18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Mein erstes Mal
Wie lange darf ich trauern?


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
PainMelMagic
Schneckenpost
P


Beiträge: 8



P
Beitrag03.08.2013 20:25
Wie lange darf ich trauern?
von PainMelMagic
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, aber da es sich um meine erste Kurzgeschichte handelt, nehme ich an, dass das schon der richtige Ort dafür ist. Ich möchte Euch gerne meinen ersten Versuch einer Kurzgeschichte vorstellen, die ich vor einiger Zeit geschrieben habe.
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und freue mich auf Eure Kritik.

Wie lange darf ich trauern?

Wie lange darf ich trauern?
Muss ich stark sein, oder kann ich mich bedauern?
Kann ich mich hängen lassen,
oder muss ich mich, wie gewöhnlich mit meinem Alltag befassen?
Niemand, wirklich niemand kann es mir sagen,
denn für alle, ist der Verlust eines geliebten Menschen, kaum zu ertragen.

Wie Sie ein gesünderes Leben leben, lese ich auf der ersten Seite einer angesehen Zeitschrift, deren Titelblatt mit einem gutaussehenden, blonden Mädchen besetzt ist.
Wie lebt man ein gesünderes Leben?, frage ich. Lebt man gesünder, indem man regelmäßig einen Arzt besucht? Indem man viel Sport treibt, viel Obst und Gemüse zu sich nimmt oder indem man einfach nur sein Leben lebt und es in vollen Zügen genießt?
Ich sitze im Wartezimmer einer kleinen Zahnarztpraxis. Diese ist von allen vier Seiten mit einer schönen Glasfront umgeben. Die eine Seite zeigt in den bunten, mit blühenden Blumen geschmückten Innenhof und die andere auf dem Empfang, zu einem netten und rothaarigen Mädchen, das jeden Patienten herzlich empfängt.
In zehn Minuten ist es so weit, dann beginnt mein Bewerbungsgespräch.
Es ist jetzt über ein Jahr her, dass ich nicht mehr gearbeitete habe und es ist jetzt schon über acht Monate her, dass ich meine Hochzeit mit dem Mann gefeiert habe, den ich über alles liebte.
Liebte. Denn er ist Tod. Verstorben vor zwei Monaten. Krebs.
Wir haben uns vor drei Jahren auf einer Verkupplungsparty meiner Freundin kennengelernt. Es war, wie man so schön sagt, Liebe auf den ersten Blick. Drei wundervolle und gesunde Monate hatten wir ohne Sorgen, ohne Trauer und ohne Krankheit. Dann kam die Diagnose. Leukämie.
Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern, der 13. Mai 2009 auf der Dachterrasse seiner Wohnung. Ein lauwarmer Frühlingsabend, den wir mit einem Glas Wein beenden wollten.
Als er mir davon erzählte, hatte ich das Gefühl, ich würde neben mir stehen. Ich sah ihn und ich sah mich.
Die ersten Sekunden saß ich nur, wie versteinert auf dem Stuhl, doch dann wie vom Blitz getroffen, machte ich ihn und in gewisser Weise auch mir sofort Hoffnung und Mut. Ich sagte zu ihm, dass ich bei ihm bleiben werde, dass ich ihm helfen werde und dass wir das gemeinsam durchstehen werden. Er selbst dachte sofort über eine Trennung nach, um mir diese Last zu ersparen. Diesen Gedanken schlug ich ihm aber augenblicklich wieder aus dem Kopf. Eine Krankheit ist für mich kein Trennungsgrund, und vor allem nicht, wenn die Chance auf Heilung besteht, dies haben die Ärzte zumindest gesagt.
Noch fünf Minuten bis zu meinem Bewerbungsgespräch.
Er kämpfte und versuchte immer neben mir den starken Mann zu spielen, er hatte gute und er hatte schlechte Tage, wobei die schlechten Tage von Woche zu Woche die Oberhand ergriffen. Ich war immer bei ihm, bei jedem Krankenhausbesuch und auch zuhause, deshalb hatte ich meinen Beruf als Zahnarzthelferin vorerst aufgegeben.
Als die Diagnose kam, dass er nicht mehr lange zu leben hat, habe ich ihm einen Heiratsantrag gemacht. Ganz spontan, während eines gemütlichen Spaziergangs im Wald. Ich wollte ihn als meinen Ehemann bezeichnen und ich wollte, dass er weiß, dass ich immer für ihn da bin und ihn bis zum Schluss begleiten werde.
Im ersten Moment war er wie vor den Kopf gestoßen und wollte nicht, dass ich mich mit 26 Jahren schon als Witwe bezeichnen kann. Ich konnte ihn jedoch überreden und heute weiß ich, dass ich ihm damit eine große Freude gemacht habe, dass er den Tag, den jeder Mensch in seinem Leben einmal erleben soll, dass er diesen Tag durchlaufen durfte.  
Unsere Hochzeit war die schönste Erfahrung, die wir beide gemeinsam erlebt haben. Alle waren da. Von den ehemaligen Arbeitskollegen bis hin zu den ehemaligen Vorgesetzten. Von Bekannten bis zu Freunden und von Verwandten bis hin zur Familie. Es war nicht nur unsere Hochzeit, sondern auch eine kleine Abschiedsfeier. Er wollte es so.
Unsere Flitterwochen mussten wir absagen, weil sich sein Zustand nach der Hochzeit rapide verschlechterte. Sein größter Traum war eine Nordkap Kreuzfahrt, einmal in seinem Leben wollte er auf der Plattform stehen. Er wollte ein Foto haben, auf dem er die Nordkapkugel mit ausgestreckten Händen auf seinen Schultern trägt. Er wollte die Polarlichter im Schnee sehen, er wollte wissen, ob der hohe Schnee des Nordens die grellen Farben widerspiegelt. Das fand er leider nie heraus und er durfte dies auch nicht mehr erleben, denn sechs Monate später, kam der Abschied.
Ich brachte ihn am Abend, weil es ihm immer schlechter ging, gegen seinen Willen ins Krankenhaus. An den Blicken und am Verhalten der Ärzte wusste ich genau, dass der Zeitpunkt gekommen ist. Der Zeitpunkt, indem die Engel ihn bald zu sich holen werden.
Ich wachte an seinem Krankenbett. Die ganze Nacht, bis er die Augen schloss und friedlich eingeschlief. Ich war der letzte Mensch, den er gesehen hat. Ich blieb stark für ihn und habe gelächelt, als er von mir ging.
Seit zwei Monaten kämpfe ich nun mit meiner Trauer und bin am Zweifeln, ob ich auch wirklich schon so weit bin, um wieder in den Alltag einzusteigen. Mich unter Leute zu mischen und mich nicht mehr nur in meiner Wohnung zu verkriechen, zu essen, zu schlafen und meine Familie auszugrenzen, um alleine zu sein.
Trauer ist das Grauen für Körper und Seele und Trauer braucht Zeit, viel Zeit, das sind die Worte meiner Mutter.
Die eine Seite in mir sagt: Es reicht, die Erde dreht sich weiter, schließe ab und beginne einen anderen Abschnitt in deinem Leben. Die andere Seite sagt: Ein Bisschen noch. Doch wie lange ist ein Bisschen? Kann sich ein Bisschen, ein Leben lang hinaus ziehen?
Dicke Regentropfen setzen sich auf der äußeren Fensterscheibe ab, die sich aus den dichten Wolken befreien. Sie gleiten sanft auf der glatten Scheibe nach unten, genauso wie meine Tränen, die ich in den ersten Tagen vergoss, nachdem mein Ehemann von mir ging. Ich wollte schreien, fühlte mich leer und kühl, ich wollte alleine sein, obwohl ich mich tief in meinem Inneren nach Geborgenheit und Wärme sehnte. Ich weinte so lange, bis ich keine Tränen mehr hatte. So lange bis ich nur noch traurig da saß, die Wand an stierte und ohne Tränen weiter trauerte.
Traurig und Trauern, diese zwei Worte verbindet etwas. Schmerz, Kummer, Leid, Zorn und so vieles mehr. Warum Zorn? Weil ich mich jedes Mal frage, bevor ich schlafen gehe. Warum er? Und ich mir jeden Tag dieselbe Frage stelle, wenn ich morgens meine Augen wieder öffne.
Wie lange darf ich eigentlich trauern, wann darf ich wieder lachen und wie soll ich trauern?
Jeder Mensch weiß selbst, wie er mit seiner Trauer umzugehen hat. Jeder Mensch weiß selbst, wie lange er trauern will, um den Verlust eines geliebten Menschen zu überwinden. Denn Trauern gehört leider nun einmal mit zum Leben, genauso wie der Tod. Dies waren die Worte meines Schwagers, als er eine Abschiedsrede am Grab seines Bruders hielt.
Ich bin mir sicher, dass mein geliebter Ehemann jetzt im Himmel seine Träume verwirklichen kann. Ich stelle ihn mir vor, wie er seine Nordkapkugel auf den Schultern trägt und er zusammen in der Nacht mit den Polarlichtern einen Tanz aufführt.
Es ist soweit, durch die Glasscheiben sehe eine kleine Helferin auf mich zu kommen. Sie öffnet freundlich die Tür und sagt meinen Namen.
Emelie Becker.
Becker. Mein Name. Der Name, der mich immer an meinen Mann erinnert. Ich sehe auf den weiß, gefliesten Fußboden und lächele für mich. Das ist es. Warum sollen wir unsere Flitterwochen nicht gemeinsam verbringen? Ich trage ihn in meinen Herzen und in meinen Erinnerungen. Er wird immer bei mir sein und ich werde ihn für immer lieben.
Ich stehe auf und gehe. Nordkap wir kommen.

LG PPM

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
wonderland
Eselsohr

Alter: 59
Beiträge: 201
Wohnort: bei Giessen, Hessen


Beitrag05.08.2013 22:45

von wonderland
Antworten mit Zitat

Hi PPM,
ich will mich mal an einem Feedback versuchen, obwohl es mir schwer fällt. Ich habe beim Lesen immer wieder das Gefühl, hier ist jemand mitten in seiner Trauer und versucht seine Gefühle in Worte zu fassen.
Ich weiß nicht, ob es sich beim Titel um evtl. eine Real-life-Frage der Schreiberin handelt (für die sie dringend eine Antwort bräuchte, die der Leser ihr aber nicht geben wird!) oder ob es eine Story für Leser sein soll.
Der Unterschied für mich ist der, dass im ersten Fall die Schreibende Zuspruch und Mitgefühl braucht, und im zweiten Fall hätte sie für sich das Ganze ein Stück weit verarbeitet und würde wollen, dass man als Dritter lesend auch diese Erfahrung machen kann. Das leistet der Text für mich in der Form nicht. Auch wenn ich klar sehe, dass es eine sehr traurige Geschichte ist.
Ich hoffe, ich drücke mich einigermaßen verständlich aus.
Schreibt man für Leser, sind die Anforderungen an Texte andere als wenn man für sich zum Verarbeiten schreibt. Und es wäre unfair einen Verarbeitungstext mit diesen Kriterien zu messen.
So sehe ich das, vielleicht kannst du damit ja was anfangen, für den Anfang wenigstens.
LG


_________________
Denk selbst
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
leocardia sommer
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 59
Beiträge: 7
Wohnort: Mannheim


Beitrag28.09.2013 19:40
Schluck...
von leocardia sommer
Antworten mit Zitat

Hallo PPM,

ich kann mich Wonderland nur anschließen. Ich glaube, ein Feedback über Aufbau, Stil- oder Schreibfehler wäre hier fehl am Platz. Ich war betroffen und gerührt, als ich deine Geschichte  gelesen habe. Betroffen, weil ich selbst verheiratet bin und gerührt über die Reise ans Nordkap.

Egal was uns das Leben gibt, stark ist nur, wer richtig liebt.

Leo
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Mein erstes Mal
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Check-In (Wer ich bin)
von Ella_Cross
Ella_Cross Roter Teppich & Check-In 4 12.04.2024 21:33 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Warum ich schreibe, und warum ich noc...
von meergrund
meergrund Roter Teppich & Check-In 4 11.04.2024 17:25 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Pavlos Dog oder wie wie ich ein guter...
von Cholyrika
Cholyrika Werkstatt 0 08.04.2024 15:16 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Profession Schriftsteller (Leid und Lust)
Wie geht ihr mit Ideenflut um?
von Chandrian
Chandrian Profession Schriftsteller (Leid und Lust) 24 08.04.2024 12:00 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Genre, Stil, Technik, Sprache ...
Wie kommt die Langeweile in die Prosa...
von Nina
Nina Genre, Stil, Technik, Sprache ... 25 06.04.2024 10:15 Letzten Beitrag anzeigen

BuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von denLars

von Oktoberkatze

von MoL

von d.frank

von femme-fatale233

von holg

von EdgarAllanPoe

von madrilena

von hobbes

von Schreibmaschine

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!