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Katzenjammer


 
 
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RunaSomberg
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 104
Beiträge: 27



Beitrag22.03.2008 21:05
Katzenjammer
von RunaSomberg
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Noch niemals in ihrem Leben zuvor hatte die Katze ein solch seltsames Gefühl der Ohnmacht in sich. Tiefe Depressionen, die sich steigerten, je mehr sie an den Alptraum der letzten Nacht dachte. Sie würde sterben, sagte ihr im Traum ein Arzt. Und in der Unerbittlichkeit seines Beharrens auf dieser Tatsache, die unaufhaltsam schien, erkannte sie auch in der Hilflosigkeit des Arztes ihre eigene wieder. Aber erst am nächsten Morgen. Sie würde sterben. Gut. Der Termin stand fest. Ende März würde es sein. OK. Die Katze wollte leben. Aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass das Leben im gleichen Maße unerträglicher wurde, wie das Gefühl, sich nicht dagegen auflehnen zu können. Sie fühlte, sie müsste es hinnehmen, sich hineinfallen lassen, sich dem Gedanken hingeben, um sich über das Schlimmste willenlos tragen zu lassen. Eigentlich das gleiche wie bei einer Übelkeit, die nur vorbeigeht, wenn man dem Körper, dem revoltierenden Magen, nachgibt.
Noch eine Woche vorher hatte die Katze das Leben vor Auge. Ein Leben in der Sonne. Ein Leben mit der Sonne. Ein Leben nur im Frühling. Die Zitronenbäume blühten, und alle Bäume hatten gleichzeitig Früchte an ihren Ästen. Grüne und gelbe Zitronen strahlten und glänzten wie gelackt in der Sonne. Ohne Flecken. Sanft vom Meereswind gewiegt. War es da ein Wunder, daß die Katze nur an den Frühling dachte? An Schnurren. An Wärme. An Streicheln? Und wieder Schnurren. Die Katze dachte nicht daran, dass der Abschnitt Frühling auch ein Ende hat. Und die Katze dachte darüber nach, wie sie alles, was schön ist – den Frühling, die Sonne, die Menschen, die Katzen – einfangen könnte, um es zu konservieren. Etwas über alles stellen.
Die Katze dachte an ein Flugzeug. Ein Flugzeug, das nur startet, über den Wolken schwebt und niemals zur Erde zurückkommt. Denn über den Wolken sieht alles anders aus. Der Himmel näher. Die Erde ganz klein und fern. Und nicht verletzend. In dieses Flugzeug wollte sie alle Menschen, die ihr etwas bedeuten, einladen. Auch andere Katzen und Hunde. Sie mitnehmen auf eine Reise, die niemals aufhört, die immer nur beginnt. Unter sich die Wolken, die Erde. Über sich die Sonne, den Mond, die Sterne. Weit entfernt, immer ganz unten die Lichter des Unbedeutendseins, der Erde.
Eine wunderbare Idee, sagte die Katze zu sich und zu ihrer Katzenfreundin.
Die Katze ist wieder auf der Erde, ohne jemals gestartet zu sein in den Himmel, über die Wolken, über die Sorgen. Ihr Traum sagt ihr, dass sie keine Zeit mehr hat. Keine Zeit, die Menschen und die Tiere zu finden, die mit ihr gehen wollen über die Wolken, über die Erde, in den Himmel. Die Katze ist allein. Mit ihren Träumen. Mit ihren Ideen. Und mit ihrem Ende.

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MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

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Alter: 44
Beiträge: 18344

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Beitrag24.03.2008 09:13
Re: Katzenjammer
von MosesBob
Antworten mit Zitat

Guten Morgen, Runa!

RunaSomberg hat Folgendes geschrieben:
Noch niemals in ihrem Leben zuvor hatte die Katze ein solch seltsames Gefühl der Ohnmacht in sich.

Wenn du, ähnlich wie ich, beim Lesen das Gefühl hast, dass irgend etwas mit diesem Satz nicht stimmt, glaube ich zu wissen, woran das liegt: Zum Einen liest er sich uneben und zum anderen fehlt auch etwas. Die Passage „Noch niemals in ihrem Leben zuvor …“ würde ich ein wenig umformulieren: „Noch niemals zuvor in ihrem Leben …“. Das klingt ebenerdiger und nicht so gestreckt. Was fehlt, ist ein Verb – nämlich eines, das die grammatikalische Zeitform korrigiert. Deine Geschichte spielt im Präteritum, und diese Vergangenheitsform ist deine erzählerische Gegenwart. Jedoch blickt die Katze hier praktisch zurück. Also muss in diesem Satz die vollendete Vergangenheit Plusquamperfekt zum Einsatz kommen. Vorschläge: “Noch niemals zuvor in ihrem Leben hatte die Katze ein solch seltsames Gefühl der Ohnmacht in sich gehabt/getragen/gespürt.“

RunaSomberg hat Folgendes geschrieben:
Die Katze wollte leben. Aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass das Leben im gleichen Maße unerträglicher wurde, wie das Gefühl, sich nicht dagegen auflehnen zu können. Sie fühlte, sie müsste es hinnehmen, sich hineinfallen lassen, sich dem Gedanken hingeben, um sich über das Schlimmste willenlos tragen zu lassen.

Den Konjunktiv „müsste“ würde ich entweder durch die Vergangenheitsform „musste“ ersetzen, weil sie ihr Schicksal zu diesem Zeitpunkt ja schon begriffen hat. Oder aber wir rücken auch von der Vergangenheitsform ab und gestalten den Satz so: “Sie fühlte, sie würde es hinnehmen müssen, sich hineinfallen lassen, sich dem Gedanken hingeben, um sich über das Schlimmste willenlos tragen zu lassen.“

RunaSomberg hat Folgendes geschrieben:
Eigentlich das gleiche wie bei einer Übelkeit, die nur vorbeigeht, wenn man dem Körper, dem revoltierenden Magen, nachgibt.
Noch eine Woche vorher hatte die Katze das Leben vor Auge.

… gehabt. Denn auch hier schaut die Katze aus der erzählerischen Zeitform Präteritum zurück, namentlich auf die letzte Woche. Deswegen muss auch hier das Plusquamperfekt benutzt werden. Weiterhin würde ich das „Auge“ am Schluss den Satzes im Plural „Augen“ nennen, es sei denn vielleicht, die Katze hatte nur noch ein Auge.

RunaSomberg hat Folgendes geschrieben:
Ein Leben in der Sonne. Ein Leben mit der Sonne. Ein Leben nur im Frühling. Die Zitronenbäume blühten, und alle Bäume hatten gleichzeitig Früchte an ihren Ästen. Grüne und gelbe Zitronen strahlten und glänzten wie gelackt in der Sonne. Ohne Flecken. Sanft vom Meereswind gewiegt. War es da ein Wunder, daß die Katze nur an den Frühling dachte? An Schnurren. An Wärme. An Streicheln? Und wieder Schnurren. Die Katze dachte nicht daran, dass der Abschnitt Frühling auch ein Ende hat.

Entweder würde ich das Wort „Abschnitt“ ersatzlos streichen (der Frühling ist jahreszeitlich ein Abschnitt, das muss nicht betont werden). Oder ich würde direkt vom „Frühlingsabschnitt“ sprechen, was sich auch angenehmer in den Satzrhyhthmus einfügt.

RunaSomberg hat Folgendes geschrieben:
Und die Katze dachte darüber nach, wie sie alles, was schön ist – den Frühling, die Sonne, die Menschen, die Katzen – einfangen könnte, um es zu konservieren. Etwas über alles stellen.
Die Katze dachte an ein Flugzeug. Ein Flugzeug, das nur startet, über den Wolken schwebt und niemals zur Erde zurückkommt. Denn über den Wolken sieht alles anders aus. Der Himmel näher. Die Erde ganz klein und fern. Und nicht verletzend. In dieses Flugzeug wollte sie alle Menschen, die ihr etwas bedeuten, einladen.

Auch wenn ihr diese Menschen zu diesem Zeitpunkt noch immer etwas bedeuten, muss hier die Vergangenheitsform „Präteritum“ verwendet werden, weil das für dich als Erzähler die angetraute Zeitform ist. In die Gegenwart sollte man als Präteritum-Erzähler nur dann rutschen, wenn wörtliche Reden, direkte innere Monologe oder allgemeingültige Fakten genannt werden (z. B. „Die Wissenschaft ist heute auf dem Stand, dass …“)

RunaSomberg hat Folgendes geschrieben:
Eine wunderbare Idee, sagte die Katze zu sich und zu ihrer Katzenfreundin.
Die Katze ist wieder auf der Erde, ohne jemals gestartet zu sein in den Himmel, über die Wolken, über die Sorgen. Ihr Traum sagt ihr, dass sie keine Zeit mehr hat. Keine Zeit, die Menschen und die Tiere zu finden, die mit ihr gehen wollen über die Wolken, über die Erde, in den Himmel. Die Katze ist allein. Mit ihren Träumen. Mit ihren Ideen. Und mit ihrem Ende.

Wer ist die Katzenfreundin? Wo kommt sie plötzlich her? Wenn die Katze in Gesellschaft ist, wäre sie zumindest mit ihren später genannten Träumen und Ideen zu diesem Zeitpunkt nicht allein gewesen.




Fazit: Der erste Gedanke, der mir zu deiner Geschichte in den Sinn gekommen ist, ist der, ob die erzählerische Gegenwart nicht vielleicht geeigneter dafür gewesen wäre. Ja, ich glaube, ich hätte sie im Präsens geschrieben. Darüber hinaus finde ich die Idee mit dem Flugzeug irgendwie niedlich – gerade auch deswegen, weil der Gedanke von einer Katze stammt. Das ist putzig, wirklich. Es ist in etwa so, als würde mir ein Kindergartenkind die Relativitätstheorie erklären, und wenn Kinder sprechen, höre ich ihnen sehr gerne zu, weil sie gemeinhin unbefangen und ungeniert reden – und verständlich, weil sie einfache Worte benutzen, die mich an meine eigene Kindheit erinnern! Nichtsdestotrotz fehlt mir leider das Gefühl in deiner Geschichte. Ich habe immer auf ein Detail gewartet, etwas, das an mein Herz rührt. Genaugenommen sinniert die Katze nur, aber sie fühlt recht wenig … sie erinnert sich nicht. Ich denke, dass ein paar katzenhafte Erinnerung hier Wunder wirken würden.

Liebe Grüße,

Martin


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Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
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Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
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Hektograf
Eselsohr


Beiträge: 221



Beitrag24.03.2008 09:31

von Hektograf
Antworten mit Zitat

Es ist wunderbar Smile

Katzen haben neun Leben und Ärzte erzählen zu viel Schrott heutzutage. Muss wohl an der Geldpolitik liegen.

Hoffe mehr von Dir zu lesen.
Gruß, auch an die Katzenfreundin
H
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MosesBob
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Beiträge: 18344

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Beitrag24.03.2008 09:40

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallo nochmal!

Der Hektograf hat mich gerade darauf hingewiesen, dass ich deinen Text wahrscheinlich falsch interpretiert habe. Die Katze ist metaphorisch, oder? In dem Fall hoffe ich zumindest, dass dir die stilistischen Anmerkungen hilfreich sind, Runa, und senke mein Haupt wegen des interpretatorischen Fauxpasses in Demut. Ich komme mir jetzt direkt dämlich vor. Manchmal ist meine Leitung länger als die A7.  Laughing

Beste Grüße,

Martin


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RunaSomberg
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 104
Beiträge: 27



Beitrag26.03.2008 15:57
Katzenjammer
von RunaSomberg
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich danke Euch dafür, dass Ihr Euch so nett und kritisch mit dem beschäftigt, was hin und wieder aus mir heraus kommt. Lasst es Euch gut gehen. Ich wünsche viel Inspiration und Zeit für die schönen Dinge des Lebens...
 Smile
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Gast







Beitrag14.07.2008 16:38

von Gast
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Metaphorisch oder nicht (ich habe es auch nicht als metaphorisch verstanden, ehrlich gesagt, und fand den Text wohl deshalb sehr, sehr merkwürdig), Du hast diesen Text in der Talentschmiede eingestellt, und das bedeutet, Du willst daran arbeiten und ihn verbessern. Dafür finde ich Deine knappe Reaktion vor allem auf die viele Arbeit, die Martin sich mit Deinem Text gemacht hat, echt – na, sagen wir mal milde ausgedrückt – enttäuschend. Wenn Du nicht an dem Text arbeiten willst, warum stellst Du ihn dann in die Talentschmiede ein?

Ich wollte einiges zu Deinem Text sagen, aber das spare ich mir wohl lieber, da Du daran ohnehin kein Interesse zu haben scheinst. Bleibt nur eines, was ich gern sagen würde: Man merkt Deinem Text an, daß Du mal Werbetexterin warst - und das ist nicht wirklich ein Kompliment.

Grüße
Angela
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RunaSomberg
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 104
Beiträge: 27



Beitrag15.07.2008 15:19

von RunaSomberg
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Angela,
ich weiß nicht, was Du von Beruf bist oder warst, bestimmt nicht Werbetexterin. Denn sonst wäre Dir auch in Fleisch und Blut übergegangen, dass weniger fast immer mehr ist.
Lieber Gruß
Runa
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Murmel
Geschlecht:weiblichSchlichter und Stänker

Alter: 68
Beiträge: 6380
Wohnort: USA
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Beitrag06.03.2013 00:02

von Murmel
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Angela ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, die nicht mehr bei uns ist.

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