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Kanezzo Wortedrechsler
K Alter: 32 Beiträge: 83 Wohnort: Gießen
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K 13.10.2013 21:10 van gogh von Kanezzo
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van gogh
In meinem Kopf spielt ein kleiner Mann Klavier.
Seine zarten Finger müssen die Tasten kaum berühren.
Wie von selbst bewegen sie sich auf und ab, spielen eine Melodie, die so traurig ist, dass es mir das Herz zerfrisst.
Ein dunkles Klingen, das an meine Seele klopft.
Er spielt nicht richtig, sag' ich mir.
Er spielt falsch! Ganz falsch! Stop, warte! Nicht so!
Der kleine Mann hört mich nicht.
Er hat keine Ohren.
Jetzt sehe ich es. Der kleine Mann hat keine Ohren! Narben zieren die Stellen, an denen sie einst saßen. Verwachsene Haut, eingedellt und irgendwie dunkler als der Rest.
Wie kann er spielen, wenn er doch nichts hört?
Daher spielt er falsch, sag' ich mir. Ganz falsch! Zu tief, zu traurig spielt er. Doch er spielt immer weiter, lässt sich nicht aufhalten.
Kleiner Mann!
Meine Stimme schwillt zu einem Schreien.
Kleiner Mann, hör auf zu spielen!
Er hört mich nicht. Spielt lauter, immer lauter.
Zu tief, zu traurig.
Ich weine.
Kleiner Mann, ich bitte dich.
Er hört mich nicht.
Er spielt und spielt. Tasten sinken, schweben, klingen.
Kleiner Mann ich bitte dich! Ich schreie. Lauter, lauter, lauter! Blut. Ein Messer. Blut und Schmerz. Schreie immer lauter. Schmerz, dann Stille. Endlich Stille.
Ich hebe meine Hand. Führe sie zur Seite meines Kopfs.
Stille. Blut und Stille. Sie sind weg.
Stille.
In meinem Kopf spielt ein kleiner Mann Klavier.
Ein kleiner Mann ohne Ohren.
Weitere Werke von Kanezzo:
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Kanelbolle Leseratte
Alter: 25 Beiträge: 186 Wohnort: Münster
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14.10.2013 18:55
von Kanelbolle
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Hallo Inko,
ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich einfach mal wenig
fachlich aufführe, was mir zu deinem Text durch den Kopf geht
(etwas verspätet, aber immerhin).
Zitat: | Stopp, warte! Nicht so! |
Das war auch schon der einzige Rechtschreibfehler, der mir aufgefallen ist..
Zitat: | Daher spielt er falsch, sag' ich mir. Ganz falsch! Zu tief, zu traurig spielt er. Doch er spielt immer weiter, lässt sich nicht aufhalten. |
An dieser Stelle war mir irgendwie ein Mal zu viel "spielt" drin, für mich drängt sich das ungewollt stark in den Vordergrund, wie ich finde.
Bis auf diese zwei wirklich kleinen Kleinigkeiten ist mir
sprachlich nichts Weiteres aufgefallen, obwohl ich zugeben
muss, kein Fan solcher extrem lyrischen Prosa
(heißt das so? Hilft mir da einer?) bin. Von daher kann
ich nur schlecht beurteilen, ob du es hier eventuell ein
wenig mit der Poetik und Tragik übertrieben hast?
Andererseits finde ich, dass man den Text so durchaus
stehen lassen kann, ein Eingelesener kann da sicher mehr zu sagen.
Inhaltlich fand ich deinen Text interessant,
ich hoffe, ich habe ihn richtig interpretieren können.
Der Titel ist ganz klar eine Anspielung (oder Bezug?) auf den Vincent
van Gogh, der sich (im Zuge einer Depression?)
eigenhändig das Ohr abgesäbelt hat. Interessant finde
ich die Tatsache, dass du hier die möglichen Gedanken
in extremer bildlicher Gestaltung beschreibst, die dem
Mann vor seiner "Tat" vielleicht durch den Kopf gegangen
sind (ist das jetzt richtig interpretiert?)
Wie es scheint, ist dieser Klavierspieler ein Teil seiner Seele,
dem es unmöglich ist, auf den Rest deiner Seele (dem Zuhörer) zu
reagieren und deren Anweisungen zu folgen.
Er spielt und spielt, die (traurigen und schlechten)
Gedanken können nicht von dir unterbrochen werden.
Irgendwann versuchst der Zuhörer, der inneren Stimme zu
entkommen und entfernt die Vorrichtung, die ihm
die Stimmaufnahme ermöglicht. Im Text sind es die
Ohren (obwohl sich streng genommen durch den
nackten Gehörgang immer noch Stimmen wahrnehmen
lassen), im "realen" Kopf wäre es wohl das Betäuben
der eigenen Gedanken durch äußere Einwirkungen
wie Alkohol, Medikamente etc.?
So, das wäre jetzt meine Interpretation deiner
Schreibe, es würde mich jetzt natürlich interessieren,
in wie weit (überhaupt) ich deinen Hintergedanken
getroffen habe.
Wenig Kritik und eine Menge Fragen, ich entschuldige
mich schon einmal vorab... ;-)
Gruß, Linda
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alice im wunderland Gänsefüßchen
A Alter: 37 Beiträge: 17 Wohnort: Sachsen
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A 15.10.2013 22:32
von alice im wunderland
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Mir bleibt nur eines zu sagen: schön, ergreifend, traurig.
Danke das du es mit uns geteilt hast.
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