9/11 - wo warst Du?

[holg]

Da mich das Orm gerade ein wenig flieht, habe ich mich bereitwillig von der mittwöchlichen Betroffenheitswelle überspülen lassen.
Auch hier im Forum gab es ja einen Text dazu.
Allgemein glaube ich, dass 9/11 eines der wenigen Ereignisse ist, die sich so in die kollektive Erinnerung gegraben haben, dass jeder noch weiss wie er diesen Tag erlebt hat. Lasst es uns teilen!
(Teil 2 wird dann der Mauerfall.)

Wir warteten in der Lobby des Hotels in Antalya auf das Taxi zum Flughafen, als einer der Animateure hereinstürmte.
»Ist hier ein Fernseher? Oder Internet?«
Fernseher gab es nur auf den Gästezimmern, am Internetcomputer in der Ecke wartete jemand darauf, dass sich eine Seite aufbaute. »Internet ist heute aber sehr langsam. Da geht seit Minuten nichts.«
»Ein Flugzeug ist abgestürzt. In New York. In ein Hochhaus gerast«, rief der Animateur. Er wusste nicht viel, hatte eine SMS aus Deutschland bekommen. Ich dachte, sicher so ein Sightseeing-Hubschrauber oder ein Kleinflugzeug.
Am Flughafen dann sahen wir an einem Imbissstand in einem fettigen Minifernseher das verrauschte Bild des brennenden Hochhauses. Es war sehr still in der Abflughalle.

Am Abend, Zuhause, unglaublich scharfe, klare Bilder der Katastrophe. Immer und immer wieder stürzten die Türme des World Trade Centers in sich zusammen, sah man Menschen aus den Fenstern fliegen. Sie tauschten einen Tod gegen den anderen.
Ich musste an Orson Welles denken, an Krieg der Welten, und hofte beim Einschlafen noch, dass am Morgen die Zeitungen »Emmerich-Hoax erschüttert Deutschland« titeln würden.

Wie hast Du den elften September erlebt?

[Kanelbolle]

holg,
den Thread finde ich interessant. Mir fällt da auch eine nette Anekdote an einem grauenhaften Tag ein, auch wenn die sich schlecht in eine Kurzgeschichte fassen lässt (oder besser gesagt, ich es nicht kann)...

Damals war ich natürlich nicht mal halb so alt wie jetzt. Um genau zu sein musste ich nur noch einen knappen Monat auf meinen dritten Geburtstag warten.
Meine Eltern und ich machten damals Urlaub an der Nordsee und für mich war es das erste Mal überhaupt am Strand. Der Wind war kalt und im Großen und Ganzen war das Wetter eher bescheiden. Trotzdem bin ich mit Gummistiefeln und Plastikschaufel bewaffnet quer über den Strand gerast, stets in der Nähe meiner Eltern.
Als ich dann das erste Mal meine Füße ins eiskalte Wasser geschoben habe, war mir das Phänomen der Wellenbewegungen natürlich noch gänzlich unbekannt. Und dies führte dann auch zum ersten Übel des Tages: Kaum zog sich die Welle zurück ins Meer, verlor ich auf einmal das Gleichgewicht und einen Augenblick später lag ich der Länge nach im Wasser.
Mein Vater ist nach vorn gehechtet und hat mich sofort auf den Arm genommen, aber ich war bereits von Kopf bis Fuß nass.
Dieser Zwischenfall beendete unseren Ausflug und meine Eltern hasteten mit mir auf dem Arm zurück zum Ferienhaus, um mich wieder trocken zu legen und eine Erkältung zu vermeiden.
Während ich in der heißen Badewanne saß und Mama mich von oben bis unten mit der Brause abspülte, sah mein Vater die ersten Berichte über das Flugzeug, dass in einen der Zwillingstürme gestürzt war.
Laut dem TV war dies genau zu diesem Zeitpunkt geschehen, als ich mich in der Nordsee lang gelegt hatte. Später dann wurde auch über das zweite Flugzeug berichtet.

Natürlich haben mir das meine Eltern alles hinterher erzählt, ich selbst kann mich kaum noch daran erinnern. Aber wahr ist es mit Sicherheit.

[Ithanea]

Ich kam gegen vierzehn Uhr zuhause an. Obwohl es nicht sehr weit von der Schule entfernt lag, brauchte man mit dem Bus eine Ewigkeit, um in mein Kaff zu kommen.
Meine Mutter hatte mir irgendetwas zum Essen vorbereitet, das ich mir warm machen konnte. Damit setzte ich mich ins Wohnzimmer und schaltete die Glotze ein. Nachrichten. Ich zappte weiter. Auch Nachrichten. Weiter.
Als auch im dritten Sender Nachrichten liefen, sah ich hin. Ein Turm des World Trade Centers rauchte, kurze Zeit später flog ein Flugzeug in den anderen. Winzige schwarze Gestalten stürzten sich aus den Fenstern. Ein Turm brach in sich zusammen. Gewaltige Rauchwolken. Ich schaltete wieder zurück und weiter. Auf jedem Sender.
Das Telefon klingelte. Eine Freundin aus der Schule war dran. Ihre Mutter sagte, das würde zu einem Krieg führen.

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Ich war 2001 elf. Habe vieles über die Bedeutung erst etwas später verstanden, kann mich aber, wie du schon sagst, noch ziemlich gut an den Nachmittag erinnern. Ich kenne allerdings jemanden - in meinem Alter - der gar nicht mehr weiß, was er an diesem Tag gemacht hat oder wann er wie davon mitbekommen hat.

[firstoffertio]

Meine Mutter war zu der Zeit hier mit Freunden. Sie hatte damals ein Ferienhaus hier. Wir hatten den Tag zusammen verbracht. Ich weiß nicht mehr, wo. Dort, bei uns, oder waren wir unterwegs?. Es war gutes Wetter und ein schöner Tag zusammen gewesen, das weiß ich noch. Ein gutgelaunter Tag. Am Abend zu den Nachrichten waren wir aber schon alleine daheim. Mein Mann war noch am Spülen. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Rief ihn und T gleich, und dann, als ich realisiert hatte, was ich sah, war wahr,  rief ich meine Mutter an, die im Ferienhaus  keinen Fernseher hatte. Am nächsten Tag schauten sie und ihre Freunde sich die Aufnahmen hier an. Sie wurden ja immer und immer wieder gebracht. Erst als sie das selbst sehen konnten, sackte bei ihnen, was ich ihnen am Telefon verbal übermittelt hatte.

[Ithanea]

Im Nachhinein stelle ich fest, dass da ja irgendwas mit meinem Zeiterleben nicht stimmen kann... Wars wohl doch schon später, als ich es gesehen habe.