18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Das Laufband - eine Kurzgeschichte


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Feraud
Leseratte


Beiträge: 112
Wohnort: Bad Homburg


Beitrag15.09.2013 14:41
Das Laufband - eine Kurzgeschichte
von Feraud
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Das Laufband

Ich bin arbeitslos. Trotzdem hätte ich weiß was Besseres zu tun, als inmitten murrender Kundschaft in einer Warteschlange an der Kasse eines Supermarkts zu stehen. Ganz besonders in diesem Moment. Sicher hat mein Arbeitsvermittler mein Nichterscheinen bereits vermerkt, lässt meine Schicksalsgenossen aber genauso lange warten, als wäre ich erschienen; er benötigt die Zeit, um Paragraphen zu wälzen auf der Suche einer passenden Sanktion. Ich wollte ja bei dem verbohrt dreinblickenden Herrn erscheinen, und glauben sie mir: ich weiß nicht, warum ich vor dieser Kasse hier stehe, anstatt mich meiner Zukunft zu stellen und beim Arbeitsamt zu sein. Über nervös zuckende Schultern schaue ich nach vorne. Es geht nicht voran. Als mache die Kassiererin bezahlte Pause am Arbeitsplatz oder lerne sie sich selbst ein, wohlwissend, dass sie diesen Job wie die anderen zuvor bald wieder schmeißt. Hier stinkt es nach Schweiß. Schon drehe ich mich naserümpfend um, da fällt mir ein, dass ich mich bei aller Anstrengung an die allmorgendliche Dusche nicht erinnern kann. Also richte ich meinen Blick wieder gerade aus. Schon beim Aufstehen, ich knickte gerade um, hatte ich diesen Tag mit einem Schrei als Scheißtag identifiziert. Im ersten Moment wähnte ich den verpassten Bänderriss als Glück, aber da wusste ich ja noch nicht, was kam. Ich liebe Sport. Also nichts wie in die Turnschuhe gehumpelt und raus aus der Einliegerwohnung. Die ersten Meter meiner Runde führen über Asphalt an Einfamilienhäusern vorbei. Bewohnt von fest angestellten Nachbarn,  und so müsste ich ihnen wie sonst begegnet sein, während sie auf ihrer ersten Etappe zur Arbeit erhobenen Hauptes zum Auto gehen. Doch blieben mir skeptische Blicke sowie triumphierende Grüße erspart. Ganz so, als wäre gestern in meiner Unwissenheit – ich habe das Abo meiner Tageszeitung aus Kostengründen eingestellt – eine Massenentlassungswelle über die Nachbarschaft hinweg gerollt. Deutlich kann ich mich erinnern, dass beim ersten Augenaufschlag die Sonne schien, doch jetzt war der Himmel Grau in Grau, als wäre ich verspätet aus dem letzten Traum erwacht. Auch fehlte der Wind, umso merkwürdiger aber nahm ich das Rascheln der Blätter wahr, als flüsterten sich die Bäume geheime Dinge zu. Ich rannte in den Wald, die Kieselsteine knackten unter meinem federnden Schritt. Meine Laufstrecke kenne ich blind, wie ich alsbald erfuhr. Denn plötzlich tauchte Nebel auf. Nach einer scharfen Rechtsbiegung an tiefhängenden Zweigen vorbei, die mir ins Gesicht peitschten – ein schnaufendes Geräusch wie von einem Eber hatte mich abgelenkt – ging es für wenige Minuten abschüssig voran. Der Nebel wurde dichter, und da war mir, als liefe ich in ein weißes Meer. Obwohl mein T-Shirt am Rücken schon mit dem Schweiß der Anstrengung zusammenklebte, fühlte ich, wie mich eine Gänsehaut überkam. Ein plötzliches Gefühl riet mir, auf schnellstem Wege umzudrehen. Humbug, denn wie sollte mir hier etwas passieren? Und so lief ich weiter in den sich verdichtenden Nebel hinein. Das Geraschel neben mir hatte mich kurzeitig verlassen, doch dann war es wieder da. Von tollwütigen Füchsen hatte ich meine Nachbarn auszugsweise reden gehört (mit mir selbst reden sie nicht), doch das mich begleitende Geräusch war für einen Fuchs zu schwer. Ich schollt mich für meine Furchtsamkeit, da fing dieses Geraschel auch noch zu grunzen an, und zu dem Flüstern des Waldes gesellt sich ein unheimliches Knarren, als streckten sich die Äste der Bäume nach mir. Ich zwang mich zu lachen und sprang über meine Furcht hinweg. Tatsächlich erbrach ich ein paar erstickte Laute in den Nebel, da schlug mir ein Ast ins Gesicht und verbat mir den Mund. Anstelle meines Lachens grunzte es nun zu beiden Seiten auf mich ein. So dicht war der Nebel, dass ich bis auf die nach mir schlagenden Äste nur die einen Fußbreit vor mir aufragenden Wurzeln sah. Ich lief schneller, sprang über die gestellten Fallen des Waldes hinweg. Mein Herz klopfte und mein keuchender Atem fand sein Echo im Gehechel einer Meute, deren getriebenes Wild niemand anderes war als ich. Die Sinne geblendet, das Denken beherrscht von Angst, funktionierten nur noch meine Beine, trugen mich weiter, Schritt für Schritt den entfremdeten Rundweg entlang. Kaum ging es bergauf, wusste ich mich nicht mehr weit vom Waldesrand entfernt. Der Nebel wurde lichter, und ich sah, wie das Dornengestrüpp vor mir in den Weg kroch, um ihm mir zu versperren. Stachelige Ranken schlugen nach meinen Beinen, kratzten sie auf. Ich geriet ins Straucheln, wäre um ein Haar gestürzt, konnte es um mich herum bereits fletschen hören. Doch ich fing mich auf, rannte weiter, sprang. Der Nebel wich und in persönlicher Rekordzeit hatte ich den Waldesrand erreicht. Nun waren sie alle da. Die Nachbarn mit dem Aktenköfferchen in der einen, ihrem Autoschlüssel in der anderen Hand. Doch anstatt mir ihr mitleidiges Arbeitsplatzlächeln zu schenken oder mich taktvoll nur ignorieren, starrten sie mich an, und ebenso grußlos rannte ich an ihnen vorbei.
„Hallo, sie! Sie sind dran.“
Die Kassiererin sieht mir miesgelaunt ins Gesicht, und plötzlich scheine ich der Erste in der Schlange zu sein. Trotzdem grinse ich bei dem Gedanken an meine überbordende Phantasie. Mit dem Scanner bewaffnet, beugt sich die Kassiererin über mein auf den Rollwagen gestemmtes Paket. Völlig unerwartet lächelt sie mich an.
„Das gleiche Laufband habe ich mir letzte Woche auch gekauft“, sagt sie. „Sie wohnen wohl auch mitten in der Stadt und haben keinen Wald in der Nähe?“

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
J. K.
Gänsefüßchen
J


Beiträge: 28



J
Beitrag20.09.2013 15:05

von J. K.
Antworten mit Zitat

Hallo Feraud,

deine Kurzgeschichte entpuppte sich erst zum Schluss als lesenswert. Vermutlich liegt darin der Grund, dass bisher kaum Reaktionen erfolgten. Schade eigentlich, denn sie hat Potenzial, Wenn ich empfehlen darf, geh noch mal drüber und starte früher mit einem Augenzwinkern. Die miese und ungeliebte Stimmung um das Thema Arbeitslosigkeit erzeugt den Verdacht, dass es um die bloße Meckerei eines Arbeitslosen geht, der nach dem Sinn des Lebens sucht.

Und das ist nun wahrlich nicht des Pudels Kern deiner ansonsten doch recht gut gelungenen Kurzgeschichte. Sogar die Pointe ist gelungen! Unglücklich gestartet, aber sehr gut abgeschlossen.

J. K.

Nachtrag! Ändere auch den Titel!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Herr Lich
Geschlecht:männlichGänsefüßchen


Beiträge: 18



Beitrag20.09.2013 16:04

von Herr Lich
Antworten mit Zitat

Hallo,
Ich fand die Geschichte ganz gut. Sie kommt etwas langsam in Schwung, aber die zweite Hälfte hat durchaus einen koheränten Spannungsbogen. Das Ende hat mich ein bisschen enttäuscht, ich finde 'Fantasie' als Erklärung immer etwas einfältig. Allerdings passt die Waldmetapher gut hinein.

Zum Schreibstil: Durchgehend flüssig, ein paar gute Formulierungen darin:

Zitat:
". Deutlich kann ich mich erinnern, dass beim ersten Augenaufschlag die Sonne schien, doch jetzt war der Himmel Grau in Grau, als wäre ich verspätet aus dem letzten Traum erwacht. "


Manchmal haust du ein paar Kettensätze zu viel nebeneinander, was ich persönlich zwar mag die Allgemeinheit aber als schwer zu lesen empfindet.

Und ich stimme meinen Vorposter zu, der Anfang sollte umgeschrieben werden. So wie er jetzt steht nimmt er einem die Lust an der KG, die durchaus lesenswert ist.

Mfg.
HL


_________________
q.e.d.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag20.09.2013 16:56

von Gast
Antworten mit Zitat

Hi,

Der Waldlauf nimmt einen wirklich mit. Spannend und vor allem anschaulich geschildert hat man das Gefühl selbst dabei zu sein. Lässt sich sehr schön lesen.

Meinen Vorgängern muss ich mich anschließen. Der Teil mit der Arbeitslosigkeit hat absolut nichts mit dem Rest der Geschichte zu tun. In unserer Schreibgruppe sprechen wir vom "sich warm schreiben". Manchmal muss man erst reinkommen. Am Ende sollte man unnötige Teile dann streichen.

Formell vielleicht. noch zwei Anmerkungen:

Zitat:
und glauben sie mir

Zitat:
„Hallo, sie!

Beim Siezen wird das "Sie" immer groß geschrieben.

Ich würde mir Absätze wünschen. Wenn sich die Gedanken des Protagonisten ändern, man wechselt zwischen Arbeitsamt, Supermarkt, Wohnung und Wald, dann sollten Absätze gemacht werden. Das erhöht die Lesbarkeit deutlich und erlaubt eine erste Einschätzung des Textes. Viele Absätze -> da passiert was.

Ansonsten gelungen.

LG, Christian
Nach oben
Feraud
Leseratte


Beiträge: 112
Wohnort: Bad Homburg


Beitrag20.09.2013 19:55
Danke für euer Feedback
von Feraud
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

@Herr Lich, @J.K., @Christian86: danke für euer Feedback. Es ist nützlich und die positiven Teile eurer Kritik haben mich sehr gefreut.

@J.K.: der von mir gewählte Titel ist unpassend. Da hast du vollkommen Recht. Besser wäre vielleicht "Das Laufband", in Anspielung auf die Pointe.

@J. K., @Christian86: stimmt, die eigentliche Geschichte hat nichts mit dem Thema Arbeitslosigkeit zu tun. Einzig dem Termin beim Arbeitsamt kommt eine Funktion zu. Ich versuche damit zu verdeutlichen, wie wichtig es dem Erzähler ist, das Laufband zu kaufen, was die Pointe erhöhen soll. Ich hätte natürlich auch einen Termin woanders nehmen können, müßte dem Leser den Erzähler dann aber anders nahe bringen (soziale Ächtung und Geldknappheit z.B. ziehen dann nicht mehr). Auf jeden Fall sollte ich den ersten Satz mit dem Pseudo-Bekenntnis "Ich bin Arbeitslos" streichen und den Titel ändern.

@Christian86: Absätze einfügen und das "Sie" in der direkten Ansprache groß schreiben. Ich gelobe Besserung.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
igros45
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
I


Beiträge: 42
Wohnort: z. Zt. Hamburg


I
Beitrag31.12.2013 02:16
Re: Das Laufband - eine Kurzgeschichte
von igros45
Antworten mit Zitat

[quote="Feraud"]Das Laufband
------------------------------------------------------------------------------------
Zitat:
igros45 schreibt

Hallo Kollege,
        du hast die kleine, kurze Episode eines Einkaufs im Supermarkt gekonnt verlaengert. Du hast Phantasie und Mut.
Phantasie, weil ich sehe wieviele Abzweigungen und  Umwege Du eingebaut hast um auf die Pointe zuzuschreiben und auch bei ihr anzukommen. Weiter so.
Mut hast Du, weil Dein Stil doch noch sehr zu wuenschen uebrig laesst und
Dein Wortschatz dringender Erweiterung bedarf. Auch  Kenntnisse ueber Zusammenhaenge und Synonyme etc. solltest Du mehr haben.
Rechtschreibung und Interpunktion etc.will ich hier gar nicht kritisieren, wie es gerne hier im Forum von selbsternannten Lektoren und Korrektoren immer wieder als erstes und oft auch als einzigstes getan wird.
Ich finde es kommt nur auf den Inhalt an und das der Leser in die Geschichte gesaugt wird, wie von einem Twister und Spass dabei hat.
Ich hatte Spass dabei und bin sicher, aus dir wird 'was - aber arbeite an deinen Kenntnissen ueber alles, was einen Autor ausmacht. Ich empfehle dir sogar einen Lehrgang, oder ein Seminar, dass dich enorm weiter bringen wuerde.  Lass nicht nach. Mach weiter und uebe, uebe, uebe!
Und...................bitte lies auch meine in der Werkstatt eingestellte Geschichte ( noch nicht redigiert) " [color=red]Anatol und der Mann in schwarz
" und den Rest meiner Werke. 2.481 Beitraege!!   Hahahahaha. Nee, das ist quatsch. Ich habe 'mal grade 4 oder 5 Geschichten/Gedichte eingestellt
Dann gib mir bitte Deinen Kommentar. Nur so lerne ich auch dazu. Denn ich schreibe nicht fuer mich. Ich will, wie Du, Menschen zu Lesern machen
und die dann so fesseln, dass sie immer wieder Kohlen fuer meine Storys oder auch Romane hinlegen.
Danke Dir und.....
[/color]
                                   einen guten Rutsch ins neue Jahr.
                Bleib gesund und munter und mir gewogen.

igros45
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Dies und Das
Was bedeutet das Wort dialogal?
von PatDeburgh
PatDeburgh Dies und Das 5 26.04.2024 13:57 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtschreibung, Grammatik & Co
Aufstartete; warum zeigt Word das als...
von TheRabbit95
TheRabbit95 Rechtschreibung, Grammatik & Co 10 24.04.2024 16:24 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Eine Frau wie ich hat immer ein Gehei...
von Hera Klit
Hera Klit Feedback 0 23.04.2024 09:26 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rezensionen
,,Die Ärztin“- ein Theaterstück m...
von Oneeyedpirate
Oneeyedpirate Rezensionen 0 19.04.2024 22:53 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Hallo an alle und eine kleine Vorstel...
von Oneeyedpirate
Oneeyedpirate Roter Teppich & Check-In 2 18.04.2024 22:53 Letzten Beitrag anzeigen


Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!