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_narrative Eselsohr
Beiträge: 210 Wohnort: Augsburg
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31.01.2013 22:14 wenn die stille am tiefsten grollt von _narrative
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wenn die stille am tiefsten grollt
wenn die stille am tiefsten grollt
sperre ich mich in
augenschwarze gründe und
sammle bruchstücke
ihrer blicke die
meine haut
zerfasern mich -
bloßlegen
forttreibend in
fragmentwellen
hülle ich mich in ein
netz aus rissen
und die stille
verstummt
Weitere Werke von _narrative:
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dürüm Wolf im Negligé
Alter: 46 Beiträge: 966 Wohnort: Cape Town
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01.02.2013 02:23
von dürüm
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Hallo _narrative ( ist der Unterstrich von Bedeutung? und wenn ja, von welcher?)
interessantes Stück, Bruchstücke, Fragmente und Risse und zerfasern. Und es ist die Stille, die alles auslöst, es ist die Stille, die grollt, wie sonst der Donner.
Es klingt so, als sei die Stille unerwünscht, überwältigend, es klingt (für mich), nach dem Schweigen nach einem Streit oder Missverständnis, diese bohrenden Blicke, die einen auflösen (zerfasern).
Einzig über den Strich hinter "mich" stolpere ich.
Ich hätte ihn vor das "mich" gestellt, um das Enjambement klarer zu machen, weil das "mich" zu "bloßlegen" gehört (?)
Mir gefallen die Bilder, vor allem die Bruchstücke ihrer Blicke, und das Netz aus Rissen.
Das ist genial.
Sehr gerne gelesen. Nichts zu bemängeln.
Gruß
Kerem
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca) |
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 01.02.2013 18:26
von Aranka
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Hallo narrative,
„wenn die stille am tiefsten grollt“ - ein Titel, der mich gleich angelockt hat. Denn schon beim Titel hatte ich eine Stille im Kopf, die unangenehm ist, die vor lauter „Nichtausgesprochenem“ unüberhörbar dröhnt und rumort.
Zitat: | wenn die stille am tiefsten grollt
sperre ich mich in
augenschwarze gründe und |
eine gute Metapher: augenschwarze gründe / in dieser Stille spielen Blicke eine Rolle. Auch gut die Doppelbedeutung von „Grund“.
Zitat: | sammle bruchstücke
ihrer blicke die
meine haut
zerfasern mich -
bloßlegen |
Auch der weitere Text baut das Bild zweier Menschen in dieser grollenden Stille weiter aus. Der Gedankenstrich steht für mich unnötig da.
Zitat: | forttreibend in
fragmentwellen
hülle ich mich in ein
netz aus rissen
und die stille
verstummt |
Dieser vermeidliche Widerspruch hier: ein netz aus rissen. Ein Netz signalisiert Halt, Risse das Gegenteil. Aber auch die gemeinsam erlebten und durchlittenen, auch durchschwiegenen Risse, können ein Netz sein, ein gefährliches vielleicht, aber immerhin noch ein Netz. Und wenn die dröhnende Stille endlich verstummt, dann kann das auch wohltuend sein.
Für mich ist hier der Schluss sehr offen. Ich könnte es lesen, wenn das Dröhnen der Stille nicht mehr auszuhalten ist, dann endlich beginne ich die Bruchstücke (von ihr /uns) zu sammeln, lege mein Innerstes bloß. In den Brüchen lässt sich ein Netz knüpfen, das mich einfängt/hält und die dröhnende Stille wird eine, die mir Raum zum erneuten hineinhorchen gibt. Ich kann das verstummen auch so deuten, dass etwas endgültig für immer schweigt.
Ich mag es mal für mich positiv lesen. Wenn die Stille verstummt, beginnt sie für mich wieder zu tönen, sich neu zu sortieren und zu klingen. Aber, ich gestehe, ich neige zu positivem Sehen.
Ganz unabhängig davon, es ist für mich ein guter vielschichtiger Text mit gut gewählten Worten. (eine unwichtige Anmerkung und vielleicht auch nur eine persönliche Sicht. Das „forttreibend“ lässt sich schwer lesen. Die doppelten T sprechen sich ungelenk. Reicht da nicht einfach „treibend“??? )
Gern gelesen. Liebe Grüße Aranka[/quote]
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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Strichpunkt Leseratte
S
Beiträge: 166
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S 02.02.2013 01:39
von Strichpunkt
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Hi narrative
Habe deinen Text jetzt schon mehrere Male gelesen und möchte dir einen Kommentar da lassen:
"wenn die stille am tiefsten grollt" gleich im Titel ein Oxymoron (die oft schwierig zu entschlüsseln sind). Gefällt mir, so wie es da steht. Hier lässt sich der scheinbare Widerspruch sehr einfach auflösen: Der Augenblick, wenn die Stille am eben am tiefsten grollt, ist der Moment grösster Einsamkeit. Dann kann man so etwas spüren, erfahren (zu hören ist es schwieriger ). Und es steht "grollt", nicht "brummt". "Grollen" hat eine bedrohliche Konnotation. Wenn ich jetzt den Text weiterverfolge, wird eines klar: Diese Stille ist bedrohlich, das lyrische Ich muss sich wegsperren von ihr, ihr entkommen, sonst könnte alles vorbei sein.
Der nächste Bildkomplex ist sehr gut entwickelt: "sperre ich mich in / augenschwarze gründe und / sammle bruchstücke ihrer blicke". Wie Aranka schon erwähnt hat, nutzt du die Doppelbedeutung von "gründe" aus. Für mich auch (Ab-?)Gründe, aber ebenfalls (Be-)Gründ(ungen). "augenschwarz": Das muss so richtig schwarz sein, auf jeden Fall passt das zu Blicke. Ich kann mir die Szene gut vorstellen. Ich denke nicht, dass sich das lyrische Ich tatsächlich räumlich verbarrikadiert, sondern vielmehr emotional zurückzieht und "augenschwarze gründe" sind dann Gründe, bei denen man dem Gegenüber fassungslos/ungläubig in die Augen blickt und versucht, zu verstehen. Dazu würde auch "sammle bruchstücke ihrer blicke" ganz gut passen. Diese Blicke legen alles offen, am Schluss bleibt praktisch ein nacktes lyrisches Ich übrig. Warum werden diese Blicke gesammelt? Sind sie angenehm? Hm, eher nein. Wahrscheinlich möchte sich das LI der Aufmerksamkeit und immer noch vorhandenen Fürsorge des LSies versichern, und ob diese Stille noch nicht vom Grollen einen Schritt weitergegangen ist.
(Halte den Trennstrich für überflüssig).
An den nächsten Teil komme ich nur schwer ran. Hier bewegst du dich in einem ganz anderen Bildfeld, den Zugang erhalte ich nicht ganz. (Stimme Aranka zu beim Doppel-T, liest sich angestrengt). Das "netz aus rissen" ist so ein Grenzfall zum Oxymoron...bleibt alles (noch) sehr hermetisch für mich.
Aber es scheint positiv auszugehen, denn die Stille verstummt.
narrative, ein schönes, gutes Gedicht. Kriege die zweite Strophe noch nicht ganz zu fassen, weiss auch noch nicht, weshalb du einen solchen Themenkomplex aufspannst, aber das musst du mir natürlich nicht verraten. Trotzdem wäre ein stärkerer Bezug nicht schlecht, finde ich.
Liebe Grüsse
Strichpunkt
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_narrative Eselsohr
Beiträge: 210 Wohnort: Augsburg
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02.02.2013 22:01
von _narrative
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Hallo Kerem,
(der Unterstrich ist nicht von Bedeutung, zumindest nicht von sehr großer, er gefällt mir nur. Und bei dir? Wieso Dürüm und nicht Döner, Pide, Köfte, Baklava? )
Vielen Dank für deine schnelle Antwort!
Es freut mich, dass dir der Text gefällt und deine Gedanken treffen sehr gut das, was ich mir beim Schreiben überlegt habe.
Bei dem Strich hinter "mich" sehe ich schon, dass er nicht ankommt, das werde ich ändern.
Ich wollte das "bloßlegen" hinauszögern, mit dem Strich den Zeilensprung noch ausdehnen, verstärken und somit die folgende Zeile betonen. Aber wenn er überflüssig ist, hat sich das ja erledigt.
Oh. Genial? Danke!
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_narrative Eselsohr
Beiträge: 210 Wohnort: Augsburg
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02.02.2013 22:08
von _narrative
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Liebe Aranka,
danke für deinen ausführlichen Kommentar!
Den Widerspruch, den du bei dem "netz aus rissen" aufgegriffen hast, kann ich aus deiner Sichtweise gut nachvollziehen. Ich habe ihn bewusst gewählt, da eines der Motive, die sich durch den Text ziehen, der Kontrast zwischen dem Äußerev (Blicke) und dem Inneren (also Wahre) ist. Diesen Widerspruch wollte ich auch an dieser Stelle. Ein Netz, wie du gesagt hast, das auffängt, umhüllt, Halt gibt, was allerdings durch die Risse im Inneren nur zum Teil gewährleistet wird. Ich mochte die Vorstellung von einem filigranen, brüchigen Netz, in das sich das LI rettet.
Aber wenn es überladen/überflüssig ist, werde ich es natürlich umschreiben, genau wie das "forttreibend".
Ich finde es schön, dass du zum positiven Deuten neigst. Für mich persönlich ist der Text auch nicht negativ, zumindest nicht ganz. Wichtig ist eben dieses "netz aus rissen", das die Blicke abschirmt und die unangenehme Stille zur Ruhe kommen lässt, um neue Kraft zu schöpfen. Etwas in dieser Art
Vielen Dank für deine Anmerkungen, es freut mich immer besonders von dir zu lesen!
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_narrative Eselsohr
Beiträge: 210 Wohnort: Augsburg
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02.02.2013 22:12
von _narrative
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Hey Strichpunkt,
deine Interpretationen sind toll! Absolut treffend. Es freut mich, dass du dir so viele Überlegungen dazu machst und dabei gleich tief einsteigst und dich ganz darauf einlässt.
In der zweiten Strophe wollte ich die Überforderung des LI ausdrücken, es wird von wahren "wellen" der Bruchstücke fortgetrieben, die es zuvor noch gesammelt hat.
Deswegen auch das "netz aus rissen", das es, trotz seiner Brüchigkeit, noch zu schützen vermag.
Welchen stärkeren Bezug meinst du? Zu der vorigen Strophe?
Damit kann ich mich noch auseinandersetzen, wenn es beim Lesen stört.
Danke für deinen Kommentar, ich finde es schön, dass du es trotz der Undurchsichtigkeit der zweiten Strophe magst!
Liebe Grüße euch allen,
n
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 02.02.2013 22:16
von Aranka
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Hallo noch mal! Das "netz aus rissen" finde ich gerade in dem Widerspruch als reizvoll. Habe ich mich da so verschwommen ausgedrückt? Volle Zustimmung für dieses Bild. Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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_narrative Eselsohr
Beiträge: 210 Wohnort: Augsburg
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02.02.2013 22:19
von _narrative
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So habe ich gedacht, wegen dem "ein vermeidlicher Widerspruch". Aber - wunderbar! Freut mich sehr!
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 02.02.2013 22:51
von Aranka
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So kann es gehen: ich wollte schreiben "vermeintlicher Widerspruch". Es ist mir erst jetzt in deinem Zitat aufgefallen, was da für ein Blödsinn steht.
Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
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dürüm Wolf im Negligé
Alter: 46 Beiträge: 966 Wohnort: Cape Town
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03.02.2013 19:11
von dürüm
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_narrative hat Folgendes geschrieben: | Hallo Kerem,
(der Unterstrich ist nicht von Bedeutung, zumindest nicht von sehr großer, er gefällt mir nur. Und bei dir? Wieso Dürüm und nicht Döner, Pide, Köfte, Baklava? )
Vielen Dank für deine schnelle Antwort!
Oh. Genial? Danke! |
dürüm, weil ü mein Lieblingsbuchstabe ist, und es wenig Wörter mit fünf Buchstaben und zwei Ü's gibt.
Gruß
Kerem
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca) |
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hypnobader Eselsohr
Alter: 63 Beiträge: 420 Wohnort: Voralpen
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22.04.2013 08:50
von hypnobader
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Hallo _narrative,
ich hab jetzt mehrere von deinen Werken gelesen. Sie gefallen mir alle. Ich mag dieses zarte Spielen mit Worten, es hat oft etwas von Wellen, die mit der Küste spielen. Sicher, manchmal wird es etwas überladen, da lässt du dich wohl von deiner Fabulierlust davontragen.
Ich habe jetzt mal dieses Kleinod herausgegriffen
Zitat: | wenn die stille am tiefsten grollt |
Zitat: | sperre ich mich in
augenschwarze gründe und |
da entsteht schon mal ein stimmiges Bild
Zitat: | sammle bruchstücke
ihrer blicke die |
auch das: trefflich gesammelt
und jeweils schön die Verbindung zur nächsten Zeile hergestellt
Zitat: | meine haut
zerfasern mich -
bloßlegen |
puh. Was für Blicke. Wie auf dem Seziertisch. Aber für mich ist es das LI, dass sich selbst zerfieselt. Der Gedankenstrich ist tatsächlich entbehrlich.
Zitat: | forttreibend in
fragmentwellen |
Bruchstücke, die entgleiten...
Zitat: | hülle ich mich in ein
netz aus rissen |
...und dann doch zusammengehalten werden. Durch ein Netz aus Rissen! (darauf muß man erstmal kommen)
Zitat: | und die stille
verstummt |
und dann dieser grandiose Abschluß. Mit der wunderbaren Leerzeile.
Ich mag diese sich auschließenden Bilder wie Netz aus Rissen und verstummende Stille.
Gefällt mir sehr gut.
Und: i i follow, i follow you
Grüße
Michael
_________________ Es gilt das gebrochene Wort |
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