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Von Zweifeln, Gegensätzen und Kapitulation


 
 
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Vincent Vice.
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 33
Beiträge: 428
Wohnort: Heute


Beitrag12.05.2013 23:01
Von Zweifeln, Gegensätzen und Kapitulation
von Vincent Vice.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

I. Teil

Zufrieden entfernte Jeder den Blick von seinem Brief und rieb sich seine müden Augen.
Er hatte lange an diesem Brief für seine alte Freundin gesessen. Sehr lange. Jeder beschloss sich eine kurze Pause zu gönnen und schaute aus dem Fenster.
Trotz der späten Stunde war Nachbarsfamilie Meisten noch draußen.
Jeder mochte die Meisten.
Sie waren unkompliziert und verhielten sich ruhig. Wahrscheinlich um sich keinen Ärger einzuhandeln.
Jeder verstand das.
Manchmal verstand er die Meisten sogar so gut, dass er sich schon gar nicht mehr wie ein Jeder, sondern schon fast wie ein Teil der Meisten fühlte.
Vielleicht war Jeder auch gar nicht so, wie man sich einen Jeder vorstellt.
Wahrscheinlich war er wirklich einfach nur wie die Meisten.
Diese Frage stand auch in seinem Brief.
Der Brief an seine Freundin: Der guten Wenigsten.
Die Wenigsten verstand Jeder als Einzige.
Und die Wenigsten hatte schon immer gesagt, dass Jeder eigentlich unmöglich ein Jeder sein konnte, sondern eben viel eher wie ein Teil der Meisten wirkte.
Dieser Gedanke gefiel Jeder nicht.
Jeder wollte zwar nicht unbedingt ein Jeder sein, aber wie die Meisten wollte er am Wenigsten sein.
Am Liebsten wollte er vollkommen einzigartig sein. Aber das wollten alle in seiner Familie.
Jeder seufzte.
Er war wohl eben doch ein Jeder...

II. Teil

Wie jedes Jahr am 20. Dezember war auch heute ein reges Treiben in der Gaststätte "Zur Ruhe."
Grund dafür war vor allem die Weihnachtfeier des Vereins "Unterzahl", welcher durch seine vielen Mitglieder den halben Speisesaal für sich einnehmen konnte.
"Schön, dass dieses Jahr fast alle unsere Leute gekommen sind.", flüsterte Laut.
Skeptisch nickte bestätigend.
"Absolut. Aber wo sind Pünktlich und Anfang? Ich habe sie noch gar nicht gesehen."
"Pünktlich kommt später.", antwortete Laut leise.
"Und Anfang wollte heute sein Projekt zu Ende bringen. Er wird es wohl nicht mehr schaffen."
"Dann fehlt nur noch Anwesend.", mischte sich Daneben vom gegenüber liegenden Ende des Tisches ein.
"Ja.", sagte Nein.
"Ich habe davon gehört.", brachte sich nun auch Taub ein.
"Seine Frau -Treu, glaube ich - hat mit ihm Schluss gemacht, nicht wahr?"
"Stimmt.", brüllte Stille. "Fremdgegangen."
"Eine Tragödie.", erwiderte Fröhlich traurig.

III. Teil

Okay. Ich habe die Rollläden zugezogen, das Telefon abgestellt und mein Handy ausgeschaltet.
Jetzt fehlt nur noch... DING DONG... meine Klingel.
Fuck.
Sie war wieder mal schneller.
Ich überlege, einfach die Tür nicht zu öffnen.
Aber das hätte sicher ein Nachspiel. Das hat es nämlich immer.
Nach all meinen Versuchen, sie auszutricksen, bin ich eigentlich nicht einmal mehr enttäuscht darüber, dass ich schon wieder zu langsam war.
Entkommen kann ich ihr ja ohnehin nicht.
Also stapfe ich wie auch jedes Mal zuvor zu meiner Tür und öffne sie missmutig.
"Hallo.", begrüßt mich die Routine dahinter.
Sie wirkt ein Wenig ungeduldig.
Ich nicke ihr schwach zu und gehe mit einem gestellten Lächeln zur Seite, damit sie eintreten kann. Das tut sie natürlich auch sofort.
Dabei grinst sie mich so diabolisch und ungehemmt wie immer an.
Sie hat mich wirklich vollkommen im Griff.
"Lang nicht mehr gesehen.", sagt die Routine und geht ins Wohnzimmer.
"Wie geht´s denn immer so?"
Ich zucke lustlos mit den Achseln, während ich ihr hinterher stapfe.
"Na ja. Alles beim Alten, würde ich sagen. Weißt ja wie das ist. Man lebt halt so vor sich hin."
"Gut, gut.", flüstert die Routine, ohne mich dabei anzusehen.
"Wirklich gut, das zu hören."
Ihre scharfen Augen streifen durch meine Wohnung.
Sie sucht nach Veränderungen.
Nach ungeplanten Aktivitäten.
Doch sie wird nichts finden.
"Ich habe nichts verändert. Alles noch wie beim letzten Mal.", sage ich.
Erneut nickt die Routine.
"Ja, wirklich. Es läuft besser als erwartet. Ein gutes Gefühl, oder?"
Ich überlege kurz, zu schweigen.
Dann gebe ich ein lustloses Brummen zur Antwort.
"Ach komm.", erwidert die Routine lachend und schlägt mir dabei fast freundschaftlich auf die Schulter.
"Jetzt lass dich mal nicht so hängen. Alles halb so wild.
Wichtig ist, dass der Tagesablauf stimmt, nicht wahr? Man muss wissen was kommt. Vorbereitet sein."
Dieses Mal entscheide ich mich für das Schweigen.
"Wie auch immer.", sagt die Routine schließlich.
"Ich muss dann auch leider schon wieder los. Ich habe noch viel zu tun.
Als nächstes muss ich Herrn Jeder besuchen."



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Snoopz
Gänsefüßchen


Beiträge: 34
Wohnort: Berlin


Beitrag14.05.2013 11:54

von Snoopz
Antworten mit Zitat

Hallo Vincent Vice,

ich finde die Idee, Begriffe wie Jeder, Meisten..  zu personalisieren und damit eine Geschichte zu erzählen, ziemlich gut. Sie hat auch witziges Potential. Gut finde ich, dass es den Leser aus der Routine reißt, mit der diese Begriffe und Inhalte meistens verwendet werden. Das Verfahren ist ja nicht ganz neu - z.B. im JEDERMANN gibt es das, allerdings mit moralisch sehr aufgeladenen "Tugenden".

Dein Text weckt am Anfang Interesse, bleibt dann allerdings sehr in der Wortspielerei hängen. Und im zweiten Teil finde ich das Spiel mit den Gegensätzen viel zu übertrieben. Vielleicht würde es besser gehen, wenn der Text insgesamt länger wäre und eine Geschichte erzählen würde, die sich von den reinen Begriffen lösen würde.

Drei kleine Anmerkungen noch zu Rechtschreibung/Grammatik/Stil:

Zitat:
Zufrieden ENTFERNTE Jeder den Blick von seinem Brief


Das klingt, als würde er den Blick von Papier kratzen. Besser: "Zufrieden stand er vom Schreibtisch auf und rieb sich seine müden Augen." Der Brief kommt ja sofort im nächsten Satz zur Sprache. Auch dieses bekräftigende "Sehr lange" würde ich weglassen. Es ist unnötig und verlangsamt das Tempo.

 
Zitat:
Jeder mochte die Meisten.


Bei der Verwendung dieser Begriffe solltest du darauf achten, dass sie grammatikalisch wie "normale" Namen verwendet werden. Wäre es Familie Müller, würde der Satz heißen: Jeder mochte die Müllers. Also muss es hier heißen: Jeder mochte die Meistens. Das sollte konsequent durchgehalten werden.

Zitat:
Der Brief an seine Freundin: Der guten Wenigsten.


Auch hier muss natürlich die Grammatik durchgehalten werden, also: Der Brief an seine Freundin: (an) Die gute Wenigsten.

Am besten ist der dritte Teil gelungen, das hat viel Schönes, die Figur Routine wird schon ganz schön lebendig. Aber auch hier würde ich mir mehr Ausgestaltung der Geschichte wünschen, damit sie nicht die ganze Zeit so dicht an der "Routine" bleibt und die Figur mehr Eigenleben bekommt, unabhängig von ihrem Namen.

Ich warte auf die überarbeitete Fassung. Frohes Schreiben wünsche ich.
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Vincent Vice.
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 33
Beiträge: 428
Wohnort: Heute


Beitrag14.05.2013 12:12

von Vincent Vice.
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Snoopz,

vielen Dank fürs Lesen und kommentieren.
Freut mich, dass dir meine Idee gefällt.
JEDERMANN kenne ich leider nicht.
Das mit der Grammatik ist so eine Sache.
Mir war beim Schreiben schon bewusst, dass es normal "Die Meistens" oder "Die Wenigsten" heißen müsste.
Aber das Ganze ist ja auch eine Metapher und hoffte die Zweideutigkeit des Textes betonen zu können, indem ich die Personen stellenweise wie die Wörter nach denen sie benannt sind anspreche, anstatt wie eine feste Person.

Die Idee ging wohl nach hinten los...

Ich verstehe nicht wirklich, was ich am Dritten Teil ändern soll.^^
Der Routine mehr Charakter, unabhängig von ihrem Namen geben, oder wie?

Vielen Dank für deine Mühe.

LG W


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adelbo
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1830
Wohnort: Im heiligen Hafen


Beitrag14.05.2013 13:06

von adelbo
Antworten mit Zitat

Hallo Vincent Vice.

Mit gefällt dein Text sehr. Einfallsreich und flott geschrieben.

Anders als Snoopz finde ich nicht, dass die Grammatik bei den Namen konsequent durchgehalten werden muss. Das würde m.M.n. dem Text eine wenig den Gag nehmen. Mich hat es beim Lesen überhaupt nicht gestört und ich habe auch nicht das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmt.

Was ich anders gemacht hätte, ich hätte den Text nicht gestückelt, in verschiedene Episoden.  Der mittlere Teil reißt ein wenig raus, obwohl er für sich alleine witzig und unterhaltsam ist.

Zitat:
Die Idee ging wohl nach hinten los...


Wie kommst auf den Unsinn?  Laughing Die Idee muss man erst mal haben und dann so etwas daraus machen. Lass dich von wenig Rückmeldungen nicht irritieren, das ist manchmal so.

Mir gefällt dein Text gut. Er ist eben nur kein Text von der Stange,  Smile  aber davon gibt es doch genug.
Vielleicht erklärt Snoopz genauer, wie er der Figur Routine mehr Eigenleben geben möchte, das wüsste ich jetzt auch nicht.  Rolling Eyes
Du wolltest hier ja keine Kurzgeschichte mit allen abhakbaren Kriterien erzählen.

LG
adelbo


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Vincent Vice.
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 33
Beiträge: 428
Wohnort: Heute


Beitrag14.05.2013 13:25

von Vincent Vice.
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi adelbo,

freu mich wie ein Schneekönig über deine Kritik ^^
Hmmm, dann kommen die Grammatikspielchen vll doch an?
Ist wohl Geschmackssache. Auf jeden Fall freue ich mich, dass es Leser gibt, die es richtig interpretieren (dass ich es als Verfasse weiß, ist ja ohnehin klar).

Zu den drei Teilen:
Die Teile haben in sich ja ein eigenes Konzept und je eine andere Sichtweise, obwohl sie unterm Strich dieselbe Idee aufgreifen. Nämlich die Wörter zu Charakteren werden zu lassen.

Deshalb wollte ich nicht jeden Teil als einzelnes Werk einstellen, denn sie gehören ja zusammen.
Gleichzeitig spricht aber auch jeder Teil für sich.

Kurz: Ich wusste nicht, wie ich es anders lösen sollte.
Denn wenn ich eine zusammenhängende Geschichte daraus gemacht hätte, hätte ich zu viel drumherumreden müssen, damit die Übergänge stimmen.
Und das wäre nicht mehr im Sinn der Sache gewesen.

Auf jeden Fall vielen Dank für dein Feedback.
Schön, dass ich dich damit unterhalten durfte.

LG
W


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firstoffertio
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Beitrag14.05.2013 23:53

von firstoffertio
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Mir gefällt die Idee auch sehr gut. Aber sie umzusetzen hat ihre Tücken.
Teil 3 ist am besten. Dort musstest du auch Routine nicht kursiv schreiben.

Bei Teil 1 wäre das mit dem Jeder auch möglich, die Meisten sind ein Problem, weil ich auch immer die Meistens lesen möchte.

In Teil 2 könntest du die Kursivschreibung auch weglassen, nicht? Er kommt mir ein bisschen eingeschoben vor zwischen die beiden anderem.

Erinnert mich aber an einen Text von mir, der ähnlich von der Idee her ist:

http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=33307
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Vincent Vice.
Geschlecht:männlichEselsohr

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Beiträge: 428
Wohnort: Heute


Beitrag15.05.2013 19:46

von Vincent Vice.
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi,
danke fürs Lesen.
Ja, die Umsetzung ist in der Tat nicht perfekt.
Aber genau das hat mich gereizt. Im ersten Teil zumindest.
Denn wie gesagt:
Dadurch, dass dort "Die Meisten" statt "Die Meistens" steht, spielt es sehr auf die Metapher an, um die es in dem Teil geht.
Den Einen gefällt es, den Anderen kommt es vielleicht falsch vor, beim Lesen.^^

Ja, die Kursivschreibung könnte weg.
Ich hatte Angst, dass es ZU sehr verwirrt, wenn die Namen nicht klar abgesetzt werden.


LG W


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