Elftes Kapitel

[Andi Fontäne]

Kapitel 11

Ich hatte gerade ein neues Holzscheit nachgelegt. Der Kamin knisterte vergnüglich vor sich hin und Madonna, eingekuschelt in ihre rote Lieblingsdecke, freute sich auf den bevorstehen DVD-Abend mit mir. Ich hatte lange Zeit keine so fröhliche Madonna mehr gesehen. Die Strapazen der letzten Monate hatten ihr zu schaffen gemacht.
„Ach, Juan, ich freue mich ja so auf den Abend. Es ist eine so beschauliche Winternacht. Draußen rieselt der Schnee und wir sind hier drinnen, sitzen vor dem warmen Kaminfeuer, mit heißer Schokolade und meiner roten Lieblingsdecke. Ich bin so aufgeregt, welchen Film werden wir gucken, Juan?“
„Wir gucken ‚Bodyguard’, mit Kevin Costner und mit… ach, wie hieß die Alte noch?“
„Bodyguard? Schon wieder? Juan, Sie haben diesen Film fast jede Woche gesehen, seit Sie hier sind. Ich sehe Sie immer nur diesen Film schauen. Was haben Sie nur mit diesem Film?“
„Man muss Filme nicht nur einmal gucken. Man kann sie auch öfters sehen.“
„Aber so oft? Ist das nicht irgendwie krank?“
„Krank? Ich glaub es hackt, Junge. Jetzt mach mich nicht wütend!“
„Okay, okay, Juan. Bitte, beruhigen Sie sich. Dann sehen wir eben Bodyguard.“
„So“

Gerade schaltete ich den Fernseher ein, da platzte die Türe auf und im Rahmen stand Donald, blutüberströmt, die Kleidung zerfetzt.
„Oh mein Gott, Donald? Was ist dir denn passiert?“, schrie Madonna entsetzt.
„Was mir passiert ist?“, brüllte er und zeigte auf mich, „Die Rottweiler von diesem Typen da haben mich angefallen. Ich musste über das ganze Grundstück rennen und als ich hinfiel, sind sie über mich hergefallen. Einer hat mir sogar einen Finger abgebissen, verdammte Scheiße. Ich glaube, der hat den gegessen, den Finger. Den kann ich jetzt vergessen. Ich werde nie wieder Klavier spielen können. Juan, ich mache SIE dafür verantwortlich.“
Ich hörte nur mit einem Ohr zu, denn der Film hatte schon angefangen und sein verdammter Finger interessierte mich nicht die Bohne. Madonna zeigte sich versöhnlich:
„Donald, du hasst doch das Klavierspielen. Du wirst es wohl kaum vermissen, komm setz dich zu uns, wir machen einen DVD-Abend. Jetzt mach nicht so ein Fass auf!“
„Ich soll mich jetzt zu euch setzen, und DVD gucken? Bist du jetzt total bescheuert? Sieh mich doch mal an, ich muss ins Krankenhaus, verdammte Scheiße. Juan, Sie sind fällig. Ab sofort betrachte ich Sie als eine persona non grata! Verlassen Sie sofort mein Haus!“
Ich warf einen verächtlichen Blick über die Schulter.
„Ach komm, mach dasse weg kommst, Junge. Es läuft jetzt Bodyguard, Junge. Mit Whitney Houston, weißte eigentlich, wie gut der is, Junge? Das lass ich mir von dir nicht kaputtmachen, echt nicht!“

Meine beherrschte Antwort zeigte Wirkung. Beleidigt, wie ein kleines Mädchen, rannte Donald aus dem Zimmer und schlug mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zu. Mit doppeltem Genuss verfolgte ich den Film, während sich Madonna verträumt an mich kuschelte.

Später am Abend, vor dem zu Bett gehen, sagte ich zu Madonna:
„Dieser Film, also Bodyguard, der ist wie mein Leben.“
Madonna runzelte die Stirn.
„Wirklich? Übertreiben Sie da nicht etwas, Juan?“
„Ne. Er ist Bodyguard, ich bin Bodyguard, und Sie, Sie sind Whitney Houston, ist doch klar.“
„Naja, aber das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten, finden Sie nicht?“
„Und dann die Drohbriefe, Sie bekommen ja auch Drohbriefe. Das ist doch alles wie im Film.“
Madonnas Fröhlichkeit von diesem Abend verwelkte urplötzlich und sie rannte zu ihrem Bett, auf das sie sich bäuchlings fallen ließ und bitterlich anfing zu schluchzen. Ich eilte herbei.
„Aber, aber… was haben Sie denn auf einmal?“
„Ach, nichts“, krächzte sie in ihr Kissen.
„Ach so, wegen dem Drohbrief jetzt, oder was?“
„Gehen Sie einfach, Juan. Lassen Sie mich jetzt bitte allein.“
Ich streichelte ihr über den Rücken.
„Lassen Sie die Briefe nur meine Sorge sein, Gnädigste. Ich werde Sie beschützen. Und wenn es das Letzte ist…“
Sie quietschte noch ein bisschen vor sich hin, während ich treu an ihrer Seite blieb, bis sie eingeschlafen war.
Dann ging ich hinüber ins Nebenzimmer und brachte mich in Wachstellung. Ich holte meine Pumpgun hervor, setzte mich mit einem Bier in den Schaukelstuhl und zielte schussbereit auf die Türe. Egal wer da heute Nacht durch kommt, der wird was erleben. Und wenn es ihr bescheuerter Bruder ist, gibt’s direkt n Kopfschuss.