auf N24 kam wie irgendetwas mit Hitler. Neuer Tag, altes Leben, dachte er. Das ist meine Welt. Staubige Fabrikhalle, graue Wolken, schwarz-weiße Dokumentationen, ich habe es satt, ich habe mich satt, ich komm nicht in die Gänge. Er sah sich die Dokumentation etwa zehn Minuten lang an. Dann holte er weit aus und schleuderte die Fernbedienung in Richtung Bildschirm. Der Wurf saß und die Fernbedienung zersprang nach lautem Aufschlag in ihre Einzelteile. Er hörte die Stimme seiner Mutter aus dem Wohnzimmer: "Alles in Ordnung, mein Schatz?" Er schnaufte.
 "Alles in Ordnung!", rief er zurück.

Er sprang auf, riss hastig Kleidungsstücke aus seinem Schrank und zog sich um. Als er im Flur an der geschlossenen Wohnzimmertür vorbeilief, hörte er die Stimmen seiner Mutter und Helene. Sie klangen fröhlich, doch er konnte nicht ausmachen, wovon sie redeten. Im Hintergrund hörte er das Klatschmagazin von vorhin. Dann verließ er die Wohnung und ging auf die Straße, ohne zu wissen, wohin er wollte. Eine alte Frau, die in der Wohnung über ihm und seiner Mutter wohnte und die er nur vom Vorbeilaufen und Begrüßen kannte, kam ihm entgegengelaufen. Er hatte noch nie mit ihr geredet, sprang ihr aber in den Weg. "Hallo, liebe Frau, wie geht es denn heute?" Sie nickte ihm freundlich zu und konnte ihre Verwunderung kaum verbergen. "Was für ein schöner Tag heute, nicht wahr? Eigentlich ist es gar kein schöner Tag, sehen Sie nur diese grauen Wolken an, und der verdammte Nieselregen! Nein, sicher kein schöner Tag, aber es kommt doch darauf an, was man daraus macht!" Die Frau, die sich anfangs noch bemüht hatte, ihm ihr Wohlwollen zu zeigen, schaute inzwischen nur noch irritiert drein, auf eine Antwort wartete er vergeblich. "Also dann, machen Sie es gut!" Das Gespräch war seltsam gewesen, doch er hatte es versucht.

Er lief weiter in Richtung Ortsmitte. Er kannte diese kleine Stadt in- und auswendig, und doch war sie ihm fremd. Niemanden, den er hier auf der Straße treffen könnte, würde er gut kennen, was daran lag, dass er am örtlichen Leben nie teilgenommen hatte, er kannte nur die Arbeit und das Zuhause, und nun fragte er sich selbst, wie er in einen solchen unendlichen, tristen Alltagstrott verfallen konnte. Eher zufällig trat er dann in eine Bar namens "Billy's" ein, die er bisher nur von außen kannte. Sie war größer, als sie von außen wirkte, und gut gefüllt. Das Publikum war gemischt, es waren Männer in Arbeitsklamotten da, die an ihrem Feierabendbier saßen, aber auch jüngere Leute. An einem der vielen hölzernen Quadrattische saßen zwei hübsche junge Frauen an ihren Cocktails und unterhielten sich angeregt, kichernd, hübsch. Er blieb in der Mitte des Saals, die wohl als Tanzfläche vorgesehen und im Moment leer war, kurz stehen, stemmte die Hände in die Hüften und schaute sich optimistisch um. Hier spielte das Leben, und er war auch dabei, ab jetzt. Er lief zur Theke, fand einen freien Platz ganz rechts und bestellte sich ein Bier.

Der Barkeeper war ein Schrank von einem Mann, um die Vierzig, mit Glatze und rot-braunem Drei-Tage-Bart. Nachdem er das Bier serviert hatte, setzte er sich wieder auf seinen Hocker hinter der Theke und schaute auf den Fernseher, der über dem mit Flaschen gefüllten Regal an der Wand angebracht war. Es lief gerade Fußball, und auch alle anderen Männer, die an der Theke saßen, schauten zu. Er suchte ein Gespräch. "Ist das herrlich, kühles Bier und gutes Spiel im Fernsehen. Wer spielt denn da?" Er redete laut und freundlich. Zunächst antwortete niemand, dann schaute der Barkeeper, der gleich vor ihm und seitlich auf seinem Hocker saß, um sowohl den Fernseher als auch die Gäste im Auge behalten zu können, zu ihm und antwortete: "Bayern gegen Manchester City, Champions League." Er griff das Thema Bayern auf und führte aus, dass sein verstorbener Vater ein großer Fan von Gerd Müller gewesen sei und dass er ihn als Kind sogar einmal mit ins alte Olympiastadion genommen habe, das sei vielleicht ein Erlebnis gewesen damals, und heute sympathisiere er deshalb durchaus noch mit den Bayern, nur kenne er die Spieler nicht so genau, wer sei denn dieser kleine Siebener auf der linken Außenbahn, der sei ja wirklich sehr schnell. Keiner antwortete, doch er wollte nicht nachlassen. Er kommentierte nun einzelne Szenen: "Spiel doch schneller ab! Mensch, schieß doch! Wann treffen die endlich mal das Tor, verdammt! Aber schönes Spiel trotzdem, nicht wahr, Leute?" Er schaute die Theke entlang und hoffte auf Reaktionen, doch die einzige bestand darin, dass sein Sitznachbar, ein Mann mit langen, grau-weißen Haaren und Vollbart, der ein Holzfällerhemd trug, ihn kritisch und stumm musterte, bevor er seinen Blick wieder auf den Bildschirm richtete.

Inzwischen war er beim fünften Bier, was ihn in seiner neugewonnen Redseligkeit nur noch mehr antrieb. Die Wörter fielen leichter als sonst, und auch, dass er bisher keinen rechten Abnehmer für sie fand, konnte ihn nicht stören. Er versuchte es beim Barkeeper, denn der war der Einzige gewesen, der ihn wenigstens ab und zu mal angesehen und genickt hatte, wenn er wieder mal etwas zum Spiel gesagt hatte.
"Wie heißt du, mein Freund?"
"Dieter heiß ich."
"Ist das dein Laden?"
"Jawohl."
"Gemütlich hier, werde ab jetzt öfter vorbeikommen."
"Kannst du machen."

Bayern schoss ein Tor. Er stieß einen kurzen Freudenschrei aus und klatschte in die Hände. Er stieß seinen Sitznachbarn und wollte mit ihm Abklatschen, doch der Mann reagierte erneut nicht, sah ihn nur kurz an und nahm dann einen Schluck von seinem Whiskey. Er wollte nun auch auf Härteres umsteigen.

"Machst mir bitte mal nen Whiskey, Dieter."
"Alles klar."

Eine Stunde später war er beim fünften Whiskey angelangt. Das Spiel war zu Ende, Bayern hatte gewonnen, er war der Einzige, der beim Abpfiff jubelte. Dieter schaltete den Fernseher aus, lief ans andere Ende des Innenbereichs der Theke und stellte die Musik lauter. Mit der Zeit füllte sich die Bar immer mehr, und von den Tischen im hinteren Bereich der Bar erhoben sich einige Personen und gingen zur Tanzfläche. Er drehte sich um und wunderte sich kurz über den Gegensatz zwischen den fröhlichen und jungen Besuchern von den Tischen und den Männern an der Theke, die müde und grau aneinandergereiht dasaßen und sich kaum regten. Es wirkte fast so, als hätte man eine hippe Studentenbar mit einer traditionellen Kaschemme gekreuzt. Der Dieter weiß, wie das Geschäft läuft, hat sie hier schön alle nebeneinander versammelt, dachte er sich. Langsam wirkte alles Gesehene auf ihn etwas verschwommen, und er fühlte, dass sich ein warmes Gefühl in ihm breitmachte. Er drehte sich um und konnte erkennen, das die Stimmung auf der Tanzfläche ausgelassen war. Die laute Musik ließ seinen rechten Fuß mitwippen.

"Sag mal, Dieter, wie hast du das hinbekommen, du Teufelskerl?"
"Was?!"
Er musste lauter reden.
"Wie du das hinbekommen hast", wiederholte er, diesmal über die Theke nach vorn gebeugt, "dass hier von allem etwas da ist. Hier neben mir sitzen die Arbeiter und besaufen sich, und da hinten machen die Jungen Party."
Dieter grölte die Antwort in sein Ohr. "Den Jungen gefällt das, wenn sie die kaputten Jungs hier sehen. Fühlt sich dadurch wie 'ne echte, gute alte Kneipe an, nicht so künstlich, sagen die. Und den Alten gefällt es genauso, weil sie sich nur umdrehen brauchen, um paar hübsche, junge Dinger zu sehen. Und ich hab dadurch viel Kundschaft. Passt also!" Dieter zwinkerte ihm zu, hob sein Glas und wischte darunter weg, sagte dann "Ich muss dann mal weitermachen" und ging in die Küche.

Er trank das halbvolle Glas in einem Zug leer. Dann stand er auf und schaute zu den Männern herunter, die links von ihm noch immer so dasaßen wie vor zwei Stunden, außer den Gläsern bewegte sich bei ihnen nichts. Ihr seid doch alle Pflaumen, dachte er sich, jeder von euch ist genauso eine Pflaume, wie ich immer eine war. Nicht mehr, Freunde, nie mehr.

Er wollte loslaufen und musste schon beim ersten Schritt aufpassen, dass er nicht hinflog, doch keiner hatte es gemerkt. Er begab sich langsam zur Tanzfläche und zwängte sich zwischen den Tanzenden hindurch, bis er in der Mitte der Menschentraube angelangt war.

Die Musik, die aus den Boxen schallte, kannte er nicht, und ein großer Tänzer war er nie gewesen, doch im Moment spielte das keine Rolle. Die Tanzfläche war inzwischen fast schon überfüllt, es waren vor allem tanzende Paare oder tanzende Freundeskreise, die sich zu der schnellen, elektronischen Musik bewegten. Außer ihm tanzte noch ein anderer Mann für sich alleine, der wohl um die Zwanzig sein musste, aufgrund seiner Statur und seines braven Gesichts aber wie ein kleiner Junge aussah. Der kleine Mann sorgte für Erheiterung bei den anderen in seiner Nähe, denn er verlor sich völlig in seinen zappelnden Bewegungen, er warf seine Arme wild vor sich hin und her und schien Bilder mit ihnen zu malen, er schien völlig in seiner eigenen Welt zu sein. Er ging zu ihm hin, stellte sich direkt vor ihm auf und imitierte seine Bewegungen, als sei er ein menschlicher Spiegel, es machte ihm großen Spaß, und er hatte das Gefühl, dass er dadurch für eine noch bessere Stimmung im Raum sorgte.

Er ließ vom kleinen Mann ab und genoss die Stimmung, er spürte Freude und verdängte den aufkommen wollenden Gedanken, dass diese Freude unecht sein könnte. Er sah die zwei hübschen Frauen, die ihm gleich aufgefallen waren, als er die Bar betreten hatte, sie tanzten einige Meter entfernt von ihm. Er schätzte sie grob auf 25 Jahre, eine war blond und dünn, die andere brünett und kurvig, genau sein Typ. Er tanzte sich seinen Weg durch das stickige Labyrinth, und als er in ihre Nähe kam, grinste er, doch sie beachteten ihn nicht. Er schlich sich weiter an, bis er neben ihnen stand, legte seine Arme auf jeweils eine ihrer Schultern und ließ seinen freundlichen Blick von einer zur anderen wandern. Die Frauen schauten ihn an, lächelten sich dann gegenseitig an und tanzten weiter. Nicht aufgeben, dachte er, heute nicht, du bist schon weit gekommen. Diese Frauen hier sind echt, und sie sind wunderschön, also mach weiter. Er stellte sich vor die Brünette und rief ihr ins Ohr: "Hallo, wie heißt du denn?"
Sie schaute kurz über seine Schulter ihre Freundin an, als würde sie bei ihr Rat suchen, und antwortete dann: "Nadine!"
"Darf ich mit dir tanzen? Du bist hübsch, wunderhübsch! Es würde mich sehr freuen!"
Sie lächelte ihn an, schüttelte aber den Kopf. "Tut mir Leid, bin leider schon vergeben."
Er ließ nicht locker. "Ach komm schon, nur ein kurzes Tänzchen? Da wird doch dein Freund nix dagegen haben, ist doch harmlos, gar nicht schlimm. Ich will dir nur meine Bewegungen zeigen, schau mal, was ich alles draufhabe!" Er drehte eine unbeholfene Pirouette, bei der er fast das Gleichgewicht verlor. Sie brachte Nadine und ihre Freundin zum Lachen, doch sie zeigte ihm mit einer abwehrenden Geste, dass nichts zu holen war. Er fand es schade, nickte ihr aber freundlich zu. Dann tippte ihm jemand an die Schulter.

Er drehte sich um und sah einen jungen Mann, mit Brille, Seitenscheitel und Seidenschal. Der Mann beugte sich zu ihm und sprach ihm ins Ohr. "Hör mal zu, Meister, es wär besser, wenn du dich hier verdrückst, aber ganz zackig." Er verstand nicht und schaute ihn fragend an. "Die Alte, die du gerade angemacht hast, die gehört zu meinem Kumpel Micha, und der ist gerade ganz scharf drauf, dir die Fresse zu polieren." Der Mann hob seinen Daumen über seine Schulter und deutete nach hinten, wo aufkommende Aufruhr zu erkennen war. Ein großer, breitgebauter, junger Mann mit blonden, kurzgeschorenen Haaren und Goldkette wurde gerade von vier anderen daran gehindert, sich seinen Weg zu ihm zu bahnen. Er erinnerte sich, dass Nadine und ihre Freundin alleine am Tisch gesessen waren, also mussten ihr Freund und seine Freunde erst später aufgetaucht sein. Der angetrunkene Mut sorgte dafür, dass er für seine Antwort nicht lange überlegen musste. "Sag deinem Freundchen, ich hab seine Freundin nur gefragt, ob sie mit mir tanzen will, das wars. Wenn er was will, soll er kommen." Der Mann mit der Brille verzog den Mund, schaute auf den Boden, nickte kurz und ging zurück.

Er konnte sehen, dass der Hüne immernoch probierte, sich loszureißen, inzwischen war Nadine auch bei ihm, zerrte von der Seite an seinem Oberteil und sah beschwichtigend aus. Er verlor das Interesse an der Sache, drehte sich um und tanzte wieder vor sich hin, er hatte große Anstrengungen unternommen, um an dieser Atmosphäre teilnehmen zu können, einen Abend voller Freude zu erleben, und er wollte sich das nicht kaputtmachen lassen. Bei Nadine hatte es nicht geklappt, vielleicht würde sich eine andere Dame finden lassen, die seine Gesellschaft akzeptiert, denn das war es, was er im Moment am meisten wollte, seine aktuelle Lockerheit nutzen und endlich einmal eine Frau von sich überzeugen.

Doch dann lag er auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten. Seine Nase lag in einer Wodka-Pfütze, beißender Geruch. Und hatte der Alkoholpegel bisher erfolgreich den ganzen Frust und Kummer eindämmen können, den er Tag für Tag mit sich herumschleppte, den höllischen Schmerz, den die wiederholten Schläge auf seinen Hinterkopf verursachten, konnte auch er nicht entkräften. Ein Schlag nach dem anderen drückte seinen Kopf gegen den Boden. Er wollte nichts sehnlicher, als dass es aufhörte. Auf seinem Rücken fühlte er eine ungemeine Wucht, er wurde plattgedrückt, plattgeschlagen, das Einzige, das er neben dem Schmerz wahrnahm, war das wütende Geschrei eines Mannes.

Als es endlich aufhörte, drehte er sich um. Er wollte sich schnell aufrichten, fiel aber wieder hin. Jemand half ihm auf. Er wankte und wollte sich irgendwo festhalten, doch seine Hand griff in die Luft und fiel dann wieder schwach nach unten, denn um ihn herum hatte sich ein großer Kreis auf der Tanzfläche gebildet. Die Tanzenden waren zu Schaulustigen geworden, und es war nicht mehr so laut wie vorher, Dieter musste die Musik leiser gedreht haben. Drei, vier Meter vor ihm stand wieder der große Wüterich und wurde erneut von vier Leuten zurückgehalten, die ihn wohl auch von seinem Rücken heruntergezogen und für ein Ende der harten, schnellen Schläge gesorgt hatten, die gerade für den schlimmsten Kopfschmerz seines Lebens sorgten. Nadines Freund hatte noch immer nicht genug und schrie. "Du bist tot, du Wichser! Hörst du das, tot! Komm her! Komm her! Ich werd dich umbringen!" Er sah ein, dass der Mann mit der Statur und der Aggressivität wohl auch tatsächlich dazu in der Lage war, er war zwei Köpfe größer und vermutlich zweimal so stark. Er wankte noch immer, er spürte die Blicke der Außenstehenden und den ungeheuren Schmerz.

Er überlegte kurz. Körperlichen Auseinandersetzungen war er stets aus dem Weg gegangen, in der Grundschule, auf der Realschule, in der Fabrik, immer, überall. Doch diesmal würde er nicht zurückziehen, diesmal nicht. Dein ganzes Leben hast du mit Überlegen verbracht, dachte er sich, jetzt lass Taten folgen, so springt der mit dir nicht um, so nicht, zeig es ihm. Also konzentrierte er sich zunächst darauf, stramm zu stehen, und setzte sich dann in Bewegung in Richtung Fleischberg. Er schubste den ersten Freund seines Gegners aus dem Weg, die anderen drei schauten ihn daraufhin überrascht an und schritten zur Seite.

Er war nur noch zwei Schritte von seinem Kontrahenten entfernt und sah, wie auch der sich nach vorne in Bewegung setzte, gleich war es soweit. Doch dann hatte er plötzlich und direkt vor seiner Nase das emotionslose Gesicht von Dieter, der sich blitzschnell zwischen die beiden geschoben hatte. "Ich bin immer für einen schönen Kampf zu haben, Männer, aber nicht hier drin, ich hab keinen Bock, eure rote Suppe vom Boden zu schrubben. Da entlang." Dieter zeigte zu einer Tür neben der Theke. Die zuschauende Menge johlte und setzte sich schnell in Bewegung, Nadines Freund lief ganz nüchtern mit, selbst die biertrinkenden Arbeiter von der Theke erhoben sich langsam. Er wunderte sich. War das hier eine Art Ritual, wann immer es zwischen zwei Gästen Stress gab, wurde es durch eine Art Hinterhof-Kampf geklärt? Es schien so. Angst spürte er keine.

Er war der Letzte, der draußen war. Es war ein kleiner, verlassener Hinterhof, in dem es nur Mülleimer in einer Ecke gab und ein paar alte Tische in einer anderen, mit Stühlen, die auf ihnen gestapelt waren. Der Kreis von innen hatte sich nach außen verlagert, nur war er aufgrund des Platzmangels enger zusammengerückt. Die Leute drehten sich zu ihm um und öffneten eine Lücke, durch die er in den Kreis trat. Sie waren laut und redeten wild durcheinander, er war inmitten einer Gladiatoren-Arena gelandet. Er erblickte Dieter, der mitten in der Menge stand, auf die Unterlippe biss und ihn ansah. Nadine stand mit ihrem Freund im Kreis und redete auf ihn ein, doch der schaute sie nicht an und stieß sie weg. Dann sah er, wie sein Gegner losrannte. Er wollte sein Gesicht schützen, war aber nicht schnell genug und bekam einen Faustschlag ab, und als sein Gesicht zur Seite geschleudert wurde, sah er das Blut in hohem Bogen aus seinem Mund fliegen. Der Schmerz war nicht neu, doch das machte ihn nicht erträglicher. Dem Schlag folgte ein weiterer, dem dritten wich er durch instiktives Ducken aus. Sein Gegner hatte ins Leere geschlagen, und da der Große sich mit seinem ganzen Oberkörper in seine Schläge stürzte, war er in seiner Körperhaltung nun endlich dem ersten Gegenangriff ausgeliefert. Er nutzte die Gelegenheit und schlug ihm mit aller Kraft, die er hatte, mit der Faust auf die Wange. Die nächsten Schläge kamen wie von alleine, er hatte für einige Momente sogar die Überhand und war kurz davor, sein Gegenüber auf den Boden zu befördern, er landete einige Treffer, die Menge wurde lauter. Sie standen genau in der Mitte des Kreises, ihre Füße bewegten sich kaum, und schlugen sich nun abwechselnd ins Gesicht, sein Gegner hatte sich wieder gefangen, war etwas schneller und landete immer mehr Wirkungstreffer, doch er fand, dass er sich recht gut hielt, wenn man bedachte, dass er einem Muskelberg gegenüber stand, der nicht so wirkte, als seien Nahkämpfe für ihn etwas gänzlich Unbekanntes.

Er hörte die Menschen außenrum schreien. "Mach ihn platt!" "Hau ihm in den Bauch, Junge!" "Wehr dich doch mal richtig, du Pfeife!" Seine Kräfte ließen langsam nach, die des Gegners scheinbar nicht, Nadine hatte sich einen geborenen Kämpfer angelacht. Die in seinem Blickfeld herumwirbelnden Fäuste verschwommen immer mehr. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er in einer laufenden Waschmaschine hin- und herprallen, zunächst hatte er versucht, es als Kollateralschaden zu akzeptieren, er war jetzt schließlich ein Kämpfer, doch es wurde immer schwieriger, und er würde nicht mehr lange aushalten. Seine Fäuste flogen immer öfter ins Leere, er traf sein Gegenüber nicht mehr. Dann spürte er einen Schlag in die Magengrube und sackte zusammen. Er stand nach vorne gebeugt, das Kinn in den Brustkorb gedrückt. Sein Mund füllte sich mit Blut. Es fiel ihm schwer, Luft zu holen. Er bemerkte, wie die Menge schlagartig verstummt war. Er schaute noch einmal nach oben und sah seinen Gegner. Er hatte zu einem weiteren Schlag ausgeholt und war in der Körperhaltung verharrt, und nun beobachtete er ihn, mit neugierigem Blick, aber ohne Mitleid.

Dann ließ er sich fallen. Er landete auf dem nassen, kalten Asphalt, streckte seine Beine, breitete die Arme weit aus und blieb so liegen. Er sah nun nichts mehr als den klaren Nachthimmel, der alle Sterne offenbarte, die Wolken von vorhin waren abgezogen, der Anblick gefiel ihm. Er erinnerte ihn daran, wie er einmal als Jugendlicher mit einem Mädchen, in das er verliebt war, in einer Sommernacht auf ein Erdbeerfeld gegangen war, wo sie sich beide auf den Rücken gelegt, die Sterne bewundert und sich bis in die Morgenstunden unterhalten hatten. Wie er damals neugierig auf das Erwachsensein gewesen war und sich auf die große, weite Welt gefreut hatte. Er begann, Laute auszustoßen, die nicht durchdacht oder geplant und auch nicht ganz zu identifizieren waren. "Sag mal, lacht der oder weint er?", hörte er jemand fragen.

Das Geräusch, das er von sich gab, wuchs immer mehr an, wurde lauter und lauter, bis es schließlich ein großes, unaufhörliches Schreien war, das nur dann unterbrochen wurde, wenn er nach Luft schnappen musste. Es war ein kräftiger Schrei, der verzweifelt und erleichtert zugleich klang, und er war lauter und lebendiger als alles andere, was er jemals in seinem Leben von sich gegeben hatte. Man hörte dem Schrei förmlich an, dass er seit sehr langer Zeit darauf gewartet hatte, endlich losgelassen zu werden.

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Trearu
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 16
Beiträge: 342
Wohnort: Jenseits der Legenden


Beitrag07.11.2013 13:17
Re: Ein Abend Leben
von Trearu
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Du hast es geschafft, mich dazu zu bringen, mir die lange Geschichte komplett durchzulesen, obwohl es geradezu schmerzhaft war, dieses Elend mitzuverfolgen. - Also würde ich deine Geschichte durchaus gelungen nennen.

Was mich ein wenig gestört hat war, dass es ihm schon bevor er betrunken ist absolut nichts ausmachte, sich lächerlich zu machen. - Wirkt einfach irgendwie seltsam.
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wunderhuhn
Leseratte


Beiträge: 172

Der bronzene Spiegel - Prosa


Beitrag07.11.2013 14:28

von wunderhuhn
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Hallo Kemal,

dein Schreibstil hat mich so mitgezogen, dass ich alles gelesen habe. Mir hat der Text insgesamt gut gefallen, auch wenn ich die Einschätzung von Trearu teile, dass es schon unangenehm war, weiterzulesen. Bedeutet für mich aber auch, dass ich den Text in dieser Hinsicht nachvollziehbar/authentisch fand.
Ein paar kleine Anmerkungen im Folgenden:

Kemal hat Folgendes geschrieben:
Seit seinem sechzehnten Lebensjahr kannte er es nicht anders, und er sah das Leben an sich vorbeifließen wie einen wilden, in das er sich nicht zu springen getraute.

Da fehlt ein Wort und das Genus passt nicht ("einen …, in das").


Zitat:
Seine Mutter schaute durch die Tür herein. "Na mein Sohn, endlich aufgewacht?" Sie lächelte ihn liebevoll an. Er sah keinen Grund, ihr nicht genauso nett zu antworten. "Ja, Mutter", sagte er sanft. Sie lief zu ihm hin, tätschelte ihm über den Kopf, ließ die Rollladen herunter und schaltete dann das Licht in seinem Zimmer ein. "Ich habe dir Lasagne gemacht, mit dem Käse, den du magst. Steht in der Küche und ist noch warm. Helene ist zu Besuch, wir schauen im Wohnzimmer gemeinsam fern. Du kannst ja kurz Hallo sagen."
"Danke Mutter, aber ich hab keinen Hunger."
"Oh, na dann."  
"Ja."

Auch wenn sie nur eine Nebenfigur ist, ist die Mutter für meinen Geschmack sehr eindimensional gezeichnet: die klischeehafte Familien-/Sorgearbeit-Übermutter, der es auch nicht das Lächeln aus dem Gesicht wischt, wenn ihr Sohn kein Interesse an dem Essen zeigt, für das sie wahrscheinlich mindestens eine Stunde gebraucht hat. Na ja.
An dieser Stelle habe ich auch nicht ganz verstanden, ob die Lasagne nun eigentlich MIttag- oder Abendessen für den Protagonisten sein sollte. Als er nach Hause kommt, macht die Mutter gerade Mittagessen, und als er am Abend aufwacht, berichtet sie ihm von der Lasagne … die nun schon kalt ist? Question

Zitat:
Er ließ vom kleinen Mann ab und genoss die Stimmung, er spürte Freude und verdängte den aufkommen wollenden Gedanken, dass diese Freude unecht sein könnte.

Der markierte Satzteil ist mir persönlich zu viel "Telling" (und grammatisch auch nicht ganz sauber formuliert). Das Urteil würde ich den Leser_innen überlassen, dass die Aktionen des Protas etwas Bemühtes haben könnten, es aber nicht so ausformuliert hinschreiben. (Letztlich bewahrheitet es sich meinem Eindruck zufolge ohnehin nicht, da der Prota am Ende der Geschichte zufrieden scheint.)

Kann man eigentlich ernsthaft fünf Gläser Bier und dann noch 5 Whiskeys trinken, ohne sabbernd auf dem Boden zu liegen? Shocked Ich kenne mich mit Alkohol nicht so gut aus, aber das erschien mir doch etwas viel.

Tja, und dann noch der blonde Muskelprotz … der ist wohl das Element, das mich in dem Text am meisten gestört hat, weil er so "ex machina" plötzlich da war und aufmuckte und dann meines Erachtens auch noch ziemlich generisch war.
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BirgitJ
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Beitrag07.11.2013 15:06

von BirgitJ
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Moin Kemal,
mir hat die Geschichte gefallen. Du hast die Stimmung gut eingefangen und in einen lakonischen Schreibstil umgesetzt. Tatsächlich so gut, dass ich die ganze lange Geschichte bis zum Ende gelesen habe.
Es wird eine große Menge Alkohol auf nüchternen Magen konsumiert, da würde ich denken, sitzt man nicht mehr auf seinem Barhocker, tanzt nicht mehr und prügelt sich auch nicht mehr. Das ist auch das Einzige, was mir so aufgefallen ist.
Gruß BirgitJ
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Jack Burns
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Beitrag07.11.2013 15:59

von Jack Burns
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Hallo Kemal,

Die Geschichte verführt am Beginn mit einem Versprechen zum Weiterlesen:
Zitat:
... ich habe es satt, ich habe mich satt, ich komm nicht in die Gänge.


Nachdem ich einen unsympathischen Protagonisten durch die Phase jämmerlichen Selbstbedauerns begleitet habe, scheint hier eine Entwicklung einzusetzen. Wird er sich jetzt um Weiterbildung, einen anderen Job und zuletzt um eine eigene Wohnung bemühen?
Wird er trotz harter Bemühungen, am Widerstand des sozialen Umfelds oder an seiner eigenen Schwäche scheitern oder Erfolg haben?

Das wäre ein Konflikt gewesen, den ich gerne verfolgt hätte.

Das Versprechen wird nicht eingelöst. Ich werde degradiert zum Beobachter eines normalen Tages im Leben eines Menschen, der noch nicht einmal den Versuch unternimmt aus seiner Welt zu entfliehen.
Immerhin: eine konsequente Zeichnung eines Charakters, der nicht einmal Mitleid weckt.
Leser, die diese Welt nur aus Bukowskis Schilderungen kennen, werden der Geschichte vielleicht etwas entnehmen können.

Am Schreibstil habe ich nicht viel auszusetzen. Ich würde darauf achten, in der Erzählstimme nicht zu sehr in umgangssprachliche Formulierungen abzugleiten.
Und ich denke, dass man durchaus noch kürzen könnte.

Grüße
Martin


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gold
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Beitrag07.11.2013 19:42

von gold
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hallo Kemal,

der Alkoholkonsum erscheint mir auch als zu viel; der Prota braucht keine Schläge um das Gleichgewicht zu verlieren, geschweige denn, dass er seinen Gegner treffen kann.

Mir tut der Prota Leid, ich finde ihn nicht unsympathisch, sondern nur tragisch.

Die Mutter geht etwas zu leichtfertig damit um, dass ihr Sohn nichts essen will.

Und: ist das ein Ausschnitt aus einem Roman? Oder soll das eine Kurzgeschichte sein? Wenn letzteres zutrifft, dann finde ich das Ende nicht gelungen.

Die Kampfszenen könntest du etwas kürzer gestalten, aber zunächst müsstest du erst einmal den Alkoholkonsum des Prota einschränken.

Lg gold


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Jack Burns
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Beitrag07.11.2013 21:38

von Jack Burns
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Hallo,

ich bin's noch mal

Da hier mehrmals der Alkoholkonsum angesprochen wurde, möchte ich anmerken, dass 5 Bier und 5 Whiskey bei jungen Discobesuchern gerade mal zum "warm werden" getrunken werden. Von diversen Pillen und Pulvern, die nebenbei konsumiert werden, ganz abgesehen. Polizisten im Wochenenddienst wären froh, wenn diese dann einfach umfallen würden. Leider ist das Gegenteil der Fall. Wildes Prügeln ist dann nicht nur möglich, sondern eine unmittelbare Folge. Genauso wie das geschilderte penetrante Anbaggern.
Insofern ist die Schilderung durchaus realistisch.

Hingegen fällt es mir schwer zu glauben, dass eine Mutter den 33jährigen Sohn weckt und füttert, und dass beide diese Situation nicht hinterfragen.
 Laughing

Viele Grüße und Prost!
Martin


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Kemal
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K
Beitrag08.11.2013 04:34

von Kemal
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Hallo zusammen,

freut mich sehr, dass doch einige bis zum Schluss durchgehalten haben Smile

@Trearu:

Trearu hat Folgendes geschrieben:
Was mich ein wenig gestört hat war, dass es ihm schon bevor er betrunken ist absolut nichts ausmachte, sich lächerlich zu machen. - Wirkt einfach irgendwie seltsam.


Ich hatte mir das so gedacht, dass er sich normalerweise nie so verhalten würde und es auch nie getan hat in seinem Leben, inzwischen aber so verzweifelt ist, dass er alle Befürchtungen und Gewohnheiten über Bord wirft und es irgendwie versucht, soziale Kontakte zu knüpfen. Ich wollte einen Protagonisten darstellen, der sich solange zurückgezogen und in stiller Einsamkeit gelebt hat, dass seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten verkümmert sind. Das hätte ich wohl deutlicher herausarbeiten sollen. Danke für deinen Kommentar Smile

@wunderhuhn:

wunderhuhn hat Folgendes geschrieben:


Kemal hat Folgendes geschrieben:
Seit seinem sechzehnten Lebensjahr kannte er es nicht anders, und er sah das Leben an sich vorbeifließen wie einen wilden, in das er sich nicht zu springen getraute.

Da fehlt ein Wort und das Genus passt nicht ("einen …, in das").


Da hab ich mich ziemlich verzettelt Smile Das fehlende Wort ist jedenfalls "Fluss". Danke für den Hinweis.

Zitat:

Auch wenn sie nur eine Nebenfigur ist, ist die Mutter für meinen Geschmack sehr eindimensional gezeichnet: die klischeehafte Familien-/Sorgearbeit-Übermutter, der es auch nicht das Lächeln aus dem Gesicht wischt, wenn ihr Sohn kein Interesse an dem Essen zeigt, für das sie wahrscheinlich mindestens eine Stunde gebraucht hat. Na ja.
An dieser Stelle habe ich auch nicht ganz verstanden, ob die Lasagne nun eigentlich MIttag- oder Abendessen für den Protagonisten sein sollte. Als er nach Hause kommt, macht die Mutter gerade Mittagessen, und als er am Abend aufwacht, berichtet sie ihm von der Lasagne … die nun schon kalt ist? Question


Dass sie nicht verärgert darauf reagiert, dass ihr Sohn nichts von ihrem Essen will, damit wollte ich eigentlich zeigen, wie sehr sie ihn trotz seines Alters noch immer verhätschelt. Ich gebe dir aber damit Recht, dass ich die Mutter hätte noch detaillierter beschreiben können, ebenso wie den Schlägertypen, den du später auch nennst. Das ist noch ein allgemeines Problem, dass ich manchmal nicht genau weiß, wie genau und ausführlich ich eine Nebenfigur zu beschreiben habe, damit sie realistisch wirkt, im Rahmen einer Kurzgeschichte aber nicht zu viel Platz einnimmt.

Zitat:
Der markierte Satzteil ist mir persönlich zu viel "Telling" (und grammatisch auch nicht ganz sauber formuliert). Das Urteil würde ich den Leser_innen überlassen, dass die Aktionen des Protas etwas Bemühtes haben könnten, es aber nicht so ausformuliert hinschreiben. (Letztlich bewahrheitet es sich meinem Eindruck zufolge ohnehin nicht, da der Prota am Ende der Geschichte zufrieden scheint.)


Danke, da stimme ich dir zu, der Satz war unnötig.

Zitat:
Kann man eigentlich ernsthaft fünf Gläser Bier und dann noch 5 Whiskeys trinken, ohne sabbernd auf dem Boden zu liegen? Shocked Ich kenne mich mit Alkohol nicht so gut aus, aber das erschien mir doch etwas viel.


Es ist sicherlich eine ganze Menge an Alkohol, die ich dem Guten hier zugetraut habe, denke aber, dass es noch einigermaßen im Rahmen ist. Also gerade noch so, dass man als erwachsener Mann schon arg mitgenommen ist danach, aber nicht schon kurz vor der Alkoholvergiftung steht. Vielen Dank nochmals für deine Anregungen!

BirgitJ hat Folgendes geschrieben:
Moin Kemal,
mir hat die Geschichte gefallen. Du hast die Stimmung gut eingefangen und in einen lakonischen Schreibstil umgesetzt. Tatsächlich so gut, dass ich die ganze lange Geschichte bis zum Ende gelesen habe.
Es wird eine große Menge Alkohol auf nüchternen Magen konsumiert, da würde ich denken, sitzt man nicht mehr auf seinem Barhocker, tanzt nicht mehr und prügelt sich auch nicht mehr. Das ist auch das Einzige, was mir so aufgefallen ist.
Gruß BirgitJ


Danke, freut mich sehr, dass die Geschichte dir gefallen hat. Da die Menge an Alkohol mehrmals in den Kommentaren angesprochen wird, wäre es wohl doch besser gewesen, ich hätte es bei jeweils drei Gläsern
belassen Smile Aber wie oben gesagt, ich schätze es noch als einigermaßen verkraftbar ein.

Jack Burns hat Folgendes geschrieben:
Hallo Kemal,

Die Geschichte verführt am Beginn mit einem Versprechen zum Weiterlesen:
Zitat:
... ich habe es satt, ich habe mich satt, ich komm nicht in die Gänge.


Nachdem ich einen unsympathischen Protagonisten durch die Phase jämmerlichen Selbstbedauerns begleitet habe, scheint hier eine Entwicklung einzusetzen. Wird er sich jetzt um Weiterbildung, einen anderen Job und zuletzt um eine eigene Wohnung bemühen?
Wird er trotz harter Bemühungen, am Widerstand des sozialen Umfelds oder an seiner eigenen Schwäche scheitern oder Erfolg haben?

Das wäre ein Konflikt gewesen, den ich gerne verfolgt hätte.

Das Versprechen wird nicht eingelöst. Ich werde degradiert zum Beobachter eines normalen Tages im Leben eines Menschen, der noch nicht einmal den Versuch unternimmt aus seiner Welt zu entfliehen.
Immerhin: eine konsequente Zeichnung eines Charakters, der nicht einmal Mitleid weckt.
Leser, die diese Welt nur aus Bukowskis Schilderungen kennen, werden der Geschichte vielleicht etwas entnehmen können.

Am Schreibstil habe ich nicht viel auszusetzen. Ich würde darauf achten, in der Erzählstimme nicht zu sehr in umgangssprachliche Formulierungen abzugleiten.
Und ich denke, dass man durchaus noch kürzen könnte.

Grüße
Martin


Hi Martin, es stimmt, dass am Anfang eine Entwicklung angekündigt wird, doch im Gegensatz zu dir finde ich schon, dass diese im Verlauf der Geschichte beim Protagonisten auch stattfindet. Er sucht sich zwar keinen Job oder eine neue Wohnung, doch er rafft sich endlich einmal auf, begibt sich bewusst aus der Monotonie seines Alltags und möchte etwas erleben, mit Menschen interagieren, möchte endlich mal "Action". Deswegen ist es eben kein normaler Tag für ihn, denn er tut diese Dinge ja zum ersten Mal, er geht auf Menschen zu, er probiert, Bekanntschaften zu schließen, er zieht bei einem Konflikt nicht zurück. Durch dieses Ausbrechen aus seinem Alltagstrott wollte ich eine Entwicklung aufzeigen, ohne sein Verhalten gänzlich positiv zu bewerten.

Dass du den Protagonisten als unsympathisch bezeichnest, macht mich nachdenklich. Es war nicht meine Absicht, ihn als Unsympath zu zeichnen, ich kann aber nachvollziehen, dass der Eindruck entsteht. Jedenfalls frage ich mich, ob das etwas Schlechtes ist, wenn die Hauptperson einer Geschichte nicht sympathisch ist. Ist das eine Voraussetzung für eine gute Geschichte? Mir fällt da auf Anhieb der Film Taxi Driver ein, der mich schon immer sehr beeindruckt hat und den ich auch beim Schreiben dieser Geschichte im Hinterkopf hatte. Auch da ist die Hauptperson ja schwer einzuordnen, man weiß nicht genau, ob man mit ihr Mitleid haben und mitfiebern soll oder ob er einfach nur ein Psychopath und abstoßend ist. Ich muss sagen, mich faszinieren solche widersprüchlichen Figuren irgendwie, und es ist gut, dass du das angesprochen hast, denn ich habe mich schon öfters gefragt, ob die Hauptperson meiner Geschichte auch Sachen tun darf, die der durchschnittliche Leser mit Sicherheit schlecht finden wird. Auch dir vielen Dank für deine Zeit und das Feedback.

@gold:

gold hat Folgendes geschrieben:


Mir tut der Prota Leid, ich finde ihn nicht unsympathisch, sondern nur tragisch.


Das ist die Richtung, in die ich bei seiner Beschreibung gehen wollte. Er soll einer sein, den man nichts Böses wünscht, über den man sich aber auch gewissermaßen ärgert, da er in erster Linie selbst schuld an seinem Dilemma ist.

Zitat:

Die Mutter geht etwas zu leichtfertig damit um, dass ihr Sohn nichts essen will.


Die Mutter sollte eine übermäßig liebevolle, eig. schon zu fürsorgliche Mutter sein, die ihren Sohn noch wie einen Jungen behandelt und damit auch ihren Anteil daran hat, dass dieser nie so recht erwachsen wurde. Wie schon angemerkt, hätte ich sie wohl genauer beschreiben sollen.

Zitat:

Und: ist das ein Ausschnitt aus einem Roman? Oder soll das eine Kurzgeschichte sein? Wenn letzteres zutrifft, dann finde ich das Ende nicht gelungen.


Nein, kein Ausschnitt, sondern eigenständige Kurzgeschichte. Das Ende schwebte mir schon vor dem Schreiben der Geschichte so vor, die Tatsache, dass man dem lauten Schrei nicht entnehmen kann, ob es eher ein Lachen oder ein Weinen ist, sollte zeigen, dass der Abend und alles was er erlebt, sowohl gut als auch schlecht für sind. Auf der einen Seite erreicht er sein eigentliches Ziel, nämlich endlich einmal etwas zu erleben, am Leben teilzunehmen, aktiv zu sein, auf der anderen Seite wird er von fast allen Personen zurückgewiesen, denen er sich nähert, am Ende wird er sogar verprügelt. So sehr er sich anstrengt, bleibt er doch für sich allein. Ich hoffe sehr, dass ich mich gerade nicht um Kopf und Kragen rede, aber ja, das war es eigentlich, was ich so ungefähr mit dem Ende ausdrücken wollte Smile Auch dir herzlichen Dank für das Feedback.

Gruß an alle, Kemal.
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

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Beitrag08.11.2013 19:40

von Jack Burns
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Hallo Kemal,

Aha! Der Gang in die Bar, das Ansprechen der Gäste, als Ausbruch aus dem  Verhaltensschema.
Tja, das hatte ich tatsächlich nicht so aufgenommen. Zumindest verstehe ich den Ansatz jetzt besser und denke, dass der nicht verkehrt ist.
Der Titel löste ein Missverständnis bei mir aus. Ich interpretierte ihn als "Ein Abend (wie jeder andere im)Leben."
Ich hatte den Eindruck, dass er statt sein Leben aufzuräumen, vor der Verantwortung flieht und letztendlich nur seinen Frust abreagiert.

Ich möchte kurz aufzeigen, warum mir die Figur trotzdem (äußerst) unsympathisch bleibt:
Zitat:
Er schlich sich weiter an, bis er neben ihnen stand, legte seine Arme auf jeweils eine ihrer Schultern


Zitat:
Sie lächelte ihn an, schüttelte aber den Kopf. "Tut mir Leid, bin leider schon vergeben." Er ließ nicht locker.


 
Zitat:
... vielleicht würde sich eine andere Dame finden lassen, die seine Gesellschaft akzeptiert,


Zitat:
Wenn er was will, soll er kommen.


Nach dieser Beschreibung geht die Aggression, in Form von Provokation und Respektlosigkeit, vom Protagonisten aus. Er bettelt förmlich um Ärger.
Ich kann in ihm so gar kein Opfer erkennen, welches sich wehren würde.
Dass nun ein noch größerer Idiot die Bühne betritt, macht ihn auch nicht sympathischer. Er ist schließlich kein pubertierender Angeber, sondern ein 33jähriger Mann.

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Meinung literarisch zu begründen ist oder einfach meine grundsätzliche Haltung widerspiegelt.
Jedenfalls habe ich am Stil nur Kleinigkeiten auszusetzen.
Immerhin habe ich bis zum Ende gelesen. Wink

Viele Grüße
Martin


_________________
Monster.
How should I feel?
Creatures lie here, looking through the windows.
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Gast







Beitrag08.11.2013 20:34

von Gast
Antworten mit Zitat

Willkommen und danke für deine nicht uninteressante Geschichte, lieber Kemal!

Ich fand dein LI nicht durchgehend glaubhaft, zum Beispiel arg naiv und zehn Jahre zu alt für seinen Daseins-Konflikt. Außerdem bist leider noch weitschweifig und neigst zu verschachtelten Sätzen, die seine am End absurde Verzweiflung nicht eigentlicher (Schrei!) voran treiben. (Wohlbekannt Ödes wie diverse Fernsehprogramme, nur als Beispiel, brauchst nicht ausführen. Es ist egal, wo dein Prota an der Theke Platz nimmt, rechts oder links - usw.)

Es gibt viele Kleinigkeiten zum Ausmerzen. Ausschmückungen, die am Ende nicht fehlen werden. Du weißt es, was sag ich, hast es ja einleitend angedeutet. Ich könnte glatt behaupten, zwei, drei Seiten raus.

@ Kelim-Version:

Dann verließ er die Wohnung und ging auf die Straße, ohne zu wissen, wohin er wollte. Eine alte Frau, die in der Wohnung über ihm und seiner Mutter wohnte und die er nur vom Vorbeilaufen und Begrüßen kannte, kam ihm entgegengelaufen. Er hatte noch nie mit ihr geredet, sprang ihr aber in den Weg. "Hallo, liebe Frau, wie geht es denn heute?" Sie nickte ihm freundlich zu und konnte ihre Verwunderung kaum verbergen. "Was für ein schöner Tag heute, nicht wahr? Eigentlich ist es gar kein schöner Tag, sehen Sie nur diese grauen Wolken an, und der verdammte Nieselregen! Nein, sicher kein schöner Tag, aber es kommt doch darauf an, was man daraus macht!" Die Frau, die sich anfangs noch bemüht hatte, ihm ihr Wohlwollen zu zeigen, schaute inzwischen nur noch irritiert drein, auf eine Antwort wartete er vergeblich. "Also dann, machen Sie es gut!" Das Gespräch war seltsam gewesen, doch er hatte es versucht.


Und eine mögliche Verkürzung:

Ziellos ging er auf die Straße. Eine alte Nachbarin, die er nur flüchtig kannte, kam ihm entgegen. „Hallo, liebe Frau! Wie geht es Ihnen heute?“ Ihr freundliches Nicken sah verwundert aus. „Ein schöner Tag heute, nicht wahr? Oder nein, sicher nicht bei Nieselregen. Aber kommt es nicht drauf an, was man daraus macht?“ Ihr Wohlwollen wich Irritation; schweigend sah sie ihn nur an. „Also dann, machen Sie es gut!“ Ein seltsames Gespräch. Aber gut, er hatte es versucht.




Es wird sich lohnen. Durch Verdichtung wird die ganze Geschichte an Intensität zulegen. Und dann würde ich sie sehr gern noch einmal lesen.


Liebe Grüße,
Nada
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crim
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Die lange Johanne in Gold Lezepo 2015
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Beitrag08.11.2013 21:11

von crim
Antworten mit Zitat

Hi Kemal,
das Alter des Prota, da kannst du echt mal mindestens zehn runtergehen und es funktioniert trotzdem. Deine Sprache hier hat was erfrischendes stimmiges, sehr lockeres. Eingängig und hat Spaß gemacht, das zu lesen. Kurz vor dem Ende bin ich ins Querlesen geraten. Die anderen haben bereits Straffungen angeregt und da gehe ich mit, ohne jetzt die Stellen nochmal auszuweisen. Ich traue dir zu, dass, wenn du Änderungen anstrebst, die richtig umsetzen wirst. Denn was du meiner Meinung nach hervorragend schaffst: Kopfkino. Da herrscht die richtige Mischung zwischen Handlung und Szenerie. Erzählerisch sehr schön gelöst. Das Ende finde ich persönlich ja sehr gut, dieser Schrei ins Leben rein. Den hab ich fast gespürt. Klar ist das kurzweilig, aber ich mags halt auch mal so. Außerdem besucht dieser verschrobene Typ gerade meine Stammkneipe.
Lg crim
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Einar Inperson
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Beitrag08.11.2013 21:26
Re: Ein Abend Leben
von Einar Inperson
Antworten mit Zitat

Kemal hat Folgendes geschrieben:
"Sag mal, lacht der oder weint er?", hörte er jemand fragen. .


Diese, oder ähnliche Fragen, habe ich mir beim Lesen mehrmals gestellt. Und nicht aufhören können zu lesen.

Ich finde den Schluss gelungen. Egal, ob dies ein Roman oder eine Kurzgeschichte ist.

Bei einem Roman macht mich der Schrei, den ich zu Hören meine, gespannt auf die weitere Geschichte. Hatte er tatsächlich etwas Befreiendes?

Eine Kurzgeschichte zielt dagegen mit seinem offenen Ende auf meine Phantasie.

Der Text entzerrt und verdichtet hat das Potential zu einem fesselnden Roman (wie ich vermute) ausgebaut zu werden.


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Kemal
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K
Beitrag09.11.2013 22:00

von Kemal
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Jack Burns hat Folgendes geschrieben:

Ich möchte kurz aufzeigen, warum mir die Figur trotzdem (äußerst) unsympathisch bleibt:
Zitat:
Er schlich sich weiter an, bis er neben ihnen stand, legte seine Arme auf jeweils eine ihrer Schultern


Zitat:
Sie lächelte ihn an, schüttelte aber den Kopf. "Tut mir Leid, bin leider schon vergeben." Er ließ nicht locker.


 
Zitat:
... vielleicht würde sich eine andere Dame finden lassen, die seine Gesellschaft akzeptiert,


Zitat:
Wenn er was will, soll er kommen.


Nach dieser Beschreibung geht die Aggression, in Form von Provokation und Respektlosigkeit, vom Protagonisten aus. Er bettelt förmlich um Ärger.
Ich kann in ihm so gar kein Opfer erkennen, welches sich wehren würde.
Dass nun ein noch größerer Idiot die Bühne betritt, macht ihn auch nicht sympathischer. Er ist schließlich kein pubertierender Angeber, sondern ein 33jähriger Mann.


Hallo Martin, ich gebe dir Recht und kann nachvollziehen, dass diese Stellen einen unsympathischen Eindruck von der Person zeichnen. Meine Absicht war es eigentlich nicht, ihn als unsympathischen Menschen darzustellen, sondern als eine Art Sonderling, der sich so lange vor anderen Menschen zurückgezogen hat, dass er nun nicht mehr genau weiß, wie man sich in der Gegenwart von anderen und im direkten Miteinander zu verhalten hat. Deswegen z.B. das unpassende Arm-um-die-Schulter-legen bei einer fremden Frau. Es ist mir wohl nicht so gelungen, den Charakter so zu zeichnen, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hatte, vor allem an den von dir genannten Stellen.

Zitat:
Willkommen und danke für deine nicht uninteressante Geschichte, lieber Kemal!

Ich fand dein LI nicht durchgehend glaubhaft, zum Beispiel arg naiv und zehn Jahre zu alt für seinen Daseins-Konflikt. Außerdem bist leider noch weitschweifig und neigst zu verschachtelten Sätzen, die seine am End absurde Verzweiflung nicht eigentlicher (Schrei!) voran treiben. (Wohlbekannt Ödes wie diverse Fernsehprogramme, nur als Beispiel, brauchst nicht ausführen. Es ist egal, wo dein Prota an der Theke Platz nimmt, rechts oder links - usw.)

Es gibt viele Kleinigkeiten zum Ausmerzen. Ausschmückungen, die am Ende nicht fehlen werden. Du weißt es, was sag ich, hast es ja einleitend angedeutet. Ich könnte glatt behaupten, zwei, drei Seiten raus.

Es wird sich lohnen. Durch Verdichtung wird die ganze Geschichte an Intensität zulegen. Und dann würde ich sie sehr gern noch einmal lesen.

Liebe Grüße,
Nada


Hallo Nada, da hast du einen wunden Punkt bei mir getroffen Smile Es stimmt nämlich und ist noch ein grundsätzliches Problem, dass ich mir noch immer nicht sicher bin, an welchen Stellen ich ausführlicher zu schreiben habe und wo ein knapper Stil angebracht ist. Ich habe in der Hinsicht meinen eigenen Stil noch nicht so ganz gefunden. Bei meinen ersten Texten wurde mir oft gesagt, dass ich sehr lakonisch schreibe und dass ich etwas genauer sein sollte, die von dir angesprochenen Ausschmückungen in dieser Geschichte sind wohl auch eine Reaktion darauf. Ich hoffe, dass sich das mit der Zeit einpendelt und ich das richtige Gefühl dafür bekomme.

crim hat Folgendes geschrieben:
Hi Kemal,
das Alter des Prota, da kannst du echt mal mindestens zehn runtergehen und es funktioniert trotzdem. Deine Sprache hier hat was erfrischendes stimmiges, sehr lockeres. Eingängig und hat Spaß gemacht, das zu lesen. Kurz vor dem Ende bin ich ins Querlesen geraten. Die anderen haben bereits Straffungen angeregt und da gehe ich mit, ohne jetzt die Stellen nochmal auszuweisen. Ich traue dir zu, dass, wenn du Änderungen anstrebst, die richtig umsetzen wirst. Denn was du meiner Meinung nach hervorragend schaffst: Kopfkino. Da herrscht die richtige Mischung zwischen Handlung und Szenerie. Erzählerisch sehr schön gelöst. Das Ende finde ich persönlich ja sehr gut, dieser Schrei ins Leben rein. Den hab ich fast gespürt. Klar ist das kurzweilig, aber ich mags halt auch mal so. Außerdem besucht dieser verschrobene Typ gerade meine Stammkneipe.
Lg crim


Hi crim, zum Alter des Mannes muss ich sagen, dass ich ihn ganz bewusst über 30 haben wollte. Ich finde, wenn er 23 gewesen wäre, dann wäre die Verzweiflung, die ihm andichten wollte, nicht mehr so berechtigt gewesen. Mit Anfang 20 hätte er noch viel Zeit gehabt, all das zu ändern, was ihn an seinem Leben stört. Dass er aber schon 33 ist, zeigt, dass er seinen Frust schon sehr lange mit sich herumträgt und schon in einem Alter ist, in dem er ein zufriedenes, geregeltes Leben haben sollte, anstatt in einer beliebigen Kneipe junge Frauen anzutanzen. Er ist ein Mann, der sich nach etwas sehnt, dass er eigentlich nicht mehr erreichen kann.

Was mich sehr freut, ist das mit dem Kopfkino. Genau das ist es, was ich (und jeder andere Autor wohl auch) beim Schreiben erreichen will, ein Film in Wörtern, der einen mitzieht. Es tut gut sehr zu hören, dass das in diesem Fall geklappt hat Smile  

Einar Inperson hat Folgendes geschrieben:
Kemal hat Folgendes geschrieben:
"Sag mal, lacht der oder weint er?", hörte er jemand fragen. .


Diese, oder ähnliche Fragen, habe ich mir beim Lesen mehrmals gestellt. Und nicht aufhören können zu lesen.

Ich finde den Schluss gelungen. Egal, ob dies ein Roman oder eine Kurzgeschichte ist.

Bei einem Roman macht mich der Schrei, den ich zu Hören meine, gespannt auf die weitere Geschichte. Hatte er tatsächlich etwas Befreiendes?

Eine Kurzgeschichte zielt dagegen mit seinem offenen Ende auf meine Phantasie.

Der Text entzerrt und verdichtet hat das Potential zu einem fesselnden Roman (wie ich vermute) ausgebaut zu werden.


Hi Einar Inperson, es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Es handelt sich dabei aber nicht um den Bestandteil eines Romans. Ich habe zwar eine Idee für einen Roman und habe ihn auch schon angefangen, tat mich aber bei der Entwicklung der Handlung recht schwer und habe mir vorgenommen, Kurzgeschichten zu schreiben, mir Feedback einzuholen und die Erkenntnisse für das Weiterführen des Romans zu nutzen. Diese Geschichte hier ist eine davon Smile

Herzlichen Dank an alle, die sie gelesen und darauf geantwortet haben, ihr seid mir eine große Hilfe.

Eine grundsätzliche Frage habe ich noch. Wie läuft das hier im Forum ab, ist es üblich, dass man eine Geschichte nach Verbesserungsvorschlägen überarbeitet und dann nochmal präsentiert? Ich habe gesehen, dass ich den ersten Beitrag nicht mehr bearbeiten kann, macht man dann einen neuen Thread auf oder postet die überarbeitete Version als Kommentar?

Gruß an alle, Kemal
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