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Zugepisode Nr.1


 
 
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gold
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Beitrag03.03.2013 10:39
Zugepisode Nr.1
von gold
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Guten Morgen,

beim Durchstöbern und Abstauben meiner Festplatte bin ich auf diesen, meinen Beitrag gestoßen, hab´ein bisschen daran herumgefeilt et voila`-
hätte gerne gewusst, wie dieser bei euch ankommt und überhaupt...

Danke!Liebe Grüße im voraus (ehe ich abnipple... Laughing )


Zugepisode Nr. 1
Die holprige Zugfahrt

Ich vermache Euch alles, meinen Männern vermache ich alles, schrieb sie, als der ICE über die Gleise wie ein Gummiball sprang.

Feuer, Entgleisen… eine Stahlstange hatte den Zug zum Entgleisen gebracht-beim  Unglück vom vorigen Jahr.

Jetzt kurz vor Frankfurt, holpernd, polternd, Funken sprühend, sah so ihr Ende aus?

Die Bücher, ihre Bücher könnte sie ihren Freunden, ihren Rilkefreunden vermachen. Sie könnte schreiben:
Bitte mein lieber Mann, schenke die Bücher den Müllers.
Die würden sich sicher freuen. Und: solltest du meine Aufzeichnungen nicht brauchen, gib sie dem Werner, der kann sie vielleicht literarisch verwerten.

Bin nicht in den Main gestürzt, bin noch am Leben.
Also bleiben die Bücher in meinem Besitz, noch, wie lange? Das weiß ich nicht.

Ich möchte nicht leiden, mich vorher verabschieden, nicht mit vollem Tempo in den Tod.

Die Mitreisenden, ergo, im Falle eines Falles die Mitverunglücker, betreiben ein Flüstern über Chemie, über Konzentration von Flüssigkeiten, über Sättigung, der weibliche Teil des Pärchens mit dem männlichen- dabei Riesenaugen, vor Wissbegier aufgerissen.

Jetzt brodelt der ICE, in den Kurven brodelt er. Jetzt schlingert er und die Stimme des Zugführers erzittert durch den Lautsprecher – oh Gott, oh Gott, der Zug fährt nicht rund, denkt der Zugführer beim Tätigen der Durchsage.

Jetzt fahren wir durch den Tunnel- quietschend, nicht gerade beruhigend, ist das schon der Tunnel, an dessen Ende das Licht glimmt- die Stufe hab´ ich also schon passiert- und wie und wo komme ich raus?

Ein Mitpassagier hat bereits die Augen aufgerissen- wo komm´ ich `raus?
Aber er sagt nichts, die anderen auch nicht, ich auch nicht, bloß keine Panik, dann wird´s schlimmer und diese Fahrt könnte dann tatsächlich die letzte sein. Ausgelöst durch meine Äußerungen? Die Angst, das Unbehagen.

Ein Ruckeln, Nuckeln an der Flasche, Lachen der Mitreisenden, ein Prasseln über mir, ein Hopsen unter mir, Gelächter der Mitreisenden, ein Schlingern, ein Poltern, Gleichgültigkeit, keine Reaktion der Passagiere.

Bin froh, wenn ich die Fahrt heil überstehe, noch fünfzehn Minuten…

Da am Fenster gegenüber, den bringe ich um- den Klopfer- er klopft andauernd an das Fenster- der Mitreisende der Bundesbahn, nicht auszuhalten, eine Folter.

Ich geh´ jetzt hinüber und mache ihm den Garaus.

Ein abruptes Quietschen, ein in-den-Sitz-Hineingepresstwerden hält mich davon ab. Das Klopfen von Gegenüber hört ohne mein Dazutun auf.
Die Chemiker halten nicht inne, sie machen weiter, jetzt mit der Praxis, der Praxis des Austauschens von Körperflüssigkeiten. Durch die Schleuderwirkung der Bremsen sind sie sich nähergekommen. Ist das der Beginn eines Koitus prä mortem, begleitet vom Atem des Thanatos? Macht es sie besonders geil, wenn   Thanatos im Anmarsch ist?

Jetzt treibt er sie wieder auseinander- in einem Zug. Schade, das hätte etwas, Zeuge eines Koitus prä mortem zu sein. Der Zug macht weiter.

 Noch einmal der Main- zumal stürzen wir nicht in ihn. Wieder quietschen, jetzt wirklich dem Ende zugewandt- dem Ende, dem Ziel, der Endstation Sehnsucht, das ist Frankfurt, ich sehe und fühle die Arme meines Mannes..., bald ist es so weit.



_________________
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die zetern
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Neraka
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 31
Beiträge: 70



Beitrag03.03.2013 12:04

von Neraka
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Hi,

beim ersten Durchlesen bin ich teilweise einige Male gestolpert und musste einige Passagen mehrmals durchlesen, um sie vollständig in die Geschichte einordnen zu können - das ist aber kein negativer Kritikpunkt. Mir gefällt der Text. Die Sprache ist recht "drastisch" (z.B. bei der Tatsache, dass der Protagonist den Zug als "Gummiball" erlebt, der über die Schienen springt), und genau dies gibt die Stimmung oder auch Ängste sehr gut wieder.
Gerade die teilweise etwas chaotischen Handlungsabläufe bzw. Sinneseindrücke gefallen mir gut, weil sie dafür sorgen, dass die Erzählung nicht langweilig wird.
Mich hat der Text gut unterhalten Wink


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-Faun-
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gold
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Beiträge: 4939
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Beitrag04.03.2013 17:28

von gold
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Hallo Neraka,

vielen Dank für dein Feedback! Habe mich sehr darüber gefreut!

Zitat:
beim ersten Durchlesen bin ich teilweise einige Male gestolpert


Auch freut mich, dass das Holprige so rüberkam, dass du gestolpert bist...
(zum Glück bist du nicht gefallen!)

Auf Wiederlesen!

Liebe Grüße
gold


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Mardii
Stiefmütterle

Alter: 64
Beiträge: 1774



Beitrag04.03.2013 19:52

von Mardii
Antworten mit Zitat

Hallo gold,

im ganzen finde ich deinen Text sehr spannend, die Idee ist gut, die Gedanken einer Reisenden, die Angst hat und die schon ihr Testament entwirft, zu beschreiben. Aber die Geschichte holpert ganz schön in der Perspektive und das ist für mich als Leser nicht so schön.

Mir wird nicht klar, ob ein Ich-Erzähler oder ein allwissender E. spricht. Es schwankt so hin und her, wie der Zug. smile

Die ersten zwei Zeilen können als Ich-Sicht durchgehen.

gold hat Folgendes geschrieben:
Jetzt kurz vor Frankfurt, holpernd, polternd, Funken sprühend, sah so ihr Ende aus?
Ein Ich-Erzähler würde unser Ende sagen.

gold hat Folgendes geschrieben:
Die Bücher, ihre Bücher könnte sie ihren Freunden, ihren Rilkefreunden vermachen. Sie könnte schreiben:
Bitte mein lieber Mann, schenke die Bücher den Müllers.
Die würden sich sicher freuen. Und: solltest du meine Aufzeichnungen nicht brauchen, gib sie dem Werner, der kann sie vielleicht literarisch verwerten.


Hier das Gleiche. Es ist ein auktorialer Erzähler, der spricht. Dann kommen die Gedanken des Ichs und so fährt der Text in den folgenden Abschnitten fort. Aber dann:
gold hat Folgendes geschrieben:

Jetzt brodelt der ICE, in den Kurven brodelt er. Jetzt schlingert er und die Stimme des Zugführers erzittert durch den Lautsprecher – oh Gott, oh Gott, der Zug fährt nicht rund, denkt der Zugführer beim Tätigen der Durchsage.


Das ist wieder auktorial. Ich weiß, das Ich denkt, der Zugführer denke, aber sprachlich ist das unkorrekt. Das kleine Wörtchen wohl fehlt.

gold hat Folgendes geschrieben:
Ein Mitpassagier hat bereits die Augen aufgerissen- wo komm´ ich `raus?
Aber er sagt nichts, die anderen auch nicht, ich auch nicht, bloß keine Panik, dann wird´s schlimmer und diese Fahrt könnte dann tatsächlich die letzte sein. Ausgelöst durch meine Äußerungen? Die Angst, das Unbehagen.


In diesem Abschnitt genau anders herum: Ich-Perspektive. Die vermuteten Gedanken des Mitpassagiers müssen durch Doppelpunkt gekennzeichnet werden.

Ab hier geht es dann konsequent in der Ich-Sicht weiter:

gold hat Folgendes geschrieben:
Ein Ruckeln, Nuckeln an der Flasche, Lachen der Mitreisenden, ein Prasseln über mir, ein Hopsen unter mir, Gelächter der Mitreisenden, ein Schlingern, ein Poltern, Gleichgültigkeit, keine Reaktion der Passagiere.

Bin froh, wenn ich die Fahrt heil überstehe, noch fünfzehn Minuten…

Da am Fenster gegenüber, den bringe ich um- den Klopfer- er klopft andauernd an das Fenster- der Mitreisende der Bundesbahn, nicht auszuhalten, eine Folter.

Ich geh´ jetzt hinüber und mache ihm den Garaus.

Ein abruptes Quietschen, ein in-den-Sitz-Hineingepresstwerden hält mich davon ab. Das Klopfen von Gegenüber hört ohne mein Dazutun auf.
Die Chemiker halten nicht inne, sie machen weiter, jetzt mit der Praxis, der Praxis des Austauschens von Körperflüssigkeiten. Durch die Schleuderwirkung der Bremsen sind sie sich nähergekommen. Ist das der Beginn eines Koitus prä mortem, begleitet vom Atem des Thanatos? Macht es sie besonders geil, wenn Thanatos im Anmarsch ist?

Jetzt treibt er sie wieder auseinander- in einem Zug. Schade, das hätte etwas, Zeuge eines Koitus prä mortem zu sein. Der Zug macht weiter.

Noch einmal der Main- zumal stürzen wir nicht in ihn. Wieder quietschen, jetzt wirklich dem Ende zugewandt- dem Ende, dem Ziel, der Endstation Sehnsucht, das ist Frankfurt, ich sehe und fühle die Arme meines Mannes..., bald ist es so weit.



Diese solltest du beim gesamten Text durchhalten. So, wie er jetzt dort steht, ist der Text ziemlich durchwachsen.

LG
Mardii
 Smile


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Ridickully
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Stift
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Beiträge: 29
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S
Beitrag05.03.2013 14:41

von Stift
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Hallo,

und als erstes der Hinweis, dass ich genau solche Kurzgeschichten mag. Kein Firlefanz drum herum, einfach nur die Gefühle und Gedanken des Handelnen im Klartext und in Opposition zu dem, wie es möglicherweise die Umwelt in der Geschichte oder eben der Leser erlebt.

Von daher sehe ich da einiges Potenzial in dem Text, aber auch noch ein paar Möglichkeiten zur Steigerung.

Am ehesten fällt mir der scheinbare Wechsel der Erzählperspektive auf. Da gibt es ein 'ich' und dann wieder 'sie'. Das verwirrt unnötig. So wie ich das sehe, gibt es zwei Versionen vom Geschehen im Zug. Die eine ist die des Ich-Erzählers, für den die Sache bedrohlich ist und der gerade eine Panikattake durchlebt. Da kannst du nicht genug übertreiben, so eine Panik hat nichts mehr mit Realität zu tun. Die andere ist die der übrigen Reisenden und des Zugbegleiters, für die das alles nichts weiter als eine banale Zugfahrt ist. Genau in diesem Spannungsfeld lebt die Story. Der Leser soll gleichzeitig mitleiden und die Harmlosigkeit der Angelegenheit erkennen.

Das kannst du auf zwei Wegen erreichen. Du kannst die Perspektive echt alternieren lassen, also einmal erzählt der Paniktyp und einmal der Normalo. Wird dann aber eher eine längere Geschichte, würde echt verlieren. Also musst du es irgendwie hinkriegen, dass Madam Panik beides berichtet. Hast du ja im Ansatz hingekriegt, könnte aber noch schärfer getunt werden. Sie nimmt eine Mücke wahr undvor ihren Augen wird das Ding zum Monster. Immer wieder, eine Wahrnehmung nach der anderen, wie in einem Hamsterrad. Panik hat immer auch etwas mit Zwang zu tun.

Dann die Adjektive. Nur ein Beispiel. Die schweißnasse Sirn ist eine Behauptung. Lass die Protagonistin zum Taschentuch greifen oder gleich gelähmt und damit ausserstande sein,das zu tun.

Ich würde auch versuchen, mehr Spannung zu halten. Warum servierst du die Auflösung (wenn ich es richtig verstanden habe gib es da eine unangenehme Erfahrung, die deine Protagonisten machen musste) gleich am Anfang. Der Leser ist sich von Anfang an im Klaren, dass der Ich-Erzähler nur spinnt, es gibt gar keine Gefahr. Lass den Leser mitleiden, er muss die Erkenntnis, dass ja eigentlich alles in Ordnung ist, als Erlösung empfinden. Und wann kommt die Erlösung? Mit Erreichen des Zielbahnhofes. So lange der Protagonist leidet, soll es der Leser auch tun. Ansonsten erzeugst du kein Mitgefühl, nur mitleidiges Lächeln.

Wie gesagt, da steckt ein echtes Horrorszenarium drin. Auf der einen Seite schiebst du eine alltägliche Zugfahrt rein, auf der anderen Seite kommtein Kampf um das nackte Überleben heraus. Glückwunsch zu dieser Idee.

Viele Grüsse
Dagmar
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medizynicus
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Beitrag05.03.2013 19:18

von medizynicus
Antworten mit Zitat

Ein schönes Bild....
....mal nachdenken....
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medizynicus
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Beitrag05.03.2013 19:28

von medizynicus
Antworten mit Zitat

....das Holprige ist gewollt, oder?
Allerdings verwendest Du an einigen Stellen abgedroschene Klischees (Endstation Sehnsucht), dann unterschiedlicher Sprachstil (Thanatos, Coitus prä Mortem - Austausch von Körperflüssigkeiten...), passt irgendwie nicht zusammen.
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firstoffertio
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Beitrag06.03.2013 00:24

von firstoffertio
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Ich finde das sehr gut, und ich bin gerade wegen der scheibaren Perspektivwechsel mitgerissen, glaube ich.

Beim Mehrmalslesen frage ich mich aber, (Maria?), ob nicht von vorneherein klar ist, dass hier ein auktorialer Erzaehler am Werk ist:

"Ich vermache Euch alles, meinen Männern vermache ich alles, schrieb sie, als der ICE über die Gleise wie ein Gummiball sprang."
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gold
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Beitrag06.03.2013 06:56

von gold
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guten Morgen allen Postern,

ich danke euch schon mal ganz herzlich für eure Mühe, zumal der Text ja doch holprig ist und...

Ich bin dabei, mir Gedanken zu machen und kann jedem Beitrag etwas abgewinnen (natürlich dem von Neraka und Firstoffertio am meisten... Laughing )

aber ich finde jede (-r) hat irgendwie Recht- ich werde mich demnächst mit einem Umschreibversuch beschäftigen- der allerdings dauern kann, weil ich für die nächste Zeit ohne meine "Droge" sein werde, sprich ich gehe zur Kur und werde da ohne Internet sein  Crying or Very sad (verordnet: weil "ungesund" Rolling Eyes ).

Mal gucken, ob es mir gelingt, den Eindruck- das Holpern- beizubehalten. Ich befürchte nur, dass der Text ohne Perspektivenwechsel in die Langeweile entgleist. Aber ich werde es versuchen und eure Vorschläge aufgreifen.

Euch allen
liebe Grüße
gold

und ich hoffe, ihr habt Geduld mit mir: die Antwort kommt bestimmt!


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gold
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Beitrag13.04.2013 15:26

von gold
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hallo, melde mich zurück nach meiner Dsfo-Abstinenz ( Rolling Eyes ):

fange von hinten an:
@ hallo Firstoffertio:

Zitat:
Beim Mehrmalslesen frage ich mich aber, (Maria?), ob nicht von vorneherein klar ist, dass hier ein auktorialer Erzaehler am Werk ist:

Zitat:
"Ich vermache Euch alles, meinen Männern vermache ich alles, schrieb sie, als der ICE über die Gleise wie ein Gummiball sprang."


du kommst mir sehr entgegen mit deinem Verständnis. Habe dennoch einen Versuch gestartet, die Geschichte deutlicher zu schreiben (s.u.)
Freut mich, dass du den Text mehrmals gelesen und nicht gleich die Flinte ins Korn geworfen hast! Wink

Danke!

Lg gold


@ hallo Medizynicus,

du schriebst:
Zitat:
"Ein schönes Bild....
....mal nachdenken...."


und nach deinem Nachdenken:

Zitat:
....das Holprige ist gewollt, oder?
Allerdings verwendest Du an einigen Stellen abgedroschene Klischees (Endstation Sehnsucht), dann unterschiedlicher Sprachstil (Thanatos, Coitus prä Mortem - Austausch von Körperflüssigkeiten...), passt irgendwie nicht zusammen.


dann würde ich sagen: besser nicht nachdenken Laughing
ja, das Holprige ist gewollt. Die Klischees möchte ich aber ganz gerne stehen lassen. Ich stehe zu ihnen.

danke für deine Gedanken! Wink

Lg gold

jetzt mach´ich `ne kleine Pause- geht gleich weiter...


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Beitrag13.04.2013 15:55

von gold
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@ hallo Dagmar,

Zitat:
Am ehesten fällt mir der scheinbare Wechsel der Erzählperspektive auf. Da gibt es ein 'ich' und dann wieder 'sie'. Das verwirrt unnötig. So wie ich das sehe, gibt es zwei Versionen vom Geschehen im Zug. Die eine ist die des Ich-Erzählers, für den die Sache bedrohlich ist und der gerade eine Panikattake durchlebt. Da kannst du nicht genug übertreiben, so eine Panik hat nichts mehr mit Realität zu tun. Die andere ist die der übrigen Reisenden und des Zugbegleiters, für die das alles nichts weiter als eine banale Zugfahrt ist. Genau in diesem Spannungsfeld lebt die Story. Der Leser soll gleichzeitig mitleiden und die Harmlosigkeit der Angelegenheit erkennen.


den Perspektivenwechsel versuche ich in meiner zweiten Version besser in den Griff zu kriegen. (s.u.)

Ein auktorialer Erzähler erwähnt, dass sie schreibt und fügt (im Anfangsteil) noch weitere Gedanken von ihr hinzu.
Ich habe es jetzt so formuliert, dass es klar ist, dass sie ihre Not, ihre Gefühle beschreibt und auch das Verhalten ihrer Mitreisenden (die so tun, als ob nichts sei). Meine Intention besteht nicht darin, eine Panikattacke zu beschreiben, sondern eine Situation im ICE, die wirklich unangenehm war und  die verschiedenen Verhaltens- bzw. Erlebensweisen.
Ich wollte und will keine Horrorgeschichte schreiben.
Gäbe sicher etwas her.

Danke für deine Mühe und die Idee! Wink

Lg gold


@hallo Mardii,

du hast bewirkt, dass ich meinen Text geändert habe. Natürlich hast du recht mit dem vielen Perspektivenwechsel... da kennt sich kein Schwein mehr aus.

was sagst du zu meiner zweiten Version??

Vielen Dank für deine Mühe! Wink
lg gold


@ hallo Neraka,

nochmals vielen Dank für dein Feedback!  Wink

Lg gold


@all  hier meine zweite Version (tata...):

Zugepisode Nr. 1
Die holprige Zugfahrt

Ich vermache Euch alles, meinen Männern vermache ich alles, schrieb sie, als der ICE über die Gleise wie ein Gummiball sprang.

Begleitet wurde ihr Schreiben von Gedanken an
Feuer, Entgleisen… eine Stahlstange, die den Zug zum Entgleisen gebracht hatte -beim Unglück vom vorigen Jahr.

Jetzt kurz vor Frankfurt, holpernd, polternd, Funken sprühend, sieht so mein Ende aus?

Weiter sinnierte sie:
Die Bücher, ihre Bücher könnte sie ihren Freunden, ihren Rilkefreunden vermachen. Sie könnte schreiben:
Bitte mein lieber Mann, schenke die Bücher den Müllers.
Die würden sich sicher freuen.

Und: solltest du meine Aufzeichnungen nicht brauchen, gib sie dem Werner, der kann sie vielleicht literarisch verwerten.

Bin nicht in den Main gestürzt, bin noch am Leben.
Also bleiben die Bücher in meinem Besitz, noch, wie lange? Das weiß ich nicht.
Ich möchte nicht leiden, mich vorher verabschieden, nicht mit vollem Tempo in den Tod.

Die Mitreisenden, ergo, im Falle eines Falles die Mitverunglücker, betreiben ein Flüstern über Chemie, über Konzentration von Flüssigkeiten, über Sättigung, der weibliche Teil des Pärchens mit dem männlichen- dabei Riesenaugen, vor Wissbegier aufgerissen.

Jetzt brodelt der ICE, in den Kurven brodelt er. Jetzt schlingert er und die Stimme des Zugführers erzittert durch den Lautsprecher – was mag er wohl denken? Vielleicht-oh Gott, oh Gott, der Zug fährt nicht rund. Wie krieg ich das Ding zum Stehen?

Jetzt fahren wir durch den Tunnel- quietschend, nicht gerade beruhigend, ist das schon der Tunnel, an dessen Ende das Licht glimmt- die Stufe hab´ ich also schon passiert- und wie und wo komme ich raus?

Ein Mitpassagier hat bereits die Augen aufgerissen- er scheint die Tür zu suchen.
Aber er sagt nichts, die anderen auch nicht, ich auch nicht, bloß keine Panik, dann wird´s schlimmer und diese Fahrt könnte dann tatsächlich die letzte sein. Ausgelöst durch meine Äußerungen? Die Angst, das Unbehagen.

Ein Ruckeln, Nuckeln an der Flasche, Lachen der Mitreisenden, ein Prasseln über mir, ein Hopsen unter mir, Gelächter der Mitreisenden, ein Schlingern, ein Poltern, Gleichgültigkeit, keine Reaktion der Passagiere.

Bin froh, wenn ich die Fahrt heil überstehe, noch fünfzehn Minuten…

Da am Fenster gegenüber, den bringe ich um- den Klopfer- er klopft andauernd an das Fenster- der Mitreisende der Bundesbahn, nicht auszuhalten, eine Folter.

Ich geh´ jetzt hinüber und mache ihm den Garaus.

Ein abruptes Quietschen, ein in-den-Sitz-Hineingepresstwerden hält mich davon ab. Das Klopfen von Gegenüber hört ohne mein Dazutun auf.
Die Chemiker halten nicht inne, sie machen weiter, jetzt mit der Praxis, der Praxis des Austauschens von Körperflüssigkeiten. Durch die Schleuderwirkung der Bremsen sind sie sich nähergekommen. Ist das der Beginn eines Koitus prä mortem, begleitet vom Atem des Thanatos? Macht es sie besonders geil, wenn Thanatos im Anmarsch ist?

Jetzt treibt er sie wieder auseinander- in einem Zug. Schade, das hätte etwas, Zeuge eines Koitus prä mortem zu sein. Der Zug macht weiter.

 Noch einmal der Main- zumal stürzen wir nicht in ihn. Wieder quietschen, jetzt wirklich dem Ende zugewandt- dem Ende, dem Ziel, der Endstation Sehnsucht, das ist Frankfurt, ich sehe und fühle die Arme meines Mannes..., bald ist es so weit.

 

 



 
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