Die Lösung

[Nora_Sa]

Die Geschichte liegt schon seit Jahren auf meinem Rechner und mir fällt partout kein Ende ein. Ist jetzt nicht lebenswichtig, aber vielleicht habt ihr ja Ideen.

Es war einmal ein Schneemann, der hatte ein ernstes Problem mit seinem Aggregatzustand. Wann immer eine schöne Schneefrau mit ihren Wimpern klimperte oder sich in eleganter Geste durch ihr Haar fuhr, schmolz er vor Bewunderung zu einer Pfütze, in dessen Oberfläche sich die irritierten Gesichter der Schneefrauen spiegelten. Zogen sie anschließend belustigt ihrer Wege, verwandelte sich der Schneemann zurück, sah ihnen traurig nach und schämte sich für seine Schwäche.
In seiner Verzweiflung legte er sich schließlich eine Augenbinde an und suchte hoffnungsvoll wieder die Nähe der holden Weiblichkeit. Leider überrannte er in Konsequenz dieser Maßnahme jene, deren Gunst er im Grunde erwerben wollte und geriet auch sonst in allerlei bedenkliche Umstände.
Als er sein Scheitern erkannte, nahm er das Tuch wieder ab und kühlte seine Karottennase mit einem Eiszapfen. Durch die zahlreichen Zusammenstöße war sie grün und blau geworden, außerdem hatte er seinen Hut verloren.
Frauen! dachte er. Sie sind schuld an allem. Er stapfte nach Hause, griff wütend zum Pergament und schrieb mit schwarzer Kohle folgenden Zauberspruch:
Verboten ist es mit den Wimpern zu klimpern, die Borsten zu durchforsten oder die Hüften zu lüften!
Mit dem Papier in der Hand bestieg er das Dach des Rathauses und blies die Zeilen in den Wind. Zurück im eigenen Heim konnte es kaum erwarten sich am nächsten Tag wieder unter die Schneefrauen zu mischen.
Und siehe da, der Zauber tat Wirkung. Vor jeder hinreißenden Geste gefeit, schwatzte er schmelzfest mit den Schönsten der Schönen und pries ihre Anmut mit süßen Worten. Wie staunte er aber, als eines Abends, ein zartes Schneefräulein, nach einem Handkuss zu einer Pfütze schmolz.
Ich wollte sie doch nur begrüßen, wunderte sich der Schneemann und setzte sich seltsam berührt neben die Wasserlache.

[finis]

Wozu noch ein Ende?
Das passt doch so gut zusammen. Ende schlägt den Bogen zum Anfang usw. Finde ich so wie es ist sehr stimmig (und amüsant).

Aber wenn Du wirklich noch was suchst, könnte er sich ja ein Aquarium für die Angebetete anschaffen...



Gern gelesen.
Gruß
finis

[Nicki]

Ich würde das Ende auch so lassen wie es ist. Muss man unbedingt wissen, was danach passiert?
Eine Frage ist nur: Wenn er sich aus einer Pfütze in einen Schneemann zurückverwandeln kann, dann sollte es doch für die Schneefrau auch möglich sein, oder?
Suchst du eine Lösung, wo beide dahinschmelzen? Wie sie im gleichen Aggregatzustand vereint sein können?

[hypnobader]

Hallo Nora,

ganz nette Allegorie.
Ich frage mich aber, was hier die "Lösung" war. Dass er öffentlich den Frauen verbat, ihre Attraktivität zu zeigen? Das kann ja wohl nicht sein, oder?
Vlt dass er ihre Attraktivität nicht mehr als Bedrohung empfand. Und plötzlich wurde seine Attraktivität zur Bedrohung

Nö. Ein anderes Ende braucht das nicht.

Liebe Grüße
Michael

[Nora_Sa]

Hallo zusammen,
und danke für eure Antworten! Tja, dass die Geschichte mit ihrer Verwässerung ein Ende findet ist natürlich auch möglich. Mmh, komisches Gefühl. Ich dachte bisher immer da müsste jetzt noch was Großartiges kommen, aber vielleicht habt ihr Recht und ich hatte schon längst benannt, was ich benennen wollte.
@Nicki: Was für ein Ende kommen sollte? Das ist es eben, normalerweise mangelt es mir nie an Fantasie aber bei dieser Geschichte hab ich nicht die Spur einer Ahnung. Grundsätzlich dachte ich: Jetzt hat er sich, bzw. alle Frauen in den Schlamassel reingeritten, nun muss er sich wohl überlegen wie er da wieder raus kommt. In einer weiteren Fassung sehen die Schneefrauen übrigens immer verwilderter aus, weil sie sich ja nicht mehr die Haare kämen können. Außerdem bekommen sie alle Bindehautentzündung wegen dem Blinzelverbot. Naja, wie ich schon sagte, an Fantasie mangelt es mir nicht und an Blödsinn-machen / denken auch nicht.
@Finis: Das Aquarium ist genial, passt nicht rein, aber ich grinse die ganze Zeit beim Gedanken daran.
@Michael: "Die Lösung" ist in diesem Fall ironisch gemeint, denn sein Zauberspruch ist, wie du's schon korrekt benannt hast, von äußerst fragwürdiger Natur.

[hobbes]

Hi,
wie süß Das ist mal ein erster Satz, bei dem ich auf jeden Fall weiterlesen muss.

Dein Problem mit dem Ende verstehe ich insoweit, als ich gern noch weitergelesen hätte. Was, weiß ich auch nicht so genau. Vielleicht in Richtung: Schneemann lernt was dazu, entwickelt sich weiter (wohin auch immer).
Reichen würde es auch so. "Moral" der Geschichte, so wie sie jetzt ist, für mich: Erfüllte Wünsche machen auch nicht immer glücklich. Oder: Pass auf, was du dir wünschst, es könnte wahr werden.
Erinnert mich an Jakob Arjounis Idioten. Die Moral.

Wobei der Schneemann ja zumindest bemerkt hat, dass da jetzt irgendwas nicht ganz so gelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat. Von daher passt das so schon auch für mich.

Edit: Aber der Titel? Hm. Den finde ich ein bisschen zu öde für diese Gesichte. Oder hast du dabei an Auflöung (wie Zerschmelzen) gedacht? Aber "Lösung" passt da auch nicht so ganz.

[Gast]

Hallo Nora_Sa,

Mir hat dein Fragment (das ja vielleicht gar keins ist) auch gleich gefallen. Es ist da ein Witz drinnen, der dem Ganzen Leichtigkeit verleiht.

Falls du nun das Gefühl hattest, dass da etwas fehlt, dann kann ich das auf den zweiten Blick schon nachvollziehen.

Einmal schmilzt der Schneemann dahin, dann die Schneefrau ... es fehlt szs die dritte Möglichkeit, der Kompromiss, das Happy End ... oder die Katastrophe  

Zu jeder der drei Möglichkeiten könnte man ein Ende konstruieren.

Aber: auch so wie es jetzt ist, könnte das stehen bleiben (siehe hobbes)

Eine Kleinigkeit noch:

[Nora_Sa]

@Hobbes: Ja, der erste Satz gefällt mir auch sehr gut. Leider gelingt mir das meistens nur bei Geschichten, die ich selbst als trivial erachte. Zur Moral: Die war nicht absichtlich plaziert, könnte man aber natürlich suchen (und finden).
Edit: Aber der Titel? Hm. Den finde ich ein bisschen zu öde für diese Gesichte. Oder hast du dabei an Auflöung (wie Zerschmelzen) gedacht? Aber "Lösung" passt da auch nicht so ganz. Ja, bist schon der zweite der das sagt, also ist wohl was dran. "Schneemannwünsche" fiel mir jetzt spontan noch ein. Das trifft es vielleicht besser. Oder "Verschmelzung" - wäre so schön doppeldeutig.

@Lorraine: Danke für die Anmerkung mit dem Komma. Es tut mir leid, dass dieser Stolperstein darin blieb. Ich habe die Sätze kurz vor dem Veröffentlichen noch einmal umgestellt und hab dabei das vergessene Komma einfach überlesen. Nora und die Rechtschreibung ... Butter bei die Fische: Ich habe aufgegeben. Ich kann Kommaregel lernen, dann beherrsche ich sie für eine Weile, dann vergess ich sie wieder und muss wieder neu lernen. Never ending story.  

Dass euch meine Geschichte gefallen hat, freut mich sehr.
LG: Nora

[finis]

Nora -

wollte das kurz noch loswerden - Trivialität hat auch ihren Reiz. Auch schön, auch gut, auch wichtig. Ich finde es ehrlich gesagt viel schwieriger humoristische/triviale Kurztexte zu verfassen als die sogenannten "ernsthaften". Pointen setzen will auch gekonnt sein.
Insofern: Chapeau.

Verschmelzung finde ich als Titel besser.

Gruß
finis

edit: Das Aquarium ist vielleicht auch ein guter Treffpunkt für schüchterne Schneemänner. So eine Art anonyme Selbsthilfegruppe... Die anonymen Aggregatakrobaten oder so. Aggregatversager. Aggregatangshasen. Möglichst viele as halt...