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Vergessene Götter


 
 
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denLars
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 31
Beiträge: 522
Wohnort: Düsseldorf
Extrem Süßes!


LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag20.05.2013 20:48
Vergessene Götter
von denLars
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

[Der Anfang einer Novelle - viel Spaß!]



1.


„Name?“
Gott runzelte die Stirn. „Wie bitte?“
„Noch so einer“, seufzte sein Gegenüber, setzte die Nickelbrille ab und wischte sich über die tränenden Augen. Kein Wunder bei der trockenen Luft in diesem Büro. „Also nochmal, diesmal etwas genauer: Unter welchem Namen sind Sie unter Ihren Gläubigen bekannt gewesen?“
Die Stirn gerunzelt, rutschte Gott auf dem Besucherstuhl nach vorn. Was sollte diese unverschämte Fragerei? Es reichte schon, dass man ihn früh morgens hierher kutschiert hatte.
„Unter dem Namen Gott“, antwortete er. „Aber wieso 'bekannt gewesen'? Das bin ich doch immer noch.“
„Also Gott?“ Der graubärtige Bürohengst kicherte, als er seine Brille zurück auf die Nase setzte und seinen Füller zur Hand nahm. „Götter sind wir hier alle. Ich zum Beispiel bin Thor. Schon mal von mir gehört?“
Unter dem grau-blau karierten Hemd zeichneten sich in der Tat Muskeln ab, mit denen man einen Kriegshammer schwingen konnte.
„Sie sind irgendeine heidnische Gottheit, schon seit Jahrhunderten im Ruhestand“, sagte Gott. Abschätzig besah er die geflissentlich gepflegten Gummibäume auf der Fensterbank und die Aktenberge auf dem Schreibtisch. „Warum hängen Sie in so einem Bürojob rum? Und was sollen hier noch für Götter sein?“
„Im Alter muss man sehen, wo man bleibt“, seufzte Thor, während er weiter das Formular  ausfüllte. Die andere Frage schien er zu ignorieren. „Was uns auch wieder zum Grund Ihrer Vorladung führt.“
„Mit meinen Abrechnungen ist doch alles in Ordnung, oder?“ Gott kratzte sich im Nacken. Vor zweihundertdreiunddreißig Jahren hatte ihm das Amt zwei Seelenkalkulationsprüfer geschickt, die den ganzen Laden auf den Kopf gestellt hatten. So ein Theater konnte er jetzt als Allerletztes gebrauchen.
„Nein, nein, nein, keine Sorge“, kicherte Thor. Kam es Gott nur so vor, oder blitzte da Schadenfreude hinter seinen Brillengläsern auf? „Mit Ihren Seelenbilanzen ist alles in bester Ordnung. Ein- und Ausgang gehen wunderbar auf.“
„Was ist es dann?“
„Gut, die Sache kann man sowieso niemandem schonend beibringen ...“
„Wa-was wollen Sie mir beibringen?“
„Sie werden mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt“, verkündete Thor. „Ihre Gläubigenquote ist erstmals unter zwei Komma fünf Prozent gerutscht. Das ist großzügig kalkuliert, wir haben sogar noch die Agnostiker und Zweifler miteingerechnet.“
Gott blieb die Luft weg. Mit schweißnassen Händen umklammerte er die Armlehnen des Stuhls. In den Ruhestand versetzt? So etwas konnte geschehen? „Wa-wa ...“
„Schon gut, lassen Sie diesen Schock erst mal sacken.“ Thor grinste noch immer schadenfroh. Er griff nach der Wasserkaraffe neben dem Computermonitor und goß ihm nach. „Trinken Sie was!“
In tiefen Schlücken leerte Gott das Glas. Das Sprudelwasser zeigte nur wenig Nutzen. Die eiskalte Flüssigkeit brodelte in seinem Magen.
„Sie erhalten einen Alterswohnsitz hier in der Gegend, Ihren Leistungen und Ihrer Dienstzeit angemessene Bezüge sowie einen Betreuer für die ersten Tage. Das sind die schlimmsten, glauben Sie mir.“
„Was soll mit der Erde geschehen?“
„Nun, Buddha ist noch im Dienst, ebenso Allah. Aber die A/A-Quote erreicht bald die Siebzig-Prozent-Marke. Wohl eine weitere Welt, die wir verlieren werden. Aber das ist das Problem der Hauptverwaltung, nicht von kleinen Götterbetreuern wie mir.“
„A/A-Quote?“ Seine Lippen formten die Frage, ohne dass Gott groß über sie nachdachte. Dazu fühlte er sich im Moment nicht in der Lage.
„Atheisten-Agnostiker-Quote. Sie sind ja gar nicht mit den neuen Leistungsindex-Ausdrücken vertraut. Seit wann sind Sie nochmal im Dienst?“
„Seit 2154 Jahren.“
„Sind Sie nie bei den Versammlungen gewesen?“
Gott schüttelte errötend den Kopf. „Die habe ich nie für so wichtig erachtet.“
„Tja, besser wär's gewesen. Daran lässt sich jetzt auch nichts mehr ändern. Bitte räumen Sie bis heute Nachmittag um sechzehn Uhr Ihren Dienstplatz und informieren Sie Ihre Mitarbeiter über Ihre Entlassungen.“
Diesmal errötete er aus Wut. „Und wo sollen die Leute hin? Die sitzen auf der Straße!“
„Es gibt andere Welten, wo sie anheuern können. Das sollte nicht Ihre Sorge sein.“
„Wird es einen Nachfolger für mich geben?“
Thor schüttelte den Kopf. „Wie gesagt – wir geben die Erde auf. Macht sich auf dem Jahresabschlussbericht zwar nicht gut, aber verloren ist nunmal verloren. Unter welchem Namen soll ich Sie denn nun vermerken?“
„Gott, einfach Gott.“
„Christen – sehr einfallsreich.“
„Nachtragend, weil Sie von Ihnen verdrängt worden sind?“, stichelte Gott.
„Nein“, entgegnete Thor, drehte das Formular um und reichte ihm den Füller. Wieder dieses schadensfrohe Grinsen. „Ich habe mich arrangiert. Bin gespannt, ob Sie das auch können werden – jetzt bitte überall unterschreiben, wo ein Kreuz ist.“
Immer die verfluchten Kreuze. Gott seufzte und las das Formular. Alle Daten stimmten. Von der Hauptverwaltung war es  bereits abgesegnet worden.
Es half nichts.
Er setzte die Unterschriften auf den Fetzen Papier, der ihn in den Ruhestand versetzte.

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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag20.05.2013 21:30

von Ralf Langer
Antworten mit Zitat

hallo inko,

dazu fällt mir nur ein: gut gemacht. gesitreich inszeniert, leicht geschrieben,
sozusagen HERRlich.

keine kritik , nur freude auf den zweiten teil...

ralf
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Kateli
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 47
Beiträge: 256
Wohnort: D-Süd
Das goldene Gleis


Beitrag20.05.2013 21:50

von Kateli
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Hallo Inkognito,

bin selbst noch quietschneu hier und fasse mich darum etwas kürzer - von der Idee her gefällt mir dein Text außerordentlich gut, ich mag diese Art von augenzwinkerndem Einen-Schritt-Zurück-Treten und die Welt von außen betrachten, in diesem Fall eine Welt von vielen, in denen auch Götter den Job verlieren können, wenn die Quote nicht stimmt ... Hinter all dem steckt allerdings noch viel Tiefgründigeres, denn zugleich mit der Feststellung, dass kaum mehr jemand an Gott glaubt, "beweist" du in deinem Text quasi seine Existenz, indem du ihn (und andere Götter) als Figur auftreten lässt.
Viele witzige Einfälle stecken drin, wie z.B. die "A/A-Quote", das scheint eine echte Stärke von dir zu sein, und außerdem lesen sich deine Sätze sehr flüssig.
Arbeiten müsstest du noch an einigen Rechtschreibfehlern (bin neu, spare mir an dieser Stelle eine Auflistung, muss erst schauen, wie ihr das hier handhabt) und an manchen Formulierungen - so runzelt Gott z.B. die Stirn in Zeile zwei und in Zeile fünf gleich wieder, oder immer noch, jedenfalls wirkt es gedoppelt auf mich. Und ein bisschen Feinschliff, z.B. hier:
"Die andere Frage schien er zu ignorieren."
Ob es nur so scheint oder nicht ist für mich persönlich eine Info zu viel. Für mein Empfinden wäre der Satz stärker nur als " Die andere Frage ignorierte er."
Aber das mag auch wie gesagt nur mein persönliches Leseempfinden sein.

Wenn es denn eine Fortsetzung hier geben soll, dann freu ich mich ebenfalls drauf!

Viele Grüße
Nina
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Amaryllis
Geschlecht:weiblichForenschmetterling

Alter: 38
Beiträge: 1380

Das goldene Stundenglas Das Silberne Pfand


Beitrag22.05.2013 12:41

von Amaryllis
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Ich kann mich Ninas Erbsen anschließen, aber auch dem Lob. Ich bin gespannt, wie es weiter geht *g*
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KateSiaya
Geschlecht:weiblichErklärbär
K


Beiträge: 4



K
Beitrag22.05.2013 13:32

von KateSiaya
Antworten mit Zitat

Den Inhalt finde ich auch beeindruckend... toll wie du Politik und Glaube in witziger satirischer Form verknüpfst. Für mich liest sich der Text flüssig, auch wenn sich einige Rechtschreib- bzw. Grammatikfehler eingeschlichen haben. Alles in allem schließe ich mich meinen Vorrednern an. Super Story. Bin gespannt auf die Fortsetzung. Aber finde, so stellt es auch schon eine tolle in sich abgeschlossene Kurzgeschickte dar.

LG Kate
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nebenfluss
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5982
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Beitrag23.05.2013 11:27
Re: Vergessene Götter
von nebenfluss
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Hallo Inko,

im Gegensatz zu KateSiaya sehe ich hier weniger Politik und Glaube, vielmehr Kapitalismus/Marktwirtschaft und Glaube in satirischer Form verknüpft. Witzig? In der ersten Hälfte auf jeden Fall! Thor mit Nickelbrille im Büro ist z. B. eine herrlich groteske Idee.

Was mir im Detail aufgefallen ist:

Inkognito hat Folgendes geschrieben:

„Wa-was wollen Sie mir beibringen?“
...
Gott blieb die Luft weg. Mit schweißnassen Händen umklammerte er die Armlehnen des Stuhls. In den Ruhestand versetzt? So etwas konnte geschehen? „Wa-wa ...“

Dieses Gestotter erscheint mir etwas aufgesetzt. Mir kam Gott bis hierhin abgeklärter vor. Beim zweiten Mal könnte es auf jeden Fall raus, da Gottes zunehmende Fassungslosigkeit ohnehin schon gut spürbar ist.
Zitat:

„Was soll mit der Erde geschehen?“

Sorgt sich Gott wirklich um den Planeten? Oder nicht mehr darüber, an wen seine verbliebenen Anhänger in Zukunft glauben sollen?
Zitat:

Aber das ist das Problem der Hauptverwaltung, nicht von kleinen Götterbetreuern wie mir.“

Die "Hauptverwaltung" ließe sich auch schön durch "Geschäftsleitung" oder irgendeinen neumodischen Begriff aus dem Management ersetzen. Es könnte z. B. ein Problem des CEOs sein. Falls ich deine Absicht richtig verstanden habe.

Sehr schön fand ich diese Passage:
Zitat:
„A/A-Quote?“ Seine Lippen formten die Frage, ohne dass Gott groß über sie nachdachte. Dazu fühlte er sich im Moment nicht in der Lage.
„Atheisten-Agnostiker-Quote. Sie sind ja gar nicht mit den neuen Leistungsindex-Ausdrücken vertraut. Seit wann sind Sie nochmal im Dienst?“
„Seit 2154 Jahren.“
„Sind Sie nie bei den Versammlungen gewesen?“
Gott schüttelte errötend den Kopf. „Die habe ich nie für so wichtig erachtet.“
„Tja, besser wär's gewesen.

Vor allen Dingen das "Tja" passt hier sehr.

Zitat:
Diesmal errötete er aus Wut. „Und wo sollen die Leute hin? Die sitzen auf der Straße!“

Statt die himmlichen Angestellten auf die Straße zu schicken, wäre hier vielleicht noch Platz für etwas Originelleres. Engel sitzen auf Wolken - wo sitzen sie wenn sie entlassen werden?

Zitat:
Thor schüttelte den Kopf. „Wie gesagt – wir geben die Erde auf.

Ich glaube, ich fände es schlüssiger, wenn statt dem Planeten Erde die Spezies Menschheit abgewickelt würde.

Zitat:
„Gott, einfach Gott.“
„Christen – sehr einfallsreich.“

Hier ist für mich ein Bruch im Dialog. Wie kommt Thor auf einmal auf Christen und was ist an ihnen einfallsreich (vermutlich ironisch gemeint?)
Scheint mir eine unglückliche Überleitung zu sein.

Zitat:
Immer die verfluchten Kreuze. Gott seufzte und las das Formular. Alle Daten stimmten. Von der Hauptverwaltung war es  bereits abgesegnet worden.
Es half nichts.
Er setzte die Unterschriften auf den Fetzen Papier, der ihn in den Ruhestand versetzte.


So gut mir diese Variante der "Gott ist tot"-Idee (nö, aber im Ruhestand) generell gefällt, lahmt das Kapitel für mich am Schluss etwas. Der Gag mit den Kreuzen ist eventuell ausbaufähig, der Rest erzählt mir nichts Neues.

Bin gespannt, wie du weitermachst!

LG
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Schmerzlos
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
S


Beiträge: 15



S
Beitrag23.05.2013 19:26
Re: Vergessene Götter
von Schmerzlos
Antworten mit Zitat

Zitat:
Der Gag mit den Kreuzen ist eventuell ausbaufähig, der Rest erzählt mir nichts Neues.

Bin gespannt, wie du weitermachst!

LG


Nach meinem Empfinden hätte der Text besser nach

Zitat:
-jetzt bitte überall unterschreiben wo ein Kreuz ist.


in Frieden geruht.

Irgendwie hat der Schluss so keinen beendenden Charakter für mich.
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Lapidar
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 61
Beiträge: 2699
Wohnort: in der Diaspora


Beitrag23.05.2013 19:59
Re: Vergessene Götter
von Lapidar
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
[Der Anfang einer Novelle - viel Spaß!]


„Nun, Buddha ist noch im Dienst, ebenso Allah. Aber die A/A-Quote erreicht bald die Siebzig-Prozent-Marke..


Hallo,

ich finde die Idee ja wirklich sehr amüsant, aber es stößt mir doch leider etwas säuerlich auf, dass die Hindii nicht erwähnt werden. Ich bin sicherlich nicht mehr auf dem neuesten Stand, aber die Hindii sind eine sehr große Religionsgruppe. Nicht das gleiche wie Buddhisten.

Ich weiß, dass es in der Storyline nichts ändert aber  es ist mir bei zweimaligen Durchlesen doch jedesmal aufgestoßen.

LG. Lapidar


_________________
"Dem Bruder des Schwagers seine Schwester und von der der Onkel dessen Nichte Bogenschützin Lapidar" Kiara
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denLars
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LOONYS - Die Vergessenen Rosen der Zeit
Beitrag23.05.2013 20:24

von denLars
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Wow, hier sind ja einige sehr hilfreiche und interessante Antworten angekommen!  Very Happy

@Ralf: Vielen Dank für das Lob und das HERRliche Wortspiel

@Kateli: Danke für den Feinschliff, da werde ich noch feilen müssen, allerdings würden mich die Rechtschreibfehler interessieren. Vielleicht bin ich betriebsblind, aber ich finde auf den ersten Blick keine.

@Amaryllis: Okay, vielen Dank für die Meinung und dass du dich da gut in den vorigen Kommentaren wiedergefunden hast.

@KateSiaya: Auch hier die Frage, wo die Rechtschreib- und Grammatikfehler sind. Das ist reine Neugierde, weil ich auf den ersten Blick nichts entdecke.

@nebenfluss: Vielen Dank für die ausführliche Textarbeit. Da muss ich natürlich ein bisschen mehr drauf eingehen.

Zitat:
Dieses Gestotter erscheint mir etwas aufgesetzt. Mir kam Gott bis hierhin abgeklärter vor. Beim zweiten Mal könnte es auf jeden Fall raus, da Gottes zunehmende Fassungslosigkeit ohnehin schon gut spürbar ist.


Nachvollziehbar, werde ich streichen.

Zitat:
Sorgt sich Gott wirklich um den Planeten? Oder nicht mehr darüber, an wen seine verbliebenen Anhänger in Zukunft glauben sollen?


Ja, natürlich sind letztendlich die Anhänger gemeint, da werde ich spezifizieren müssen.

Zitat:
Die "Hauptverwaltung" ließe sich auch schön durch "Geschäftsleitung" oder irgendeinen neumodischen Begriff aus dem Management ersetzen. Es könnte z. B. ein Problem des CEOs sein. Falls ich deine Absicht richtig verstanden habe.


Meine Absicht hast du richtig verstanden, denke ich. Allerdings habe ich weniger auf die moderne Arbeitswelt, sondern mehr auf Ämter und Bürokratie geschielt, deshalb fand ich "Hauptverwaltung" passend, weil es so etwas schön Piefiges an sich hat. Aber über eine Änderung könnte man nachdenken.

Zitat:
Statt die himmlichen Angestellten auf die Straße zu schicken, wäre hier vielleicht noch Platz für etwas Originelleres. Engel sitzen auf Wolken - wo sitzen sie wenn sie entlassen werden?


Wolken im Himmel und Kochtöpfe in der Hölle wollte ich ganz weglassen, stattdessen soll die Welt dort einfach wie die unsere dargestellt sein, nur noch viel verbeamteter und bürokratischer.

Zitat:
Ich glaube, ich fände es schlüssiger, wenn statt dem Planeten Erde die Spezies Menschheit abgewickelt würde


Auch hier hast du Recht, der Glaube spielt sich ja nur im Kopf der Menschen ab.

Zitat:
Hier ist für mich ein Bruch im Dialog. Wie kommt Thor auf einmal auf Christen und was ist an ihnen einfallsreich (vermutlich ironisch gemeint?)
Scheint mir eine unglückliche Überleitung zu sein.


Ja, ist ein wenig unglücklich. Sollte eine ironische Anspielung darauf sein, dass die Christen ihren Gott einfach Gott nennen.

Zitat:
So gut mir diese Variante der "Gott ist tot"-Idee (nö, aber im Ruhestand) generell gefällt, lahmt das Kapitel für mich am Schluss etwas. Der Gag mit den Kreuzen ist eventuell ausbaufähig, der Rest erzählt mir nichts Neues.


Auf den Schluss geht ja auch Schmerzlos ein (siehe unten):

@Schmerzlos: Wie nebenfluss schon gesagt hat, krankt der Schluss und ich denke, du hast da einen sehr guten Schlusspunkt gefunden. Selbst wenn das erste Kapitel nur als Kurzgeschichte für sich allein stehen würde, wäre das schon ein super Ausstieg. Danke!

@Lapidar:

Ist okay, die Hindi erwähne ich neben Muslimen und Buddhisten auch noch, irgendwie sind die mir völlig durch die Lappen gegangen. Danke für den Hinweis.

Seit langem ist das mal wieder eine Geschichte, die ich ohne fertigen Plot schreibe und größtenteils erst mal meinem Vergnügen dient, deshalb weiß ich noch nicht genau, wohin sich das entwickeln wird. So macht es aber gerade am meisten Spaß, mal schauen. Es sollte in die Richtung gehen, dass Gott eine letzte PR-Aktion zu seinen Gunsten starten will, dabei aber durch ein Missverständnis an einen trotteligen und erfolglosen PR-Berater aus Deutschland gerät, diesen aber für den absoluten Meister seines Fachs hält. Und die PR-Aktionen zur Rettung des Glaubens sollen dann auch dementsprechend skurril ausfallen.

Liebe Grüße und nochmal vielen Dank,
Lars


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Kateli
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Alter: 47
Beiträge: 256
Wohnort: D-Süd
Das goldene Gleis


Beitrag26.05.2013 14:44
Re: Vergessene Götter
von Kateli
Antworten mit Zitat

denLars hat Folgendes geschrieben:




1.


„Name?“
Gott runzelte die Stirn. „Wie bitte?“
„Noch so einer“, seufzte sein Gegenüber, setzte die Nickelbrille ab und wischte sich über die tränenden Augen. Kein Wunder bei der trockenen Luft in diesem Büro. „Also nochmal, diesmal etwas genauer: Unter welchem Namen sind Sie unter Ihren Gläubigen bekannt gewesen?“
Die Stirn gerunzelt, rutschte Gott auf dem Besucherstuhl nach vorn. Was sollte diese unverschämte Fragerei? Es reichte schon, dass man ihn früh morgens hierher kutschiert hierherkutschiert, der Ausnahme-Fall, bei dem das Rechtschreib-Programm keine Ahnung hat (findest du z.B. im Online-Duden) hatte.
„Unter dem Namen Gott“, antwortete er. „Aber wieso 'bekannt gewesen'? Das bin ich doch immer noch.“
„Also Gott?“ Der graubärtige Bürohengst kicherte, als er seine Brille zurück auf die Nase setzte und seinen Füller zur Hand nahm. „Götter sind wir hier alle. Ich zum Beispiel bin Thor. Schon mal von mir gehört?“
Unter dem grau-blau karierten Hemd zeichneten sich in der Tat Muskeln ab, mit denen man einen Kriegshammer schwingen konnte.
„Sie sind irgendeine heidnische Gottheit, schon seit Jahrhunderten im Ruhestand“, sagte Gott. Abschätzig besah er die geflissentlich gepflegten Gummibäume auf der Fensterbank und die Aktenberge auf dem Schreibtisch. „Warum hängen Sie in so einem Bürojob rum? Und was sollen hier noch für Götter sein?“
„Im Alter muss man sehen, wo man bleibt“, seufzte Thor, während er weiter das Formular Leerzeichen zu viel ausfüllte. Die andere Frage schien er zu ignorieren. „Was uns auch wieder zum Grund Ihrer Vorladung führt.“
„Mit meinen Abrechnungen ist doch alles in Ordnung, oder?“ Gott kratzte sich im Nacken. Vor zweihundertdreiunddreißig Jahren hatte ihm das Amt zwei Seelenkalkulationsprüfer hier fällt mir gerade das Wort "Inquisition" als Alternative zu "Prüfung" ein Wink geschickt, die den ganzen Laden auf den Kopf gestellt hatten. So ein Theater konnte er jetzt als Allerletztes gebrauchen.
„Nein, nein, nein, keine Sorge“, kicherte Thor. Kam es Gott nur so vor, oder blitzte da Schadenfreude hinter seinen Brillengläsern auf? „Mit Ihren Seelenbilanzen ist alles in bester Ordnung. Ein- und Ausgang gehen wunderbar auf.“
„Was ist es dann?“
„Gut, die Sache kann man sowieso niemandem schonend beibringen ...“
„Wa-was wollen Sie mir beibringen?“
„Sie werden mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt“, verkündete Thor. „Ihre Gläubigenquote ist erstmals unter zwei Komma fünf Prozent gerutscht. Das ist großzügig kalkuliert, wir haben sogar noch die Agnostiker und Zweifler miteingerechnet.“
Gott blieb die Luft weg. Mit schweißnassen Händen umklammerte er die Armlehnen des Stuhls. In den Ruhestand versetzt? So etwas konnte geschehen? „Wa-wa ...“ Hier könntest du die Auslassungspünktchen übrigens direkt an die unvollständigen Stotter-Wa-Wa's anhängen, denn hier geht es um ein abgebrochenes Wort, nicht um ganze fehlende Worte, also "Wa-wa..." - vorausgesetzt, du willst das Stottern drinlassen Wink
„Schon gut, lassen Sie diesen Schock erst mal sacken.“ Thor grinste noch immer schadenfroh. Er griff nach der Wasserkaraffe neben dem Computermonitor und goß ihm nach. Dem Computermonitor Wink? Typisches Beispiel für missverständlich beziehbare Formulierungen, aus dem Kontext glasklar, aber dennoch ein möglicher Stolperer/unfreiwilliger Lacher, der leicht auszubügeln ist  „Trinken Sie was!“
In tiefen Schlücken leerte Gott das Glas. Das Sprudelwasser zeigte nur wenig Nutzen. Die eiskalte Flüssigkeit brodelte in seinem Magen.
„Sie erhalten einen Alterswohnsitz hier in der Gegend, Ihren Leistungen und Ihrer Dienstzeit angemessene Bezüge sowie einen Betreuer für die ersten Tage. Das sind die schlimmsten, glauben Sie mir.“
„Was soll mit der Erde geschehen?“
„Nun, Buddha ist noch im Dienst, ebenso Allah. Aber die A/A-Quote erreicht bald die Siebzig-Prozent-Marke. Wohl eine weitere Welt, die wir verlieren werden. Aber das ist das Problem der Hauptverwaltung, nicht von kleinen Götterbetreuern wie mir.“
„A/A-Quote?“ Seine Lippen formten die Frage, ohne dass Gott groß über sie nachdachte. Dazu fühlte er sich im Moment nicht in der Lage.
„Atheisten-Agnostiker-Quote. Sie sind ja gar nicht mit den neuen Leistungsindex-Ausdrücken vertraut. Seit wann sind Sie nochmal im Dienst?“
„Seit 2154 Jahren.“
„Sind Sie nie bei den Versammlungen gewesen?“
Gott schüttelte errötend den Kopf. „Die habe ich nie für so wichtig erachtet.“
„Tja, besser wär's gewesen. Daran lässt sich jetzt auch nichts mehr ändern. Bitte räumen Sie bis heute Nachmittag um sechzehn Uhr Ihren Dienstplatz und informieren Sie Ihre Mitarbeiter über Ihre ihre Entlassungen.“
Diesmal errötete er aus Wut. „Und wo sollen die Leute hin? Die sitzen auf der Straße!“
„Es gibt andere Welten, wo sie anheuern können. Das sollte nicht Ihre Sorge sein.“
„Wird es einen Nachfolger für mich geben?“
Thor schüttelte den Kopf. „Wie gesagt – wir geben die Erde auf. Macht sich auf dem Jahresabschlussbericht zwar nicht gut, aber verloren ist nunmal nun mal verloren. Unter welchem Namen soll ich Sie denn nun vermerken?“
„Gott, einfach Gott.“
„Christen – sehr einfallsreich.“
„Nachtragend, weil Sie von Ihnen ihnen verdrängt worden sind?“, stichelte Gott.
„Nein“, entgegnete Thor, drehte das Formular um und reichte ihm den Füller. Wieder dieses schadensfrohe schadenfrohe Grinsen. „Ich habe mich arrangiert. Bin gespannt, ob Sie das auch können werden – jetzt bitte überall unterschreiben, wo ein Kreuz ist.“
Immer die verfluchten Kreuze. Gott seufzte und las das Formular. Alle Daten stimmten. Von der Hauptverwaltung war es  bereits abgesegnet worden.
Es half nichts.
Er setzte die Unterschriften auf den Fetzen Papier, der ihn in den Ruhestand versetzte.


Du siehst, viel ist es nicht, nur ein bisschen Kleinkram. Gut möglich, dass es nur die Betriebsblindheit war - glaub mir, die kenn'ich sehr gut. Meine Spezialität: das Auslassen ganzer Wörter  Wink

Viele Grüße
Nina
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eqvis
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 62
Wohnort: Tübingen


Beitrag26.05.2013 18:25
Vorbilder?
von eqvis
Antworten mit Zitat

Hallo,

mir hat der Text ganz gut gefallen Smile

Kennst Du "American Gods" von Neil Gaiman?

Und dann gibt es noch eine Geschichte von einem Außerirdischen der in Hollywood eine PR-Agentur sucht und findet um die Menschheit auf sein Volk vorzubereiten, aber ich habe das Buch nicht gelesen und kann mich weder an Titel noch an Autor erinnern... Leider.


_________________
Gruß,
Eqvis

"Mit leerem Kopf spricht man nicht!" Paradigma
"Nur Menschen brauchen Namen, weil sie nicht wissen wer sie sind" (Katze aus Coraline) Neil Gaiman
"Wenn man zu dem wird was erschreckt, braucht man keine Angst mehr zu haben" (Alice Cooper) Neil Gaiman
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Lele123
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 109
Wohnort: Ponyhof oder Wörterlabyrinth


Beitrag26.05.2013 20:15

von Lele123
Antworten mit Zitat

Nur ganz kurz eine Anmerkung, Buddha ist kein Gott wink

Sonst gut zu lesen, witzig, leicht, gefällt mir.


_________________
>wenn ich noch einmal anfangen könnte,
würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.
Falls du es noch nicht weisst,
aus diesen besteht nämlich das Leben.
Nur aus Augenblicken;
vergiss nicht den jetzigen.<

Jorge Luis Borges
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