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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Der Flaschengeist


 
 
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mondblume
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Beitrag04.06.2009 21:21
Der Flaschengeist
von mondblume
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Hier mal wieder was von mir. Ist eine Kurzgeschichte, aber eine etwas längere, wird deshalb in drei bis vier Happen serviert. Ich hoffe, ihr haltet durch bis zum Schluss (wenn nicht, ist das auch schon eine Aussage...)  Embarassed

Der Flaschengeist

In der Ecke des Wohnzimmers stand der Designer-Flachbildschirmfernseher, den er aus zweiter Hand zu einem schamlos günstigen Preis im Internet ersteigert hatte. Ein Nachrichtensprecher mit geschmackloser Krawatte und wahrscheinlich frisch gefärbtem silbernem Haar berichtete mit unbewegter Miene über eine Naturkatastrophe in Südostasien. Lautlos. Mit ebenso versteinertem Gesicht starrte Paul aus dem Fenster. Draussen im Dunkeln funkelten die Lichter der Stadt, und die Regentropfen, die gegen die Scheiben prasselten, hinterliessen Spinnweben aus farbigen Schlieren in seinen müden Augen. Die kühle Präsenz des Nachrichtensprechers passte gut zum Rest des Zimmers mit den Schrankelementen in Weiss und Chrom, den Fenstern ohne Gardinen, den weissen Wänden ohne Bilder und dem schwarzen Ledersofa. Puristen würden den Stil wahrscheinlich als „opulente Schlichtheit“ bezeichnen und mit Tränen in den Augen der Anwesenheit des Nichts huldigen. Paul hingegen verfluchte die sterile Leblosigkeit des Raums, in dem nicht einmal ein Staubkorn zu finden war – dafür sorgte seine Putzfrau. Aber was wollte er schon dagegen unternehmen, aufstehen und Vorhänge kaufen? Oder Plastikblumen aufstellen? Dafür fand er keine Kraft in seinem Inneren, so sehr er auch suchte. Die Putze bitten kam nicht in Frage. Sie verstand nur rumänisch.

Die einzigen kleinen Lichttupfer waren die vereinzelt aufgestellten Kerzen, von denen allerdings keine länger gebrannt hatte als 1 cm – gekauft und verteilt von seinem letzten Flirt, der nicht länger gedauert hatte, als die Kerzen brannten. Er wusste nicht einmal, warum sie überhaupt noch standen, er hasste Kerzenlicht. Es verwischte die Grenze zwischen Realität und Traum und liess den Dämonen Eintritt zu seiner Welt. Dies zu verhindern vermochten mittlerweile nurmehr grelles Licht und Weihrauchstäbchen; aber inzwischen erstickte er selber schon beinahe an dem Qualm, der ohne Unterbruch durch seine Wohnung wallte, und auch die Dauerbeleuchtung, der er sich sogar während des Schlafens aussetzte, verlor zunehmend ihre Wirkung. An jedem erbärmlichen Tag und in jeder verdammten Nacht kamen sie wieder ein Stückchen näher und lachten ein wenig lauter. Bald würden sie mit ihren langen Krallen an seiner Türe kratzen und ihr giftiger Atem würde durch den Lüftungsschaft dringen. Und dann war er verloren.

Obwohl – war er das nicht jetzt schon?

Gedankenverloren zupfte er an der Etikette der halbleeren Flasche, liess die Papierfitzel auf den Boden fallen. Sein Kopf war zu müde, um seinen eigenen Gedanken folgen zu können, aber sein Körper stand wie unter Strom, war hellwach, vibrierte, jederzeit bereit, die Flucht ergreifen zu können. Fliehen, vor sich selber. Ein bitteres Lachen durchbrach die Stille und Paul schrak auf. Ja, dachte er, verloren muss ich jetzt schon sein, wenn ich nicht einmal mein eigenes Lachen wiedererkenne. Und griff mit einem tiefen Seufzer nach der Wodkaflasche, um sich ein Glas einzuschenken. Voll bis an den Rand. Aber ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten.

Sein Kopf nickte mechanisch auf und ab, im Rythmus einer nicht vorhandenen Musik. Der Regen trommelte weiter leise gegen sein Fenster, die mal stärker, mal schwächer glühende Spitze seiner Zigarette sandte einen Morsecode ins Schwarz der nächtlichen Stadt hinaus. Eine Einladung; kommt, kommt und holt mich. Holt mich hier raus, macht mich fertig, bereitet dem ein Ende. Würgt mich mit euren dornenbestückten Schwänzen, kratzt mir die Augen aus mit euren messerscharfen Krallen, reisst mir die Haut vom Leib, saugt mich aus, den Rest, der noch übrig ist, so wie ihr es schon tausend Mal in meinen schlimmsten Träumen gemacht habt, worauf wartet ihr! Hektisch schwenkte der Wodka im Glas, schwappte über und spritzte auf den hellen Parkettboden, löschte die Zigarettenkippe, die heruntergefallen war. Mit gequältem Gesicht und unsicherem Schritt ging er zum Sofa, liess sich fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Sein Herz raste. Schlaf, süsser Schlaf, warum hast du mich verlassen? All die friedlichen Träume von sprechenden Fischen, grasenden Kühen auf blühenden Almwiesen oder über-die-Landschaft-fliegen – alle zusammengepackt und zu graugrünem giftigem Schleim zerstampft. All die geilen Bilder von zwei, drei oder vier verschwitzen Leibern, die sich stöhnend und jauchzend aneinanderreiben – verwandelt in Höllentiere mit blechernem, ohrenzerreissendem Lachen und geifernden Mäulern. Trink, flüstert ihm der versilberte Nachrichtensprecher zu, trink noch ein paar Gläser, und dein Schlaf wird traumlos sein, schwarz wie Pech und dickflüssig wie Teer.

Fortsetzung folgt!
LG mondblume

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schlumpfine113
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Beitrag05.06.2009 11:52

von schlumpfine113
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Hallo Mondblume!

Wichtig ist mir, dass meine Meinung zu Deinem Text höchst subjekt ist.

Irgendwie gefällt mir Deine flüssige Sprache ABER ich muss zugeben, dass ich mitten im Text nahe dran war, meine Aufmerksamkeit abschweifen zu lassen. Der Grund sind die langen, für meinen Geschmack unübersichtlichen Sätze.

Es ist mir auch noch nicht ganz klar, worum genau es in Deiner Geschichte eigentlich geht. Vielleicht stehe ich ja auch einfach auf dem Schlauch. Geht es um einen Alkoholiker? Oder geht es um einen psychisch kranken Mann?

Generell würde ich die Sätze kürzer und übersichtlicher gestalten, an manchen Stellen kannst Du zwei Sätze daraus machen. Z.B

Zitat:
Draussen im Dunkeln funkelten die Lichter der Stadt, und die Regentropfen, die gegen die Scheiben prasselten, hinterliessen Spinnweben aus farbigen Schlieren in seinen müden Augen.


Warum nicht: Draussen im Dunkeln funkelten die Lichter der Stadt. Die Regentropfen, die gegen die Scheiben prasselten, hinterliessen Spinnweben aus farbigen Schlieren in seinen müden Augen.

Zitat:
Und griff mit einem tiefen Seufzer nach der Wodkaflasche, um sich ein Glas einzuschenken


Das "und" weglassen und den Satz so formulieren:
Mit einem tiefen Seufzer griff er nach der Wodkaflasche....

Ich kann Dir hier leider nicht jeden Satz aufzeigen, bin auf dem Sprung. Aber ich möchte Dir nahelegen, Dir das ganze nochmals durchzulesen und einzelne Schlangensätze darauf hin zu prüfen, ob Du sie nicht etwas kürzer oder gar in 2 Teilen schreiben kannst.

Ach ja, dieser Satz hier gefällt mir sehr:

Zitat:
Puristen würden den Stil wahrscheinlich als „opulente Schlichtheit“ bezeichnen und mit Tränen in den Augen der Anwesenheit des Nichts huldigen.


Liebe Grüsse
Schlumpfine
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mondblume
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Beitrag05.06.2009 12:05

von mondblume
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Grüezi Schlumpfine!

auch grad auf dem Sprung...

schlumpfine113 hat Folgendes geschrieben:


Es ist mir auch noch nicht ganz klar, worum genau es in Deiner Geschichte eigentlich geht. Vielleicht stehe ich ja auch einfach auf dem Schlauch. Geht es um einen Alkoholiker? Oder geht es um einen psychisch kranken Mann?



Es geht um einen Mann, der mittels des Alkohols versucht, seinen Alpträumen/Wahnvorstellungen zu entfliehen. Das macht ihn dann wohl zum psychisch angeschlagenen Alkoholiker  Confused
Wird vielleicht in der Fortsetzung klarer?


Dass einige Sätze etwas zu lang geraten sind, muss ich wohl eingestehen. Werde ich ändern bevor ich die nächsten Seiten reinstelle.

Danke für den Kommentar, grüess mer d'Schwiiz schön. Wo wohnsch?

LG mondblume
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schlumpfine113
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Beiträge: 63
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Beitrag05.06.2009 12:34

von schlumpfine113
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Hallo Mondblume

Im Züri-Oberland, und woher chunsch Du?  Very Happy

Grüessli
Schlumpfine
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mondblume
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Beitrag05.06.2009 12:56

von mondblume
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hallo schlumpfine, ich bin im aargau ufgwachse, i dr nöchi vo bade. han au es ziitli in richterswil gwohnt. und jetzt halt spanie, so spielt s'läbe!

grüessli, mondblume
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mondblume
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Beitrag06.06.2009 13:08

von mondblume
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Teil 2

Also trank er. Jede Nacht, die ganze Nacht, bis er halb ohnmächtig umfiel.

Er verstand gar nicht, warum er überhaupt noch eine Arbeitsstelle hatte. Er bemühte sich zwar sehr, gewissenhaft den Anforderungen gerecht zu werden und täglich pünktlich im Geschäft zu erscheinen. Aber manchmal halfen auch die eiskalte Dusche und die drei brennendheissen Filterkaffees nicht über die erschöpfende Müdigkeit hinweg und er sackte am Küchentisch wieder zusammen oder schlief im Zug ein. Er war sich der Blicke wohl bewusst, die hinter seinem Rücken getauscht wurden. Er tat seine Arbeit, wohl, er gab sich alle Mühe. Langsam, aber stetig. Er wusste, dass ihm das, was er heute mechanisch erledigte, früher einmal Spass gemacht hatte. Er ging freundlich und respektvoll mit seinen Mitarbeitern um, sofern er überhaupt mit ihnen sprach. Er wollte nicht anders sein als sie. Aber seine Träume hatten ihn dazu gemacht. Anders. Fremd. Immer auf der Hut vor Gestalten, die in dieser Welt nichts zu suchen hatten. Die ihm höhnisch zuzwinkerten und ihm zuriefen: „Wir warten auf dich!“

Stöhnend wand er sich auf dem Sofa und blinzelte ins grelle Deckenlicht, um das Bild zu vertreiben. Nahm noch einen grossen Schluck, steckte sich noch eine Zigarette an. Wahrscheinlich stank er, ja bestimmt stank er. Nach Zigaretten, deren grauer Rauch tief in seiner Haut sass, in seinen Haaren und in seinem Atem, der aus seinen verfaulten Lungen kam. Nach kaltem Schweiss, der bei der kleinsten Bewegung aus seinen Poren zu fliessen begann. Wie hatte er diese Gerüche gehasst als Kind, wenn sich sein Vater über ihn gebeugt hatte! Das grosse Herz seines Vorgesetzten musste es sein, das ihm seinen Arbeitsplatz sicherte. Sie kannten sich von früher, als seine Welt noch heil und er ein geselliger junger Mann war. Jetzt sprachen sie kaum mehr miteinander. Aber Paul sah das Mitleid in seinen Augen, wenn sich ihre Wege morgens vor der Kaffeemaschine kreuzten. Dieser Blick, vor dem er sich schon fürchtete, bevor er überhaupt durch das Firmenportal schritt. Dieses ätzende Erbarmen, das sich wie Säure in seine Eingeweide frass. Was weißt du schon, wisst ihr alle schon, wollte er dann jeweils loswimmern, sich am Boden windend. Was tuschelt ihr in der Kantine über mich, was denkt ihr? Als was habt ihr mich abgestempelt, als sozialen Versager? Als einen, der bald durch die Masche des gesellschaftlichen Netzes fallen, nein, stürzen wird? Selber die Schuld tragend an seiner Misere? Nein, ihr seid alle auf dem Irrweg! Ich bin nicht schuld an meinem Zustand, das ist nicht möglich. Wie könnte ich zulassen, dass mir solches widerfährt? Trüge ich Schuld, ich würde die Situation auf der Stelle in die Hand nehmen und ändern. Aber ich kann nicht; es steht nicht in meiner Macht. Ich bin eine verlorene Seele, die durch das Dämmerlicht zwischen den Welten flattert. Ein blinder Fisch, der ahnungslos in den Rachen des Haies schwimmt. Ein fragiler Schmetterling, der vom Sturm gebeutelt wird, bis dieser seine bunten Flügel zerfetzt.

Wer? Wer ist es, der mich wie eine Puppe an den Schnüren tanzen lässt und genüsslich einen Strang nach dem anderen durchschneidet?

Dieser Gedanke brannte in Pauls Kopf, lichterloh, als ein heiseres Ächzen grausam die Stille durchbrach. Das Glas in seiner Hand fiel mit einem splitternden Klirren zu Boden. Der randvolle Aschenbecher schlingerte gefährlich in Richtung Tischrand, als sein Fuss heftig gegen das verchromte Tischbein stiess; sein Gesicht verzerrte sich zu einer grauen Maske aus Qual und Furcht. Sie waren da. Heute Nacht war also die Nacht, in der sie ihn holen kamen; viel zu früh, nein, er wollte noch nicht gehen! Zusammengerollt wie ein Fötus lag er auf dem schwarzen Sofa, lautlos in sich hineinweinend, bis sich ein Druck in ihm aufstaute, der kaum mehr auszuhalten war. Der ihm die Luft abschnitt. Stille umgab ihn.

Stille.

Fortsetzung folgt!

LG mondblume
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Sun Wukong
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Beiträge: 459

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S
Beitrag06.06.2009 18:41

von Sun Wukong
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Hallo Mondblume,
eine kleine Rückmeldung von mir: mit dem ersten Text, den Du reingestellt hast, konnte ich nicht so viel anfangen, die beständig wechselnden Bilder waren mir zu anstrengend. Aber hier in der Erzählung gefallen mir Deine Bilder sehr gut, das Lyrische und Erzählende vermischen sich in sehr angenehmen Dosierungen. Also ich bin gespannt auf den Rest der Geschichte.

Grüße, Kealakekua.
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mondblume
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Beitrag06.06.2009 18:55

von mondblume
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Danke!  Very Happy  Very Happy  Very Happy

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Hardy-Kern
Kopfloser

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Beitrag06.06.2009 21:43

von Hardy-Kern
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Hallo Mondblume,
ich habe nicht viel an der Geschichte auszusetzen, trotzdem ich die etwas anders angepackt hätte. Habe im Forum über Alkohol auch schon mal eine Geschichte geschrieben (Vom Delirium zum Koma?) und weiß, dass es nicht leicht ist dieses Thema zu bewirtschaften.

Du musst aber jetzt aufpassen, denn irgendwie müssen die Gründe für den Teufel Alkohol noch mit rein. Lass dir ruhig Zeit. Am Anfang leicht überdreht, aber später gut geschrieben. Daumen hoch

Hardy
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Noelia
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Beitrag07.06.2009 00:52

von Noelia
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Liebe Mondblume!

Eigentlich spricht mir Kela...dingsbums (sorry nimms nicht persönlich Laughing ) direkt aus der Seele.

Im ersten Teil dachte ich am Anfang: Wow
Aber später wurde es mir doch etwas zu viel des Guten.

Der 2. Teil gefällt mir irre gut und kann jetzt auch mit dem 1. Teil wesentlich besser leben, denn die Gesamtheit finde ich bis jetzt großartig.

Wann gehts endlich weiter?  Laughing

Ganz liebe Grüße
Noelia
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mondblume
Geschlecht:weiblichReißwolf

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Beitrag07.06.2009 20:52

von mondblume
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kleine Sonntagabendlektüre - der letzte Teil des Flaschengeistes:

Stille.

Dann – Kinderlachen. Eiliges Getrappel auf der Treppe. Verstört blickte er auf, seine geröteten Augen auf die Eingangstüre gerichtet. Die Klingel. Es waren Kinder gewesen, keine Dämonen. Sie gewährten ihm noch eine Schonfrist. Die Tränen stürzten aus seinen Augen, vor Erleichterung und Dankbarkeit. Tief sog er Sauerstoff in seine Lungen, gemischt mit Zigaretten- und Räucherstäbchenrauch. Er wollte nach seinem Glas greifen, doch das lag in Scherben auf dem Boden. Die Flasche war leer. Beinahe euphorisch stemmte er sich vom Sofa hoch und ging, bedächtig einen Fuss vor den anderen setzend, in die Küche. Öffnete den Kühlschrank. Eine Welle kalter Luft und gähnende Leere schlugen ihm entgegen und liess ihn frösteln. Nichts. Stirnrunzelnd schlug er die Tür zu und holte sich aus seinem Versteck eine neue Flasche. Vor wem versteckte er seinen Vorrat eigentlich? Vor ihm selber? Vielleicht sollte er dann ein besseres Versteck suchen, um es sich nicht ganz so einfach zu machen!

Der Nachrichtensprecher war unterdessen ersetzt worden durch Doris Day, die mit perfekt frisiertem Haar und rosafarbenem Kostüm in ihren farblich passenden Pumps durch eine ebenso perfekte und heile Welt stöckelte. Wann war seine Welt das letzte Mal heil gewesen? Wann waren die Kreaturen der Finsternis in sein Leben gedrungen? Sein von Alkohol durchtränktes Gehirn liess keine Berechnungen zu. Die Vergangenheit verschwamm und verschmolz zu einem Klumpen aus bunten, nichtssagenden Bildern. Nach dem Tod seines Vaters muss es gewesen sein, als könnte dieser auch aus dem Totenreich nicht davon lassen, ihn zu quälen... Seine langen Tentakel nach ihm ausstreckend,  seine Seele aussaugend... Schaudernd schraubte er den Deckel von der vollen Flasche ab, nahm einen langen Schluck und stellte sie neben die leere. Bittere Medizin. Arznei des Vergessens. Mit glasigen Augen betrachtete er die zwei Flaschen, wie sie da friedlich nebeneinander auf dem Tischchen standen. Sein Kopf fing an, langsam und sachte hin und her zu schwanken, ein tiefer Seufzer entrang seiner Brust. Die Wirkung trat ein.

Da fingen die Flaschen an zu tanzen, sich zu bewegen. Vermehrten sich, bis eine ganze Reihe vor ihm stand. Wie Seegras in der Meeresströmung schwebten sie von links nach rechts, von rechts nach links. Lautlos. Er versuchte, nach der eben geöffneten Flasche zu greifen, aber er griff ins Leere. Ärgerlich grunzend schlug er mit der Faust aufs Sofa und wie auf Kommando wechselten die Flaschen ihre Farbe; die ganze Palette der blauen Pastelltöne erschien, wechselte zu Lilatönen. Wie ein Polarlicht schlängelte sich die lange Reihe durch das Wohnzimmer; reichte vom Fernseher bis zum regennassen Fenster, wo sie sich widerspiegelte. Als würde sie ihn verhöhnen, bekam er die Flasche einfach nicht zu fassen, jedes Mal schlüpfte sie davon. Ein monotoner Singsang erklang: erst leise, dann bald seinen ganzen Kopf ausfüllend. Sein Mund wurde trocken, die Zunge klebte ihm am Gaumen. Er versuchte zu sprechen, zu schimpfen, zu fluchen – ohne Erfolg. Seine Augen quollen beinahe aus den Höhlen durch die Anstrengung, dem Spiel der Flaschen zu folgen. Die einzig Richtige zu finden. Dann plötzlich – als hätte er im hohen Steppengras auf der Lauer gelegen – sprang er auf, hechtete mitten hinein in das Spektakel und schleuderte mit ausgebreiteten Armen all die hunderte von Geisterflaschen auf den Boden, zerbrach sie alle in einem Höllenchaos. Und versank dort, auf dem Boden liegend, gnädig in eine tiefe, traumlose Ohnmacht. Wieder eine Nacht überstanden.

Morgen kommt die nächste.

ENDE


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Telani
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Beitrag08.06.2009 12:09

von Telani
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Gut, wirklich gut. Gefällt mir ehrlich!
Enttäuscht es dich wenn ich nichts auszusetzen habe?
Ich hoffe nicht, denn der Text ist meiner Meinung nach sehr stimmig. Vorallem der Teil mit dem Vater und den Tentakeln hat mich gepackt. Wirklich gute Bilder.

Wenn man mich dazu zwingen würde einen Verbesserungsvorschlag zu bringen: vielleicht in Anbetracht der Dichte des Anfangsabsatzes den letzten Absatz, wo du erklärst was der Rausch in seinem Hirn grade fabriziert ein bisserl kürzen. Aber das ist Geschmacksache und mal ehrlich Peanuts!

LG Telani!


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mondblume
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Beitrag08.06.2009 13:28

von mondblume
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Hi Telani

ich freue mich immer über Anregungen und Kritik, aber manchmal tut es auch gut, einfach zu hören, dass jemandem die Geschichte ohne wenn und aber gefallen hat!

Fühl mich grad ein wenig besser  Dozey

LG von der arg verkühlten mondblume. hatschi.


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Hardy-Kern
Kopfloser

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Beiträge: 4832
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Beitrag08.06.2009 18:31

von Hardy-Kern
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Eine Geschichte ohne Wenn und Aber gibt es nicht. Das wäre, die Dialektik abschaffen, die täglich unser Leben bestimmt.

Mir fehlt leider die Aufarbeitung des Alkoholismus. Der Vatertod reicht mir nicht. Könnte niemals in einem Betrieb oder Firma passieren.
Schwer über so eine Thematik zu schreiben, trotzdem alle Achtung!

Geschrieben ist es gut und darum zupfe ich meinem Spendierhahn fette 8 Federn aus. Daumen hoch  Very Happy

Hardy
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mondblume
Geschlecht:weiblichReißwolf

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Beitrag08.06.2009 20:53

von mondblume
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Danke, Hardy! Fühle mich geehrt...  Very Happy

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TomFloow
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Beitrag20.11.2009 06:37

von TomFloow
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deine text kommen für mich glasklar rüber. du hast einen beeindruckenden schreibstil.

bin begeistert.

folge deinem traum.

glg tom


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mondblume
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Beitrag20.11.2009 10:19

von mondblume
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hi tom, ich bin grad ein wenig, ähäm, *hüstel*, sprachlos.  Embarassed
Danke für dein Lob, das gibt mir genau den Kick, den ich im Moment brauche!


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TomFloow
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T
Beitrag20.11.2009 10:31

von TomFloow
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nichts zu danken! schreibe, was ich fühle, wenn ich den text lese! genial!

danke, für einstellen und ich die gelegenheit hatte ihn zu lesen!

weiter so, du wirst bestimmt ganz groß!!!

glg tomfloow


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cascail
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Beitrag09.06.2013 17:25

von cascail
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Ich mag das!!

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mondblume
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 45
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Wohnort: Costa Brava


Beitrag10.06.2013 13:15

von mondblume
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Huch, ist ja schon uralt! Erinnert mich daran, dass ich nun schon seit vier Jahren hier dabei bin ...

Danke für's Mögen! wink


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