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Sampans


 
 
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Fleur de Sol
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 58
Wohnort: Im Geiste überall


Beitrag06.10.2012 11:23
Sampans
von Fleur de Sol
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Der Herbst ist vorbei, dachte Marthe.
Die Siebzehnjährige liebte diesen Ort, besonders im Herbst, aber sie war entschlossen zu gehen; auf immer und ewig, zumindest für eine sehr lange Zeit.
Da war keine hinderliche Angst mehr, entdeckt zu werden. Nun nicht mehr, nicht davor! Allein das armselige Bild ihrer Mutter - seit Jahr und Tag in immer derselben Kittelschürze aus Dederon über der ausgebeulten Trainingshose - reute sie.
Heute Morgen sah Marthe ihr noch zu, als sie den gusseisernen Kamin in aller Früh anheizte. Danach surrte die Nähmaschine ohne Pause. Mit entblößtem Unterarm führte Marthes Mutter das Handrad geschickt vor und zurück,  die Lesebrille aus Horn glänzte auf dem Nasenrücken.
Die Tochter hatte noch einmal an die Scheibe geklopft - heute Morgen, als sie ging. Aber sie wurde nicht einmal gesehen, als sie den Seesack im Schuppen versteckte.
Jetzt saßen alle vor der Glotze und niemand hielt sie auf.
So ein kleines Leben, grollte Marthe.
Das Mädchen schaute den Hügel hinauf und schlug den Weg zum Strand ein. Der Pfad war steil. Marthe musste ihn seitwärts hinaufkraxeln und sich immer wieder an glitschigen Grasbüscheln festhalten; wenn ihre Füße abrutschten, blieben die Schuhe im Matsch haften.
Auf halber Höhe verharrte sie für einen kurzen Augenblick und wischte sich über die feuchte Stirn. Der Wind fühlte sich schwer an, und dort, wo sie eben noch das Gartentor leise hinter sich geschlossen hatte, ertranken die beiden Reetdachhäuschen im tiefen Nebel des Novemberabends.
Marthe atmete tief.
Regen mischte sich mit Schnee, aber noch schwebte dieser herbstliche Hauch von Tank und Muscheln dunkel zwischen den Halmen. Das Mädchen konnte förmlich spüren, wie sich der Sturm aufbaute, dennoch wollte sie es noch einmal sehen, das Meer! Und während sich der salzige Geruch immer mehr verstärkte, beschleunigte Marthe ihren Schritt. Wieder und wieder stolperte sie nun über eine der unzähligen Wurzeln, die sich knöchrig unterm Boden schlingerten.
Doch es war zu spät!
Als sie das tosende Meer erreichte, spürte sie den Küstenwind scharfkantig auf ihrem Gesicht, aber unweit eines Meters war alles tiefschwarz. Enttäuscht ließ Marthe den Rucksack fallen. Ihre Finger brannten, sie hatte sich am Ried geschnitten. Das Mädchen tastete nach einem brauchbaren Taschentuch. Sie fand keins, dafür einen steinalten Westkaugummi.

Marthe hatte keine Ahnung, wie lange sie mit der Alufolie um den Finger als Taschentuchersatz in der Finsternis hockte und den fad schmeckenden Kaugummi kaute. Irgendwann jedoch wurde ihr klar, dass die Kälte in ihr hochkroch. Sie schlenzte das Schuhwerk von den eiskalten Füßen, rieb ihre Zehen, und als das auch nicht half, nahm sie die Schlafdecke und wickelte sich komplett hinein; wohlig streckte sie sich aus. Hier würde sie niemand vermuten.
Alles Gute zum Achtzehnten, beglückwünschte sich Marthe im Voraus.
Dem Tag ihrer Freiheit würde sie hier entgegensehen.
Sie lag da, aber sie schlief nicht, sie döste nur und starrte in den Himmel. Heute Nacht sollte der Mond voll sein, doch davon war nichts zu sehen, stattdessen hing er blind unter dem Wolkenschleier.

                                             *

Plötzlich hörte das Mädchen ein Hecheln neben sich.
>>Hey, bist du aus der Nacht gefallen?<<, begrüßte Marthe die Hündin. Suchend schaute sich die Abiturientin um, nicht weit entfernt sah sie einen Funken Licht, der gleich darauf herabfiel, dann wieder auftauchte, herabfiel …  
Swantjes Herrchen würde gleich auftauchen, ob er allein war?
Sören Rassmus tippte zum Gruß flüchtig an seine eng anliegende, tief in die Stirn gezogene, taubenblaue Strickmütze.
>>Schietwedder<<, brummte er und setzte sich zu ihr.
Marte nickte.
Swantje tippelte noch immer beseelt um das Mädchen herum. Als der Seemann sie schließlich ab leinte, jagte die Hündin in Richtung Strand davon.
>>Wat givt et denn?<<, scherzte der Dreißigjährige, >>de Utsicht is nu bannig bilich, nich?<<
Marthe schaute in Richtung Meer.
Die Windböen zerrten und zausten so stark an ihren langen Haaren, das sie ihr schmerzhaft ins Gesicht peitschten. Und Sand, jede Menge feinporiger Dünensand verklebte ihr die Augen. Unbeholfen versuchte sie, ihn mit dem Schaal aus ihren Wimpern zu reiben, erreichte aber genau das Gegenteil. Die Augen tränten; die salzigen Bäche strömten nur so.
>>Nee, nich<<, hielt Sören sie ab und lächelte mittleidig.
>>Giv Supp dorop<<, verlangte er.
Marthe starrte auf das riesige Stofftaschentuch, das er ihr hinhielt.
>>Nu loos<<, raunte er, spuckte am Ende selbst darauf und wischte ihr die Augenlieder, während er die Lage der Taschenlampe immer wieder veränderte.
Inzwischen war Swantje leichtfüßig aus der Dunkelheit zurückkehrt und schmiegte sich an Marthe. Mechanisch kraulte sie die quirlige Hündin. Das Tier war durchnässt, das Halsband rutschte um den schlanken Hals.
Zur Freude der Labradordame schleuderte das Mädchen einen Stock in Richtung Wasser und animierte das Tier lautstark, den Ast zu apportieren.
Sören schaute zu und fand, dass Marthe mit ihren strubbeligen Haaren und dem farblich undefinierbaren Schaal sehr fiebrig aussah. Er mochte die Deern: klug, eigenwillig, eher scheu.
Ihre Nase triefte.
Stumm hielt er Marthe das Taschentuch hin.  
 >>Wo warst du diesmal?<<, wollte sie wissen und rückte schnäuzend etwas näher heran, ohne ihn zu berühren. Seine Gegenwart war ihr angenehm.
>>Vietnam<<, antwortete er knapp und spielte mit der Hundeleine.
>>Oh, schön. Vietnam also!<<, tat Marthe überrascht, dabei wusste sie es längst von seinem Schwager.
>>Hast du das Mekon-Delta gesehen?<<
Marthe wollte schon immer mal dahin; zu den schwimmenden Märkten.
>>Hm.<<
Man hätte ihn besser Tacitus  taufen sollen, sann das Mädchen, Tacitus steht für schweigsam, Sören für …; sie erinnerte sich nicht.
>>Erzähl schon<<, bat sie.
Sören Rassmuss war kein Mann der vielen Worte, verlegen räusperte er sich.
>>Mak de Ogen to, … nu loos, … richtig to!<<, nötigte er das Mädchen, >>ahn geit dat nich!<<
Marthe gehorchte und schloss die Augen.
>>Dat Mekong-Delta is een endlos langer Fluss<<, sprach Sören nun beinahe verständlich.
>>Mangobäume, Kokospalmen, Reisfelder …, wiet un siet.<<
Er schaute Marthe von der Seite an.
Sie blinzelte.
>>Schiet awer ok. Ogen to!<<, rief er. Immer wieder verfiel er ins Plattdeutsche.
Marthe kicherte.
>>Uppassen Deern!<<, er legte seine schwere Seemanns and auf ihre Augen, >>… als Fru könntest du mit ‘m Strohhut bedeckt an de Bootsspitze sitzen. Dien Mann würde sich hinten am Ruder uphollen. Dog un Nach, …  auf einem der kippeligen Sampans bei de swimmenden Märkte anlegen; und jedes Mal is‘ s eene Fahrt ins Unjewisse, ...<< , endete er.
Marthe strahlte.
Ja, das würde ihr gefallen. Die Schlichtheit des Lebens auf den kleinen Händlerbooten bewunderte sie, … dann die zauberhafte Halong- Bucht mit ihrem versunkenen Kalksteinplateau, das sich in spitz zulaufenden Felsen aus dem Wasser erhob,  äsende Wasserbüffelherden, … die Grotte von Luon und die schwimmenden Dörfer, deren Holzhütten auf Pontons gebaut waren und Touristen die Mahlzeiten frisch aus dem Meer serviert bekamen. Krabben, Krebse, Tintenfisch, weißer Fisch …
Eine Weile lang starrten sie ins Dunkel.
>>Wohin gehts jetzt mit‘ m Schiff?“, fragte Marthe.
>>Dat is nu vörbi, glööv ick … <<
Beide hingen ihren Gedanken nach: Alles war nun vorbei, irgendwie.
Als ein Vogelschwarm lautstark über sie hinweg zog, spähte Sören unschlüssig auf die in Neon leuchtenden Schriftzeichen seiner Digitaluhr: 09:17 p.m.
>>Graugänse<<, mutmaßte Marthe.
>>Hm, ward Tied.<<
Sören war seltsam aufgewühlt.
>>Ich geh weg von Rügen<<, sagte sie leise und ließ Sand durch die Finger rieseln.
Sören schaute sie ernst an.
>>Bedoor di man ehm<<, sagte er beschwichtigend und legte ihr flüchtig die Hand auf die Schulter. Dann pfiff er nach Swantje.
>>Keener wees nich, wat kummt<<, sagte er, während sie unten am Meer die Hündin bellen hörten.
Marthe sollte sich beruhigen, hatte er gemeint. Aber wie, wenn alles aus den Fugen geriet? Erst Peking, dann Leipzig, Budapest, Prag! Überall war was los. Die Menschen gingen auf die Straße, nur hier nicht! Hier saßen sie vor den Fernsehapparaten und schüttelten die Köpfe oder schimpften - wie ihr Vater.
 >>Ick mööt gahn<<, meinte Sören Rassmus bedauernd.
Er stapfte davon.
Marthe blieb zurück und fühlte sich sofort einsam, so allein im schwammigen Dünensand hockend. Monoton kaute sie den reizlosen Kaugummi, mit dem man nicht mal Blasen machen konnte. Der quälende Hunger ließ sich damit auch nicht mehr verdrängen.
Und wenn sie nun doch zu Hause bliebe?
Nein! Es war alles gesagt, alles bedacht, alles hundert Mal betrauert worden; tausend Mal! Marthe war gerüstet, im Innenfutter ihres Wollmantels knisterten die beiden Fünfziger. Knapp drei Stunden brauchte sie von Stralsund nach Berlin, vielleicht auch vier. Dort wollte sie rüber machen, Begrüßungsgeld holen und endlich was sehen von der Welt. Sören Rassmus war Seemann, der hatte schon alles erlebt, aber sie?
Augenblicklich schlug eine Wagentür.
Marthe horchte, irgendwo knackte es. Ob man sie schon suchte? Nun bedauerte sie den Abschiedsbrief auf ihrem Schreibtisch. Aber woher hätte sie auch ahnen können, dass die Eltern noch einmal … Überrascht blickte sie in moosgrüne Augen. Plötzlich wusste sie es wieder: Sören - der Ernsthafte.
>>Du mööt weg, hüüt noch!<<, meinte der Seemann bestimmend und grabschte nach ihrem Leinensack. Er ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken.
Wie die Kinder jagten sie Hand in Hand den Küstenstreifen entlang. Die Erde knirschte unter ihren hastig eilenden Füßen. Mit quietschenden Reifen befreite Sören den alten Skoda aus seiner starren Umarmung. Swantje hüpfte auf den Beifahrersitz, Marthe hockte sich hinter sie. Die Tankanzeige flackerte.
>>Bis Stralsund kann ick di fahren<<, versprach er, aber seine Mimik verriet Besorgnis.
Die Landstraße war vereist und Schnee fegte ungehindert über die Fahrwege. Verstreut liegende Gehöfte duckten sich unter der dunstigen Glocke und der Sturm wurde immer heftiger.
>>Beeten wo ’78<<, schrie Sören, bemüht den dröhnenden Motor zu übertönen, >>allöverall Snee!<<
Swantje schaute ihren Besitzer an und wedelte begeistert mit dem Schwanz, als wüsste sie Bescheid. Marthe starrte aus dem Fenster, sie schwieg.
Irgendwann hielt der Skoda an einer Weggabelung. Im Stockdunkeln tranken sie Tee, feierten ihren achtzehnten Geburtstag. Rücken an Rücken nippten sie abwechselnd aus Marthes Thermoskanne. In Porzellantassen würde das Getränk aus heimischen Kräutern hellgrün leuchten. Aber sie hatten keine Porzellantassen. Sie hatten nicht einmal Licht.
>>Achtundsiebzig war ich sieben<<, nahm Marthe das Gespräch auf,
>>damals, als die Ferien ewig dauerten. <<
Sören schlürfte geräuschvoll.
>>Hm, keener kam mihr rin und keener mihr rut. << Er überlegte kurz.
>> Gigantisch! Die Ostsee war vollständig zugefroren. Selbst zu Silvester gab‘s keinen Strom!<<
Marthe staunte, er konnte es ja doch noch: richtig sprechen!  
>>Stimmt, und du hast einfach eine Autobatterie ausgebaut. Dann spielte die Musikanlage die ganze Nacht. Weisst Du es noch? <<
Er wusste es.
 >>Du warst mein Held damals<<, erinnerte sich Marte.
 >>Dein Held?<<
 >>Ja, sternenklarer Himmel, Kerzenlicht, das ganze Dorf begrüßte tanzend das Jahr 1979. Du hast mit mir getanzt, sonst keiner. <<
Marthe schaute ihn an. Ja, er war ihr Held - damals wie heute. Sören war beinahe doppelt so alt wie sie, aber ihr Held. Zärtlich strich sie ihm über die Hand, und als er nicht reagierte kroch sie vorsichtig seinen Pulloverärmel hinauf bis zur Schulter.
Sören Rassmus rührte sich nicht, aber sein Herz hämmerte.
Marthe setze sich rittlings auf seinen Schoss und küsste ihn. Auf die Stirn, den Nasenrücken, den Hals. Geschickt biss sie ihm auf die Oberlippe, dann schob sie ihre Zunge zwischen seine Zähne.
Seine Lust stieg ins Unermessliche. Er schob die riesigen Pranken unter ihren Mantel, tastete sich den Rücken entlang, Wirbel für Wirbel, ständig die eigene unbändige Gier bezwingend. Mit den mächtigen Handtellern umschloss er Marthes volle Brüste.
>>Wie kleine Rosinen<<, dachte er.
Sie liebten sich achtsam. Ausgiebig. Zärtlich.

Als Sören Rassmus im Morgengrauen jäh erwachte, zeigte seine Armbanduhr 04:35 a.m. Jemand hatte an die Fensterscheibe des Skoda einhundert geklopft.
Da, wieder! Es klopfte.
Sören hauchte sich ein Guckloch, dann erst kurbelte er widerwillig das Fenster auf der Fahrerseite einen Spalt breit runter.
>>Hast du Marthe gesehen? <<, fragte ein großer, schmallippiger Herr in gelbem Regenmantel und wedelte bedrohlich mit einem Stück Papier, das wie ein handgeschriebener Brief aussah.
Sörens Bauch krampfte.
>>Ne, ... wat is? <<, entgegnete er gedehnt, >>keen Benzin nich! <<, erklärte er gähnend und schlug auf das Armaturenbrett, als säße dort der Tank.
Das Regenmantelgesicht sah ihn prüfend an.
>>Mann - erzähl nicht! Du kennst sie doch<<, polterte der Hüne, >>die Mauer ist auf! Natürlich ist sie weg, will bestimmt die Welt retten, mit dem ollen Seesack von mir und dem grünen Dings da,  .... der Schlafdecke. <<
Sören Rassmus zuckte mit den Schultern.
Noch einmal schlug Marthes Vater zornig an die Scheibe, dann stelzte er davon.
Swantje hob den Kopf.
Sören bedeutete der Hündin, sich auf der grünen Schlafdecke tot zu stellen; Marthe war noch da.

                                             **



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hobbes
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Beitrag06.10.2012 12:19

von hobbes
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Hallo Fleur de Sol,

also, ich hätte wirklich gern weitergelesen - aber nach der Hälfte habe ich aufgegeben, denn: Ich versteh kein Wort. Vielleicht würde ich mehr verstehen, wenn ich mich dafür anstrengen würde, aber beim Lesen hab ich keine Lust, mich anzustrengen.
Ich meine, mich zu erinnern, dass es hier schon Threads gab, in denen über "wie viel Dialekt ist möglich" diskutiert wurde. Dein Text wäre für mich ein Beispiel für: eindeutig zu viel. Für mich jedenfalls.

Ansonsten hing ich am Anfang auch ein bisschen in der Luft, in welcher Zeit das spielt. Der gusseisernen Kamin und die Nähmaschine, die ohne Pause läuft, haben mich ein paar Jahrzehnte zurückgeworfen. Aber da passte die Trainingshose natürlich nicht mehr. Trotzdem hat mich diese Frage "Wann? Wo?" vom Text abgelenkt.

Aber falls es noch mal eine dialekt-entschärfte Version gibt, würde ich gern weiterlesen und herausfinden, wie es ausgeht.
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Fleur de Sol
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Beitrag06.10.2012 12:42
Dialekt(isches)
von Fleur de Sol
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Hallo hobbes,
danke fürs schnelle Feedback.  Razz
Die Einordnung in die Zeit kommt eigentlich später, aber die Leser/-innen sollen natürlich nicht falsch geleitet werden, daher werde ich mir dazu etwas überlegen.
Eine Übersetzung zum Text kann ich gerne liefern, ich hoffte allerdings, dass es sich aus der Reaktion der Protagonistin erlesen lässt- offenbar nicht, dann habe ich noch zu tun!!!  Embarassed

Herzlichst, Fleur


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anuphti
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Beitrag06.10.2012 13:09

von anuphti
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Hallo Fleur,

aus welchen Gründen auch immer, aber ich habe sofort verstanden, worum es ging, spätestens bei Westkaugummi war klar, dass sie in der DDR ist und rübermachen will.
Kurz vor ihrem 18.Geburtstag.

Das Plattdeutsche ist mir geläufig, aber Du fügst ja auch immer wieder Erklärungen ein.

Und weiter unten kommen ja schon die Hinweise auf 1989, Zeit des Mauerfalls und des Umbruchs.
Sehr gerne gelesen, später mehr!

LG


PS
die >> und << haben mich etwas irritiert smile


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Fleur de Sol
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Beitrag07.10.2012 19:48

von Fleur de Sol
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Liebe anuphti,
ein schönes Stück Merci-Schokolade schicke ich Dir virtuell für die schnelle Antwort. So schlägt es auch nicht auf die Hüften!  Razz
Das: später mehr... verzögert sich wohl noch, daher schon hab schon mal Dank für das nette Feedback, bevor es im Arbeitsstress der kommenenden Woche verloren geht.
Also Frau liest sich!
Herzlichst, Fleur


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anuphti
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Beitrag07.10.2012 21:46

von anuphti
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Liebe Fleur,

leider habe ich meinen Laptop gerade außer Gefecht gesetzt, deshalb tue ich mich schwer mit detailliertem Kommentieren, nur so viel, Tang schreibt man mit "g"" mitleidig mit nur einem t und Schal mit nur einem a (ich nehme mal an, dass das alles Flüchtigkeitsfehler sind?)

Wir haben hier im Forum den Gerold, der steht rechts oberhalb von dem Textfeld und wenn du den anklickst, dann markiert er solche Worte, das lohnt sich auf jeden Fall ihn mal über einen Text drüber kucken zu lassen, bevor man ihn abschickt.

Aber das sind Kleinigkeiten.

Kommst Du von dort oben? ich bin nämlich über ein paar Beschreibungen gestolpert, die ich aus dem Norden nicht so kenne.

Zum Beispiel Ried. Das kenne ich mehr im Zusammenhang mit Seen und Mooren. Am Strand habe ich vor allem Strandhafer. Oder ist das auf Rügen anders?
Dann ist der Boden in Strandnähe meist sandig (deshalb stolpere ich über dden Matsch beim Aufstieg von Marthe auf die Dünen, oder was sind das für Hügel am Strand, wo sie rauf kraxelt?)

Und dann redest Du schon Schnee und Regen, und anschließend von "schwammigem Dünensand" (der ist aber recht fest, wenn er nass ist) und kurz vorher sprichst Du von "feinporigem Dünensand", da ist feinporig auch nicht das richtige Wort ... (Sand hat doch keine Poren)

Also stolpere ich ab und an über Begriffe, die ich aus meiner norddeutschen Heimat nicht so in Zusammenhang mit Strand bringe, deshalb meine Frage smile extra

Soweit so gut, später, wenn mein PC wieder aktiv ist, wenn Du willst, noch mehr smile

LG
Nuff (immer noch gerne gelesen!)


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Fleur de Sol
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Beitrag07.10.2012 22:10
Flüchtigkeit oh... je...
von Fleur de Sol
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Hallöle,
ja doch! Very Happy , ich bin auf Rügen geboren, aber das mit den richtigen Worten ist dann doch noch eine andere Sache, ich schreibe noch gar nicht so lange - schon gar nicht öffentlich.
Die vielen Hinweise sind prima, das Missgeschick mit Deinem PC ja nu nich!!! Sad
Also, wie mache ich das mit dem Verbessern des Textes ... einfach noch einmal einstellen oder als Fortsetzung posten? Meine Güte - bin ich ahnungslos!!!
Herzliche Grüße in die Nacht
Fleur
PS: Hurra, ich habe den Gerold gefunden, was für ein Mann, ach was sag' ich, ein ganzer Kerl!


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anuphti
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Beitrag07.10.2012 22:16

von anuphti
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Du kannst in einer neuen Antwort (wenn Du eine verbesserte Version gleich drunter einstellen möchtest) unten drunter auf "neue Version"klicken. Dann erscheint oben bei dem Ursprungstext ein Button "neue Version" und neue Leser können sofort zur verbesserten Version gehen.

Ich würde aber noch ein bisschen warten, es kommen sicher noch mehr Anregungen. Und Gerold hast Du ja jetzt schon gefunden. smile extra

Bis dahin noch viel Spass beim Überarbeiten smile

LG
Nuff


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Scribus
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Beitrag07.10.2012 22:29

von Scribus
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Hallo Fleur,

die Geschichte funktioniert, erzeugt die richtigen Bilder, Verständnis kommt den Älteren vielleicht schneller, als den Jüngeren. An diesem Punkt musst du mal sehen, ob Du Dir das was einfallen lassen kannst, was nicht zu offensichtlich daher kommt, aber auch denen, die um den Mauerfall herum "Jungsche" waren, beim Verstehen hilft.
Ansonste sehr dicht erzählt, und mir gefällts.

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Piratin
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Beitrag08.10.2012 10:58

von Piratin
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Hallo Fleur,

ich finde die Geschichte gut, allerdings (neben dem Dialekt, den ich mir anstrengend zusammenreimen musste) hänge ich an zwei Sachen:
Dass die Beiden aus heiterem Himmel übereinander herfallen, hätte ich auf Grund der Charaktere und wie sich zuvor zueinander verhalten nicht erwartet und bin deshalb irritiert.
Es gibt ein paar Perspektivwechsel, die mich raushauen, wie z.B. "Sören war seltsam aufgewühlt." "Seine Lust stieg ins Unermessliche."
ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Liebe Grüße
Piratin


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Fleur de Sol
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Beitrag08.10.2012 20:50

von Fleur de Sol
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Guten Abend Scribus,
schönen Dank für die Feststellung, dass die Geschichte funktioniert.
Freude!!!  Very Happy
In Deinem Profil habe ich gesehen, dass Du schon einiges veröffentlicht hast .... Shocked

Da es - sowohl von Dir, als auch von anderen Forenmitgliedern/-innen - noch Fragen und/ oder Verbesserungsvorschläge gibt, habe ich trotzdem noch einiges zum Denken.
Für die jüngeren Leser/-innen könnte ich etwas mehr DDR Beschreibung in die Figur der Mutter legen, zumal der Kamin vielleicht zu nostalgisch wirkt, so ohne Erklärung.

Ich warte noch auf etwaige Nachzügler ... dann mache ich mich an eine Überarbeitung.
Herzliche Grüße
Fleur


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Beitrag08.10.2012 20:58
@ Piratin
von Fleur de Sol
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Was macht einen Piratin auf Mallorca...?, aber sei gegrüßt dorthin!!!
Merci für die morgendliche Rückmeldung, ich selbst bin eher eine Nachtschreiberin.
Ja, das mit dem "Überfall" ist hm, ... fehlt wohl was! Rolling Eyes
Und die Stelle mit Sören sollte zeigen, dass er etwas für sie empfindet, sich aber dagegen wehrt.
OK: Das schau ich mir noch mal an.

Doswidanija und spakoi noi Notschi
Fleur


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Beitrag02.04.2013 21:08
2. Version
von Fleur de Sol
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Hallo,
ich habe mal einen Wettbewerb zum Anlass genommen, diese Geschichte zu überarbeiten. Für alle diejenigen, die >>Plattdeutsch<< immer noch nicht lesen mögen, ist das allerdings nichts. Über ein Feedback würde ich mich aber wirklich freuen, und ... danke für Eure Zeit! Rolling Eyes
Fleur

Als Swantjes buschiger Schwanz ihr über die Wangen strich, lachte Marthe. Sie lachte gern. Und wenn sie lachte, zeigte sich ein Grübchen an ihrem Kinn. Aber nicht heute. Heute war es ein verzagtes Lachen, ohne Grübchen.
  „Hey, hey, du bist ja stürmischer als das Wetter!“, protestierte sie jetzt, tätschelte die Hündin, grub die Hände tief in Swantjes goldgelb schimmerndes Fell und schrie gegen den heulenden Wind: „Wo hast du dein Herrchen gelassen, hm?“
Hinter der Düne glitt ein Leuchten durch den Nebel. Wie eine schwebende Zitronenscheibe tauchte es auf, fiel herab, tauchte auf, verschwand erneut; Marthe ließ es nicht mehr aus den Augen. Als das Funkeln näher kam, hörte sie ihn prusten: „Schietwedder!“ Sören Rassmus richtete den Strahl der Stablampe erst auf sie, dann auf ihren Seesack und tippte mit zwei Fingern grüßend an seine Strickmütze.
Marthe kniff die Augen zusammen.
  „Ut, Swantje, ut. Hör up!“, rief der Seemann; die Hündin war ihm zwischen die Beine gejagt. Er leinte das Tier ab und sackte zu Marthe in den pappigen Sand. „Wat giv'et denn“, die junge Fru und dat Meer?“
Marthe starrte schweigend auf Swantje, die nach etwas schnappte. Meterhoch fegte der Sturm ein Stück Plastik über den Strand. Hoch und höher. Die Hündin bellte und tollte hinterher.

Fliegen müsste man können, dachte Marthe. Weit, weit, weg. Der Himmel kennt ja keine Grenzen.
  „Die Utsicht is man billig, nich?“, feixte Sören Rassmus und zeigte mit der Lampe auf die tobende See. Er scherzte, aber seine Stimme wirkte fürsorglich.
  „Hier ist alles billig“, knurrte das Mädchen und rieb sich mit dem Wollschal den klebrigen Sand aus den Wimpern.
  „Spuck dorop!“
Marthe schaute auf das riesige Taschentuch, das er ihr hinhielt. „Die Dinger hat wohl jeder Mann von Rostock bis Suhl?“
  „Nu, wat denkst du? Gehürt to`r Utstüer. Nu, seh man to“, spornte der Seemann sie an.
Ihr Speichel landete schäumend auf dem blassblauen Stoff.
  „Jo, un nu mach de Klüsen to“, befahl der Hüne und erhob sich schwerfällig. „Nu loos, … richdig to“, nötigte er sie, „anders geit dat nich!“
Marthe schloss die Augen und Sören Rassmus machte sich daran, ihr die Lider zu säubern.
  „Wo warst du diesmal?“, forschte das Mädchen.
  „Mosambik.“
  „Warst du schon mal in Vietnam?“
  „Vietnam? Nich mit‘m Schipp.“
  „Aber du warst schon mal dort?“
  „Fröher, mit‘m Fleichtüch. Worüm fröchst?“
  „Nur so“, Marthe blinzelte.
  „Schiet awer ok. Klüsen to!“
Marthe kicherte.
  „Uppassen Deern!“, er hockte sich vor sie und sein Gesicht nahm einen verwegenen Ausdruck an. „Kennst Du dat Mekong Delta?“, fragte er.
Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Bloß als Fotoreportage.“
Der Seemann räusperte sich: „Dat Mekong Delta is een endlos langer Strom. Mangobäume, Kokospalmen, Reisfelder wiet un siet. Als Fru könntest du mit ‘m Weihot bedeckt an de Bootsspitze sitzen. Dien Mann würde sich hinnen am Ruder uphollen. Dag un Nacht, auf eenem der kippeligen Sampans bei de swimmenden Märkte anlegen; und jedes Mal is‘s eene Fahrt ins Unjewisse“, endete er, steckte das Taschentuch in seinen mausgrauen Parka und setzte sich wieder in den Sand.

Marthe hielt die Augen geschlossen.
Ja, das könnte ihr gefallen: die kleinen Händlerboote in der Halongbucht mit ihrem versunkenen Plateau aus Kalkstein und den spitz zulaufend Felsen, die aus dem Wasser lugen. Oder die Grotte von Luon und die schwimmenden Dörfer, wo sie Holzhütten auf Pontons bauen. Krabben, Krebse, Tintenfisch, weißer Fisch …

  „Wat von Tonja ut’m komodigen Westen gehürt?“, unterbrach Sören Rassmus das Schweigen.
  „Ne“, Marthe schob die Unterlippe vor.
  „Dien Schwesting kümmt dörch, da droeben!“, meinte der Seemann mehr zu sich selbst und dachte an die nächtlichen Debatten über Küstenschutz und Artenerhalt mit Marthes älterer Schwester, die er vermisste. Im Sommer war Tonja einfach weg, über Ungarn. Wohin wusste niemand so genau.
  „Dass man sie aber auch nicht anrufen kann“, zankte Marthe.
  „Nu ma sachte, Diern!“, wiegelte Sören Rassmus ab, hustete und klopfte sich an die Brust.
  „Nur wiel dien Vadder ‘n hohet Tier is, habt ihr nen Klönkasten“, tadelte er und meinte das Telefon. „Unser eener wartet schon ewig dorop.“
  „Musst du grad sagen“, schniefte Marthe mit der ganzen Verachtung einer Siebzehnjährigen und fuhr sich mit dem Mantelärmel über die Nase. „Du kannst reisen, trägst Westklamotten, hast die Welt gesehen, … hab ich nicht!“

Recht hat sie, dachte er. Da, wo sie die in Reet gedeckten Häuschen hinter sich gelassen hatte, lebten sie ein kleines Leben. Kein Hund, keine Katze, vielleicht hatten sie Mäuse im Garten. Und‘n Telefon! Aber mit wem sollte sie telefonieren, mit der Partei?
Swantje kehrte aus der Dunkelheit zurück.
Marthe nahm einen Stock, hielt ihn der Hündin vor die Nase und schleuderte ihn in Richtung Wasser. „Such Swantje, such!“
Sören Rassmus schaute ihr nachdenklich zu. Wie ähnlich sie sich sind, dachte er - trotz aller Unterschiede. Insgeheim verglich er die Schwestern. Ihre Mähnen wirkten immer irgendwie strubbelig. Wild. Wie junge Fohlen. Und so eigenwillig. Sehr, sehr eigenwillig.
  „Wohin geht’s jetzt mit ‘m Schiff?“, lenkte Marthe ihn ab.
  „Dat is vorbi glöv ick, …!“, der Seemann spähte auf die neonleuchtenden Zahlen seiner Digitaluhr.
  „Gehst du nach drüben?“
Er rieb den feuchten Sand zwischen den Fingerspitzen: „Alles ist nu vorbie, … irgendwie.“

Als ein Vogelschwarm lautstark über den Strand hinweg zog, schaute Marthe nach oben. „Graugänse“, mutmaßte sie, hangelte aus dem Mantel ein Päckchen Club und hielt Sören Rassmus eine Zigarette hin; das Benzinfeuerzeug klickte.
  „… ich geh weg!“, sagte Marthe und zog den Rauch tief in die Lunge.
  „To Tonja, nach Hamburch?“ 
  „Hm, wenn ich sie finde.“
Sören Rassmus kratzte sich am Kinn: „Nu is ja allens möglich", er paffte in kurzen Zügen, „aber Diern: man gahnt uf jümmer un ewich von ne Insel odder man gahnt nie nich!“
Marthe schnäuzte sich. „Wer will hier schon leben?“, sie schnippte die Zigarette weg.
  „Wie kummst hin?“
  „Trampen!“, der Seemann schüttelte ungläubig den Kopf. „Bei dem Wedder, bis zum Rügendamm? Da is doch keene Koor uf de Strat. Hast‘e Penunsen?“
Marthe klopfte an den verschlissenen Wollmantel; in der Tasche knistern die Scheine.
  „Twee Föfftiger?“, Sören Rassmus wiegte den Kopf, „damit kummst nich wiet!“, nölte er, als Marthe ihm stolz das Westgeld zeigte.
  „Gibt doch noch Begrüßungsgeld!“
  „Hunnert Mark, un wat denn?“
  „Soll ich warten bis die Grenzen wieder dicht sind?“
  „Wo hewwst‘s de her?“, Sören Rassmus, rieb Daumen und Zeigefinger aneinander.
Marthe zog abwehrend die Schultern nach oben und dachte an die heruntergestürzte Kaffeekanne aus der Küchenvitrine.
  „Hat dien Mudder dat rutkriegen?“
Marthe schüttelte den Kopf. Alles Gute kommt eben doch von oben, dachte sie und fuhr plötzlich hoch, dass der Seesack umfiel. „Peking, Leipzig, Budapest …, Prag! Mann, überall passiert was! Nur hier sitzen sie vor‘m Fernseher, schütteln die Köpfe und schimpfen ... Weißt du, was mein Vater gesagt hat? Das glaubst du nicht. Schabowski irrt sich, meinte er. Wer sich wohl irrt, die DDR ist im Arsch!“ 
Swantje bellte unten am Meer.
  „Nu ja, ward Tied“, bedauerte der Seemann, erhob sich, klopfte den Sand von der Jeans und vergrub die Hände im Parka. „Ick muss gahn“, sagte er entschuldigend, zog ein Paar Handschuhe mit echtem Fell aus den Taschen, warf sie Marthe zu, nickte und stampfte in Richtung Wasser. Die Hundeleine schleifte im Sand.

Marthe blickte hinterher. Das Taubheitsgefühl in den Fingerspitzen wich allmählich, aber den Küstenwind spürte sie scharfkantiger auf ihrem Gesicht.
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