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Mittwochs, 5 Uhr, in einer deutschen Kleinstadt (meine erste Kurzgeschichte)


 
 
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livingjukebox
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 41
Beiträge: 78
Wohnort: Kreis Soest


Beitrag21.09.2013 09:14
Mittwochs, 5 Uhr, in einer deutschen Kleinstadt (meine erste Kurzgeschichte)
von livingjukebox
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

So... nachdem ich diese Geschichte erst unter normaler Prosa stehen hatte, kommt sie jetzt letztendlich doch dorthin, wo sie eigentlich hingehört: Zum ersten Mal. Und doch, es war schön. Very Happy

Es war Mittwoch. Wir standen alle in einer großen Schlange - dicht gedrängt. Mir war kalt und ich begann zu frieren. Es war jetzt so ungefähr 5 Uhr. Vor mir stand ein jüngeres Ehepaar, ein paar Leute vor mir baute gerade eine Gruppe Jugendlicher ihr Zelt ab. Unsere Schlange war ziemlich gerade. Man hätte eine lange Linie vom letzten Mann bis zum Anfang ziehen können, wir hätten alle auf dieser Linie gestanden.

‘Nur noch vier Stunden!’, dachte ich. Dann würden sich die beiden Schwenktüren, an denen die Schlange ihren Ursprung hatte und deren Glasscheibe ungefähr auf Kniehöhe mit einem zwanzig Zentimeter großen Blech versehen war, zum ersten Mal öffnen, dann, ja dann würde die Masse mit einem lauten Geschrei auf die Tür zustürmen, mehr noch, drohen sie zu zerbrechen, um sich dann hinter der Tür auseinander zu reißen und alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mitzunehmen.

Eine Stimme riss mich von meinen heldenhaften Vorstellungen los. Sie gehörte der Frau hinter mir. „Ich mach mir jetzt erst einmal ‘nen Kaffee. Aber so ‘nen richtig schön starken“. Beinahe wäre ich auf die Frau losgestürzt, um ihr zu zeigen, wie egal mir ihr Kaffee ist, aber sie schien meine Pläne durchschaut zu haben, denn mit fast gleichgültiger Miene fügte sie hinzu: „Trinken Sie einen mit?“. Ich konnte nicht ‘Nein’ sagen, doch musste ich zugeben, dass mir ein heißer Kaffee jetzt auch gut tun würde.

Hinter mir brodelte also der Wasserkocher, von dem die Frau, erst Mitte zwanzig, behauptete, er sei ein Geschenk ihrer Mutter. Ich schaute nach vorne. Die Jugendlichen hatten bereits ihr Zelt abgebaut und losten nun aus, wer zu der benachbarten Tankstelle gehen dürfe, um eine neue Runde Bier am Nachtschalter zu holen. Schließlich wurde einer geschickt, während es sich die Restlichen auf dem kalten Steinfußboden bequem machten.

„Erst 5 Uhr 27?“, fragte die Frau hinter mir entsetzt, und ihr Wasserkocher drohte fast, überzukochen. Es war die fünfte Tasse Kaffee, die sie mir an diesem Morgen anbot. ‘Sie haben eine Stärkung nötig!’, hatte sie gesagt.

Jetzt schlug es gerade halb. Unsere Schlange wurde jetzt immer länger, erstreckte sich über den gesamten Platz und reichte fast bis zur Straße. Ein älterer Herr stand einige Personen vor mir. Er grinste nur und sagte immer solche Sätze wie „Ja, ja! Die Jugend von heute!“. Schließlich drehte er sich zu mir um. „Ey, Alter!“, sagte er, „Weißt Du noch, wie wir die alte Tante gestern abend weggejagt haben und wie ich gesagt habe: ‘Kusch dich, Omi, die Angebote gibt’s erst morgen!’?“. „Na klar weiß ich das!“, erwiderte ich, „Das ist doch erst neun Stunden her!“. Der Alte grinste und ich hörte, wie durch seine Zahnlücken der Wind pfiff. „Was? Wir stehen hier schon neun Stunden?“, fragte mich die Frau, die mir gelegentlich Kaffee anbot. „Ne,“, mischte sich da der Alte von vorne ein. „Sie stehen hier erst acht ein halb!“. Und er lachte wieder, so als ob er nie etwas anderes gemacht hätte.

Jetzt ging es auf die 6 Uhr zu. Der Jugendliche, der zum Bier holen geschickt worden war, kam mit einem Kasten Bierflaschen unter dem Arm wieder - einem Six-Pack. Die anderen Jugendlichen liefen ihm schon aufgeregt entgegen. „Wo bleibst Du denn?“, fragte einer. „Tut mir leid!“, sagte der Jugendliche nur, „Mars gab es leider nicht mehr!“. Der Alte vor mir wippte jetzt aufgeregt hin und her, als ob er versuchen wolle, gymnastische Turnübungen abzuhalten. „Na?“, frotzelte er den Jugendlichen an, „Haste dem Oppa auch Zigaretten mitgebracht?“. Dieser entfernte sich nur mit einem mitfühlenden Achselzucken und murmelte irgendetwas davon, er habe nicht daran gedacht.

Der Opa entfernte sich wieder. Er kam jetzt auf mich zu. „Lust auf ‘ne Runde Skat?“, fragte er. Wir spielten jetzt Karten und hatten einen dritten Mann gefunden. Es ist gar nicht so schwer, in einer so großen Schlange einen zu finden, der auch gerne Skat spielt. Schließlich gab ich doch entnervt auf. Der Opa schien einfach jedes Spiel zu gewinnen. Wir packten die Karten ein, das jüngere Ehepaar vor mir holte gerade ein kleines Transistorradio aus der Tasche und wir lauschten alle der Musik.

„Es ist sieben Uhr. Vom Westdeutschen Rundfunk hören Sie Nachrichten. Bundeskanzler Kohl hat erneut in Bonn sein tief...“ Mit diesen Worten wurde die freundliche Nachrichtensprecherin abgewürgt. „Ich interessiere mich nicht für Politik!“, hatte der junge Mann seine Schandtat entschuldigt.

Ich war überrascht, wie ruhig es auf ein Mal war, weil ich nicht mitbekommen hatte, dass das Radio ausgeschaltet wurde. Die Frau mit dem Wasserkocher schaute mich jetzt überglücklich an. „Nur noch zwei Stunden!“, wisperte sie. „Nur noch zwei lächerliche Stunden und wir haben es endlich geschafft!“. Sie begann zu weinen und in ihrer Stimme spiegelte sich leichter Optimismus wieder. Woher sollte die gute Frau denn auch wissen, dass zwei Stunden ganz schön lang werden können, besonders, wenn man auf irgendetwas wartet.

Irgendwann war ich eingeschlafen. Doch der ältere Herr hatte sich vorsorglich um mich gekümmert und mich geweckt. „So etwas habe ich noch nie erlebt!“, entfiel es ihm, kurz nachdem ich aufgestanden war. „Ich mach so etwas ja jede Woche, aber verstehen Sie das? Es ist 9 Uhr 13 und wir haben immer noch kein Lebenszeichen von dieser verdammten Filiale!“.

Endlich, kaum nachdem er das gesagt hatte, öffneten sich die beiden Türen. Der Aldi-Discounter machte auf. Die Menge ging erleichtert und voller fröhlicher Erwartungen in den Supermarkt um sich einer ausgiebige Besichtigung, nein, unter Umständen sogar eines Kaufes, der Angebote wie Computer, Stichsägen, und ähnlichem zu unterziehen.

Ich meinerseits blieb jedoch etwas abseits stehen. Der Alte stand immer noch in der Tür. Er schien mich beobachtet zu haben, als er fragte: „Was ist mit Ihnen? Kommen Sie nicht mit?“. Ich musste etwas überlegen, um ihm eine etwas längere Erklärung für meine Abwesenheit in diesem Markt auf den Tisch legen zu können und ich antwortete: „Bei so vielen Angeboten ist für mich kein Platz mehr da drin. Ich habe genug gesehen, bin jetzt völlig fertig und werde mich für den Rest des Tages erst einmal hinlegen.“.

Ich schien den Alten mit meinen Worten zu überzeugen, denn ich sah nur noch, wie sich die Tür schloss und hörte, wie sich der Alte lachend auf ein Angebot, ich nahm an, dass das die Stichsäge gewesen sein müsste, stürzte. Was der Mann nicht wusste, war, dass ich Reporter für eine lokale Zeitung bin und noch heute mit meinem Artikel über den Preissturz im Discounter anfangen würde. Man kriegt ja sonst keine Aufträge.

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leocardia sommer
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 59
Beiträge: 7
Wohnort: Mannheim


Beitrag30.09.2013 22:12

von leocardia sommer
Antworten mit Zitat

Hallo Lars,

ich habe gesehen, was BlueNote über deine Geschichte geschrieben hat und stimme ihm nicht zu. Er mag Literat sein und sich bestens auskennen, aber ich meine, Geschichten sind immer subjektiv zu betrachten.
Deswegen findet jemand eine Geschichte gut und der nächste eben nicht.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist die Vielschichtigkeit der Personen, die du in einem relativ kurzen Text super eingefangen hast. Außerdem fand ich den Schluss ganz witzig, dort erst Stunden zu stehen, um dann unverrichteter Dinge nachhause zu gehen.

Natürlich hätte man den ein oder anderen Satz anders formulieren können, aber wer ist schon perfekt. Ich sage - keiner - und mit 13 zweimal nicht.

 Very Happy

Leo


_________________
Keep cool and slow down...
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schnitzer
Geschlecht:männlichSchneckenpost
S

Alter: 48
Beiträge: 6
Wohnort: Wien


S
Beitrag16.02.2014 19:37

von schnitzer
Antworten mit Zitat

Hallo livingjukebox,

ich habe ein paar Anmerkungen, vielleicht hilft es dir weiter:

- die Geschichte würde ich straffen, teilweise bleibst du zulange bei Nebenthemen hängen (drei Absätze über Kaffee)
- manchmal sehr detaillierte Informationen, die aber wenig zur Geschichte beitragen: ("[...]Glasscheibe ungefähr auf Kniehöhe mit einem zwanzig Zentimeter großen Blech versehen[...]; [...]kam mit einem Kasten Bierflaschen unter dem Arm wieder - einem Six-Pack[...]
- viele Zeitangaben: 5:27; 9:13 usw... in Summe sind es zuviel Uhrzeiten, ich glaube, das wäre nicht notwendig gewesen, die Geschichte trägt sich schon selbst, da sind soviele Zeitangaben nicht notwendig, die erzeugen ein berichtsartiges Klima rund um die Geschichte.

Ansonsten aber sehr nett erzählt!

LG,

Schnitzer
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