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Mardii Stiefmütterle
Alter: 64 Beiträge: 1774
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25.03.2013 16:13
von Mardii
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An sprachlichen Ideenreichtum mangelt es dem Text nicht. Manche Pointen, wie der Atem-Zuckerwatte-Vergleich, gefallen mir gut. Nach mehrmaligen Lesen, erschloss sich mir etwas der gedankliche Zusammenhang, dass die Bewohner dieser Stadt Architekturen erschaffen haben, die unter den Bedingungen der Witterung lebendig werden oder geworden sind.
Aber insgesamt ist der Text nicht leserfreundlich geschrieben. Die Gedankenspielerei im Titel, mit Arche Noah und Architektur ist interessant, aber diese vielen Fremdwortkonstruktionen machen den Text mehr anstrengend, als genießbar.
_________________ `bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully |
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Phenolphthalein Klammeraffe
Beiträge: 838
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26.03.2013 08:31 5 Federn von Phenolphthalein
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Hallo Liebe/r Pokarpoler/in,
Wieder ein Text, den man sehr aufmerksam lesen muss. Ich behaupte mal, es geht um Eintönigkeit und die wichtigen Dinge des Lebens.
Unter diesem Aspekt, auch wenn etwas abstakt, finde ich den Text gar nicht schlecht.
Doch die drei wohl bewusst gewählten »Bandwurmsätze« tragen nicht unbedingt zum Lesefluss bei, wie ich finde. Häufig neige zumindest ich dann dazu, sie nur noch zu überfliegen. Dabei kann es natürlich passieren, dass man nicht den gesamten Text erfasst. Hier hatte ich jetzt nicht den Eindruck, doch ist das jetzt gut oder schlecht?
Ich behalte das jedenfalls im Hinterkopf, wenngleich nur als Zünglein an der Waage, denn natürlich beeinflusst mich mein persönlicher Geschmack bei der Bewertung, auch wenn es kein echter Fehler ist.
Wie oben schon geschrieben, trifft der Stil nicht ganz meinen Geschmack. Ich frage mich eben, ob der Text durch Kürzen gewinnen könnte, aber bevor ich jetzt die Büchse der Pandora öffne hacke ich den Punkt lieber schnell ab.
Der Themenvorgabe entsprechend ist der Text für mich doch recht ordentlich, aber einen WOW-Effekt hast du bei mir nicht erzielen können.
Viele Grüße,
Phenolphthalein
_________________ Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.
-Arthur Schopenhauer |
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crim sex, crim & rock'n'roll
Beiträge: 1578 Wohnort: München
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26.03.2013 10:55
von crim
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Hi,
da steckt einiges drin. Eine total fremde Welt entblättert sich auf ganz gekonnte Weise. Schöne Bilder. Interessanter Text. Ich muss nicht alles verstehen, um mich drauf einzulassen. 8 Federn.
LG Crim
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Ruth Klammeraffe
Alter: 43 Beiträge: 831 Wohnort: Monnem
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26.03.2013 14:12
von Ruth
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Gefallen: Die atmosphärische Dichte, die Sprache und die Beschreibungen haben mir sehr gut gefallen. Außerdem, dass du die Katastrophe, die zu der neuen Welt führte, am Ende nur angedeutet hast und trotzdem damit und mit dem Namen der verloren ging, eine Punkt setzt, der den Leser zufrieden zurück lässt. Hier bleibt kein „Häh?“ am Ende und trotzdem habe ich den Text mehrfach gelesen.
Nicht so gefallen: -
Lieblingsstelle: Am selben Morgen also hatte die übliche Härte einer urbanen Reißbrettumgebung es mir erleichtert, mich in den Arbeitstag zu stürzen, ohne Aussicht auf Ablenkung, aber mit dem Versprechen, mich auf das konzentrieren zu dürfen, was mich vorrangig interessierte: Modelle pragmatistischer Verzielung und externer Stratmotivation.
Unstimmigkeit vorhanden: Ja.
Federn: Ich habe zuerst alle Geschichten gelesen, meinen Kommentar dazu notiert und dann ausgehend von der, die mir am besten gefallen hat (und die volle Federzahl bekommt) befedert.
Du bekommst von mir: 8
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Schmierfink Lyroholiker
Alter: 34 Beiträge: 1172
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26.03.2013 16:14
von Schmierfink
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Mit der Verfremdung nehmen mas alle irgendwie net so genau, seis drum. Geschichte ist geil, sprachlich möchte ich fast von Raffinesse sprechen. Setting hat Atmosphäre, zieht den Leser rein und fesselt. Sicher einer der besten Texte!
lg
Schmierfink
_________________ "Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
Heinrich Heine
"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
Max Frisch
"Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt!"
Georg Büchner |
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Frooplet Wortedrechsler
Alter: 35 Beiträge: 72
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26.03.2013 16:56
von Frooplet
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Diese Geschichte hat mich lange überlegen lassen, wie nah Genie und Wahnsinn beieinander liegen können. Die Geschichte ist total abgedreht, besitzt keine Story, der ich wirklich folgen könnte, und müsste daher von mir eigentlich mit wenigen Federn bewertet werden. Andererseits passt die Sprache gut zu diesem Wahnsinn und so bleibt bei mir doch ein bisschen das Gefühl, dass das alles so gewollt ist.
Letztendlich wird wohl auch meine Bewertung irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn liegen, glaube ich.
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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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27.03.2013 11:53
von Akiragirl
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Liebe/r Teilnehmer/in!
Ich bewerte grundsätzlich anhand von folgenden Kriterien: Gesamteindruck, Originalität, Stil, Figuren, Umsetzung des Themas, Titel. Ich versuche zwar, so objektiv wie möglich zu urteilen, aber natürlich spielt mein persönlicher Geschmack auch eine große Rolle bei der Befederung.
Beim Thema ist wichtig: Handelt es sich wirklich um eine Unstimmigkeit (Mein Test für die Texte: Wäre es nachvollziehbar, wenn die Hauptfigur in dieser Situation denkt "Hmm ... Irgendetwas stimmt hier nicht."?) und geschieht diese plötzlich? Geschichten, die das Thema völlig verfehlen, bekommen 2 Federn Abzug; solche, die es für mein Empfinden nur teilweise treffen, 1 Feder Abzug.
Dieser Text hat mir sehr gefallen; könnte glatt von unserem guten alten Nemo sein, würde ich sagen
Da sind Sätze wie
Zitat: | es war Abend, so kurz vor Sonnenuntergang, dass mein Schattenhals abknickte und mein Kopf an der Mauer des Grand Hotel-Museum hinaufkletterte. |
oder
Zitat: | so früh, dass der April mir diese Atemwolke vors Gesicht zwang, gespenstische Zuckerwatte für einen müden Geist |
– einfach genial!
Das Thema ist super getroffen in meinen Augen; genau etwas in dieser Art hatte ich im Kopf, als ich von plötzlicher Unstimmigkeit las. Sehr subtil, bedrohlich irgendwie, aber auch schön … Und auch die Plötzlichkeit wird deutlich herausgearbeitet.
Du lässt vieles offen; das lässt nach dem Lesen ein wenig unbefriedigt zurück. Andererseits würde es vielleicht auch diese ganz außergewöhnliche Stimmung zerstören, die du aufgebaut hast, wenn du alles erklären würdest. Ein wirbelnder Lichtsturm, der die sich selbst erneuernden Wände der Gebäude dazu bringt, eine Art Eigenleben zu entwickeln. Archegonium ist ein Fortpflanzungsorgan von Pflanzen, sagt Wikipedia … Sind die Häuserfronten in Wahrheit übergroße Pflanzen oder so was …(„Vegetalhausisolierungen“)? Warum saugen sie die Menschen ein? Wollen sie sie verdauen?
Der Titel passt, macht aber nicht unbedingt neugierig auf den Text, da man nichts damit anzufangen weiß. Mir gefällt aber, dass der Titel Teil eines Rätsels ist, das man lösen muss, um hinter den Text zu steigen.
Rätselhaft, vielleicht ein bisschen zu unverständlich, aber nichtsdestotrotz mein Favoritentext zu Thema 1 und daher volle 9 Federn wert!
Zum Vergleich: Mein Bewertungsschnitt lag bei 4,6 Federn.
Liebe Grüße
Anne
_________________ "Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel) |
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JGuy Mann spricht deutsch
Beiträge: 339 Wohnort: Saarpfalz
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29.03.2013 00:02
von JGuy
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Post zur Abgabe einer Bewertung.
_________________ ... on the other hand, a little knowledge and a vivid imagination can really make a person cuckoo.
-Wilson Wilson jr.-
Writer's block is a fancy term made up by whiners so they can have an excuse to drink alcohol.
-Steve Martin- |
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Biggi Klammeraffe
Alter: 52 Beiträge: 782 Wohnort: BY
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29.03.2013 12:26
von Biggi
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Liebe DSfo-Kollegin, lieber DSfo-Kollege,
Du hast das Thema gut erfasst. Durch einen unerwarteten Sinneseindruck wird eine wahre Gedankenflut ausgelöst, Selbstreflexion eines Wesens, das seinen Namen verloren hat.
Sprachlich recht ordentlich gestaltet, ein gefestigter, überlegter Stil.
Thematisch sagen mir solche Visionen nicht ganz so zu, wodurch mich die Geschichte nicht so tief erreichen kann.
LG
Biggi
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Zinna schweißt zusammen, was
Beiträge: 1551 Wohnort: zwischen Hügeln und Aue...
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29.03.2013 12:43
von Zinna
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Liebe(r) Unbekannt(e),
ich fand es ganz toll, dass sich einige PokaPro-Schreiber auch mal im Lesezeichenbereich umgesehen haben, auch wenn es nicht unbedingt ihr Metier ist.
Ich habe mir die Prosa-Beiträge angesehen (42- Uff, ihr wart aber fleißig!) und möchte zu jeder Geschichte ein Kurzfeedback geben. Befedern werde ich nicht, denn es sind Geschichten dabei, wo das Genre eigentlich so gar nicht mein Fall ist. Da bestünde die Gefahr, dass ich weniger Federn geben würde, als was die Geschichte wirklich verdient hätte. Und einige bewerten und andere nicht wäre unfair und würde das Ergebnis verfälschen.
So nur ein paar Gedanken zu jedem Beitrag. Wenn mein Geschmack und meine Gedanken sich nicht mit denen des Autors decken, bitte nicht übel nehmen, es ist immer subjektiv, wie das geschriebene Wort auf den Leser wirkt.
In Thema 1 war entschieden mehr Spielraum für die Geschichte an sich, in Thema 2 konnte man sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens richtig austoben.
Ich kenne von keinem Schreiber den üblichen oder charakteristischen Stil, so dass ich bei keiner Geschichte ahnen könnte, wer den Stift geführt hat.
Archegonie
Oh, lange Sätze…
Eine Welt in der Zukunft, oder ganz woanders? Nach einer humanen Katastrophe..? Auf jeden Fall ein völlig anderes, fremdes Leben. (Archegonie -> Zufluchtsfurcht..?)
Fiktion, das ist gar nicht meine Richtung, die ich gerne lese.
Deine Geschichte transportiert ein Unwohlsein, ich fühle mich unbehaglich.
Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Schöne Ostergrüße
Zinna
_________________ Wenn alle Stricke reißen, bleibt der Galgen eben leer...
(c) Zinna |
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Gast
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29.03.2013 22:13
von Gast
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Die Welt bestimmter Pflanzen und ihrer Organe, Architektur, Arché und ... Agonie - der Titel meines Textes gibt Hinweise auf das Geschehen, von dem der Protagonist in einer recht fernen Zukunft im Wortsinn eingesogen wird
Danke im Voraus allen, die sich mal wieder die Mühe gemacht haben: ich freu mich auf eure Kommentare und sehe ihnen völlig gelassen entgegen
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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31.03.2013 18:00
von seitenlinie
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Dass es schrecklich sein muss in dieser (zukünftigen?) technischen Welt, habe ich noch verstanden.
Begriffe und Formulierungen sind alles andere als anschaulich - die Kunst bestände m.E. darin,
Unbekanntes durch Bekanntes zu verdeutlichen.
Zuerst dachte ich, es läge am zart wirbelnden Lichtsturm, …
Da überlegte ich also, ob es nur am Licht und an den Grenzfarben läge, …
Und was ist „es“ überhaupt?
4 Federn
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Gast
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01.04.2013 17:44
von Gast
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Liebe Kommentierende, liebe MitschreiberInnen, nicht so liebe Kommentierfaultiere und Befederungsverweigerer
Eredor, Mann, was kann ich dafür, dass du gerade keine Musik hören konntest oder dir sonstwas ausgegangen war ... nein, im Ernst, als ich diesen Text noch manchmal gelesen habe, während des Wettbewerbs, da wusste ich, dass die Distanz, die zum Prota eingehalten wird, ein Problem sein könnte, sie ist es auch für mich, übrigens.
Aber: sich auf die Situation, diese von uns zeitlich weit entfernte Welt einzulassen, ist ziemlich viel verlangt, im Rahmen eines Wettbewerbs wie diesem.
Es geht aus nicht wenigen Kommentaren hervor, dass der Text/der Prota nicht berührt hat. Ich finde das nachvollziehbar, in diese Welt möchte man nicht folgen, die distanziert/technische Sprache hat nicht dazu beigetragen, dass man sich ihm nahe fühlt. Die Atemwolke/Zuckerwatte sollte einen kleinen "Wehmuts-Touch" bringen, es ist so, dass Synthese-Menschen sich von "uns" u.a. dadurch unterscheiden, dass sie bei Kälte draussen eben keine solche Kondensationswolke zeigen ...
Paradigma hat Folgendes geschrieben: | Diese Geschichte ist in schönen Bildern erzählt - sie entwirft eine utopische Welt mit seltsamen Parametern. Aber die Metaphern lassen mich im Dunkeln, verwirren mich und lassen mich unsicher sein, was ich da genau beobachte.
Lediglich das Ende ist deutlich gezeichnet. Die halblebendigen Wände dieser futuristischen Umgebung haben ihn gefressen, verschluckt, isoliert. Die Häuser, die von und für uns künstlich geschaffende Umgebung wird zu einem Predator für uns.
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anuphti hat Folgendes geschrieben: | ... die überraschende Pointe mit der Endozytose, eine Art Science Fiction Vision mit pflanzlichen Gebäudehäuten, und offenbar intelligenten Gebäuden, die eigenwillig eigenständig handeln.
Das Gespenst Gentechnik lässt grüßen |
Akiragirl hat Folgendes geschrieben: | Du lässt vieles offen; das lässt nach dem Lesen ein wenig unbefriedigt zurück. Andererseits würde es vielleicht auch diese ganz außergewöhnliche Stimmung zerstören, die du aufgebaut hast, wenn du alles erklären würdest. Ein wirbelnder Lichtsturm, der die sich selbst erneuernden Wände der Gebäude dazu bringt, eine Art Eigenleben zu entwickeln. Archegonium ist ein Fortpflanzungsorgan von Pflanzen, sagt Wikipedia … Sind die Häuserfronten in Wahrheit übergroße Pflanzen oder so was …(„Vegetalhausisolierungen“)? Warum saugen sie die Menschen ein? Wollen sie sie verdauen? |
Ich bediene mich Auszügen dreier Kommentare (vielen Dank! ), in denen das Meiste gesagt ist, was es zum Inhalt zu sagen gibt.
Es war der Versuch, Unstimmigkeit, Nicht-Übereinstimmung in die fremd gewordene Sprache zu packen, die wohl dazu beigetragen hat, dass viele sich nicht berührt gefühlt haben. Prota hat eine Sehnsucht, die ihm geblieben ist, er ist oft noch "draussen", er spürt, versucht zu "erspüren", es keimt auch dieser Vedacht, dass den Menschen etwas entgeht (die verschiedenen Oberflächen tauschen sich untereinander genetisch aus, er streift diese Möglichkeit der Transkription kurz in Gedanken ...)
Übrigens, Anne, auch mich hat durchaus das Bild inspiriert, dieses invasive der Pflanzenwelt hat irgendwie hierher geführt ...
Manche haben wohl ganz auf Kommentar/Bewertung verzichtet, umso mehr ein herzliches Dankeschön an alle, die mir Feedback und Federn spendiert haben!
Eredor, falls du's nochmal lesen willst ...
vielleicht damit? http://www.youtube.com/watch?v=3V3UjP5ihSY
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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01.04.2013 18:14
von seitenlinie
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Lorraine hat Folgendes geschrieben: | Ich bediene mich Auszügen dreier Kommentare (vielen Dank! ), in denen das Meiste gesagt ist, was es zum Inhalt zu sagen gibt.
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@Lorraine
Ich habe das auch so aufgefasst und bin trotzdem über das kleine "es" gestolpert.
Mir ist nicht klar geworden, worüber er sich plötzlich wundert, was ihm fremd erscheint.
Er ist gebildet, sollte mit dieser, seiner Welt vertraut sein ...
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Gast
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01.04.2013 18:39 Re: [1] Archegonie von Gast
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Lorraine hat Folgendes geschrieben: | Archegonie
Zuerst dachte ich, es läge am zart wirbelnden Lichtsturm, der die Fassaden der Häuser aus allen Kapiteln der Stadtgeschichte an jenem Spätnachmittag schüchterner aussehen ließ oder an den Grenzfarben dieses Lichts; meine Augen waren noch nicht operiert, aber hätte das etwas geändert? Am selben Morgen, an dem ich früh das Bürogebäude betreten hatte, so früh, dass der April mir diese Atemwolke vors Gesicht zwang, gespenstische Zuckerwatte für einen müden Geist, aber: der sichtbare Beweis für Lebendigkeit. Am selben Morgen also hatte die übliche Härte einer urbanen Reißbrettumgebung es mir erleichtert, mich in den Arbeitstag zu stürzen, ohne Aussicht auf Ablenkung, aber mit dem Versprechen, mich auf das konzentrieren zu dürfen, was mich vorrangig interessierte: Modelle pragmatistischer Verzielung und externer Stratmotivation. Darüber hinaus: meinen Status um einige Punkte zu ergänzen - zur Absicherung meiner Privilegien.
Stunden hatte ich im Turm zugebracht, mit wenigen der menschlichen Mitarbeiter gesprochen (einem von ihnen war Zuckerwatte tatsächlich ein Begriff, wir grinsten und erörterten vergangene Zeiten ohne Zahncloning) und jetzt war ich wieder hier draußen, es war Abend, so kurz vor Sonnenuntergang, dass mein Schattenhals abknickte und mein Kopf an der Mauer des Grand Hotel-Museum hinaufkletterte. Als ich die Ostseite des Gebäudekomplexes der Uxile erreichte, verschwand mein verzerrtes Abbild von der Wand und wieder ahnte ich das Schwache, das Durchlässige.
Da überlegte ich also, ob es nur am Licht und an den Grenzfarben läge, oder ob es mit den biotechnischen Oberflächenbehandlungen zu tun hätte, mit den Jahren dachte man ja nicht mehr daran, dass die selbstreinigenden Oberflächen und die nur mehr micronstarken Vegetalhautisolierungen zu selbst erneuernden Gebäudeschalen mutiert waren. Wusste überhaupt jemand genau, welche Eigenschaften diese Verschalungen einander zu transkribieren fähig waren?
Entlang der Straße nach Süden schimmerten Häuserfronten in Ocker und Rost; ich berührte eine warme Wand, wie von Samt überzogen; die Straße selbst wie ein Band: Elastizität, die ich durch dünne Schuhsohlen bis in meine Füße spürte. Ich war einer der Menschen, die noch draußen auf den Straßen gingen, sich nicht ausschließlich der unterirdischen Strukturen bedienten.
Und als ich die Fassade der CarbUnion streifte, an ihr kleben blieb wie ein Insekt auf einem Harztropfen, als die Mauer sich einbuchtete, mich rasch völlig umgab und ich mich minutenlang in einem Hohlraum gefangen sah, der sich schließlich ins Innere des Gebäudes ausstülpte, da wünschte ich mich hinunter zu den anderen Menschen in die künstliche Taghelligkeit.
Seit jenem Abend habe ich hier mein Quartier, ich werde am Leben erhalten, ich korrespondiere mit den wenigen Menschen, die sich im selben Gebäude befinden, niemand weiß genau, was mit uns geschehen wird. Mein Status scheint nichts zu gelten. Mein Name? Ich habe ihn wohl verloren, an dem Tag, als der Lichtsturm zu wirbeln begann. |
Hi Seitenlinie, extra für dich in fett ... sag, kennst du deine Welt? Weisst du, wie du Geister wieder los wirst, die andere gerufen haben?
Mein Prot. irrt sich in einem Punkt: durchlässig - ja, schwach? nein ...
Ich hoffe, deine Frage beantwortet zu haben.
Lorraine
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seitenlinie Reißwolf
Beiträge: 1829
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01.04.2013 19:18
von seitenlinie
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Extra Fett war nicht nötig. Ich blieb schon eher daran "kleben" ...
Nicht schwach und nicht durchlässig - wie sich später herausstellt.
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dürüm Wolf im Negligé
Alter: 46 Beiträge: 966 Wohnort: Cape Town
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02.04.2013 20:10 Re: [1] Archegonie von dürüm
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Lorraine hat Folgendes geschrieben: | Archegonie
Zuerst dachte ich, es läge am zart wirbelnden Lichtsturm, der die Fassaden der Häuser aus allen Kapiteln der Stadtgeschichte an jenem Spätnachmittag schüchterner aussehen ließ oder an den Grenzfarben dieses Lichts; meine Augen waren noch nicht operiert, aber hätte das etwas geändert? Am selben Morgen, an dem ich früh das Bürogebäude betreten hatte, so früh, dass der April mir diese Atemwolke vors Gesicht zwang, gespenstische Zuckerwatte für einen müden Geist, aber: der sichtbare Beweis für Lebendigkeit. Am selben Morgen also hatte die übliche Härte einer urbanen Reißbrettumgebung es mir erleichtert, mich in den Arbeitstag zu stürzen, ohne Aussicht auf Ablenkung, aber mit dem Versprechen, mich auf das konzentrieren zu dürfen, was mich vorrangig interessierte: Modelle pragmatistischer Verzielung und externer Stratmotivation. Darüber hinaus: meinen Status um einige Punkte zu ergänzen - zur Absicherung meiner Privilegien.
Stunden hatte ich im Turm zugebracht, mit wenigen der menschlichen Mitarbeiter gesprochen (einem von ihnen war Zuckerwatte tatsächlich ein Begriff, wir grinsten und erörterten vergangene Zeiten ohne Zahncloning) und jetzt war ich wieder hier draußen, es war Abend, so kurz vor Sonnenuntergang, dass mein Schattenhals abknickte und mein Kopf an der Mauer des Grand Hotel-Museum hinaufkletterte. Als ich die Ostseite des Gebäudekomplexes der Uxile erreichte, verschwand mein verzerrtes Abbild von der Wand und wieder ahnte ich das Schwache, das Durchlässige.
Da überlegte ich also, ob es nur am Licht und an den Grenzfarben läge, oder ob es mit den biotechnischen Oberflächenbehandlungen zu tun hätte, mit den Jahren dachte man ja nicht mehr daran, dass die selbstreinigenden Oberflächen und die nur mehr micronstarken Vegetalhautisolierungen zu selbst erneuernden Gebäudeschalen mutiert waren. Wusste überhaupt jemand genau, welche Eigenschaften diese Verschalungen einander zu transkribieren fähig waren?
Entlang der Straße nach Süden schimmerten Häuserfronten in Ocker und Rost; ich berührte eine warme Wand, wie von Samt überzogen; die Straße selbst wie ein Band: Elastizität, die ich durch dünne Schuhsohlen bis in meine Füße spürte. Ich war einer der Menschen, die noch draußen auf den Straßen gingen, sich nicht ausschließlich der unterirdischen Strukturen bedienten.
Und als ich die Fassade der CarbUnion streifte, an ihr kleben blieb wie ein Insekt auf einem Harztropfen, als die Mauer sich einbuchtete, mich rasch völlig umgab und ich mich minutenlang in einem Hohlraum gefangen sah, der sich schließlich ins Innere des Gebäudes ausstülpte, da wünschte ich mich hinunter zu den anderen Menschen in die künstliche Taghelligkeit.
Seit jenem Abend habe ich hier mein Quartier, ich werde am Leben erhalten, ich korrespondiere mit den wenigen Menschen, die sich im selben Gebäude befinden, niemand weiß genau, was mit uns geschehen wird. Mein Status scheint nichts zu gelten. Mein Name? Ich habe ihn wohl verloren, an dem Tag, als der Lichtsturm zu wirbeln begann. |
Ich weiß, ich habe jetzt den Vorteil, dass ich die Autoren der Geschichten kenne. Man mag es mir verzeihen!
Diese Geschichte war mein Favorit!
Ein Mischung aus Wissenschaft, Science Fiction und philosophischem Drama, geschrieben in teils lyrischer Sprache, teils in schmucklosen Bildern. Surreal und doch so klar in ihren Bildern.
Gerne gelesen!
Gruß
Kerem
9 nachträgliche Federn
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca) |
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Eredor Dichter und dichter
Moderator Alter: 32 Beiträge: 3416 Wohnort: Heidelberg
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02.04.2013 20:37
von Eredor
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Och Mann, du weißt gar nicht wie leid mir das tut, dass ich dir so eine schlechte Bewertung gegeben habe. Sei nicht geknickt! Schieb das bitte auf die Musik oder eben... Sonstwas, ich habe damit gar nichts mehr zu tun.
Mit deinem Liedchen habe ich mir das noch einmal durchgelesen, ich musste ja schließlich erfahren wie sich das so anfühlt, was du bei mir durchmachen musst. Fühlt sich gut an. Ich bin einfach kein Fan von fremden Welten und habe dann leider Gottes die Sprache vernachlässigt, die den Text garantiert viel besser macht als ich es gesagt habe. Manche Bilder sind schön, und die Geschichte vermag zu schweben. Hätte ich die Zeit gehabt, mir jede Geschichte vier bis fünf mal durchzulesen, hätte ich dir wohl viel mehr Federn gegeben. War da wohl zu schnell am urteilen, mein Fluch und Segen.
Vergiss meinen Kommentar einfach! Nimm den hier. Dein Text ist gut.
_________________ "vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel |
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Fao wie Vendetta
Alter: 33 Beiträge: 1994
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02.04.2013 20:56
von Fao
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Nachträglich auch eine dicke Federnwolke auch von mir
Hätte wohl um die 7-8 Federn bekommen;
Weshalb der Text relativ weit unten gelandet ist, frage ich mich; werde die Kommentare noch lesen - vielleicht, weil er etwas Mühe braucht, man muss ihn öfter lesen, sich darauf einlassen ; leider leider fehlt eben dann doch die Zeit , die Nerven...vermute ich, bei 42 Texten...?
Die Sprache ist toll, vieles davon ein Genuß. Ein bisschen bin ich noch am Grübeln, ob sie mir aber nicht doch ein wenig zu dicht ist. Gerade am Anfang hatte ich meine Schwierigkeiten, hineinzukommen; man muss sich so viel vorstellen und nicht immer lässt der Text einen dafür Zeit, weshalb man wieder zurückspringen muss. Kein Überflieg-Text auf keinen Fall, soll er aber auch nicht
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Gast
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03.04.2013 04:42
von Gast
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@ dürüm: Danke! Du machst mir eine grosse Freude, wirklich.
@ Eredor: Zitat: | die Geschichte vermag zu schweben | ... deine Worte, frisch und heilsam wie Morgentau, haben den geknickten Halm wieder aufgerichtet
@ fao: auch dir vielen Dank für den Nach-Kommentar, ich habe mich sehr gefreut!
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