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madrilena
Klammeraffe

Alter: 87
Beiträge: 647



Beitrag12.02.2013 14:51

von madrilena
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Hallo Gamone, ich hatte die Fehler, als ich den Text in der Schreibwerkstatt vorlas, selbst entdeckt, konnte aber nicht mehr editieren. Vielen Dank für Deine Mühe. Eigentlich dachte ich, ab einer gewissen Anzahl von Kapiteln sollte man nichts mehr reinstellen, weil es dann zu viel wird, aber offensichtlich muss das nicht so sein. Also nochmals lieben Dank für Deine Rückmeldung.
LG madrilena


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Bücher im Alkyon Irmgard Keil Verlag/Marbach "Schatten umarmen" Kranichsteiner Literaturverlag.
1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
10:3934136303
2. "Schatten umarmen ISBN 10:3929265133
3. "...und die Zeit stand still" ISBN 10: 3934136311
4."leben" ISBN 10:3934136656
Erhältlich bei Amazon über buchimport Peter Reimer + in Buchhandlungen
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Gamone
Geschlecht:weiblichEselsohr
G

Alter: 46
Beiträge: 360
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G
Beitrag12.02.2013 16:11

von Gamone
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Ach, du wirfst doch immer nur ein Häppchen hin wink
Ich kann wohl nicht sagen, wann es zu viel wird. Ich erschlage Leute ja gleich mit meinem Text  Smile


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Gut ist besser als schlecht!
*H.S.*

***

... du solltest öfters vom Dach springen ...
*Lapidar*
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Vogel
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 436

Goldene Neonzeit


Beitrag13.02.2013 00:05

von Vogel
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Hallo Madrilena,

dieses Kapitel, vor allem die erste Hälfte, finde ich bis jetzt den stärksten Teil Deines Textes. Es ist so hautnah beschrieben, so direkt. Ich sagte ja schon oben, dass Du für meinen Geschmack zu sehr zu Rückblenden und Theoretisieren tendierst, und dass Deine Texte eindringlicher sein könnten, wenn sie mehr im hier und jetzt wären. So wie dies! In der zweiten Hälfte spielt sich dann wieder sehr viel in der Vergangenheit ab und ich frage mich, wieso. Die ganze Episode, in der die Tochter dazu kommt, könnte doch auch "live" passieren. Dann würde es viel stärker wirken, bin ich überzeugt. Es wäre ja auch einfacher zu formulieren.
Aber auf jeden Fall finde ich die ganze Arbeit am Stein toll beschrieben und nach dem Teaser vom letzten Kapitel richtig packend.

Details:



Zitat:
sondern auch oft genug half, die trostlosen Eindrücke der Tage im Pflegeheim ertragen zu können.

"half zu ertragen" würde m.E. reichen, ohne können.

Zitat:
Manchmal dachte sie verwundert, wer mich hier sehen könnte!

Da müssten dann ein Doppelpunkt und Anführungszeichen hin, wenn es so formuliert sein soll.

Zitat:
Aber diese Frau war sie nur außerhalb dieses Raumes.

Das doppelte "diese" stört mich, weniger wegen der Wortwiederholung, als weil es ja Gegensätze, also eher "dieses" und "jenes" beschreibt.

Zitat:
und offene Sandalen an den nackten Füßen.

Streng genommen sind die Füße dann ja nicht mehr nackt oder?

Zitat:
unfähig die Vorfreude und Aufregung, die in diesen Anfängen steckten, einfach zu entsorgen.

Ich glaube, nach unfähig müsste ein Komma.

Zitat:
Die Frau hatte die Beine angezogen, den Körper lang gestreckt, der leicht angehobene Kopf ruhte auf den Armen.

Tut mir leid, aber ich wusste nicht, wie ich mir das vorstellen soll. Später erklärt sich dann ja, dass es die Embryonalstellung ist. Aber bei der krümmt man doch eher den Rücken?! Wegen des langgestreckten Körpers bin ich verwirrt.

Zitat:
Entschlossen setzte sie auf dem ebenmäßigen, schmalen Rücken den Meißel an. ‚Halt! Will ich das wirklich? Vielleicht war es ja ein Zeichen, dass der Meißel  heruntergefallen war, vielleicht die  Aufforderung, nichts mehr zu ändern’.

Beim zweiten Lesen wird mir klar, dass sie da schon plant, die Verletzung zu setzen. Falls Du es bei dem Rückblick belassen willst, fände ich es eine gute Idee, das hier schon zu erwähnen, dass sie eine Wunde setzen will. Das würde den Leser neugierig machen und sich später erklären.

Zitat:
Wieder fiel ihr das Gespräch ein, das sie vor Tagen mit Caroline geführt hatte und das heute der Grund war, dass sie Hand an ihre Kniende legen wollte.

Warum die zeitliche Verzögerung zwischen Gespräch und Wunsch?


Zitat:
Lisa wollte fragen: „Hast du es geschafft, hast du dieses Urvertrauen?“

Da es ja keine echte wörtliche Rede ist, wäre es vielleicht einfacher lesbar, wenn Du das in einfache Anführungszeichen setzen würdest, wie die Gedanken.

Zitat:
Da sie ahnte, was die Antwort sein würde, hatte sie geschwiegen. Mehr als Feststellung denn als Frage meinte sie:
„Völliges Loslassen! Das gibt es nicht und ich weiß nicht, wie man so etwas üben kann. “

Das ist etwas verwirrend. Erst heißt es, sie hat geschwiegen, dann sagt sie doch etwas. Ich dachte erst, jetzt spricht Caroline. Und die Feststellung, dass es eine Feststellung und keine Frage ist, kommt mir auch etwas komisch vor, weil es ja auch nicht wie eine Frage aussieht. Zuguterletzt klingt "ich weiß nicht, wie man so etwas üben kann" für mich irgendwie so, als würde man es schon für möglich halten, aber nicht wissen, wie man dahin kommt.

Zitat:
„Ich weiß, und es geht mir genauso, es  ist so unvorstellbar. es bedeutet Sterben. Bedeutet etwas nicht Begreifbares.“

Kleinigkeit: "Es" muss groß.

Zitat:
Während sie sich einen Augenblick der Wärme der Umarmung Carolines hingegeben hatte, erfüllten sie quälend die seit so langer Zeit immer wieder unterdrückten Fragen

Das müsste entweder komplett im Plusquamperfekt stehen (hatten sie die Fragen erfüllt) oder gar nicht. Ich finde das auch immer sehr schwierig, ob man Rückblenden in der abgeschlossenen Vergangenheitsform erzählt oder nicht. Klingt halt bei längeren Abschnitten sehr verquast. Oft finde ich es einen guten Kompromiss, den ersten Satz im PQP zu schreiben und dann im Imperfekt weiter.

Zitat:
Die Tage oder Wochen, die Lisa unterwegs mit ihrer Reisegruppe war, hatte eine besonders enge Verbindung zwischen den Beiden geschaffen.

hatten

Zitat:
Er war es, der ihr abends vorlas. Der in der Schule zu den Elternsprechtagen ging, wenn Lisa nicht da war.

Jetzt haben wir übrigens eine Rückblende in der Rückblende. Das ist ja nicht illegitim, aber ich merke, wie der Text da für mich in die Ferne rückt.


Zitat:
Obgleich sich Caroline gegen jedes Gespräch wehrte, hatte Lisa an jenem Tag gespürt, dass Caroline auch ohne Worte wusste, was ihre Mutter eigentlich sagen wollte.

Der Satz ist zwar verständlich, aber eigentlich ganz schönes PingPong, wenn man ihn mal auf der Zunge zergehen lässt. Obwohl die eine sich wehrt, hat die andere gespürt, dass die eine wusste, was die andere wollte. Schwindel.

Zitat:
Mit vor Erregung zitternder Stimme schrie sie: „Papa ist nicht tot. Es gibt nichts, was ich nicht über seinen Zustand recherchiert hätte“. Lisa wollte sie unterbrechen und sagen „ich auch“, aber sie hielt sich zurück und Caroline hatte noch hinzufügt: „Er wird wieder zurückkehren – er ist nur mal eine Weile in eine andere Welt gegangen, aber er kommt wieder“. So hoffnungsvoll diese Worte auch klangen, Lisa hatte gespürt, dass ihre Tochter zwar an ein Wunder glauben wollte und ihm doch zutiefst  misstraute.

Hier wieder viel Zeiteninkonsistenz.

Zitat:
Sie hatte sich dann sehr schnell verabschiedet – es glich eher einer Flucht, und Lisa hatte sie nicht zurückgehalten.

Hm, der Einschub beginnt mit einem Gedankenstrich und endet mit einem Komma.


Zitat:
Sie betrachtete noch lange nachdenklich ihre Skulptur betrachtet.

Selbsterklärend.

Zitat:
Embryo im Mutterleib – die Vorstellung von völligem Behütetsein und gleichzeitiger unwiderruflichen Trennung war gewiss schön, aber was war mit der jahrelangen gegenseitigen Abhängigkeit?’

UnwiderruflicheR. Und da ist ein einsames Anführungszeichen.

Zitat:
Und unsicher  überlegt:

Hatte.


Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Gruß
Vogel


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madrilena
Klammeraffe

Alter: 87
Beiträge: 647



Beitrag13.02.2013 14:25

von madrilena
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Hallo Vogel - ich bin eben dank Deiner sehr guten Hinweise dran, meinen Text zu ändern. Und außerdem hast Du mir jetzt endgültig klar gemacht, dass ich mit den ewigen Rückschauen sparsamer umgehen muss. Ich danke Dir wirklich sehr für Deine Tipps. Wenn ich ihn überarbeitet habe, stelle ich den Text, den ich in zwei Kapitel aufteilen werde, nochmals rein.
LG madrilena


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1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
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madrilena
Klammeraffe

Alter: 87
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Beitrag13.02.2013 16:44

von madrilena
Antworten mit Zitat

Hier ist die verbesserte Version. Ich spüre immer wieder, wie Kritik ein Anstoß sein kann, Dinge selbst zu erkennen und zu ändern. Deshalb bin ich ja auch schon im Voraus für Kritik dankbar.
madrilena

5.
Langsam, wie in Zeitlupe, entglitt ihr der Meißel. Mit einem leisen Aufprall schlug er auf den Boden. Genervt bückte sie sich, suchte im Staub und zwischen kleinen Steinbrocken nach ihrem Werkzeug. Nachdem sie es gefunden hatte, wandte sie sich dem breiten drehbaren Bock zu, auf dem ihre letzte, mit einem Tuch bedeckte Arbeit stand. Ertastete durch den rauen Stoff den Stein, spürte unter ihren Händen die Rundungen und Linien der Frauengestalt, die seit Monaten nicht nur ihre Träume und Fantasien gefangen hielt, sondern auch oft genug half, die trostlosen Eindrücke der Tage im Pflegeheim zu ertragen.  Nirgendwo verbrachte sie so gern ihre Zeit wie hier, in diesem Raum im Obergeschoss ihrer Wohnung.
Manchmal dachte sie verwundert: ‘Wer mich hier sehen könnte’! Sie stellte sich das Erstaunen der Menschen vor, die sie nur elegant und nach der letzten Mode gekleidet kannten. Aber diese Frau war sie nur außerhalb ihres Ateliers. Hier dagegen war sie ungeschminkt, hatte die Haare hochgebunden. Trug am liebsten lange, bunte Gewänder aus grobem Leinen und offene Sandalen an den nackten Füßen.
Diese Lisa, die kaum jemand kannte, diszipliniert beim Arbeiten und chaotisch zugleich: Werkzeuge, Fotos, Skizzen und erste Entwürfe in Ton stapelten sich auf Tischen. An einer der Wände stand ihr alter großer Schrank, in dem sie ihre allerersten Versuche aufbewahrte. Nichts konnte sie wegwerfen. Jede zerbrochene Vase, jeden misslungenen Beginn eines neuen, in Ton geformten Gedankens hob sie auf, unfähig, die Vorfreude und Aufregung, die in diesen Anfängen steckten, einfach zu entsorgen. Aber auch kleine gelungene Werke aus ihrer Anfangszeit hatten dort einen Ehrenplatz.
Diffuses Licht drang durch die bis zum Boden reichenden Fenster, füllte den Raum mit fremdartiger Unwirklichkeit und gab einer Frauenbüste, einem Kinderkopf, einem Vogel mit weit ausgebreiteten Flügeln durch Licht und Schatten eine scheinbare Lebendigkeit. Der Vogel war eine ihrer Lieblingsfiguren. Sich in die Luft erheben. Davonfliegen. Dem Strahlen der Sonne entgegen. Weit hinaus in einen niemals endenden blauen Sommerhimmel. Und das Jetzt vergessen.
Vorsichtig entfernte sie das Tuch, drehte den großen, auf Rädern stehenden Sockel von einer Seite zur anderen, um wieder einmal die tief gebeugte Gestalt aus jedem Blickwinkel betrachten zu können. Sanft berührte sie die Figur aus schwarzem Obsidian, dem spröden Lavagestein mit seinem leicht metallischen, gläsernen Glanz. Die Frau hatte im Liegen die Beine angezogen, den Rücken lang gestreckt, der leicht angehobene Kopf ruhte auf den Armen.
Entschlossen setzte Lisa auf dem ebenmäßigen, schmalen Rücken den Meißel an. ‚Halt! Will ich ihn wirklich verletzen? Vielleicht war es ja ein Zeichen, dass der Meißel heruntergefallen ist.   Möglicherweise sogar eine  Aufforderung, nichts mehr zu ändern’.
Fast hätte sie überhört, dass an der Wohnungstür geklingelt wurde. „Ich erwarte doch gar niemanden“. Sie lief die Wendeltreppe hinunter und öffnete.
„Caroline! Was treibt dich denn hierher mitten in der Woche“?
„Ich hatte in der Nähe zu tun und dachte, vielleicht ist sie ja zu Hause, meine so beschäftigte Mama“.
„Was für eine schöne Idee“.
„Stör ich dich bei irgendetwas Wichtigem?“
„Nein, nein, ich war gerade im Atelier und mit meiner letzten Arbeit beschäftigt.“
„Darf ich sie mal sehen, bitte Mama“. Caroline wusste, dass ihre Mutter selten Arbeiten, die vielleicht noch nicht ganz beendet waren, irgendjemandem zeigte, noch nicht einmal ihrer Tochter.
Sie spürte auch sofort, dass sich Lisa erst kurz überwinden musste, bevor sie nickte und mit Caroline die Treppen hinaufging in ihr Atelier.
Caroline blieb überrascht an der Tür stehen. Das einströmende Licht fiel zufälligerweise genau auf die schwarze Frauengestalt.
„Hast du - ich mein, hast du absichtlich eine Yogaübung geschaffen?" Sie ging weiter ins Atelier hinein und legte ihre Hand beinahe ehrfürchtig auf den schwarzen Stein.
„Yogaübung? Wirklich nicht! Ich habe doch keine Ahnung von Yoga“.
Verlegen strich sie sich mit ihren staubigen Händen die Haare aus dem Gesicht. „Aber jetzt bin ich neugierig. Was bedeutet diese Übung also?“
„Wir nehmen im Yoga diese Stellung eines Embryos im Mutterleib ein, um Demut, Urvertrauen und völliges Loslassen zu üben“.
Lisa wollte fragen: „Hast du es geschafft, hast du dieses Urvertrauen?“ Da sie ahnte, wie die Antwort sein würde, meinte sie stattdessen unsicher: „Völliges Loslassen! Ich glaube, das gibt es gar nicht, und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie man so etwas üben könnte.“
Behutsam legte Caroline den Arm um die Mutter:
„Ich weiß, und es geht mir genauso. Es  ist so... so unvorstellbar. Es bedeutet Sterben, etwas nicht wirklich Begreifbares.“
Lisa hätte so gern geantwortet: „Nicht begreifbar? Ist es das wirklich? Und wie ist es mit Lukas?“  Während sie sich einen Augenblick der Wärme der Umarmung Carolines hingab, erfüllten sie quälend die seit so langer Zeit immer wieder unterdrückten Fragen: “Hat er losgelassen?  Sein Geist, seine Seele vielleicht, aber sein Körper? Der schafft es nicht, klammert sich an das erbärmliche Dasein in der Dunkelheit des Niemandslandes.“
Es war schon eine Weile her, dass sie mit Caroline über mehr als nur dem gegenwärtigen Zustand von Lukas gesprochen hatte. Seit vielen Monaten wich Caro jedem wirklichen Gespräch über ihren Vater aus. Aber war das jetzt nicht endlich einmal der Augenblick, um dieses Schweigen, dieses Ausweichen zu unterbrechen?
Sie berührte kurz den schwarzen Frauenkörper, als wollte sie von ihm die Kraft bekommen, die sie für ein solches Gespräch brauchte. Für Caroline war der Vater ihr Ein und Alles gewesen. Er hatte immer versucht, Zeit für sie zu haben, vor allem wenn sie, Lisa, mit ihrer Reisegruppe unterwegs war. Er war zu den Elternsprechtagen gegangen, er hatte sie über den ersten Liebeskummer hinweggetröstet, er war der Mensch, dem ihr ganzes Vertrauen gehörte, mehr als der Mutter. Aber Lisa verstand das. Es war der Preis, den sie zahlen musste, dafür, dass sie ihren Beruf nicht aufgeben wollte.
Leise fragte sie jetzt: „Ist dir mit Hilfe des Yoga die Vorstellung möglich, dass dein Vater losgelassen hat? Dass nur sein Körper ihm das endgültige Gehen verwehrt?“
Caroline wandte sich abrupt von der Mutter ab, lief erregt im Raum hin und her, eine schmale Gestalt, ganz in Schwarz, so als hätte sie ein Gelübde abgelegt, dass sie erst wieder Farbe in ihr Leben lassen würde, wenn der Vater zu ihr zurückkehrte.
Mit erstickter Stimme flüsterte sie: „Papa ist nicht tot. Eines Tages kommt er wieder zurück. Mama, ich habe so viel recherchiert - es gibt genügend Fälle, wo Komapatienten wieder erwacht sind.“
Lisa wollte sagen: ‘Auch ich habe recherchiert und bin mir absolut nicht sicher, ob eine solche Rückkehr für deinen Vater lebenswert wäre’, aber sie schwieg, während Caroline noch einmal wiederholte: „Er wird wieder zurückkehren – er ist nur mal eine Weile in eine andere Welt gegangen, aber er kommt wieder“. So hoffnungsvoll diese Worte auch klangen, Lisa spürte, dass ihre Tochter zwar an ein Wunder glauben wollte und ihm doch zutiefst  misstraute.
Caroline war schon aus dem Raum gelaufen, griff sich ihren Mantel, umarmte einen Augenblick die Mutter, die ihr gefolgt war und stürmte aus der Wohnung. Es glich so sehr einer Flucht vor der Wirklichkeit, dass Lisa glaubte, der Schmerz wegen der Trauer ihrer Tochter müsste sie zerreißen.
Nachdenklich wandte sie sich wieder ihrer Knieenden zu. Hörte noch einmal Carolines Worte:
Demut? Nein, sie konnte keine demütige Haltung in ihr sehen. Embryo im Mutterleib – die Vorstellung von völligem Behütetsein und gleichzeitiger unwiderruflichen Trennung wäre gewiss schön, aber was war mit der jahrelangen gegenseitigen Abhängigkeit? Die Fähigkeit, loszulassen? Urvertrauen!
Sie trat einen Schritt zurück, um einen Abstand zwischen sich und der steinernen Frau zu schaffen. Plötzlich verwandelte sich die Skulptur in etwas ungemein Persönliches, in ein Etwas, mit dem sie sich, wenn auch stumm, unterhalten konnte. Unsicher dachte sie:  ‘Wenn Caro all das in dir gesehen hat und wenn ich fähig bin, das  zu erschaffen, könnte ich doch einfach einmal versuchen, selbst diese Stellung einzunehmen’.
Sie bückte sich, räumte Steinreste und Staub ein wenig zur Seite und ließ sich langsam auf dem Boden nieder - zuerst auf die Knie, danach machte sie den Körper ganz lang und legte den Kopf auf die Arme. Aber nichts geschah in ihr. Sie spürte nur die Härte des Fußbodens. Mühsam erhob sie sich, dachte: ‘Kein Wunder, was soll da auch in mir geschehen. Schließlich lernt man das nicht in fünf Minuten’.
Plötzlich war sie fest entschlossen, ihre Figur zu verletzen, so wie das Leben sie verletzt hatte. Sie war so verstrickt in Zweifel, in Entsetzen, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit, dass sie keine Figur erschaffen konnte, die makellos und unverwundet war.
Entschlossen brachte sie mit leichten Schlägen dem Rücken  ihrer Knieenden eine tiefe Wunde bei. Vorsichtig, damit der Stein nicht splitterte. Während sie die Raspel ansetzte, fühlte sie sich innerlich irgendwie verpflichtet, dieser Frauengestalt ihr Handeln zu erklären. ‚Solange ich nicht fähig bin, Unabänderliches zu akzeptieren, solange ich auch keinen Weg in die Zukunft finden kann, weil ich einfach nicht weiß, wie ich mit ihr umgehen soll, solange muss diese Verletzung ein Teil von dir sein’.
Während dieser Überlegungen strich sie wie tröstend über den Frauenkörper. Als Entschuldigung?  Sie wusste es nicht.
Das feuchte Sandpapier blieb auf dem Tisch liegen. Noch war die Zeit nicht gekommen, um ungewollte Einkerbungen oder Unebenheiten dieses Eingriffs  zu glätten und zu polieren.


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madrilena
Klammeraffe

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Beitrag22.02.2013 20:07

von madrilena
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ein kleines Kapitel - das dann in die Problematik führen soll. Aber noch nicht gleich - denn Lisa versucht, ihr Leben zu normalisieren.
Wie immer bin ich sehr dankbar für Kritik oder gar Lob.
madrilena


Am schlimmsten waren seine Augen. Diese Augen mit ihrem einst zärtlichen, lachenden, ernsten, fragenden Blick waren jetzt weit geöffnet und leer.
„Ihr Mann ist wach, aber er hat keine Bewusstheit.“
„Soll das heißen, er hat das Apallische Syndrom?“ Wie fremd ihr diese Ausdrücke einst waren, die sie vor Jahren noch nicht einmal vom Hörensagen gekannt hatte. Heute gehörten sie zu ihrer Sprache, ihrem Denken und ihrer Wirklichkeit.
Professor Zimmer schaute sie ernst über seine randlose Brille hinweg an: „Alle Therapieangebote sind wirkungslos geblieben, Frau Lohmann. Wir haben wirklich alles versucht. Er wird etwa täglich zwei Stunden „wach“ sein“, dann drei Stunden schlafen, aber davon nimmt er nichts wahr.“
„Und wie soll es jetzt weitergehen?“ Lisa wunderte sich, dass ihre Stimme so gefasst klang. Hatte sie sich wirklich mit Lukas Situation abgefunden? Oder gab es auch für die Verzweiflung Grenzen, die nicht überschreitbar waren?
Professor Zimmer trat auf sie zu, legte einen Augenblick die Arme um ihre Schulter: „Es tut mir so Leid, Frau Lohmann. Es ist das Schwerste in unserem Beruf, zugeben zu müssen, dass wir mit unserem ganzen Wissen nichts mehr erreichen können.“
„Sie meinen, er ist...“
„Austherapiert“ .
Ein einziges Wort - das eine unerträgliche Endgültigkeit umschloss.  Der Arzt sprach leise weiter: „Nehmen sie ihn nach Hause oder suchen sie eine gute Pflegeeinrichtung. Und seien Sie für ihn da.“
Dieses Gespräch war vor anderthalb Jahren geführt worden. Sie hatte Caroline nichts von den beiden Möglichkeiten eines zukünftigen Lebens mit Lukas gesagt. Sie ahnte, wie Caroline entschieden hätte - der Vater zu Hause. Doch Lisa wusste, dass sie nur mit Ehrlichkeit sich selbst gegenüber  weiter leben konnte. Pflege zu Hause - eine  Herausforderung, der sie sich nicht gewachsen fühlte.  
Professor Zimmer hatte sie nicht gedrängt - sie durfte sich für ihre Entscheidung Zeit nehmen und auch für die Suche nach einem Pflegeheim. Seit einem Jahr lag Lukas im Marienstift.
Caroline hatte nie gefragt.


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madrilena
Klammeraffe

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Beitrag22.02.2013 20:15

von madrilena
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7.
Trotz des regnerischen Wetters entschied sie, heute einen ausgedehnten Spaziergang durch Mainz zu machen. Sie musste raus, die Monotonie ihres Daseins erstickte sie allmählich. Abschalten, einfach einmal nur abschalten dürfen. Flüchtig schaute sie in die Boutiquen, merkte, dass die Angebote sie eher langweilten als interessierten. Sie wollte nichts zum Anziehen kaufen, das sie nicht auch Lukas zeigen könnte. ‘Es interessiert sich eh niemand für mein Aussehen’, stellte sie nüchtern fest.
Sie betrat das Café in der Lotharstraße, wo sie früher oft mit Lukas eingekehrt war und auch heute noch gern einen Espresso trank. Sie wollte sich aufwärmen und gleichzeitig die Freundlichkeit der Kellnerin spüren, die zu ihrer Erleichterung nie auf Lukas zu sprechen kam. Danach noch ein kurzer Blick in die  Auslagen der Buchhandlung auf der Großen Bleiche. Wie immer schaute sie rasch von links nach rechts und als kein Auto kam, überquerte sie die Straße, ohne auf das Grün der Ampel zu warten. ‘Eigentlich blöd von mir, aber es macht manchmal Spaß, gegen Regeln aufzubegehren, auch wenn sie noch so unbedeutend sind.’  Und dann blieb sie abrupt vor einem der Schaufenster stehen.
Das war es!
In der Auslage verteilt lagen aufgeschlagene Bildbände mit atemberaubend schönen Fotografien, daneben Erfahrungsberichte und Reiseliteratur über die Wüsten der Welt. Und alles unter dem Motto: „Unterwegs am Rande der Unendlichkeit.“ Blitzartig dachte sie: ‘Ist Lukas dort, am Rande der Unendlichkeit’? Doch rasch verdrängte sie diese Frage und merkte gleichzeitig erstaunt,  wie urplötzlich wieder Lebendigkeit in ihr aufbrach, als hätte sie hinter dieser großen Glasscheibe lauernd auf sie gewartet. ‘Das ist es, das möchte ich, unterwegs sein am Rande der Unendlichkeit’.
Mit diesem Gedanken stürmte sie in die Buchhandlung, selbst erstaunt über ihr Ungestüm. Aber es hatte zumindest zur Folge, dass sich gleich drei Buchhändlerinnen um sie scharten. Wie im Chor klangen ihre Stimmen: „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ja…! Ja, das können Sie“, sie bemühte sich, ihre Stimme wieder in die Gewalt zu bekommen, sie nicht zu euphorisch klingen zu lassen. Dennoch klangen die Worte „Ich möchte mir alle Bücher, die Sie über das Thema Wüste haben, anschauen“, sehr atemlos.
Eine der jungen Frauen, die ihr am nächsten stand, fragte lächelnd: „Interessiert Sie eine ganz bestimmte Wüstenlandschaft?“
Erstaunt hörte sie sich, ohne zu überlegen, antworten:
„Ja, die Sahara“ .
Nur keine Zeit verlieren! Sie musste diese Bücher sehen, anfassen, in ihnen blättern, sich hineinlesen und vor allem, sie dann auch mit nach Hause nehmen.
Plötzlich Ungewissheit! Würde die Reisegruppe ihr auch dorthin folgen? War ein solcher Plan nicht viel zu gewagt und verbunden mit einer ungeheuren Verantwortung? Traute sie sich das wirklich zu?
Warum sah sie in diesem Augenblick Philipp Hochheimer vor sich? Erinnerte sich daran, wie sie ihn vor zwei Jahren kennen gelernt hatte. Es war ein kalter Frühwintertag gewesen, sie wollte mit ihrer Gruppe die Reise nach Spanien besprechen.
In die Parklücke neben ihrem kleinen Sportcoupé, das sie sich nach langem Zögern aus zweiter Hand gekauft hatte, obgleich sie doch nie mehr Autofahren wollte, zwängte sich ein Motorradfahrer mit seiner Maschine. Der Fahrer hatte seinen Helm abgenommen und ihr erster Eindruck war: ‚Aha, ein übrig gebliebener Hippie’. Und sofort wieder ihre Sympathie für diese Aufbruchgeneration gespürt. Der Mann war auf sie zugekommen, hatte ihr die Hand entgegen gestreckt und   sich vorgestellt.
„Ich bin Philipp Hochheimer. Kommen Sie auch zu der Vorbesprechung der Reise nach Spanien?“ Er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern gemeint: „Hoffentlich ist der Reiseleiter keiner von diesen allwissenden Lehrertypen.“
Sie klärte ihn nicht über seinen Irrtum auf. Amüsierte sich aber über sein verlegen-erstauntes Gesicht, als sie zum Diavorführgerät  gegangen war und den Anwesenden anfing, den Ablauf der Reise zu erklären. Später hatte er sich bei ihr entschuldigt und lachend bemerkt: „Da bin ja ganz schön ins Fettnäpfchen getreten. Lächerlich meine Bemerkung, ich bin ja selbst Lehrer gewesen.“
„Gewesen“, hatte sie neugierig gefragt.
„Na ja, irgendwann wird man aussortiert oder sortiert sich selbst aus.“ Und noch hinzugefügt: „Welch ein heiterer Beginn für unsere Spanienreise, ich hoffe, Sie sehen das genauso.’.
Warum aber fiel ihr diese Szene gerade jetzt ein? Was ließ sie vermuten, dass er sie unterstützen würde - vielleicht wollte er gar nicht mitkommen. Schließlich war eine solche Reise sehr anstrengend.
Dann kehrten ihre Gedanken ins Pflegeheim zurück. Konnte sie sich wirklich vorstellen, Lukas einen Monat allein zu lassen? Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Morgen würde sie ihm von ihrem Plan erzählen. Doch noch während sie dies dachte, fühlte sie sich erbärmlich und egoistisch.
Ihre Selbstvorwürfe wurden durch die Stimme der jungen Buchhändlerin unterbrochen. Sie reichte ihr einen Band über die Sahara und gleich die einführenden, dem ersten Kapitel voran gestellten Worte von Isabelle Eberhardt berührten sie so tief, dass sie nur unter größter Anstrengung ihre äußere Ruhe bewahren konnte. Gebannt las sie immer und immer wieder den kurzen Text: „Welch glückseliges Gefühl, eines Tages mutig alle Fesseln abzuschütteln, welche das moderne Leben und die Schwäche unseres Herzens uns unter dem Vorwand der Freiheit angelegt haben; sich symbolisch mit Stab und Bettelsack zu rüsten und fort zu gehen! Für den, der den Wert, den köstlichen Reiz der einsamen Freiheit kennt (denn man ist nur frei, solange man allein ist) ist der Aufbruch der mutigste Akt der Welt. Ein egoistisches Glück vielleicht. Doch für den, der es zu genießen weiß, ist es tatsächlich das Glück.“
Einsame Freiheit – welch ein Gedankenspiel! Und welch ein Widerspruch, wenn sie sie wirklich erstrebenswert fände. ‘Ich will doch gar nicht einsam sein, ich weigere mich innerlich, Freiheit mit Einsamkeit gleichzusetzen, und dennoch spüre ich, dass ich diese hier geäußerten Gedanken nachempfinden kann.’
Seit wann? Hatten sie etwas mit Lukas zu tun? Sie lebte einsam, sie lebte allein und war doch nicht frei.
Wenn sie auch über solche Empfindungen entsetzt war, wusste sie, dass Isabelle Eberhardt in diesen vier Sätzen all ihre eigenen Empfindungen und Sehnsüchte gebündelt hatte, und erleichtert stellte sie fest, dass sie diese nicht erst jetzt, sondern von Jugend an gespürt hatte, sie aber nie in Worte fassen konnte. Dass sie aber nichts mit Lukas zu tun hatten.
Hektisch griff sie nach den Bildbänden, die ihr die Buchhändlerin mittlerweile gebracht hatte.
Jetzt trat die junge Frau neben die Couch, auf der sich Lisa niedergelassen hatte und meinte: „Ich müsste wissen, wohin Sie in der Sahara wollen? Z. B. nach Tunesien, Marokko, Ägypten, Libyen oder noch woanders hin? Dann könnte ich das Thema besser einkreisen?“
Wieder antwortete sie, ohne nachzudenken: „Nach Marokko“. Es war ihr völlig unklar, warum sie gerade Marokko nannte. Sie war sich nur mit einer traumwandlerischen Sicherheit bewusst, dass sie in diesem Augenblick den ersten Schritt für eine definitive Entscheidung machte.
Verdrängt waren im Moment alle persönlichen Probleme, geblieben war die Frage:  Warum gerade heute diese Begegnung mit diesem Thema? Und woher nahm sie die Kraft,  einen völlig neuen, unendlich wichtigen Entschluss zu fassen  – ohne Rücksicht auf Bindung und Schicksal?
Erst nach zwei Stunden verließ sie die Buchhandlung, beladen mit drei Bildbänden, einem Kulturreiseführer, einem Reiselesebuch und Lektüre über Wanderungen in der Wüste.


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Beitrag27.02.2013 12:24

von Gamone
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Hallo Madrilena,
es hat mich gefreut, wieder etwas von Dir lesen zu dürfen!
Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen. Vielleicht hört sich das ein oder andere auch nur für mich seltsam an. Jeder spricht ja anders  Wink

madrilena hat Folgendes geschrieben:
„Ihr Mann ist wach, aber er hat keine Bewusstheit.“
Ließt sich für mich ungewöhnlich. Ich hätte eher Bewusstsein gewählt.

madrilena hat Folgendes geschrieben:
Professor Zimmer trat auf sie zu, legte einen Augenblick die Arme um ihre Schulter:
Ergibt ein seltsames Bild, wenn ich mir vorstelle, dass der Professor die Arme (also beide) um Lisas Schulter legt.


madrilena hat Folgendes geschrieben:

"Es tut mir so Leid, Frau Lohmann. Es ist das Schwerste in unserem Beruf, zugeben zu müssen, dass wir mit unserem ganzen Wissen nichts mehr erreichen können.“
Muss dieses "Leid" nicht klein geschrieben werden?


madrilena hat Folgendes geschrieben:

Mit diesem Gedanken stürmte sie in die Buchhandlung, selbst erstaunt über ihr Ungestüm.

Stürmte und Ungestüm hat nichts miteinander zu tun, ich weiß. Trotzdem ließt es sich für mich ein wenig holprig.

madrilena hat Folgendes geschrieben:

„Ich bin Philipp Hochheimer. Kommen Sie auch zu der Vorbesprechung der Reise nach Spanien?“ Er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern gemeint: „Hoffentlich ist der Reiseleiter keiner von diesen allwissenden Lehrertypen.“
Da fehlt was, oder?


madrilena hat Folgendes geschrieben:
„Na ja, irgendwann wird man aussortiert oder sortiert sich selbst aus.“ Und noch hinzugefügt: „Welch ein heiterer Beginn für unsere Spanienreise, ich hoffe, Sie sehen das genauso."
Gänsefüßchen, statt dem einzelnen Strich (dessen Name mir grad nicht einfallen will)

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madrilena
Klammeraffe

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Beitrag27.02.2013 18:49

von madrilena
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Hallo Gamone - vielen lieben Dank erstens für Dein Interesse und zweitens für die aufgefundenen Fehler, die ich gleich verbessern werde. Übrigens, Leid tun schreibt man nach der neuen Rechtschreibung groß. Bei allem anderen stimmt, was Du geschrieben hast.
Ich hatte schon gedacht, es käme kein Echo mehr, weil ich auch bei anderen Texten immer wieder merke, dass das Interesse langsam abnimmt und deshalb wollte ich auch nichts mehr reinstellen. Andererseits ist es mir so superwichtig, von Euch die Kritiken zu hören, schlicht und einfach deshalb, weil da so verschiedene Auffassungen, Ideen und Leseeigenarten zusammen kommen, die einen immer wieder auf Neues aufmerksam machen können.
Also nochmals lieben Dank und Gruß
madrilena


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1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
10:3934136303
2. "Schatten umarmen ISBN 10:3929265133
3. "...und die Zeit stand still" ISBN 10: 3934136311
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Vogel
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Goldene Neonzeit


Beitrag27.02.2013 19:20

von Vogel
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Hallo Madrilena,

jetzt kommt die Geschichte richtig in Gang. Es ist klar, dass hier der Wendepunkt liegt und dass etwas sich grundsätzlich verändern wird, in der Wüste. Allerdings kann das doch Lisa noch nicht wissen. Ich kann nachvollziehen, dass sie ein emotionaler Mensch ist und dass sie euphorisch wird, wenn sie eine neue Idee packt. Aber die Reaktion kommt mir übertrieben vor. Sie war ja schon öfter auf Reisen, hat schon einiges gesehen. Wenn es erst das Zitat wäre, dass sie so bewegt und vorher nur Neugier geweckt wird, fände ich es etwas glaubhafter.


Zitat:
Sie musste raus, die Monotonie ihres Daseins erstickte sie allmählich.

Wir haben nicht den gleichen Stil und ich will nicht sagen, dass Du so schreiben musst, wie ich. Will nur erwähnen, dass dieses "allmählich" bei mir meiner scharfschützenartigen Eliminierung abschwächender Worte zum Opfer gefallen wäre.


Zitat:
Sie betrat das Café in der Lotharstraße, wo sie früher oft mit Lukas eingekehrt war und auch heute noch gern einen Espresso trank. Sie wollte sich aufwärmen und gleichzeitig die Freundlichkeit der Kellnerin spüren, die zu ihrer Erleichterung nie auf Lukas zu sprechen kam. Danach noch ein kurzer Blick in die  Auslagen der Buchhandlung auf der Großen Bleiche. Wie immer schaute sie rasch von links nach rechts und als kein Auto kam, überquerte sie die Straße, ohne auf das Grün der Ampel zu warten.

Geht mir etwas schnell: sie betritt das Café, weil sie dort etwas will, dann geht sie schon wieder über die Ampel. Ist die freundliche Kellnerin wirklich da? Vielleicht fragt sie diesmal doch und Lisa ist enttäuscht - ein Grund mehr, in die Wüste zu wollen.



 

Zitat:
Er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern gemeint: „Hoffentlich ist der Reiseleiter keiner von diesen allwissenden Lehrertypen.“

Sondern meinte.



Zitat:
„Gewesen“, hatte sie neugierig gefragt.

Fragezeichen.

Was mir noch auffällt: Du benutzt fast nie Lisas Namen, um sie zu benennen, immer heißt es "sie". Das ist zwar nicht unverständlich, solange keine anderen Damen vorkommen, aber es wirkt etwas monoton, finde ich.

Gruß
Vogel


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madrilena
Klammeraffe

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Beitrag27.02.2013 20:33

von madrilena
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Hallo Vogel - auch Dir danke für Deine Tipps, die ich mir im ganzen Rahmen des Kapitels noch einmal genau anschauen werde. Mit dem Café - das hat nicht so eine Wichtigkeit. Ich gehe oft hin, ziehe noch nicht mal meinen Anorak aus, trink einen Espresso und geh wieder. Das sind wirklich nur Stipvisiten und als solche wollte ich es verstanden wissen.
Das mit dem "allmählich" stimmt total, ich muss meinen Text noch mehr auf unnötige Füllwörter hin untersuchen.
Wenn ich von Lisa spreche und der ganze Absatz handelt von ihr, mag ich eigentlich den Namen nicht so häufig wiederholen. Ich finde das "sie" dann intimer. Aber auch da werde ich den Text prüfen.
Auf jeden Fall vielen Dank für Deine Rückmeldung.
LG madrilena


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madrilena
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Beitrag28.02.2013 00:18

von madrilena
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Ich habe mir vorgestellt, dass es so weiter gehen soll.
Kritik wie immer sehr sehr erwünscht.
madrilena



9.

Einige Tage später rief Caroline an. Sollte sie ihr schon etwas von ihren Plänen sagen? Nein, lieber nicht, denn zum ersten Mal seit langer Zeit klang ihre Stimme unbeschwert, ja aufgeregt und froh. „Mam, hast du morgen Zeit? Können wir uns im Augustinerkeller zum Mittagessen treffen?“
„Natürlich! Gibt es etwas Besonderes?“
„Darüber sprechen wir dann morgen“, war Carolines knappe Antwort, bevor sie auflegte.
Lisa war gespannt, was Caroline ihr erzählen würde, denn so oft trafen sie sich nicht mitten in der Woche. Da musste schon etwas Wichtiges geschehen sein. ‚Eigentlich schade’, dachte sie wie so viele Male zuvor auch – ‘dass erst immer ein Grund da sein musste, dass man sich traf ‘.
Andererseits war es auch gut so – Caroline hatte sich ihr eigenes Leben aufgebaut, und Lisa war die Erste, die das respektierte und vor allem froh war, dass sich ihre Tochter wieder einigermaßen gefangen hatte. Gleich nach der Beendigung ihres Studiums war sie zu ihrer Freundin Amelie gezogen und auch das verstand Lisa nur zu gut. Zu Hause erinnerte sie alles an den Vater und das war gewiss oft unerträglich. Lisa mochte Amelie, die eigentlich Emma hieß. ‘Mit so einem Namen kann man heute doch nicht mehr rumlaufen’, hatte die Freundin einmal empört zu Caroline gesagt. Und kurzerhand den Namen der Hauptdarstellerin ihres Lieblingsfilmes „Die fabelhafte Welt der Amelie“ angenommen.

Heute hätte sie sich eh nicht mit Caroline treffen können, sie war mit ihrer Gruppe in ihrem Lieblingscafé Dell’ Arte verabredet.
Sie wollte ihnen dort endlich ihren Plan mit Marokko vortragen.
Sie spürte eine seltsame Aufregung. Das war ihr doch zuvor nie passiert. Es hatte doch stets ganz klare Entscheidungen gegeben. Entweder ein Einverstandensein oder die Ablehnung ihrer Reisepläne. Allerdings musste sie zugeben, dass noch selten ein Plan von ihr  einmal abgelehnt worden wäre. Mit ihrer eigenen Euphorie hatte sie immer die Begeisterung aller geweckt.
„Ich hoffe, das gelingt mir heute auch.“
Die Schwestern Gudrun und Birgitta wollten kommen, auch Leonor, Christa und Isabelle. Claudia war sich noch nicht ganz sicher, ob sie mit auf Reisen gehen würde, wollte aber wenigstens bei der Besprechung dabei sein. Auch Klaus, Philipp und Werner hatten  ihr Kommen zugesagt. Mit ihr selbst waren das, falls Claudia sich dagegen entschied, neun Leute.  Mehr sollten es auf einer solchen Reise keinesfalls sein.

Während sie die Augustinergasse entlang schlenderte, dachte sie: ‘Nur noch eine Woche bis Weihnachten’!  Alle Geschäfte waren schon lange weihnachtlich geschmückt. Die Leute hasteten an ihr vorbei, beladen mit Tüten und vollen Taschen.
‘Von mir aus könnte man dieses Fest abschaffen’.  Es war so verbunden mit dem Früher. Voller lebendiger Erinnerungen an Freude, an heimelige Abende, an den Morgen des 24. Dezember, wenn Lukas und sie zusammen den Tannenbaum schmückten. Und Caroline vor lauter Ungeduld und Erwartung nicht spielen konnte.
In den letzten vier Jahren war Caro an diesem Abend immer zu ihr gekommen. Zuerst ins Krankenhaus, dann ins Pflegeheim, wo sie  zusammen an Lukas’ Bett saßen, oft nur eingehüllt in die Traurigkeit des Schweigens.

Sie bog in die Badergasse ein, sah schon von weitem, dass Gudrun und Birgitta, aber auch Leonor und Philipp bereits warteten. Sie betraten das Café. Lisa hatte einen Tisch im  hinteren Teil des Lokals bestellt.
An den Wänden hingen einige gerahmte Fotografien, die Lisa Jared, dem Besitzer des Lokals nach ihrer Fotoausstellung, die sie in seinem Lokal machen durfte, geschenkt hatte,
Mittlerweile waren auch Christa, Isabelle, Werner und Klaus eingetroffen.
„Sollen wir auf Claudia warten? In letzter Zeit hatte sie anscheinend wenig Lust, längere Reisen mitzumachen. Vielleicht kommt sie  gar nicht“. Lisa mochte die tiefe Stimme von Birgitta.
„Wir können uns doch erst mal einen Kaffee bestellen“, mischte sich Philipp ein, der sich wie meistens neben sie gesetzt hatte. ‘Offensichtlich meint er, dass ihm dieser Platz zustünde. Dass es allmählich zur Selbstverständlichkeit wird? Und - wird es das’?  
In diesem Augenblick kam Claudia, gehetzt wie immer. Lisa musste innerlich keine Stellung zu ihrer Frage nehmen.
Wieder wandte sich Philipp an Lisa: „Na Frau Reiseleiterin, du machst es ja ganz schön spannend mit unserer nächsten Reise.“
Nach wie vor war ihr das „Du“ zwischen der Gruppe und ihr noch unangenehm. Aber sie waren sich von Anfang an einig gewesen, dass ihre besonderen Reisen eine Nähe schufen, die nicht diese Förmlichkeit. Vertrug.
Jetzt musste Lisa innerlich grinsen. Anscheinend hatte Philipp ihr immer noch nicht ganz verziehen, dass er bei ihrem ersten Treffen so total daneben gelegen hatte.
„Ungeduldig“? Lächelnd blickte sie in die kleine Runde.
„Ein bisschen schon,“ meldete sich nun auch Werner.
Lisa bückte sich nach ihrer schweren Aktentasche, die sie auf dem Boden abgestellt hatte, holte die Bildbände und Reiseführer heraus, breitete sie auf dem kleinen Tisch aus. Alle starrten auf die Titel der Bücher Sahara. Marokko. Wüste.  
Sofort setzte aufgeregtes Stimmengewirr ein:
„Du willst doch nicht etwa...?“
„He, so was haben wir ja noch nie gemacht!“
„Ist das nicht ein bisschen zu gewagt?“
Nur Philipp fragte sie direkt: „Soll das heißen, du willst nach Marokko? Nach Fez oder Marrakesch, nach Casablanca oder Agadir?“
„Nicht ganz! Marokko ja, die Städte nein“.  Sie hielt einen Augenblick inne. Es war doch schwerer als sie gedacht hatte, ihre Idee mit dieser Wüstenwanderung rüberzubringen. Sie nahm all ihre Freude, die sie in der Buchhandlung empfunden hatte, zur Hilfe und meinte: „Ich dachte, wir machen eine Wüstentour. Vielleicht zwei oder drei Wochen, wie ich es euch ja schon angedeutet hatte.“
„Na ja, so genau hast du uns das nicht gesagt“, warf nun Gudrun ein. Sie war die stillere der beiden Schwestern, und gab Lisa das Gefühl, wenn Gudrun zustimmen würde, wären alle andern auch zu überzeugen.
Aber hier hatte sie die anderen Teilnehmer falsch eingeschätzt. Als sie von ihrem Plan sprach, als sie Isabell Eberhardts Worte laut vorgelesen und von einer Erfahrung am Rande der Unendlichkeit gesprochen hatte, waren alle von dieser Idee begeistert. Klaus fasste es mit den Worten zusammen: „Lisa, das wird etwas ganz und gar Einmaliges, etwas, das wir noch nie erlebt haben. Ich möchte dabei sein.“
Und Philipp fragte nur: „Wann soll es losgehen?“
„Das weiß ich nicht. Ich habe mich bereits nach einer Reiseagentur erkundigt und schon eine ausgemacht, die für uns in Frage käme“. Sie kramte in ihren Papieren, holte Prospekte hervor und meinte: „Ich habe an die hier gedacht: Ayadi Serail Reisebüro, geleitet von  einer Monira Ayadi. Sie veranstaltet nur solche Reisen. Und macht einen sehr seriösen Eindruck“.
„Heißt das, du hast schon mit ihr Kontakt aufgenommen? Warst du so sicher, dass wir zustimmen würden?“
Lisa spürte, wie sie rot wurde, als sie Philipp antwortete: „Sicher? Nein, nicht wirklich. Ich hatte es gehofft. Aber wenn ihr nicht zugestimmt hättet“, sie zögerte, bevor sie hinzufügte, „dann würde ich diese Reise allein machen“. In die erstaunte Stille hinein, erklärte sie:
„Übrigens - Frau Ayadi ist Deutsche, verheiratet mit einem Marokkaner. Eigentlich heißt sie auch nicht Monira. Wegen ihres Namens habe ich sie gefragt, ob sie Marokkanerin sei. Sie hat gelacht und gemeint: ‘Nein, bin ich nicht, auch wenn Monira arabisch klingt. Der Name gefiel mir einfach, also habe ich meinen geändert. „Munir“ bedeutet leuchtend, hell oder strahlend. Das passt halt irgendwie zu meinem Leben’. Klingt doch sympathisch oder?“
„Da scheinen wir ja in den besten Händen zu sein“, bemerkte Birgitta.
„Okay. Ich nehme also jetzt endgültigen Kontakt auf und lass  mir die Art Reise, wie wir sie wollen, zusammenstellen. Ich möchte das aber nicht allein machen“,  bevor sie den Satz noch fertig gesprochen hatte, fiel ihr Philipp ins Wort: „Ich habe Zeit. Ich begleite dich gern.“
‘Eigentlich müsste ich diesem Philipp mal seine Grenzen aufzeigen. Aber... muss ich das wirklich? Will ich das?'
Nachdem die anderen keine Einwände hatten, machten sie aus, dass Lisa alle per Email von Neuigkeiten unterrichten würde.
Als sie auseinander gingen, sagte Claudia: „Lisa, ich mach nicht mit. Ich kann nicht. Ich habe eine kranke Mutter, die kann ich nicht so lange allein lassen“.
Es war Lisa, als hätte sie einen Faustschlag in den Magen bekommen. ‘Und was mache ich?’ Sie hatte die letzte Stunde nicht einmal an Lukas gedacht. Nur an die Reisepläne, an ihre Wünsche, an etwas Außergewöhnliches, das sie nie mehr mit ihm teilen könnte.
Sie umarmte kurz die junge Frau, murmelte „ich versteh dich“ und dachte: ‘So müsste ich doch auch reagieren’, und jede Freude war wie ausgelöscht.


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1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
10:3934136303
2. "Schatten umarmen ISBN 10:3929265133
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Beitrag04.03.2013 10:34

von Gamone
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Guten Morgen, Madrilena!

Dein Text gefällt mir sehr gut, deshalb nehme ich mir die Zeit ihn zu lesen. Auch wenn's immer ein paar Tage dauert. Und sollte er verlegt werden, werde ich ihn bestimmt kaufen! wink

Danke Dir, für den Hinweis mit dem elenden Leid. Eigentlich möchte ich das auch immer groß schreiben, aber mein PC sagt "Näää musse klein machen"

Jetzt zu den mir aufegfallenden Dingen:

madrilena hat Folgendes geschrieben:

‘Offensichtlich meint er, dass ihm dieser Platz zustünde. Dass es allmählich zur Selbstverständlichkeit wird? Und - wird es das’?
Lieber einen Punkt, nach meiner Lesart.


madrilena hat Folgendes geschrieben:

In diesem Augenblick kam Claudia, gehetzt wie immer. Lisa musste innerlich keine Stellung zu ihrer Frage nehmen.
Welche Frage?


madrilena hat Folgendes geschrieben:

Anscheinend hatte Philipp ihr immer noch nicht ganz verziehen, dass er bei ihrem ersten Treffen so total daneben gelegen hatte.
Mein total allwissender PC und ich meinen, dass danebengelegen zusammen geschrieben wird. Allerding kennen wir anscheinend die neue Rechtschreibung nicht so genau...


madrilena hat Folgendes geschrieben:

„Ein bisschen schon,“
Das Komma nach den Gänsefüßchen.


madrilena hat Folgendes geschrieben:

Sie umarmte kurz die junge Frau, murmelte „ich versteh dich“ und dachte: ‘So müsste ich doch auch reagieren’, und jede Freude war wie ausgelöscht.
Groß


Ansonsten freue ich mich auf Marokko. Hab erst am Wochenende eine Reisedoku darüber gesehen und muss sagen, die Wüste finde ich überaus interessant!

Mach weiter so!


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Beitrag04.03.2013 14:24

von madrilena
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Hallo Gamone ich bin Dir für Deine Geduld wirklich dankbar. Manches habe ich schon wieder geändert, aber was Du gefunden hast, noch nicht. Also lieben Dank für Deine Aufmerksamkeit.

Ja, ich habe das neue Rechtschreibprogramm und das streicht ziemlich auffällig rot an, wenn ich z. B. 'es tut mir Leid' klein schreibe. Irgendwie möchte ich schon die neue Rechtschreibung einhalten. Ich habe meine Lesung aus meinem ersten Buch am Wochenende neu zusammen gestellt und muss sagen, es hat mich doch sehr gestört, dass ich da noch nach der alten Form geschrieben habe. Aber klar, es war 1998, da hatten wir noch keine "Reform". Von der ich sowieso nicht viel halte - die hätten mal die Groß- und Kleinschreibung abschaffen sollen wie in allen anderen Sprachen auch, aber so waren es peanuts, die geändert wurden und meist nur verwirren. Trotzdem...
Ich wünsche Dir einen wunderschönen Tag - endlich Sonne!
LG madrilena


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Beitrag05.03.2013 14:02

von Gamone
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Hallo Madrilena,
 Nichts zu Danken! Wie gesagt, ich mag Deine Geschichte einfach und möchte jetzt natürlich auch wissen, wie es weiter geht  
Manchmal bin ich echt blöd! Nachdem Du geschrieben hast, dass Du das neue Rechtschreibprogramm nutzt, hab ich mal nachgesehen und bemerkt, dass ich nur einen Haken im falschen Feld hatte   Sad

Ich freue mich auf mehr von Dir!
Aber genieß erst mal die Sonne  Wink


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Beitrag10.03.2013 21:58

von madrilena
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Hallo - so geht es weiter. Ich werde jetzt nacheinander ein paar Kapitel hier reinstellen. Bitte gebt mir eine ehrliche Kritik, sofern Ihr Lust habt, weiter zu lesen.
madrilena

9.
Einige Tage später rief Caroline an. Sollte sie ihr schon etwas von ihren Plänen sagen? Nein, lieber nicht, denn zum ersten Mal seit langer Zeit klang Caros Stimme unbeschwert, ja aufgeregt und froh. „Mam, hast du morgen Zeit? Können wir uns im Augustinerkeller zum Mittagessen treffen?“
„Natürlich! Gibt es etwas Besonderes?“
„Darüber sprechen wir dann morgen“, war Carolines knappe Antwort, bevor sie auflegte .
Lisa war gespannt, was Caroline ihr erzählen würde, denn so oft trafen sie sich nicht mitten in der Woche. Da musste schon etwas Wichtiges geschehen sein. ‚Eigentlich schade’, dachte sie wie so viele Male zuvor auch – ‘dass erst immer ein Grund da sein musste, dass man sich traf'.   
Andererseits war es auch gut so – Caroline hatte sich ihr eigenes Leben aufgebaut, und Lisa respektierte das und freute sich über die Selbständigkeit ihrer Tochter. Die begann gleich nach der Beendigung ihres Studiums, als sie zu ihrer Freundin Amelie gezogen war  und auch das verstand Lisa nur zu gut. Zu Hause erinnerte sie alles an den Vater, ein oft unerträglicher Zustand.  Lisa mochte Amelie, die eigentlich Emma hieß. ‘Mit so einem Namen kann man heute doch nicht mehr rumlaufen’, hatte die Freundin einmal empört zu Caroline gesagt. Und kurzerhand den Namen der Hauptdarstellerin ihres Lieblingsfilmes „Die fabelhafte Welt der Amelie“ angenommen.

Heute hätte sie sich eh nicht mit Caroline treffen können, sie war mit ihrer Gruppe in ihrem Lieblingscafé Dell’ Arte verabredet.
Sie wollte ihnen ihren Plan mit Marokko vortragen.
Sie spürte eine seltsame Aufregung. Das war ihr zuvor nie passiert. Es hatte stets ganz klare Entscheidungen gegeben. Entweder ein Einverstandensein oder die Ablehnung ihrer Reisepläne. Allerdings musste sie zugeben, dass  selten ein Plan von ihr abgelehnt wurde. Mit ihrer Euphorie hatte sie immer die Begeisterung aller geweckt.
„Ich hoffe, das gelingt mir heute auch.“
Die Schwestern Gudrun und Birgitta wollten kommen, auch Leonor, Christa und Isabelle. Claudia war sich noch nicht ganz sicher, ob sie mit auf Reisen gehen würde, wollte aber wenigstens bei der Besprechung dabei sein. Auch Klaus, Philipp und Werner hatten ihr Kommen zugesagt. Mit ihr selbst waren das, falls Claudia sich dagegen entschied, neun Leute. Mehr sollten es auf einer solchen Reise keinesfalls sein.

Während sie die Augustinergasse entlang schlenderte, dachte sie: ‘Nur noch eine Woche bis Weihnachten’! Die Leute hasteten an ihr vorbei, beladen mit Tüten und vollen Taschen.
‘Von mir aus könnte man dieses Fest abschaffen’. Es war zu sehr mit dem Früher verbunden. So voller lebendiger Erinnerungen an Freude, an heimelige Abende, an den Morgen des 24. Dezember, wenn Lukas und sie zusammen den Tannenbaum schmückten. Und Caroline vor lauter Ungeduld und Erwartung nicht spielen konnte.
Seit Lukas Unfall verbrachten sie und Caro den Abend erst im Krankenhaus, danach im Marienstift, wo sie gemeinsam an Lukas’ Bett saßen, eingehüllt in die Traurigkeit des Schweigens.

Sie bog in die Badergasse ein, sah schon von weitem, dass Gudrun und Birgitta, Leonor und Philipp bereits warteten. Sie betraten das Café. Lisa hatte einen Tisch im hinteren Teil des Lokals bestellt.
An den Wänden hingen einige gerahmte Fotografien, die Lisa Jared, dem Besitzer des Lokals nach ihrer Fotoausstellung, die sie in seinem Lokal machen durfte, geschenkt hatte.
Mittlerweile waren auch Christa, Isabelle, Werner und Klaus eingetroffen.
„Sollen wir auf Claudia warten? Sie sagte mir, dass sie heute kommen wollte, auch wenn sie die Reise eventuell nicht mitmachen würde.“  Lisa mochte die tiefe Stimme von Birgitta.
„Wir können uns doch erst mal einen Kaffee bestellen“, mischte sich Philipp ein, der sich wie meistens neben Lisa gesetzt hatte. ‘Offensichtlich meint er, dass dieser Platz ihm gehört. Dass es allmählich selbstverständlich ist, dass er neben mir sitzt. Und - ist es das’?
In diesem Augenblick kam Claudia, gehetzt wie immer. Lisa brauchte sich diese Frage im Augenblick nicht beantworten.
Wieder wandte sich Philipp an Lisa: „Na Frau Reiseleiterin, du machst es ja ganz schön spannend mit unserer nächsten Reise.“

Lisa musste grinsen. Anscheinend hatte Philipp ihr immer noch nicht ganz verziehen, dass er bei ihrem ersten Treffen so total daneben gelegen hatte.
„Ungeduldig“? Lächelnd blickte sie in die kleine Runde .
„Ein bisschen schon,“ meldete sich nun auch Werner .
Lisa bückte sich nach ihrer Aktentasche, die sie auf dem Boden abgestellt hatte, holte die Bildbände und Reiseführer heraus, breitete sie auf dem Tisch aus. Alle blickten gebannt auf die Titel der Bücher: Sahara. Marokko. Wüste.
Sofort setzte aufgeregtes Stimmengewirr ein:
„Du willst doch nicht etwa...?“
„He, so was haben wir ja noch nie gemacht!“
„Ist das nicht ein bisschen zu gewagt?“
Nur Philipp fragte sie direkt: „Soll das heißen, du willst nach Marokko? Nach Fez oder Marrakesch, nach Casablanca oder Agadir?“
„Nicht ganz! Marokko ja, die Städte nein“. Sie hielt einen Augenblick inne. Es fiel ihr doch schwerer als sie gedacht hatte, ihre Idee mit dieser Wüstenwanderung rüberzubringen. Sie nahm all ihre Freude, die sie in der Buchhandlung empfunden hatte, zur Hilfe und meinte: „Ich dachte, wir machen eine Wüstentour. Vielleicht zwei oder drei Wochen, wie ich es euch ja schon angedeutet hatte.“
„Na ja, so genau hast du uns das nicht gesagt“, warf nun Gudrun ein. Sie war die stillere der beiden Schwestern, und Lisa dachte: ‘Wenn Gudrun zustimmt, sind alle anderen auch zu überzeugen.’

Aber hier hatte sie die anderen Teilnehmer falsch eingeschätzt. Als sie von ihrem Plan sprach, als sie Isabell Eberhardts Worte laut vorgelesen und von einer Erfahrung am Rande der Unendlichkeit gesprochen hatte, waren alle von dieser Idee begeistert. Klaus fasste es mit den Worten zusammen: „Lisa, das wird etwas ganz und gar Einmaliges, etwas, das wir noch nie erlebt haben. Ich möchte dabei sein.“
Und Philipp fragte nur: „Wann soll es losgehen?“
„Das weiß ich nicht. Ich habe mich bereits nach einer Reiseagentur erkundigt und schon eine ausgemacht, die für uns in Frage käme“. Sie kramte in ihren Papieren, holte Prospekte hervor und meinte: „Ich habe an die hier gedacht: Ayadi Serail Reisebüro, geleitet von einer Monira Ayadi. Sie veranstaltet diese Reisen, fernab von den üblichen Touristenzentren. Ich hatte den Eindruck, dass sie die Richtige für die Planung unserer Reise ist“.
„Heißt das, du hast schon mit ihr Kontakt aufgenommen? Warst du so sicher, dass wir zustimmen würden?“
Lisa spürte, wie sie rot wurde, als sie Philipp antwortete: „Sicher? Nein, nicht wirklich. Ich hatte es gehofft. Aber wenn ihr nicht zugestimmt hättet“, sie zögerte, bevor sie hinzufügte, „dann würde ich diese Reise allein machen“. In die erstaunte Stille hinein, erklärte sie:
„Übrigens - Frau Ayadi ist Deutsche, verheiratet mit einem Marokkaner. Eigentlich heißt sie auch nicht Monira. Wegen ihres Namens habe ich sie gefragt, ob sie Marokkanerin sei. Sie hat gelacht und gemeint: ‘Nein, bin ich nicht, auch wenn Monira arabisch klingt. Der Name gefiel mir einfach. „Munir“ bedeutet leuchtend, hell oder strahlend. Das passt halt irgendwie zu meinem Leben’. Klingt doch sympathisch oder?“
Lisa erwähnte nicht, dass sie ein wenig wehmütig gedacht:hatte ‚ich hätte gern Sophie geheißen – aber ich gab meinem Namen nie eine Wichtigkeit. Warum eigentlich – das Erste wenn man jemandem kennen lernt, ist doch sein Name.?’  
„Da scheinen wir ja in den besten Händen zu sein“, bemerkte Birgitta.
„Okay. Ich nehme also jetzt Kontakt mit Frau Ayadi auf und lass mir die Art Reise, wie wir sie wollen, zusammenstellen. Ich möchte das aber nicht allein in die Hand nehmen“, bevor sie den Satz noch fertig gesprochen hatte, fiel ihr Philipp ins Wort: „Ich habe Zeit. Wenn du willst....“
‘Eigentlich müsste ich diesem Philipp mal seine Grenzen aufzeigen. Aber... muss ich das wirklich? Will ich das?'
Nachdem die anderen keine Einwände hatten, vereinbarten sie, dass Lisa alle per E-Mail auf dem Laufenden halten würde.  
Als sie auseinander gingen, sagte Claudia: „Lisa, ich fahr nicht mit. Ich kann nicht. Ich habe eine kranke Mutter, die möchte ich nicht so lange allein lassen“.
Es war Lisa, als hätte sie einen Faustschlag in den Magen bekommen. ‘Und ich?’ Sie hatte die letzte Stunde nicht einmal an Lukas gedacht. War nur erfüllt von ihren Reiseplänen, von ihren persönlichen Wünschen, die sie nie mehr mit ihm teilen könnte.  
Sie umarmte kurz die junge Frau, murmelte „ich versteh dich“ und dachte: ‘So müsste ich doch auch reagieren’, und jede Freude war wie ausgelöscht.




10
sie trafen zur selben Zeit vor dem Augustinerkeller ein. Lisa hakte sich bei Caroline unter. „Was ist los?  Du strahlst ja so!“
Gerührt betrachtete sie ihre Tochter, ihre so erwachsene Tochter. Wo war das kleine Mädchen geblieben mit den wippenden dunkelblonden Zöpfen, dem Ungestüm seiner Zärtlichkeit. Die Kleine, die sich vertrauensvoll in die Arme der Mutter schmiegte?
Caroline war größer als sie. Sehr schlank. Ihr Haar trug sie in einem Bürstenhaarschnitt mit blond gefärbten Spitzen. Vom Schminken hielt sie offensichtlich nicht viel, die Augen mit Kajalstift schwarz betont, dazu einen sehr hellen Lippenstift. Einmal hatte sie auf der nackten Schulter Carolines die Tätowierung einer kleinen schwarzen Rose entdeckt, und mit einer gewissen Wehmut
gedacht, ‚so eine kleine schwarze Rose wollte ich immer auf meine Schulter tätowiert haben, und nie habe ich mich getraut.’
„Nun sag schon, was ist das für eine Neuigkeit? He, kann es sein, dass du…?“
Zu ihrer Überraschung fasste Caroline sie plötzlich um die Taille und drehte sich mit ihr ausgelassen im Kreis. „Caroline, mir wird schwindlig, lass mich runter.’ Die Fußgänger, die neugierig stehen geblieben waren, störten sie nicht. „Ja. Ich hab’s“, rief Caroline lachend.
„Sie haben dir…“ prustete sie atemlos, nachdem sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
„Ja, ich hab die Stelle. In spätestens acht Wochen ist mein Weg nach Berlin frei.“.
‚In acht Wochen schon.’ Plötzlich schien es ihr, als verdunkelte sich die Sonne, als hätte eine riesige Hand das Strahlen dieses Tages ausgelöscht. Lisa versuchte krampfhaft, ihr Erschrecken zu verbergen. Es ist doch nur Berlin, wirklich keine so große Entfernung. Und trotzdem…
„Freude sieht aber anders aus“, Caroline sah sie forschend an.
„Nein, nein, ich freu mich mit dir. Es ist nur – es kommt so unerwartet.“
„Na, du bist gut. Unerwartet? Seit Monaten habe ich auf diesen Tag gewartet. Was ist daran unerwartet?“
„Nichts. Du hast ja Recht. Aber solange es nur Pläne waren, hab ich mir halt nicht vorgestellt, dass du gehst.“
„Heißt das, du hast die ganze Zeit sogar gehofft, dass es nicht klappen würde? Ist es wegen Papa?“
„Nein, um Gottes willen nein. Er wäre der Erste, der wollte, dass du deinen Weg gehst“. Sie griff nach Carolines Hand. „Bitte, versteh das nicht falsch. Ich freue mich wirklich für dich. Darüber, dass du erreichst, was du dir vorgenommen hast. Und dass es mit einem Job dort klappt. Trotzdem muss ich mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass du dann weg bist. Dass es Treffen wie heute nicht mehr geben wird.“
Im Stillen dachte sie: ‘Caro wird das sicher nicht verstehen. Wen wundert’s, es ist wahrscheinlich purer Egoismus von mir’. In diesem Augenblick legte ihre Tochter schweigend den Arm um ihre Schultern. ‘Sie hat mich also doch verstanden und trotzdem ist mir zum Heulen zumute’.
Sie betraten das Restaurant. Wie gut, dass sie vorsorglich einen Tisch reserviert hatte, sonst hätten sie wohl keinen Platz mehr bekommen. Nachdem sie die Getränke und das Essen bestellt hatten, sah Caroline ihre Mutter erwartungsvoll an, in der Stimme schon wieder diese Vorfreude:
„Willst du gar nicht wissen, bei wem und was ich arbeiten werde?“
„Natürlich. Wo, bei wem, als was. Du hast so viel Bewerbungen geschrieben, da kann ich nicht raten, wer dir endlich positiv geantwortet hat“.
Caroline lachte: „Du wirst es kaum glauben, ich habe eine Superstelle in der Sparte Medien beim Regins Verlag bekommen. Obgleich sie jemanden mit Berufserfahrung suchten, haben sie mich genommen. Wahrscheinlich wegen des Studiums und meiner Sprachkenntnisse.“.
„Und was musst du da machen?“
„Ach Mama, mein Arbeitsgebiet ist so riesig. Wenn ich dir das alles erklären wollte, könnten wir auch gleich noch das Abendessen bestellen. Nur so viel: Ich bin als Multimedia-Redakteurin eingestellt worden, falls dir das etwas sagt.“
Lisa konnte sich zwar nicht viel darunter vorstellen, aber Carolines Freude war so ansteckend, dass sie im Augenblick gar keine weiteren Erklärungen brauchte.
Caroline fragte leise: „Du besuchst mich doch in Berlin oder?“
„Worauf du dich verlassen kannst“.
Sie schaute Caroline voll freudigen Stolzes an. Ihr stehen alle Türen zu einem Leben voller Abenteuer und Herausforderungen offen.
Aufgeregt sprach Caroline weiter. „Stell dir vor, eine Wohnung sorgen sie mir auch. Aber das ist noch nicht alles.“ Sie strahlte Lisa an: „Was denn noch?“
„Amelie wechselt mit nach Berlin, und wir werden weiter zusammen wohnen.“
„Amelie kommt mit! Wie habt ihr denn das geschafft?
Und was arbeitet sie in Berlin“.
„Als Steuerfachangestellte wie hier auch, und ebenfalls wie ich in der Medienbranche.“
Sie schwieg einen Augenblick, sagte dann: „Papa wird sich gewiss auch für mich freuen, wenn er eines Tages von meinem Erfolg hört.“ Lisa nickte nur zustimmend und hätte doch so viel lieber gesagt: ‘Caro, mach dir bitte, bitte nichts vor. Er kann nicht mehr an deinem Leben teilnehmen’. Doch sie wusste, dass sie das nicht laut sagen durfte.
Noch nicht...


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Bücher im Alkyon Irmgard Keil Verlag/Marbach "Schatten umarmen" Kranichsteiner Literaturverlag.
1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
10:3934136303
2. "Schatten umarmen ISBN 10:3929265133
3. "...und die Zeit stand still" ISBN 10: 3934136311
4."leben" ISBN 10:3934136656
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madrilena
Klammeraffe

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Beitrag10.03.2013 22:03

von madrilena
Antworten mit Zitat

Ich weiß, es ist viel Text. Aber vielleicht  hat ja jemand von Euch Zeit, mir wenigstens kurz zu sagen, wie die Geschichte auf ihn/sie wirkt.
Danke
madrilena


11.
Sie wählte die Nummer vom Reisebüro Ayadi Serail und dachte gleichzeitig: ‘Lisa, du weißt hoffentlich, dass du damit etwas relativ Schwieriges in die Wege leitest?’  Sie zögerte, bevor sie die letzten beiden Zahlen wählte.  Sie wollte und die Gruppe wollte die Reise machen, warum dann zögern? Sie hatte den Leuten von der Gruppe versprochen, dass sie mit der Planung so schnell als möglich anfangen würde.
‘Du hast Philipp zugesagt, dass er dich unterstützen kann. Ja ja, anrufen werde ich wohl noch allein können’. Sie merkte, dass sie ihn gern sofort mit einbezogen hätte und das nicht nur wegen der Verantwortung, die dieses Unternehmen bedeutete.
Verantwortung! Ist das nicht ein bisschen übertrieben gedacht? Es handelt sich schließlich nicht um einen Klassenausflug mit kleinen Kindern. Alle Teilnehmer waren erwachsen genug, um für sich selbst zu entscheiden und auf sich selbst aufzupassen. Stimmt und stimmt nicht - sie war die Reiseleiterin, dachte sie, während sie darauf wartete, dass Frau Ayadi sich meldete.   
Ayadi Serail!  Der Name, der ihr bei ihrer Suche nach einem Reiseunternehmen sofort aufgefallen war. Er bedeutete Klang, war Geheimnis versprechend und gleichzeitig fremd und abenteuerlich. Frau Ayadi war selbst am Apparat und Lisa erinnerte sich daran, wie sehr sie sich schon beim ersten Kontakt darüber gefreut hatte, dass die Besitzerin dieses Unternehmens eine Frau war. Eine Frau, die sie verstand, was sie an ihrer Reaktion merken konnte, als sie  ihr von ihrem Vorhaben sprach. Obgleich Frau Ayadi Lisa sofort in ihre Kundenkartei aufgenommen hatte, wurde sie nicht von Angeboten  für  Städtereisen und Touristikziele überschwemmt. Man schickte ihr nur sehr ausgesuchte Prospekte über Wüstenwanderungen und verschiedene Reiseberichte zu.

„Frau Ayadi, hier ist Lisa Lohmann. Es ist soweit! Ich habe die Zustimmung meiner Gruppe zu dieser besonderen Reise. Sie erinnern sich?“
„Natürlich erinnere ich mich. Wir haben nicht viele Menschen, die ein solches Abenteuer buchen wollen.“
„Abenteuer! Ich hoffe es wird nicht allzu spannend und aufregend.“
„Wenn wir genau planen und ihre Leute sich diszipliniert an alle Vorgaben halten, sollte es keine Probleme geben. Fangen wir doch mit dem Einfachsten an. Wann wollen Sie fahren?“
„Wann ist denn die beste Zeit?“, Beantwortete Lisa diese Frage.
„Die beste Zeit ist das Frühjahr oder der Herbst. Da sind die Temperaturen noch erträglich, das Wetter meist schön, und wir haben genügend Zeit zur Vorbereitung“.
‘Genügend Zeit?’, dachte Lisa. ‘Das sind nur drei Monate, wenn wir den März als Reisemonat wählen’. Laut meinte sie: „Also im März?“
„Ok. Zuerst aber das Wichtigste. Wie haben Sie sich auf diese Reise vorbereitet?“
„In welcher Hinsicht?“
„Vor allem körperlich. Eine Wüstenwanderung ist anstrengend. Sie wollen nicht nur mal einen halben Tag ein bisschen Dünenluft schnuppern, sondern wirklich wandern und sogar wochenlang ohne wirklichen Kontakt mit Städten oder ähnlichem. Da brauchen sie die körperliche Voraussetzung und die richtige Ausstattung. Ich meine die persönliche Ausstattung wie Kleidung, Schlafsack, Medikamente und dergleichen. Die Zelte und alles Weitere stellen wir.“
„Und wer begleitet uns? Ich nehme doch an, dass sie Männer haben, die uns bei dieser Wanderung führen.
„Natürlich. Wie wollen sie das denn allein machen? Da muss jemand Ortskundiger führen, sie werden bekocht, sie werden in jeder Hinsicht versorgt. Ich habe bereits zwei Männer ausgesucht und ihnen von ihrem Wunsch erzählt. Beide freuen sich auf diese Wochen mit ihnen. Normalerweise kommen Reisende immer einen halben Tag in die Wüste, ersteigen die höchste Düne, lassen sich von den Begleitern ein wenig vom Leben in der Wüste erzählen und kehren dann in ihre Luxushotels zurück. Einer der Beiden, Samir, spricht sogar ganz gut deutsch.“
„Wieso denn das?“,wunderte sich Lisa.
„Weil er in Stuttgart Touristik und Sprachen studiert hat.“ Frau Ayadi lachte: „Ich hoffe, sie verstehen schwäbischen Akzent“.
Lachend beendeten sie das Gespräch und Lisa nahm sich vor, so bald als möglich ein persönliches Treffen mit Monira Ayadi zu vereinbaren. ‘Und dann soll Philipp mich begleiten, damit er auch Fragen stellen kann, die mir vielleicht nicht einfallen. Denn jetzt müssen wir wirklich Genaues planen, drei Monate vergehen ziemlich schnell’.
Sie würde sich nicht per Mail mit den Leuten in Verbindung setzen, sondern das Vorhaben bei einem Ausflug zum Schloss Seyn besprechen.


12

Für diesen Dienstag war der Tagesausflug nach Schloss Sayn geplant. Während Lisa in ihren roten Anorak schlüpfte, nahm sie sich vor, endlich mit Caroline über ihre Reisepläne zu sprechen. Sie konnte nicht einfach vier Wochen fortgehen, ohne erreichbar zu sein. Eigentlich hatte Caroline sie bei all ihren Unternehmungen immer unterstützt, aber das war vor Lukas Unfall gewesen. Danach hatte sie zwar zu den langen Wochenenden und Kurzreisen, die sie mit ihrer Gruppe machte, nichts gesagt, aber sie hatte den Vorwurf ihrer Tochter gespürt - es war plötzlich eine Fremdheit zwischen ihnen, die kaum zu ertragen war. ‘Darüber mach dir heute keine Gedanken’,  lenkte Lisa sich ab.
Sie war froh, dass ihr Beruf sie immer wieder die Möglichkeit bot, rauszugehen, die leere Wohnung, in der sie vor lauter Einsamkeit manchmal glaubte, keine Luft mehr zum Atmen zu haben, zu verlassen. Meist kamen diese Momente beim Frühstücken. Wenn sie allein auf ihrer Ottomane saß, wenn ihr niemand einen Guten Morgen wünschte, wenn keine Zeitung raschelte, keine Stimme fragte: „Hast du noch einen Schluck Kaffee?“ Statt dessen Stille, eine lärmende Stille, bei der sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte.
Während sie die Wohnungstür abschloss und zum vereinbarten Treffpunkt auf dem Domplatz ging, überlegte sie noch einmal den Ablauf dieses sonnigen Wintertages. Sie würden mit dem bestellten Bus zum Schloss Sayn fahren, von dem sie schon so viel gehört hatte. Nicht das im ehemaligen Glanz wieder auferstandene Schloss am Fuß des Burgbergs in der Nähe von Koblenz war es, was sie zu dieser Tour angeregt hatte. ‘Ich habe genug Schlösser, Klöster und Reste ehemaliger Tempelanlagen gesehen’, gestand sie sich heimlich ein. Natürlich sagte sie dies nie laut, zu schnell hätte sie ihren Ruf als an allem interessierte Reiseleiterin verloren. Sie wollte Ursprüngliches, Fremdes, Ausgefallenes, und genau das hoffte sie, im Schlosspark von Sayn zu finden.
Beim verspäteten Mittagessen  im Schlossrestaurant „Sayner Zeit“ wollte sie dann die Neuigkeiten, die sie von Frau Ayadi erfahren hatte, besprechen.
Nach der Ankunft und nachdem für den Bus ein Parkplatz gefunden war, zerstreute sich die Gruppe - Gudrun und Birgitta, die beiden Schwestern wollten ins Schloss. Die etwas scheue Isabelle streifte allein durch den Park mit seinen hohen, alterslosen Bäumen, den Bächen und Teichen.  Werner wollte erst einmal einen Kaffee und  Leonor und Christa schlossen sich ihm an. Lisa grinste, als sie sah, wie sehr sich Werner um Christa bemühte und wie diese immer vorgab, davon nichts zu merken.
Philipp und Claudia betraten mit ihr den Garten der Schmetterlinge.
Zwischen Bananen, Hibiskus und vielen anderen tropischen Pflanzen, umflattert von unzähligen Schmetterlingen, fühlte sich Lisa in eine andere Welt versetzt. Neugierig lauschte sie der Beschreibung des Gärtners, der ihnen den großen Atlas-Spinner aus China zeigte, der bewegungslos auf Orangenscheiben verharrte, weil der Saft und Duft der vergärenden Frucht ihn betrunken machte. Gebannt folgte  sie dem majestätischen Flug des blauen brasilianischen Morpho , dessen Freiheitsdrang am Dach des Glashauses endete.
Unvermutet das ganz Andere. Etwas, das sie noch nie miterlebt hatte. Sie vergaß die Gruppe, sie vergaß Claudia und Philipp. Sie fühlte sich in diesem Stückchen tropischen Urwalds hineingezogen in das Wunderbare einer Geburt.  Fasziniert stand sie vor einem großen Glaskasten und beobachtete die verpuppten Larven der Schmetterlinge. Voller Bewunderung erlebte sie, wie aus einem der an Fäden aufgehängten  Kokons ein Schmetterling schlüpfte. Ein  langsames, zögerndes, abwartendes Werden. Dann Innehalten. Der fast verzweifelte Versuch, wieder zurück zu kriechen in die Sicherheit der Hülle. Die Unmöglichkeit der Rückkehr. Das Zaudern und doch nicht mehr aufzuhaltende Entstehen eines völlig neuen Daseins befreit von irgendwelchen Fesseln. Aufsteigend in schwebendem Flug.
In diesem Augenblick wusste sie: ‘Das wird meine neue Arbeit. Das Thema einer Selbstverwirklichung. Habe ich danach nicht schon immer unbewusst oder bewusst gesucht? Doch warum gerade heute  die Konfrontation damit und warum gerade hier diese Begegnung’?
Neben ihr erklang die Stimme von Philipp Hochheimer: “Unglaublich.  Erst der verschlossene Kokon. Dann das Wagnis, den Schutz und die Wärme hinter sich zu lassen und zuletzt die Freiheit des Davonfliegens.“
Sie hatte ihn erstaunt angesehen - er hatte das Gleiche empfunden wie sie, hatte Gefühle  in Worte gefasst, die sie nie bei ihm vermutet hätte.  
Leise antwortete sie: „Das möchte ich erschaffen, eine solche Trilogie“.
„Wie erschaffen? Malend?“
„Nein! In Stein,“ damit wandte sie sich ab. Sie wollte nicht von ihrer anderen Welt, von ihrer Welt aus Stein sprechen. Was aber nicht verhinderte, dass sie sich insgeheim über seine Feinfühligkeit freute.
Sie musste jetzt allein sein, die Vorstellung ihrer nächsten Arbeit tauchte wie aus einem wabernden Gedankennebel auf, nahm Gestalt an. Sie wollte diese Schmetterlingstrilogie schaffen, werdendes Leben aus Wachsen, Verweilen und endgültigem freiem Abschiednehmen.
Doch allein sein konnte sie jetzt nicht, denn Claudia war neben sie getreten, auch sie hatte die Worte von Philipp gehört und meinte: „Hat das, was Philipp eben sagte, nicht auch mit Sterben zu tun?“
Lisa sah sie erstaunt an: „Mit Sterben? Nein, doch eher mit Leben oder?“
„Warum nicht? Ist es nicht auch ein Wagnis, den Schutz und die Wärme des Lebens zu verlassen? Gibt es da nicht auch die Hoffnung auf eine unbegrenzte Freiheit“?
„Möglich. Aber wir wissen es nicht. Was wir aber voraussetzen können, ist, dass der Schmetterling erst einmal leben wird“.
„Ich hatte an meine demente Mutter gedacht. Müsste es nicht wunderbar sein, in eine unbegrenzte Freiheit eintreten zu dürfen, statt hier im Schutz wärmender Fürsorge nichts mehr vom Leben zu spüren“?
Lisa erschrak so sehr, dass sie anfing am ganzen Körper zu zittern. War ihr deshalb die Idee zu ihrem neuen Werk gekommen, weil sie sich von Lukas befreien wollte? Oder weil sie ihm im Geheimen den Tod wünschte? Damit sie, Lisa, frei sein konnte? War Claudia das Spiegelbild ihrer geheimen Wünsche und den damit verbundenen Schuldgefühlen, ohne es zu ahnen? Keiner in der Gruppe wusste von Lukas.
Behutsam legte sie den Arm um Claudia und stumm begaben sie sich zum Rest der Gruppe, die sich  im Restaurant versammelt hatte. Lisa war froh, dass Claudia keine Antwort von ihr erwartete und sich stattdessen zu Klaus an den Tisch setzte.

Sie selbst versuchte, ihre Fassung wieder  zurück zu gewinnen, schob alles, was ihr in der letzten halben Stunde begegnet war von sich und begann den Anwesenden vom Gespräch mit Monira zu berichten, von der Absicht, im März zu starten und was es mit den Vorbereitungen auf sich hatte.
„Schon im März“, die Stimmen fragten im Chor.
„‚Worauf eigentlich noch warten? Wir wollen die Wanderung machen, wir können uns in drei Monaten darauf vorbereiten, also erscheint mir das Frühjahr besser als der Herbst.“ Die Antwort wurde kommentarlos akzeptiert.
„Was meint diese Monira mit den persönlichen Vorbereitungen?“, fragte Klaus.
„Mir war das auch nicht ganz klar, so dass ich fragte, wie sie das meinte. Ob sich das aufs Körperliche, Seelische oder Geistige bezog. Sie antwortete, vor allem das Körperliche. Auf das Seelische und auch Geistige hätten wir uns ja schon durch die Absicht eingelassen, überhaupt eine solche Wanderung machen zu wollen.
Also habe ich ihr aufgezählt, wie ich mich fit halte. Viel Laufen, Fitnesscenter und dort ein Krafttraining,, Treppen steigen. Außerdem habe ich mich in einer Gruppe für besondere Atemtechniken angemeldet. Viel mehr fällt mir jetzt nicht ein.“
„Glaubst du, dass wir dieses Riesenprogramm innerhalb von drei Monaten schaffen?“ , die Stimme von Leonor klang sehr skeptisch
"Ich glaub schon. Erstens sind drei  Monate, wenn man täglich ein Fitnessprogramm durchzieht, viel Zeit. Außerdem waren unsere Reisen nie bequeme Ausflüge in das nächste Café“.
Sie lachten und Leonor fragte noch: „Wie ist es mit den persönlichen Dingen? Was ist praktisch, was ist mitzubringen und was ist unnötig?“
Werner rief scherzend in die Runde: „Ihr Frauen könnt ruhig euren Lippenstift mitbringen“, was ihm einen eher strafenden Blick von  Gudrun eintrug.
Lisa nahm das Gespräch wieder auf: „Was wir am besten in den Koffer packen sollen, habe ich natürlich auch gefragt. Ich muss zugeben, ich habe nach Frau Ayadis Vorschlägen etwas ratlos vor meinem Kleiderschrank gestanden, Ich zähl einfach mal auf, was sie   so angeregt hat. Ihr braucht aber  nicht mitzuschreiben, ich schicke noch eine Liste an Eure Adressen. Also:  Wanderschuhe und Sandalen, einen warmen Pyjama für die Nacht und Kleidungsstücke, die in Zwiebelmanier an- und ausgezogen werden können, das alles ist logisch. Aber an eine Taschenlampe hätte ich nie gedacht. Und einen Schlafsack muss ich mir noch kaufen. Kleine Zelte für je zwei Personen zum Übernachten werden gestellt, aber vielleicht schlafen wir ja eher unter freiem Himmel in unseren Schlafsäcken. Außerdem gibt es zwei Einzelzelte  zum Um- oder Anziehen. Und Monira hat noch daran erinnert, viele Feuchtigkeitstücher mitzunehmen, Luxusbäder gäbe es nicht, hatte sie lachend hinzugefügt. Ich würde außerdem dazu raten, einen Rucksack mitzunehmen. Erstens ist er leichter zu tragen und zweitens stell ich es mir ein bisschen lächerlich vor, mit einem Koffer durch die Wüste zu wandern.“
Lisa spürte, wie die Spannung bei ihrer kleinen Gruppe stieg, so, als würden sich alle erst jetzt bewusst, dass dieses Abenteuer Wirklichkeit werden würde.
Abschließend meinte sie noch: „Ich nehme noch ein Schreibheft und Kugelschreiber mit und natürlich Fotoapparat und Filme“.


13
Am nächsten Morgen ging Lisa in ihr kleines Lager im Kellergeschoss, Ausschau haltend nach einem passenden Stein für ihre zukünftige Aufgabe, die sie sich seit gestern vorgenommen hatte. Und entdeckte den weißen Macael, einen Marmor aus der Nähe von Almeria, den sie irgendwann einmal erstanden hatte. Weißer Macael - er zierte schon seit mehr als 700 Jahren die Alhambra von Granada in Spanien. Sie nahm den zweirädrigen Karren, den sie sich extra für solche Gelegenheiten angeschafft hatte und brachte den Stein in ihre Wohnung. Sie brauchte ziemlich viel Kraft, um ihn vom zweistöckigen Transporter rüber auf ihren Bock zu schieben.
Und dann war ihr, als wollte dieser Stein, dessen Reinheit im frühen Licht besonders intensiv strahlte, wie mit einer geheimen Kraft all ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken. Sie  spürte plötzlich den intensiven Wunsch, mit ihm zu sprechen, ihm zuzuflüstern: ‚Hallo, kannst du mich hören? Ich habe dich ausgesucht, um aus dir heraus etwas Wunderbares zu gestalten – bist du damit einverstanden?’
Gleichzeitig empfand sie wieder diese Magie, die von dem Macael auszugehen schien, obgleich er doch bisher für sie noch nichts anderes verkörperte als einen Traum. Nein, nicht nur Traum – er war mehr, viel mehr - er war ein Zeichen für Unvergänglichkeit.
Vor Tagen las sie in einem Buch über Mythen eine kleine indonesische Geschichte, die sie so  sehr berührte, dass sie das Büchlein mit ins Pflegeheim genommen und Lukas daraus vorgelesen hatte. Wollte sie ihn mit diesem Vorlesen mit einbeziehen in ihre Arbeit, in ihre Träume und Pläne? Leise begann sie:
„Dieser Mythos spielt am Anfang aller Zeit, der Himmel war noch ganz nah über der Erde.“
Eines Tages ließ Gott für das erste Menschenpaar seine Gaben an einer Schnur hinunter. Einmal schickte er ihnen einen Stein, aber erstaunt und verletzt wiesen die Menschen ihn zurück. Ein wenig später ließ Gott an der Schnur eine Banane hinunter, die sofort freudig entgegengenommen wurde. Da hörten sie über sich die Stimme des Schöpfers: „Ihr habt die Banane angenommen, also wird euer Leben so vergänglich sein wie das einer Frucht. Wenn ihr aber den Stein gewählt hättet, so wäre euer Leben wie das des Steins, unveränderlich und unsterblich.“
Unsterblich! Während sie sich dieser kleinen Parabel erinnerte, überfiel sie eine tiefe Trostlosigkeit. Sie vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Immer wieder tauchte sie auf, diese latent stets vorhandene Angst vor dem Nichts, vor dem Tod.
Sie hätte Lukas so gern gefragt, ob er durch seine jetzige Situation in dieses Nichts schon abgetaucht war. Ob er noch Angst hatte? Sie je gehabt hat?
Wieder einmal verdrängte sie, wie meistens, diese Gedanken und kehrte in die Gegenwart, in ihr Atelier zurück.  
Sie hob den Kopf, ein Sonnenstrahl, der durch die weit geöffneten Fenster schien, blendete sie. Und da sah Lisa den Macael wieder in jenem unwirklichen, eher überirdischen Licht aufleuchten, ein Licht, das das Gegenwärtige verdrängte. Jede Pore und jede Kante, jede Schnittstelle und Unregelmäßigkeit strahlte in einem Glanz, wie sie ihn noch nie in ihrem Leben wahrgenommen hatte. Sie erhob sich, zitternd und unsicher, ertastete mit bebenden Händen  seine Oberfläche, legte ihre Finger in seine Vertiefungen, und es schien, als wollte der Stein sein Geheimnis enthüllen. Tränen liefen ihr übers Gesicht, als sie dachte: ‘Ich fühle mich so lebendig, ich sehne mich so sehr danach, aufzubrechen!
Wohin?
Sie wusste es nicht. Vielleicht in eine neue Gedankenwelt, in fremde Kontinente, in noch nie gelebte Erfahrungen….
Und Lukas...?
Und Caroline...?


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1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
10:3934136303
2. "Schatten umarmen ISBN 10:3929265133
3. "...und die Zeit stand still" ISBN 10: 3934136311
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Vogel
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Goldene Neonzeit


Beitrag11.03.2013 12:14

von Vogel
Antworten mit Zitat

Hi,  habe gerade wenig Zeit, aber ich werde demnächst weiterlesen.

Gruß
Vogel


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Gamone
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G
Beitrag11.03.2013 12:35

von Gamone
Antworten mit Zitat

Hallo Madrilena,
ich mal wieder!

Diesmal habe ich auch ein paar inhaltliche Erbsen  Wink
Aber erst mal der Reihe nach:


madrilena hat Folgendes geschrieben:

Lisa erwähnte nicht, dass sie ein wenig wehmütig gedacht:hatte ‚ich hätte gern Sophie geheißen – aber ich gab meinem Namen nie eine Wichtigkeit. Warum eigentlich – das Erste wenn man jemandem kennen lernt, ist doch sein Name.?’



Erklärt sich von selbst



madrilena hat Folgendes geschrieben:


sie trafen zur selben Zeit vor dem Augustinerkeller ein.

 Sie groß

Im Folgenden Abschnitt hat mich das viele "sie" verwirrt. Ich musste es zweimal lesen, um zu verstehen wer gerade was sagt.


madrilena hat Folgendes geschrieben:

Einmal hatte sie auf der nackten Schulter Carolines die Tätowierung einer kleinen schwarzen Rose entdeckt, und mit einer gewissen Wehmut
 gedacht, ‚so eine kleine schwarze Rose wollte ich immer auf meine Schulter tätowiert haben, und nie habe ich mich getraut.’

Da soll doch bestimmt kein Absatz hin, oder?

madrilena hat Folgendes geschrieben:

„Amelie kommt mit! Wie habt ihr denn das geschafft?
 Und was arbeitet sie in Berlin“.

hier auch nicht


madrilena hat Folgendes geschrieben:

„Als Steuerfachangestellte wie hier auch, und ebenfalls wie ich in der Medienbranche.“

Arbeiten Steuerfachangestellt nicht bei Steuerberatern? Oder arbeitet sie Berufsfremd? Aber dann arbeitet sie nicht mehr als Steuerfachangestellte ...


madrilena hat Folgendes geschrieben:

„Nein! In Stein,“

Das Komma nach hinten


madrilena hat Folgendes geschrieben:

Also habe ich ihr aufgezählt, wie ich mich fit halte. Viel Laufen, Fitnesscenter und dort ein Krafttraining,, Treppen steigen.

Erklärt sich selbst

madrilena hat Folgendes geschrieben:

Abschließend meinte sie noch: „Ich nehme noch ein Schreibheft und Kugelschreiber mit und natürlich Fotoapparat und Filme“.


Wirklich Filme? Im Zeitalter von Digitalkameras finde ich Filme ziemlich umständlich. Nicht nur, weil Lisa in ihrem Rucksack nur begrenzten Platz hat, auch weil es in Wüsten bekanntlich sehr heiß ist und sie wenig bis kaum Möglichkeiten haben dürfte, die Filme ausreichen zu kühlen/ vor der Wärme zu schützen.


Und dass Lukas' Zustand niemand in der Gruppe bekannt ist, halte ich für unwahrscheinlich. Du schreibst doch zu Anfang, dass die Gruppe schon seit vielen Jahren zusammen verreist. Dann entsteht auch etwas wie Vertrautheit oder Freundschaft und dass das Leben einer Teilnehmerin von den anderen unbemerkt zusammenbricht, möchte ich nicht glauben.
Und genau dass ist doch nach dem Unfall passiert, oder? Ausserdem ist sie danach nur ncoh kurzzeitig verreist, dass würde den Teilnehmern doch auch auffallen. Und irgendjemand würde bestimmt nach dem Grund fragen. Meine ich zumindest.

Das waren nun meine Erbsen.
Ich freue mich dann auf die Fortsetzung!  Wink


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madrilena
Klammeraffe

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Beitrag11.03.2013 15:51

von madrilena
Antworten mit Zitat

Hallo Simone - Du bist wirklich ein Schatz - ich habe bereits all Deine Anregungen und Verbesserungen eingefügt.
Zum Thema Lukas! Für die Entwicklung des Romans (Verhältnis mit Philipp) möchte ich verschweigen, wie es um Lukas steht. Das soll dann nachher eine völlig unerwartete Lösung möglich machen. Ich glaube schon, dass man Privat und Beruf trennen kann. Allerdings habe ich den Satz jetzt folgendermaßen ergänzt:
Keiner in der Gruppe wusste von Lukas. Sie hatte immer Gründe erfunden, warum sie mit dem Reisen kürzer treten wollte oder warum auch einmal ein Ausflug, eine Tagesfahrt oder ein langes Wochenende ausfallen musste, wenn Lukas sie brauchte.
Vielleicht muss ich diese Haltung noch aufgeben, aber vorläufig möchte ich bei dieser Version bleiben.
Vielen Dank für Deine Hilfe.
LG Hilde


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Gamone
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Beitrag11.03.2013 17:20

von Gamone
Antworten mit Zitat

Hallo Hilde,

wie ein Beruf kam mir diese Art Reiseleitung bisher gar nicht vor. Eher wie ein Hobby. Deshalb konnte ich mir wohl auch schlecht vorstellen, dass man so eine Lebensänderung einfach verschweigen kann. Dazu gehört viel Disziplin! Ich meine, so gar keinen Muks von sich selbst zu offenbaren und das bei gemeinsamen Reisen... aber da kann ich wohl auch nur von mir ausgehen.
Allerdings, wenn Lisa diese Gruppe wirklich nur beruflich sieht, ist das doch nachzuvollziehen.
Den gänderten Satz finde ich gut und er macht das für mich auch verständlich.


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madrilena
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Beitrag12.03.2013 16:25

von madrilena
Antworten mit Zitat

Danke Simone für Deine treue Begleitung meines Textes. Es ist immer gut, zwei oder mehr Meinungen zu hören, weil man viel zu sehr auf den eigenen Text fixiert ist. Das nächste Kapitel ist mir sehr wichtig, weil es eine wichtige Problematik des Buches zum ersten Mal anspricht. Ist es übertrieben geschrieben? Es muss hart rüberkommen, weil ich sonst nicht darauf aufbauen kann.
Bin gespannt auf Kritik.
Gruß madrilena


14.
Auf ihrem Handy fand Lisa eine Woche später eine kurze SMS. „Ich muss dich sprechen. Caroline“
Das war eigentlich überhaupt nicht Carolines Art. Sie wusste, dass ihre Mutter keine SMS mochte, entweder Telefon oder Mail, aber diese bis ins Unkenntliche abgekürzten Mitteilungen - nein, das war nicht ihr Stil. Als sie zurückrufen wollte, war das Handy von Caro ständig ausgeschaltet, nur die Mailbox war an. Also schrieb sie ebenso kurz zurück: „Wann“.
Postwendend kam die Antwort „Komm morgen zu dir“. Also hatte sie doch die Nachricht gehört? Was war geschehen? Warum die Kürze und warum keinen persönlichen Kontakt? Lisa spürte eine Unruhe, deren Grund sie sich nicht vorstellen konnte.
Caroline kam schon sehr zeitig. Aber da Lisa das erwartet hatte, war sie auch schon früher als gewöhnlich aufgestanden. Hatte Kaffee gekocht und ein paar Brote gerichtet.
Wortlos ging Caro an der Mutter vorbei, drehte sich dann abrupt um und meinte: „Ich war gestern im Marienstift!“
Am liebsten hätte Lisa gesagt: „Na und“. Aber sie wartete ab, was kommen würde.
„Ich habe mit Professor Zimmer gesprochen“.
„Und? Gibt es etwas Neues? Das müsste dann aber sehr plötzlich geschehen sein, denn ich war ja gestern auch bei Deinem Vater“.
„Nein, Neuigkeiten gibt es nicht. Es sei denn, du empfindest die Tatsache, dass Papa auch zu Hause hätte gepflegt werden können, als Neuigkeit. Dass es eine andere Möglichkeit gegeben hätte,  habe ich heute im Stift von einer Schwester erfahren“.
Lisa spürte, wie die Beine unter ihr nachgeben wollten. Jetzt war es also doch geschehen. Sie hätte Caroline so gern verschwiegen, dass es zwei Lösungen gegeben hatte. Sie ließ sich auf den nächstbesten Sessel nieder und sagte: „Ich wollte nicht, dass du dies erfährst. Ich wollte nicht, dass wir beide mit dem Zweifel weitergelebt hätten, ob die oder jene Entscheidung richtig gewesen wäre.
„Die oder jene Entscheidung! Machst du Witze? Es hätte für mich nur eine einzige Entscheidung gegeben“.
Bitter dachte Lisa: ‘Klar, du ziehst hier aus, und ich bin den ganzen Tag ans Haus gefesselt - vielleicht Monate oder gar Jahre!’ Laut sagte sie: „Ich fühlte mich nicht in der Lage, diese Verantwortung zu übernehmen“.
„Aber er ist doch dein Mann. Du hast ihn einfach der Pflege anderer überlassen! Hast nur an dich gedacht“!
„Jetzt reicht es“, Lisa war aufgesprungen. „Deine Vorwürfe kannst du dir sparen. Oder hättest du auf Berlin verzichtet, um mit mir die Pflege deines Vaters zu übernehmen? Hättest du auf irgendetwas verzichtet? Wärst du nicht zu Amelie gezogen, weil dein Vater hier gelegen hätte? Weißt du, was es bedeutet, Tag und Nacht bereit sein zu müssen? Für seine Ernährung sorgen, für seine Verdauung, ihn zu waschen und zu windeln, die Urinbeutel zu leeren, ihn alle zwei Stunden im Bett umzudrehen, damit er sich nicht wund legt trotz der Sonderanfertigung seines Bettes? Kannst du dir das vorstellen? Und obendrein die Angst, irgendetwas falsch zu machen, der Aufgabe und vor allem der Verantwortung nicht gerecht zu werden? Ich habe nicht Medizin studiert, ich habe keine pflegerischen Erfahrungen“.
Caroline blickte ihre Mutter verächtlich an. „Das mag alles stimmen, aber wenn ich einen Menschen liebe, dann hätte ich mir irgendwie diese Kenntnisse angeeignet. Du hättest dir ja tagsüber eine Schwester dazu holen können. Nein, gib es doch zu. Du wolltest frei sein. Du wolltest diese Verpflichtung nicht, du wolltest deine Reisen, deine Kunst, deine Zeit für dich“.
„Selbst wenn es so wäre, was ist daran so schwer verständlich? Ich war 46, als dieser Unfall passierte. Jahrelang kannte ich nichts anderes als tagein tagaus am Bett deines Vaters zu verbringen. Ich konnte verstehen, dass du das Leid, deinen geliebten Vater so da liegen zu sehen, nicht ertragen konntest und deshalb immer seltener ins Krankenhaus kamst. Ich wollte bei ihm sein, ich hoffte, ihm meine Kraft geben zu können. Ich wartete auf ein Lebenszeichen,  Stunde um Stunde. Ich betete und fluchte und weinte und klammerte mich an all die positiven Geschichten, die ich über diesen Zustand im Internet recherchiert hatte - aber nichts geschah. Ich war allein! Begreifst du das nicht? Und so sollte es den Rest meines Lebens weitergehen? Nein, das konnte ich nicht ertragen - ob du das  akzeptieren kannst, akzeptieren willst, ich jedenfalls konnte nicht mehr. Nach der endgültigen Diagnose von Professor Zimmer habe ich anderthalb Jahre nach einem guten, einem gepflegten und schönen Heim für meinen Mann gesucht, anderthalb Jahre hatte der Professor mir Zeit gelassen. Mir - nicht uns! Dich wollten wir damit nicht belasten. Kannst du mich überhaupt nicht verstehen“?
Lisa merkte, wie flehend ihre Stimme klang. ‘Das will ich nicht, nein, ich möchte sie nicht anflehen, meine Handlungsweise zu begreifen. Dafür verbindet uns doch viel zu viel, sie muss, sie wird mich verstehen’!
Doch Caroline drehte sich nur um, schnappte sich ihren kleinen Rucksack und wandte sich zum Gehen. „Ich dachte, Papa wäre deine große Liebe. Ich dachte, eine Ehe bedeutet, alles miteinander zu teilen. Wie heißt es so schön: Freud und Leid! Offensichtlich hat deine Liebe für die Freude gereicht, aber nicht fürs Leid“.
Lisa stellte sich ihrer Tochter in den Weg.
„Caroline, ich habe dir eben gesagt, ich war 46 Jahre alt, 46 - als dieses schreckliche Unglück geschah. Mein Mann war mit dir zusammen das Ein und Alles in meinem Leben. Aber er kennt uns nicht mehr, sein Leben, wenn man es überhaupt so nennen will, spielt sich in Zonen ab, in die ich nicht vordringen kann. Er existiert nur noch, aber ich lebe! Du gehst in deine Zukunft, und ich bin stolz darauf, wie du das bewältigst. Und ich- ich muss in meine Zukunft gehen. Und die kann nicht aus Selbstaufgabe und Einsamkeit bestehen. Ich glaube auch nicht, dass du mir das wünschst. Einsame Tage, leben in der Vergangenheit. Das ist es doch nicht, was du von mir verlangen kannst“.
Caroline schob sie ungeduldig zur Seite. „Lass mich durch. An meiner Meinung bist du eh nicht interessiert, weil du wie immer das machst, was du für richtig hältst“.
Lisa starrte ihre Tochter entgeistert an: „Das ist nicht dein Ernst. Über mich und damit auch über dich hat das Schicksal entschieden. Ich hatte einen wunderbaren Mann und du einen Vater, wie ein Kind ihn nur selten findet. So wird es nie mehr sein. Auch wenn du solche Gedanken ablehnst,  du weißt so gut wie ich - sollte er eines Tages aufwachen, wogegen  alle Tatsachen sprechen, bleibt sein Gehirn so schwer geschädigt, dass wir für ihn auch dann nicht mehr existieren. Ich aber lebe“!
Caroline stürmte an ihr vorbei zur Tür, riss sie auf und stieß wütend hervor: „Ich verstehe dich nicht, aber das wird dich wahrscheinlich nicht  interessieren. Du hast Papa abgeschoben, aber so etwas willst du gewiss nicht hören“.
Die Tür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss.
Lisa blieb wie betäubt zurück. Suchte Halt, hatte das Empfinden, als sei in diesem Moment wie nach einem Erdbeben ihre ganze Welt auseinander gebrochen. Hastig trat sie ans Fenster, zerrte ungestüm am Fenstergriff, wollte rufen, als Caroline aus dem Haus stürzte, mit einer Passantin zusammen stieß, sich aber offensichtlich nicht mit einer Entschuldigung aufhielt, sondern davon rannte. Lisa brachte keinen Ton heraus.
Zitternd wandte sie sich ins Zimmer zurück. Was habe ich nur falsch gemacht? Meine Tochter und so viel Egoismus! Egoismus? Nein, das ist es doch gar nicht, es ist kindliches Aufbegehren gegen die Wirklichkeit.
Aber das Wort „abgeschoben“ dröhnte in ihrem Kopf wie ein von Donnerstimme gesprochenes Urteil.
Plötzlich erfüllte sie ein unbändiger Zorn, den sie laut herausschrie: ‚Soll ich etwa auf Abruf bereit stehen? Kein eigenes Leben mehr führen dürfen? In trauernden Erinnerungen verharren? Leb ich nicht genauso wie du, hab ich kein Recht darauf zu fühlen, zu lieben und noch etwas anderes in meinem Dasein zu haben als Pflegeheim, Arbeit und darauf warten, dass mich meine Tochter braucht’?
Ihre Wut brach so rasch in sich zusammen, wie sie gekommen war. ‘Lukas, verzeih mir. Ich habe dich nicht abgeschoben. Ich habe so verzweifelt nach einem Weg gesucht, der für dich, aber auch für mich der richtige ist'.


_________________
Bücher im Alkyon Irmgard Keil Verlag/Marbach "Schatten umarmen" Kranichsteiner Literaturverlag.
1. "den Himmel mit Händen fassen" ISBN
10:3934136303
2. "Schatten umarmen ISBN 10:3929265133
3. "...und die Zeit stand still" ISBN 10: 3934136311
4."leben" ISBN 10:3934136656
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